Tatort: Wodka Bitter-Lemon - Franz Peter Wirth (1975)

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Tatort: Wodka Bitter-Lemon - Franz Peter Wirth (1975)

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● Folge 50: WODKA BITTER-LEMON (D|1975)
mit Hansjörg Felmy, Karin Eickelbaum, Willy Semmelrogge und Gustl Bayrhammer als Kriminaloberinspektor Veigl
Gäste: Claudia Amm, Heinz Bennent, Sky du Mont, Sabine von Maydell und Margot Trooger sowie Lil Dagover
eine Gemeinschaftsproduktion der ARD | mit dem O.R.F | eine Sendung des NDR
Regie: Franz Peter Wirth


Eines Abends nimmt der Fabrikant Martin Koenen ein junges Mädchen, welches gerade aus einer Diskothek kommt, auf einen Drink mit zu sich nach Hause. Es stellt sich heraus, dass sie eine Auszubildende in seinem Betrieb ist. Koenen nimmt diese Nachricht unter Schock auf, da er an seine Reputation denken muss. Um klare Gedanken fassen zu können, lässt er das Mädchen für einige Minuten alleine. Als er zurückkommt und sie hinaus bitten möchte, ist sie tot. Er verliert die Nerven und alarmiert nicht die Polizei, er schafft die Tote weg und platziert sie auf einer Parkbank. Die Untersuchungen von Kommissar Haferkamp ergeben schließlich, dass die Tote durch Gift getötet wurde und die Spur führt zunächst in den Betrieb und unmittelbar danach in die Koenen-Villa. Dort sieht sich Haferkamp mit einer eigenartigen Familien-Dynastie konfrontiert, bei der sich insbesondere die Schwester des mittlerweile mordverdächtigen Martin Koenen als schwierige Kontrahentin bei den Ermittlungen herausstellt. Auch seine Frau Petra hinterlässt einen merkwürdig abgeklärten Eindruck, doch ist das Motiv tatsächlich Eifersucht? Das erscheint Kommissar Haferkamp zu einfach zu sein, und schließlich führt ihn sein Weg bis in die besseren Kreise von Sylt, wo seine geschiedene Frau Ingrid entscheidende Hinweise in diesem Mordfall sammeln kann...

Diese 1975 unter der Regie von Franz Peter Wirth entstandene fünfzigste Folge gilt als stiller Klassiker der "Tatort"-Reihe. Wo die Besetzung ohnehin für sich selbst spricht, hat man es darüber hinaus mit einem sehr raffinierten Kriminalfall zu tun, bei dem vor allem das mühsame Aufschlüsseln sehr interessant dargestellt wurde. Einen besonderen Charme bekommt "Wodka Bitter-Lemon" durch die interessanten Schauplätze, wie beispielsweise die Koenen-Villa, die Firma oder die Anlaufstellen für die bessere Gesellschaft, aber vor allem das letzte Drittel auf Sylt wird zum großen Genuss. Wieder einmal gibt es ein Crossover und man sieht in einer Kurzen Sequenz den Münchner Kollegen Veigl, der Auskünfte bei der Überprüfung eines Alibis erteilt. Die kluge Inszenierung lässt trotz einer ruhigen Herangehensweise keine besonderen Längen oder Leerlauf aufkommen, und für das Gelingen ist über weite Strecken Hansjörg Felmy mit verantwortlich. Es ist als großes Glück anzusehen, dass man mit ihm einen sehr prägnanten "Tatort"-Kommissar zur Verfügung hatte, dessen Strategie stets transparent für den Zuschauer vermittelt wird, und dessen Kraft in der Ruhe liegt. Er hört zu, beobachtet, filtert wichtige Informationen intuitiv aus Gesprächen heraus, er zieht seine Schlüsse mit glasklarem Verstand sowie gesundem Verständnis, und dabei ist er kein Freund irgendwelcher fragwürdigen Tricks. Er wirkt souverän und fair. Die Privatperson Haferkamp wird im Zusammensein mit Karin Eickelbaum, seiner geschiedenen Frau, die spontan und sympathisch wirkt, sehr gut gezeichnet, und insgesamt wirken Geschichte und Personen sehr ausgewogen und greifbar. Die erweiterte Besetzung ist hier eine wahre Pracht.

Wo soll man da bloß anfangen und wer hinterlässt den bemerkenswertesten Eindruck? Es ist Vorweg zu nehmen, dass die Riege der Darsteller auf höchstem Niveau funktioniert. Ganz ausgezeichnet wirkt Claudia Amm als Petra Koenen, die jüngere Ehefrau des Mordverdächtigen. Sie, die sich zur Tatzeit in München befand, kommt zurück in ein Haus, in welchem sie seit jeher nur als Fremdkörper angesehen wird. Sie erträgt diesen fast klaustrophobischen Zustand seit geraumer Zeit und quittiert dies mit einer offensiven Unempfindlichkeit gegenüber allen Rahmenbedingungen. Claudia Amm wirkt besonders in den Gesprächen mit Hansjörg Felmy sehr kühl und distanziert, und lässt dabei auch Raum für nachdenkliche Tendenzen. Sie wirkt geheimnisvoll. Oftmals betont sie, dass sie mit ihren Aufgaben und Pflichten vertraut sei, daher funktioniert sie auch wie es von ihr verlangt wird. Ihre Schwägerin Adele wird von der großartigen Margot Trooger dargestellt, die man hier in ihrer vorletzten Rolle sieht. Als Haferkamp anmerkt, ob man in gewissen Angelegenheiten nicht zuerst Frau Koenen fragen solle, erwidert sie in bissiger Selbstverständlichkeit: »Ich bin Frau Koenen!« Sie hält innerhalb der Familie alle Fäden in der Hand und sie richtet alles so aus, dass Dinge nach ihren Wünschen geschehen. Ihren Bruder Martin hält sie, obwohl er das Unternehmen leitet, für schwach, und sie selbst würde es anscheinend gerne selbst übernehmen, was sich allerdings für eine Frau von Format nicht schickt. So operiert sie aus dem Hinterhalt und torpediert die Ehe ihres Bruders, der sich nicht durchzusetzen vermag. Als Mutter Koenen sieht man die damals fast 90-jährige Lil Dagover in einer ihrer obligatorischsten Rollen. Die dem Anschein nach bereits etwas senile alte Dame zelebriert allerdings noch das, was sie vermutlich ihr ganzes Leben getan hat. Sie legt größten Wert auf Etikette und kolportiert Oberflächlichkeiten, verabscheut daher direkte Worte. Wie immer gestikuliert Lil Dagover mit nahezu hoheitsvollen Bewegungen, an ihrer Interpretation sieht man allerdings auch, dass es wohl schon eine größere Anstrengung dargestellt haben muss.

Bei den Herren fällt insbesondere Heinz Bennent sehr positiv auf. Warum nahm er gerade in dieser Nacht ein unbekanntes Mädchen mit zu sich nach Hause? Das fragt sich auch Kommissar Haferkamp, und von Martin Koenen bekommt er darauf eine Antwort, die zum Nachdenken verleitet. Dieses Mädchen habe ihn nämlich daran erinnert, wie seine eigene Frau früher einmal gewesen sei. Die Rahmenbedingungen in der Familie höhlen jeden Beteiligten langsam aus, und mit ihm hat das schwächste Glied in dieser Kette nun einen fatalen Fehler begangen. Doch wo liegt das Motiv? Heinz Bennent zeichnet diese Figur mit Bravour, er wirkt unterjocht, zerbrechlich, aber vor allem resigniert. Das klassische Pendant zu ihm stellt Sky du Mont dar. Ein Lebemann, ein Playboy der rücksichtslosesten Art, der betuchte Frauen lediglich als temporär-gewinnbringende Werkzeuge ansieht. In Besetzungsfragen ist dieser "Tatort" definitiv eine der überzeugenderen Episoden, die ich bislang gesehen habe. Davon mal abgesehen ist "Wodka Bitter-Lemon" insgesamt als sehr gut aufgebaut, dabei gekonnt und logisch verschachtelt, und ziemlich aufwendig inszeniert zu bezeichnen. Das Katz-und-Maus-Spiel nimmt dabei ganz klassische Formen an und versucht sich nicht durch unnötige Effekte interessant zu machen. Ein Puzzle-Spiel der perfideren Sorte, das in Verbindung mit einem sehr bitteren und fatalen Denkfehler zu einem grandiosen Finale führt. Da ich ja nicht so der ganz große "Tatort"-Fan bin, war ich umso angenehmer überrascht, dass diese Folge so gut unterhalten konnte.
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