The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
Moderator: jogiwan
The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
The Jail: A Women's Hell
Originaltitel: Anime Perse
Herstellungsland: Italien / 2006
Regie: Bruno Mattei
Darsteller: Yvette Yzon, Dyane Craystan, Jim Gaines, Odette Khan, Mike Monty, Amelie Pontailler
Story:
Die attraktive Jennifer landet eines Tages mit zwei weiteren Frauen in einem abgelegenen Frauengefängnis, dass von einer sadistischen Direktorin im philippinischen Dschungel mit eiserner Hand geführt wird. Dort steht nicht nur Gewalt, Züchtigung und Unterdrückung an der Tagesordnung, sondern die Inhaftierten werden für den korrupten Gouverneur und dessen dubiosen Nachtclub auch als Prostituierte gefügig gemacht und müssen dort gewaltbereiten Männern willenlos zur Verfügung stehen. Als Jennifer von alledem genug hat nutzt sie eine Party und die Trunkenheit der Gäste um mit einer Handvoll Mädchen in den Dschungel zu flüchten. Doch die Flucht steht unter einem schlechten Stern und während sich der Gouverneur mit seinen Männern zur Menschenjagd aufmacht, kommt es auch innerhalb der Gruppe zu Differenzen…
Originaltitel: Anime Perse
Herstellungsland: Italien / 2006
Regie: Bruno Mattei
Darsteller: Yvette Yzon, Dyane Craystan, Jim Gaines, Odette Khan, Mike Monty, Amelie Pontailler
Story:
Die attraktive Jennifer landet eines Tages mit zwei weiteren Frauen in einem abgelegenen Frauengefängnis, dass von einer sadistischen Direktorin im philippinischen Dschungel mit eiserner Hand geführt wird. Dort steht nicht nur Gewalt, Züchtigung und Unterdrückung an der Tagesordnung, sondern die Inhaftierten werden für den korrupten Gouverneur und dessen dubiosen Nachtclub auch als Prostituierte gefügig gemacht und müssen dort gewaltbereiten Männern willenlos zur Verfügung stehen. Als Jennifer von alledem genug hat nutzt sie eine Party und die Trunkenheit der Gäste um mit einer Handvoll Mädchen in den Dschungel zu flüchten. Doch die Flucht steht unter einem schlechten Stern und während sich der Gouverneur mit seinen Männern zur Menschenjagd aufmacht, kommt es auch innerhalb der Gruppe zu Differenzen…
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Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
„The Jail: A Women’s Hell“ ist wie der Titel schon verspricht natürlich ein nicht ganz geschmackssicherer WIP-Exploitationer, der von Bruno Mattei wie eine Vielzahl seiner Spätwerke recht kostengünstig auf den Philippinen realisiert wurde. Und wer diese Werke kennt, weiß dann auch was ihn erwartet und zwar jede Menge grüne Hölle, Gewalt, Over-Acting und neben der hübschen Hauptdarstellerin noch viele weitere, nicht ganz so ansehnliche Darstellerinnen, deren schauspielerische Qualitäten sich darin beschränken, nackt vor der Kamera zu agieren. Zusammengehalten wird die ganze Gefängnis-Sause mit einer eher simplen Geschichte, die auch als Quasi-Remake von Matteis „Laura – Eine Frau geht durch die Hölle“ aus dem Jahr 1982 durchgehen würde und das Finale mit der Menschenhatz bietet dann nach der eher harmlosen ersten Hälfte auch ausreichend Platz für Geschmacklosigkeiten am laufenden Band. Ob man in dem Genre tatsächlich ein Update mit noch billigerer Optik benötigt sei an dieser Stelle aber dahingestellt und „The Jail: A Women’s Hell“ ist dann natürlich auch kein wirklich guter Streifen, dessen größter Sinn wohl darin besteht, die nicht gänzlich unumstrittenen WIP-Streifen aus den Achtzigern nachträglich in einem besseren Licht erstrahlen zu lassen.
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Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
...klingt ja grauenhaft
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
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Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
Ist das der, in dem sie mit dem Gededanken spielen eine Schlange in die Vagina einzuführen?? Ich denke ich hab den Film gesehen als er rauskam, nur scheinbar schnell wieder verdrängt.
Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
ja ist er - aber bei dir hört sich das schlimmer an, als ich persönlich die fragliche Szene empfunden habe...
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Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
Ich wollte mich nicht mit Empörung hervortun, war nur das Einzige an was ich mich erinnere konnte. Die Szene müsste im ersten Drittel sein, danach wurde ich immer unaufmerksamer. Nicht wirklich zu empfehlen, war aber schön, dass überhaupt noch etwas aus Italien kam.
Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
Ich finde es von Bruno Mattei auch bewunderswert, im Alter von 75 Jahren noch so ein Werk zu fabrizieren. WIP geht ja immer, auch wenn hier der Prison-Anteil hier doch etwas schwächelt und der Film erst gegen Ende so richtig aufdreht. The Jail" ist ja aber auch das letzte Werk mit Mike Monty, der hier einen Sadisten im Rollstuhl abgibt und 2006 leider verstorben ist.
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- Salvatore Baccaro
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Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
Erregt von Jogiwans eigentlich doch recht gütiger Besprechung, habe ich meinen ersten Ferientag tatsächlich nicht besser zu nutzen gewusst als mich an einer kurzen Analyse dieses leider viel zu oft geschmähten Werks zu versuchen, die sich wie folgt anhört (etwaige über die Stränge schlagende Euphorie möge man mir verzeihen... ):
"Bruno Mattei ist wohl einer der ungewöhnlichsten Regisseure der gesamten Filmgeschichte. Selten begegnet man einem Oeuvre, das sich derart der Subversion verschrieben hat. Mattei pfeift nicht nur seit Anbeginn seiner Karriere in den frühen 70ern auf jegliche Form von Moral, er kehrt selbst filmstilistischen und filmtechnischen Konventionen von früh an demonstrativ den Rücken. So, als ob es vor ihm ein über Jahrzehnte gewachsenes Kino nie gegeben hätte, oder die Kenntnis davon nie bis zu ihm durchgedrungen wäre, stellt Mattei die simpelsten Grundregeln des Filmemachens von den Füßen auf den Kopf. Seine Werke sind voller Anschlussfehler, voller Stilbrüche, voller holpriger Schnitte, voller inhaltlicher Geschmacklosigkeiten. Diese vermeintlichen Mängel erhebt Mattei indes zu neuen Tugenden. Beeinflusst, unter anderem, sowohl vom französischen Surrealismus wie auch vom Wiener Aktionsimus und Artauds Theater der Grausamkeit, besitzt Mattei das Talent, noch das entgleisteste B-Movie in reine Avantgarde-Kunst zu verkehren. Gerade sein unumstößliches Meisterwerk VIRUS aus dem Jahre 1980 beweist mir das bei unseren regelmäßigen Zwiegesprächen jedes Mal aufs Neue. Dieser Flickenteppich, zusammengesetzt aus unterschiedlichster Quellen entlehnter Tier- und Naturaufnahmen, klassischer Zombie-Action wie sie in den frühen 80ern gerade im Trend stand und einigen kaum nacherzählbaren Absurditäten wie einer aus dem Nichts kommenden CLOCKWORK-ORANGE-Parodie, überträgt in gewisser Weise das grausige Treiben seiner bloßen Geschichte auf die Form, in der diese Geschichte stattfindet. Zerstückelt, zerfetzt und zerrissen sind eben nicht nur die Menschenleiber, die besagten Untoten vor die Fangzähne geraten, sondern ist der Film selbst, der dieses Zerstückelt- und Zerfetztwerden zum Inhalt hat.
Andererseits ist VIRUS auch ein Paradebeispiel für Matteis Vorliebe, die Grundelemente seiner Stoffe diversen, zumeist US-amerikanischen, Erfolgsfilmen zu entlehnen. Ob nun PREDATOR, TERMINATOR, DAWN OF THE DEAD, JAWS: sie alle haben Eingang in den Mattei-Kosmos gefunden, sind dort jedoch derart durch die dadaistische Mangel gedreht worden, dass man Mühe hat, sie nach der Transformation überhaupt noch zu erkennen. Matteis interessantester Ansatz ist vielleicht nicht mal, dass er seine Filme wie sinnfreie Collagen gestaltet, bei denen jedes scheinbare Unvermögen letztlich nur Teil einer großflächigen Taktik zu sein scheint, das festgefahrene Mainstream-Kino zu unterwandern bzw. ihm wenigstens dreist die Zunge herauszustrecken. Fast noch wichtiger ist für mich die Virtuosität, mit der Mattei vorgefundenes Material, das mitunter aus ganzen Drehbüchern oder Szenenfolgen bestehen kann, die er anderen Filmen entwendet hat, in seine persönliche Kinovision integriert. So hätte DAWN OF THE DEAD aussehen können, scheint VIRUS mir zu sagen. So hätte JAWS aussehen können, scheint mir CRUEL JAWS zu sagen. So hätte TERMINATOR aussehen können, scheint mir SHOCKING DARK zu sagen. Es geht dabei nicht um die Frage, welcher Film nun der bessere ist, das Original oder die Fälschung. Stattdessen verweist Matteis unbekümmerter Umgang mit Fremdstoffen darauf, dass für ihn die Filmgeschichte so etwas sein muss wie ein einziges großes Mythenlager – möglicherweise ähnlich wie für die Renaissance-Maler der mythologische Schatz der Antike. Man könnte es auch mit Jazz-Improvisationen vergleichen. DAWN OF THE DEAD wäre hierbei ein perfektes Stück von Anfang bis Ende, jeder Ton sitzt, keiner ist überflüssig, alles geht harmonisch und sinnstiftend ineinander über. VIRUS verleugnet die ursprüngliche Melodie zwar nicht, dekonstruiert ihre Perfektion allerdings mit bewundernswertem Aufwand: Tonfolgen werden mutwillig zerstört, Versatzstücke anderer Kompositionen offenkundig sinnlos ins Geschehen geworfen, immer wieder verlässt der Improvisator den Bereich dessen, was für unsere westlichen Ohren angenehm klingt. Matteis Kino ist daher eine wahre Herausforderung – doch der, der sich darauf einlässt, wird mit Sternstunden des Surrealismus belohnt.
Ein weiteres Faszinosum ist für mich, dass Mattei, anders als viele seiner Kollegen, selbst nach dem weitgehenden Niedergang der italienischen Genrefilmindustrie in den 90ern, sich nicht in Stillschweigen geübt hat, sondern – einmal von einer mehrjährigen Pause Ende der 90er abgesehen – bis zu seinem Tod 2007 kontinuierlich im Filmgeschäft tätig blieb. Oft vergleicht man das Alterswerk eines Künstlers mit Wein, der seine Zeit braucht, um zu reifen. Im Falle Matteis kann ich dem ausnahmsweise und ausnahmslos zustimmen. Gerade Matteis letzte Werke, darunter die beiden Zombie-Filme L’ISOLA DEI MORTI VIVENTI und ZOMBI: LA CREAZIONE, zeigen den Regisseur am logischen Schlusspunkt einer konsequenten Entwicklung. Obwohl sie ästhetisch und inhaltlich freilich mehrere Galaxien trennen, empfinde ich die Position, die Mattei in diesen Karriereschlusslichtern bezieht, in ihrem Kern als gar nicht allzu weit von denen entfernt, die Godard nun schon seit einigen Jahrzehnten vertritt. Bei beiden Regisseuren ist nunmehr alles Zitat, alles Diskurs, alles Analyse. Nichts Verlässliches wohnt ihren Filmen mehr inne, jede Regel ist außer Kraft gesetzt, noch das winzigste Detail Teil einer Meta-Reflexion über das Filmemachen selbst. Bevor mir nun aber jemand vor die Füße kotzt, weil ich es gewagt habe, Godard und Mattei auf eine Stufe zu stellen, möchte ich meine These kurz am Beispiel seines drittletzten Spielfilms, ANIME PERSE aus dem Jahre 2006, illustrieren.
Dass ANIME PERSE zu keinem Zeitpunkt so funktioniert – und im Übrigen auch offensichtlich gar nicht funktionieren möchte – wie ein handelsüblicher Unterhaltungsfilm, dessen Primärziel es ist, vor seinem Publikum eine Illusion nach der anderen hochzuziehen, stellt Mattei bereits eindrucksvoll in der Eröffnungsszene unter Beweis. Drei Frauen, allesamt aufgrund schrecklicher Verbrechen zum Aufenthalt in einem Gefangenenlager irgendwo im philippinischen Hinterland verurteilt, befinden sich auf einem Schiff, das sie ihrem Bestimmungsort entgegenschippert. Mit gefesselten Händen stehen sie nebeneinander an Deck und schauen dem Fluss und den Credits des Vorspanns zu. Völlig unvermittelt, und so, als ob sie sich vorher noch nie gesehen und eben erst festgestellt hätten, dass sie direkt nebeneinander stehen, beginnen die Frauen, sich gegenseitig vorzustellen. Sie nennen ihre Namen, ihre Vergehen, tauschen Floskeln aus. Das alles aber, meine Vermutung, nicht für sich. Dass sie solche oberflächlichen Informationen in ihrer Situation noch nicht ausgetauscht haben, scheint sehr unwahrscheinlich. Vielmehr wirkt es, als seien diese Informationen einzig und allein für den Zuschauer gedacht, der die Heldinnen des vorliegenden Films hiermit tatsächlich zum ersten Mal zu Gesicht bekommt. Obwohl die Frauen keinen direkten Blick zur Kamera, d.h. zu ihrem Publikum, unterhalten, ist es doch offensichtlich, dass sie genau dieses anreden – exakt so, als hätten sie zuvor stumm in ihren Rollen auf einer verdunkelten Bühne gestanden, und seien nun, beim Einschalten der Scheinwerfer, erst zum (fiktiven) Leben erwacht. Es ist ein Effekt, der mich ein bisschen an das Epische Theater Bertolt Brechts erinnert, eine bewusste Brechung mit der Illusion, ein Signal, das Mattei unübersehbar hochhält, um uns, seinen Zuschauern, gleich von Anfang an die Karten offen auf den Tisch zu werfen. Auf diesen Karten steht, in warnendem Rot blinkend: was nun folgt, ist keine Realität, nicht mal das Abbild irgendeiner Realität, sondern, um mit dem französischen Philosophen Jean Baudrillard zu sprechen, ein Simulacrum, ein trügerischer Schein. Allerdings weist schon Roland Barthes, einer der Väter des Strukturalismus, darauf hin, dass ein solches Simulacrum, sobald man sich seiner erstmal bewusst geworden ist, durchaus dazu dienen kann, ein Ding, eine Sache, einen Diskurs einsehbarer, begreiflicher, verständlicher zu machen. Genau das versucht Mattei, meiner Meinung nach, in den kompletten neunzig Minuten, die zwischen diesem grandiosen Auftakt bis zum Finale von ANIME PERSE vergehen werden.
Wie genau er das macht, möchte ich an zwei Beispielen veranschaulichen, zunächst an der Art und Weise wie Sound und Sprache in ANIME PERSE eingesetzt werden. Schon bei dem oben skizzierten Dialog zwischen unseren drei Heldinnen Jennifer, Monica und Carol wird deutlich, dass ANIME PERSE offenbar ziemlich schlecht nachsynchronisiert worden ist. Die Schauspielerinnen scheinen zwar Englisch zu sprechen, dennoch sind die Stimmen, die aus ihren Mündern kommen, augenscheinlich nicht die ihren – oder aber Mattei hat es verstanden, sie nachträglich derart zu verfremden, dass dieser Eindruck zwangsläufig entstehen muss. Es ist eine Gefühlssache, die man wohl nicht näher plausibel machen kann. Man sieht einen Darsteller, hört seine Stimme, und weiß auf einmal einfach, dass sie auf keinen Fall zu dem Zeitpunkt seinen Mund verlassen haben kann, in dem er diesen vor der Kamera auftut. Dieser Irritationseffekt durchzieht ANIME PERSE von der ersten bis zur letzten Minute. Aber nicht nur das: oftmals sind die Stimmen der Synchronsprecher scheinbar ganz bewusst ein bisschen zeitverzögert über die Dialogszenen gelegt worden. Es handelt sich stets um bloße Millisekunden, trotzdem hat dieses Stilmittel bei mir permanent den Anschein genährt, dass wir es da mit zwei vollkommen separaten Spuren zu tun haben, eine des Tons und eine der Bilder, die nur notdürftig zueinanderfinden und ständig wieder auseinanderzubrechen drohen. Manchmal passiert das dann sogar. In einer Szene beispielweise peitscht ein Mann eine der Gefangenen aus. Obwohl man ihn grunzen und stöhnen hört, ist klar und deutlich zu sehen, dass seine Lippen fest versiegelt sind. Von ihm können die Geräusche also nicht stammen. Mattei treibt es zwar nie so sehr auf die Spitze wie Godard zum Beispiel in seinem großartigen PASSION, wo kurzzeitig Tonspur und Bildspur vollkommen auseinanderdriften und die eine andauernd vor der anderen stattfindet, dennoch gibt es in ANIME PERSE einige Momente, in denen die permanent unterschwellig spürbare Diskrepanz der beiden zu wirklich komischen, absurden Ergebnissen führt.
Nachdem unsere drei Heldinnen beispielweise in ihre Unterkunft, ein angeblicher Frauenknast, der eher einer Schlammgrube ähnelt, gebracht worden sind, bezieht eine von ihnen wie selbstverständlich die erstbeste Pritsche, die sie findet. Sofort stürzt sich eine Mitgefangene, reißerisch wie eine tollwütige Bestie, auf die Neuangekommene und brüllt mit gefletschten Zähnen: „This bed is mine!“ bzw. wird zu dem Bild, das die Darstellerin in ihrer Wut zeigt, eine Stimme hinzugefügt, deren Theatralik kaum zu überbieten ist, vor allem nicht daran wie sie das Wörtchen „mine“ genüsslich gurgelnd in die Länge zieht. Ein weiteres Highlight ist auf jeden Fall auch der Gangsterboss, der einen Pakt mit der (naturgemäß sadistischen und lesbischen) Lagerleiterin unterhält, laut dem er nach Gutdünken ausgewählte Gefangene als Stripperinnen, Huren und, falls gefordert, wehrlose Opfer für seine (naturgemäß ebenfalls sadistischen) Stammgäste ausleihen darf. Seine Stimme passt für meine Begriffe derart wenig zum Darsteller, dass sich vor meinem inneren Auge bei jedem seiner Auftritte zwei Bilder eröffnet haben: zum einen das, das ANIME PERSE bietet, zum anderen das eines wesentlich jüngeren, wesentlich schmächtigeren Synchronsprechers in irgendeinem Tonaufnahmestudio. Dabei sind die Dialoge an sich schon fernab dessen wie schnöde Menschen in der schnöden Realität normalerweise miteinander kommunizieren. Der hünenhafte Gangsterboss sitzt in einer Szene im Hinterzimmerchen seines Stripclubs, als einer seiner Handlanger zu ihm tritt und ihn auf einen gewissen Herrn Alvarez aufmerksam macht, der gerade Gast des Etablissements sei. Auf die Frage, was es mit dem denn auf sich habe, antwortet der Lakai schlicht, es handle sich um „an important man.“ Damit begnügt sich sein Boss bereits, befiehlt: „Give him all that he wants“, und leitet hervorragend zu meinem zweiten Punkt über, dem, dass ANIME PERSE mehr eine Sammlung von Zitaten ist als ein eigenständiger Film, der mittels eines eigenständigen Plots, eine eigenständige Ästhetik überzeugen möchte.
Genauso wie der Gangsterboss, dessen Namen ich leider vergessen habe, nicht mehr zu wissen braucht als dass dieser ominöse Alvarez in irgendeiner Form wichtig sei, genauso bracht das Publikum über die Vorgänge innerhalb von ANIME PERSE nicht mehr zu wissen als die paar oberflächlichen Skizzen, die Mattei ihm quasi aus dem Handgelenk hinwirft. Eine Geschichte im eigentlichen Sinn gibt es nicht, bloß eine Aneinanderreihung von Szenen, Motiven, Momenten, die jeder, der schon mehr als einen Frauengefängnisfilm gesehen hat, auswendig kennt wie den Katechismus. Mattei braucht nichts zu erklären, denn alles spricht für sich selbst. Die Matschkämpfe zwischen verfeindeten Lagerinsassinnen, die Duschszenen, der perverse Lagerarzt, der jede Inspektion zu sexuellen Übergriffen nutzt, die schlussendliche Flucht unserer Heroinen in den Dschungel: das alles trägt keinen originären Stempel, sondern wurde von Mattei einmal mehr dem Mythenschatz des Kinos entnommen. Noch mehr als in seinen Filmen der 70er und 80er verzichtet er darauf, diese völlig selbstzweckhaften Versatzstücke in irgendeiner Weise zu kontextualisieren oder in eine Narration einzubinden, die von einem Punkt A zu einem Punkt B führen würde. Stattdessen – und das unterstreicht, dass Mattei Mitte 70 schon mehrere Metaebenen über den Dingen schwebt – bedient er sich gar bei sich selbst, sprich: fleddert munter die beiden WIP-Produktionen, die er mit Laura Gemser in der Hauptrolle Anfang der 80er inszeniert hat, VIOLENZA IN UN CARCERE FEMMINILE und BLADE VIOLENT – I VIOLENTI. Für jemanden, der mit dem Oeuvre Matteis nicht vertraut ist, muss ANIME PERSE wahrscheinlich wie ein Machwerk niedrigster Klasse erscheinen, voller Figuren ohne Psychologie, einem Drehbuch ohne Sinn und Verstand, ohne Grundkenntnisse in Dramaturgie und Spannungsaufbau. Dem, der Matteis Weg bis hierhin mitgegangen ist, erschließt sich jedoch, dass da ein Regisseur mit dem höchstmöglichen Bewusstsein dabei ist, sich selbst in einer Art von postmodernem Kannibalimus zu verschlingen und beim Ausscheiden neu zu erfinden.
Ich wiederhole: alles ist Zitat, nichts steht für sich, ähnlich, aber anders wie in Godards Walter-Benjamin-Hommage NOUVELLE VAGUE, grundlegend anders aber als bei Regisseuren wie beispielweise Quentin Tarantino oder Eli Roth. Einen von Zitaten und cineastischen Anspielungen triefenden Film wie DJANGO UNCHAINED oder GREEN INFERNO kann selbst der verstehen, der nie zuvor einem italienischen Kannibalenfilm oder einem Western auch nur nahegekommen ist. Beide Filmen erzielen eine zusätzliche Wirkung für einen Eingeweihten, der das Jonglieren mit filmhistorischen Referenzen erkennt, alle anderen können sie trotzdem ungezwungen rezipieren, und dann eben schlecht oder gut finden. ANIME PERSE sind seine Zitate wesentlich tiefer eingeschrieben. Vor allem sind es aber, anders als bei Tarantino, keine konkreten Zitate. Selten kommt man bei ANIME PERSE auf die Idee, den Zeigefinger auszustrecken und zu rufen: die Szene, die ist aus dem und dem Film. Es ist, wie gesagt, eher ein mythisches Erbe, das Mattei hier verwaltet. Nackte Frauen unter Knastduschen und Gefängniswärterinnen, die ihre Opfer mit Heroinspritzen gefügig machen: das hat man so oft schon gesehen, zumindest, wenn man sich in gewissen Kreisen bewegt, dass man gar nicht mehr mit Sicherheit sagen kann, wo denn eigentlich zum allerersten Mal. Im letzten Drittel des Films, wenn unsere Helden getürmt sind und von einer Gruppe verrohter Männer wie Freiwild gejagt werden, werden die Anspielungen zwar dann doch konkreter, wenn Mattei sichtlich in Richtung italienischem Kannibalenfilm zwinkert – eine Pfählung wie in CANNIBAL HOLOCAUST, Dschungelfallen wie in CANNIBAL FEROX, Brustabschneiden wie in MANGIATI VIVI! -, dennoch wirkt es nie so, als wolle er ein bestimmtes, namentlich benanntes Vorbild hochhalten wie es Tarantino und Roth gerne tun, sondern auf einen stetig zirkulierenden, archetypischen Ozean an Bildern verweisen, die wir alle irgendwie in uns tragen.
Wo bei Godard, der, wie erwähnt, ähnlich verfährt, der Humor weitgehend fehlt – oder bin ich einfach zu wenig intellektuell, um ihn zu verstehen? -, ist er bei Mattei Programm. ANIME PERSE schockt nicht, überhaupt nicht. Es ist ein großer Spaß, ein langes, gütiges Augenzwinkern von einem Greis, der nichts mehr zu verlieren und alles zu gewinnen hat. Man sieht: die Prügel der Wärterinnen schlagen bloß in die Luft, treffen ihre Opfer niemals. Man sieht: die angebliche Sexorgie ist eine ironische Persiflage, dessen heftigster Moment darin besteht, dass mehreren Frauen Essensreste von den nackten Körpern geleckt werden, während eine Stripperin im Hintergrund gelangweilt ihre Hüften wiegt, als habe sie im Grunde gar keine Lust auf den Film. Man sieht: all die zur Schau gestellten Grausamkeiten sind ironische Masken, und am Ende siegt sowieso das Gute, und bekommt jeder Böse sein Fett weg. Mattei möchte nicht schocken, überhaupt nicht. Es geht in ANIME PERSE nicht um misogyne Gewaltexzesse, nicht um Gerechtigkeit und den Kampf zwischen Gut und Böse, nicht um Schlangen, die in Vaginen eingeführt werden, schon gar nicht um Sex. Es ist der sympathische Versuch, so etwas wie eine strukturelle Analyse eines beliebigen Exploitation-Films zu liefern, und zwar nicht in Form eines filmtheoretischen Aufsatzes, sondern quasi in Fleisch und Blut.
Drei Szenen noch, in denen Matteis Agenda überdeutlich wird. Zum einen wäre da ein Dialog zwischen dem Gangsterboss und Jennifer, die er zu einem Gespräch unter vier Augen in sein Büro gebeten hat. Er sagt zu ihr: „From the first time I saw you apart from being beautiful I understood that you are an intelligent woman.“ Dabei tippt er sich ausdrucksstark gegen die Schläfe. Allerdings erfolgt sein Tippen, das ein bisschen auch so aussieht, als wolle er Jennifer und dem Publikum den sprichwörtlichen Vogel zeigen, nicht bei dem Wort „intelligent“, sondern erst bei „woman.“ Neben der Tatsache, dass Mattei hier erneut mit Asynchronitäten spielt, verstehe ich die Szene vor allem als ein weiteres Indiz dafür, wie bewusst Mattei es ist, dass er mit ANIME PERSE ein Projekt auf die Beine gestellt hat, das vollkommen gegen jeden bekannten Strich gebürstet wurde. Noch offensiver wird er gegen Ende, nachdem die Entfleuchten sich der grünen Dschungelhölle ausgesetzt sehen. Ein Mädchen jammert: „I already heard a noise like that in a film!” Kann man seine Metafiktionalität und Selbstreflexivität noch krasser zur Schau stellen? Wohl nur, indem man sogar den Filmtitel selbst zu einem Zitat ummünzt. ANIMA PERSA heißt der beste mir bekannte Film Dino Risis aus dem Jahre 1978, eine schauderhafte Gruselgeschichte mit Vittorio Gassman und Catherine Deneuve. Ein Zufall? Nach Sichtung des Gesamtwerks Matteis kann ich nicht mehr an Zufälle glauben – zumindest nicht an welche, die sich der Kontrolle dieses klugen, jeden Schritt bedenkenden Regisseurs entziehen würden. Selten hat sich ein italienischer Genrefilmemacher wohl derart würdig aus der Affäre gezogen, die das Leben ist."
"Bruno Mattei ist wohl einer der ungewöhnlichsten Regisseure der gesamten Filmgeschichte. Selten begegnet man einem Oeuvre, das sich derart der Subversion verschrieben hat. Mattei pfeift nicht nur seit Anbeginn seiner Karriere in den frühen 70ern auf jegliche Form von Moral, er kehrt selbst filmstilistischen und filmtechnischen Konventionen von früh an demonstrativ den Rücken. So, als ob es vor ihm ein über Jahrzehnte gewachsenes Kino nie gegeben hätte, oder die Kenntnis davon nie bis zu ihm durchgedrungen wäre, stellt Mattei die simpelsten Grundregeln des Filmemachens von den Füßen auf den Kopf. Seine Werke sind voller Anschlussfehler, voller Stilbrüche, voller holpriger Schnitte, voller inhaltlicher Geschmacklosigkeiten. Diese vermeintlichen Mängel erhebt Mattei indes zu neuen Tugenden. Beeinflusst, unter anderem, sowohl vom französischen Surrealismus wie auch vom Wiener Aktionsimus und Artauds Theater der Grausamkeit, besitzt Mattei das Talent, noch das entgleisteste B-Movie in reine Avantgarde-Kunst zu verkehren. Gerade sein unumstößliches Meisterwerk VIRUS aus dem Jahre 1980 beweist mir das bei unseren regelmäßigen Zwiegesprächen jedes Mal aufs Neue. Dieser Flickenteppich, zusammengesetzt aus unterschiedlichster Quellen entlehnter Tier- und Naturaufnahmen, klassischer Zombie-Action wie sie in den frühen 80ern gerade im Trend stand und einigen kaum nacherzählbaren Absurditäten wie einer aus dem Nichts kommenden CLOCKWORK-ORANGE-Parodie, überträgt in gewisser Weise das grausige Treiben seiner bloßen Geschichte auf die Form, in der diese Geschichte stattfindet. Zerstückelt, zerfetzt und zerrissen sind eben nicht nur die Menschenleiber, die besagten Untoten vor die Fangzähne geraten, sondern ist der Film selbst, der dieses Zerstückelt- und Zerfetztwerden zum Inhalt hat.
Andererseits ist VIRUS auch ein Paradebeispiel für Matteis Vorliebe, die Grundelemente seiner Stoffe diversen, zumeist US-amerikanischen, Erfolgsfilmen zu entlehnen. Ob nun PREDATOR, TERMINATOR, DAWN OF THE DEAD, JAWS: sie alle haben Eingang in den Mattei-Kosmos gefunden, sind dort jedoch derart durch die dadaistische Mangel gedreht worden, dass man Mühe hat, sie nach der Transformation überhaupt noch zu erkennen. Matteis interessantester Ansatz ist vielleicht nicht mal, dass er seine Filme wie sinnfreie Collagen gestaltet, bei denen jedes scheinbare Unvermögen letztlich nur Teil einer großflächigen Taktik zu sein scheint, das festgefahrene Mainstream-Kino zu unterwandern bzw. ihm wenigstens dreist die Zunge herauszustrecken. Fast noch wichtiger ist für mich die Virtuosität, mit der Mattei vorgefundenes Material, das mitunter aus ganzen Drehbüchern oder Szenenfolgen bestehen kann, die er anderen Filmen entwendet hat, in seine persönliche Kinovision integriert. So hätte DAWN OF THE DEAD aussehen können, scheint VIRUS mir zu sagen. So hätte JAWS aussehen können, scheint mir CRUEL JAWS zu sagen. So hätte TERMINATOR aussehen können, scheint mir SHOCKING DARK zu sagen. Es geht dabei nicht um die Frage, welcher Film nun der bessere ist, das Original oder die Fälschung. Stattdessen verweist Matteis unbekümmerter Umgang mit Fremdstoffen darauf, dass für ihn die Filmgeschichte so etwas sein muss wie ein einziges großes Mythenlager – möglicherweise ähnlich wie für die Renaissance-Maler der mythologische Schatz der Antike. Man könnte es auch mit Jazz-Improvisationen vergleichen. DAWN OF THE DEAD wäre hierbei ein perfektes Stück von Anfang bis Ende, jeder Ton sitzt, keiner ist überflüssig, alles geht harmonisch und sinnstiftend ineinander über. VIRUS verleugnet die ursprüngliche Melodie zwar nicht, dekonstruiert ihre Perfektion allerdings mit bewundernswertem Aufwand: Tonfolgen werden mutwillig zerstört, Versatzstücke anderer Kompositionen offenkundig sinnlos ins Geschehen geworfen, immer wieder verlässt der Improvisator den Bereich dessen, was für unsere westlichen Ohren angenehm klingt. Matteis Kino ist daher eine wahre Herausforderung – doch der, der sich darauf einlässt, wird mit Sternstunden des Surrealismus belohnt.
Ein weiteres Faszinosum ist für mich, dass Mattei, anders als viele seiner Kollegen, selbst nach dem weitgehenden Niedergang der italienischen Genrefilmindustrie in den 90ern, sich nicht in Stillschweigen geübt hat, sondern – einmal von einer mehrjährigen Pause Ende der 90er abgesehen – bis zu seinem Tod 2007 kontinuierlich im Filmgeschäft tätig blieb. Oft vergleicht man das Alterswerk eines Künstlers mit Wein, der seine Zeit braucht, um zu reifen. Im Falle Matteis kann ich dem ausnahmsweise und ausnahmslos zustimmen. Gerade Matteis letzte Werke, darunter die beiden Zombie-Filme L’ISOLA DEI MORTI VIVENTI und ZOMBI: LA CREAZIONE, zeigen den Regisseur am logischen Schlusspunkt einer konsequenten Entwicklung. Obwohl sie ästhetisch und inhaltlich freilich mehrere Galaxien trennen, empfinde ich die Position, die Mattei in diesen Karriereschlusslichtern bezieht, in ihrem Kern als gar nicht allzu weit von denen entfernt, die Godard nun schon seit einigen Jahrzehnten vertritt. Bei beiden Regisseuren ist nunmehr alles Zitat, alles Diskurs, alles Analyse. Nichts Verlässliches wohnt ihren Filmen mehr inne, jede Regel ist außer Kraft gesetzt, noch das winzigste Detail Teil einer Meta-Reflexion über das Filmemachen selbst. Bevor mir nun aber jemand vor die Füße kotzt, weil ich es gewagt habe, Godard und Mattei auf eine Stufe zu stellen, möchte ich meine These kurz am Beispiel seines drittletzten Spielfilms, ANIME PERSE aus dem Jahre 2006, illustrieren.
Dass ANIME PERSE zu keinem Zeitpunkt so funktioniert – und im Übrigen auch offensichtlich gar nicht funktionieren möchte – wie ein handelsüblicher Unterhaltungsfilm, dessen Primärziel es ist, vor seinem Publikum eine Illusion nach der anderen hochzuziehen, stellt Mattei bereits eindrucksvoll in der Eröffnungsszene unter Beweis. Drei Frauen, allesamt aufgrund schrecklicher Verbrechen zum Aufenthalt in einem Gefangenenlager irgendwo im philippinischen Hinterland verurteilt, befinden sich auf einem Schiff, das sie ihrem Bestimmungsort entgegenschippert. Mit gefesselten Händen stehen sie nebeneinander an Deck und schauen dem Fluss und den Credits des Vorspanns zu. Völlig unvermittelt, und so, als ob sie sich vorher noch nie gesehen und eben erst festgestellt hätten, dass sie direkt nebeneinander stehen, beginnen die Frauen, sich gegenseitig vorzustellen. Sie nennen ihre Namen, ihre Vergehen, tauschen Floskeln aus. Das alles aber, meine Vermutung, nicht für sich. Dass sie solche oberflächlichen Informationen in ihrer Situation noch nicht ausgetauscht haben, scheint sehr unwahrscheinlich. Vielmehr wirkt es, als seien diese Informationen einzig und allein für den Zuschauer gedacht, der die Heldinnen des vorliegenden Films hiermit tatsächlich zum ersten Mal zu Gesicht bekommt. Obwohl die Frauen keinen direkten Blick zur Kamera, d.h. zu ihrem Publikum, unterhalten, ist es doch offensichtlich, dass sie genau dieses anreden – exakt so, als hätten sie zuvor stumm in ihren Rollen auf einer verdunkelten Bühne gestanden, und seien nun, beim Einschalten der Scheinwerfer, erst zum (fiktiven) Leben erwacht. Es ist ein Effekt, der mich ein bisschen an das Epische Theater Bertolt Brechts erinnert, eine bewusste Brechung mit der Illusion, ein Signal, das Mattei unübersehbar hochhält, um uns, seinen Zuschauern, gleich von Anfang an die Karten offen auf den Tisch zu werfen. Auf diesen Karten steht, in warnendem Rot blinkend: was nun folgt, ist keine Realität, nicht mal das Abbild irgendeiner Realität, sondern, um mit dem französischen Philosophen Jean Baudrillard zu sprechen, ein Simulacrum, ein trügerischer Schein. Allerdings weist schon Roland Barthes, einer der Väter des Strukturalismus, darauf hin, dass ein solches Simulacrum, sobald man sich seiner erstmal bewusst geworden ist, durchaus dazu dienen kann, ein Ding, eine Sache, einen Diskurs einsehbarer, begreiflicher, verständlicher zu machen. Genau das versucht Mattei, meiner Meinung nach, in den kompletten neunzig Minuten, die zwischen diesem grandiosen Auftakt bis zum Finale von ANIME PERSE vergehen werden.
Wie genau er das macht, möchte ich an zwei Beispielen veranschaulichen, zunächst an der Art und Weise wie Sound und Sprache in ANIME PERSE eingesetzt werden. Schon bei dem oben skizzierten Dialog zwischen unseren drei Heldinnen Jennifer, Monica und Carol wird deutlich, dass ANIME PERSE offenbar ziemlich schlecht nachsynchronisiert worden ist. Die Schauspielerinnen scheinen zwar Englisch zu sprechen, dennoch sind die Stimmen, die aus ihren Mündern kommen, augenscheinlich nicht die ihren – oder aber Mattei hat es verstanden, sie nachträglich derart zu verfremden, dass dieser Eindruck zwangsläufig entstehen muss. Es ist eine Gefühlssache, die man wohl nicht näher plausibel machen kann. Man sieht einen Darsteller, hört seine Stimme, und weiß auf einmal einfach, dass sie auf keinen Fall zu dem Zeitpunkt seinen Mund verlassen haben kann, in dem er diesen vor der Kamera auftut. Dieser Irritationseffekt durchzieht ANIME PERSE von der ersten bis zur letzten Minute. Aber nicht nur das: oftmals sind die Stimmen der Synchronsprecher scheinbar ganz bewusst ein bisschen zeitverzögert über die Dialogszenen gelegt worden. Es handelt sich stets um bloße Millisekunden, trotzdem hat dieses Stilmittel bei mir permanent den Anschein genährt, dass wir es da mit zwei vollkommen separaten Spuren zu tun haben, eine des Tons und eine der Bilder, die nur notdürftig zueinanderfinden und ständig wieder auseinanderzubrechen drohen. Manchmal passiert das dann sogar. In einer Szene beispielweise peitscht ein Mann eine der Gefangenen aus. Obwohl man ihn grunzen und stöhnen hört, ist klar und deutlich zu sehen, dass seine Lippen fest versiegelt sind. Von ihm können die Geräusche also nicht stammen. Mattei treibt es zwar nie so sehr auf die Spitze wie Godard zum Beispiel in seinem großartigen PASSION, wo kurzzeitig Tonspur und Bildspur vollkommen auseinanderdriften und die eine andauernd vor der anderen stattfindet, dennoch gibt es in ANIME PERSE einige Momente, in denen die permanent unterschwellig spürbare Diskrepanz der beiden zu wirklich komischen, absurden Ergebnissen führt.
Nachdem unsere drei Heldinnen beispielweise in ihre Unterkunft, ein angeblicher Frauenknast, der eher einer Schlammgrube ähnelt, gebracht worden sind, bezieht eine von ihnen wie selbstverständlich die erstbeste Pritsche, die sie findet. Sofort stürzt sich eine Mitgefangene, reißerisch wie eine tollwütige Bestie, auf die Neuangekommene und brüllt mit gefletschten Zähnen: „This bed is mine!“ bzw. wird zu dem Bild, das die Darstellerin in ihrer Wut zeigt, eine Stimme hinzugefügt, deren Theatralik kaum zu überbieten ist, vor allem nicht daran wie sie das Wörtchen „mine“ genüsslich gurgelnd in die Länge zieht. Ein weiteres Highlight ist auf jeden Fall auch der Gangsterboss, der einen Pakt mit der (naturgemäß sadistischen und lesbischen) Lagerleiterin unterhält, laut dem er nach Gutdünken ausgewählte Gefangene als Stripperinnen, Huren und, falls gefordert, wehrlose Opfer für seine (naturgemäß ebenfalls sadistischen) Stammgäste ausleihen darf. Seine Stimme passt für meine Begriffe derart wenig zum Darsteller, dass sich vor meinem inneren Auge bei jedem seiner Auftritte zwei Bilder eröffnet haben: zum einen das, das ANIME PERSE bietet, zum anderen das eines wesentlich jüngeren, wesentlich schmächtigeren Synchronsprechers in irgendeinem Tonaufnahmestudio. Dabei sind die Dialoge an sich schon fernab dessen wie schnöde Menschen in der schnöden Realität normalerweise miteinander kommunizieren. Der hünenhafte Gangsterboss sitzt in einer Szene im Hinterzimmerchen seines Stripclubs, als einer seiner Handlanger zu ihm tritt und ihn auf einen gewissen Herrn Alvarez aufmerksam macht, der gerade Gast des Etablissements sei. Auf die Frage, was es mit dem denn auf sich habe, antwortet der Lakai schlicht, es handle sich um „an important man.“ Damit begnügt sich sein Boss bereits, befiehlt: „Give him all that he wants“, und leitet hervorragend zu meinem zweiten Punkt über, dem, dass ANIME PERSE mehr eine Sammlung von Zitaten ist als ein eigenständiger Film, der mittels eines eigenständigen Plots, eine eigenständige Ästhetik überzeugen möchte.
Genauso wie der Gangsterboss, dessen Namen ich leider vergessen habe, nicht mehr zu wissen braucht als dass dieser ominöse Alvarez in irgendeiner Form wichtig sei, genauso bracht das Publikum über die Vorgänge innerhalb von ANIME PERSE nicht mehr zu wissen als die paar oberflächlichen Skizzen, die Mattei ihm quasi aus dem Handgelenk hinwirft. Eine Geschichte im eigentlichen Sinn gibt es nicht, bloß eine Aneinanderreihung von Szenen, Motiven, Momenten, die jeder, der schon mehr als einen Frauengefängnisfilm gesehen hat, auswendig kennt wie den Katechismus. Mattei braucht nichts zu erklären, denn alles spricht für sich selbst. Die Matschkämpfe zwischen verfeindeten Lagerinsassinnen, die Duschszenen, der perverse Lagerarzt, der jede Inspektion zu sexuellen Übergriffen nutzt, die schlussendliche Flucht unserer Heroinen in den Dschungel: das alles trägt keinen originären Stempel, sondern wurde von Mattei einmal mehr dem Mythenschatz des Kinos entnommen. Noch mehr als in seinen Filmen der 70er und 80er verzichtet er darauf, diese völlig selbstzweckhaften Versatzstücke in irgendeiner Weise zu kontextualisieren oder in eine Narration einzubinden, die von einem Punkt A zu einem Punkt B führen würde. Stattdessen – und das unterstreicht, dass Mattei Mitte 70 schon mehrere Metaebenen über den Dingen schwebt – bedient er sich gar bei sich selbst, sprich: fleddert munter die beiden WIP-Produktionen, die er mit Laura Gemser in der Hauptrolle Anfang der 80er inszeniert hat, VIOLENZA IN UN CARCERE FEMMINILE und BLADE VIOLENT – I VIOLENTI. Für jemanden, der mit dem Oeuvre Matteis nicht vertraut ist, muss ANIME PERSE wahrscheinlich wie ein Machwerk niedrigster Klasse erscheinen, voller Figuren ohne Psychologie, einem Drehbuch ohne Sinn und Verstand, ohne Grundkenntnisse in Dramaturgie und Spannungsaufbau. Dem, der Matteis Weg bis hierhin mitgegangen ist, erschließt sich jedoch, dass da ein Regisseur mit dem höchstmöglichen Bewusstsein dabei ist, sich selbst in einer Art von postmodernem Kannibalimus zu verschlingen und beim Ausscheiden neu zu erfinden.
Ich wiederhole: alles ist Zitat, nichts steht für sich, ähnlich, aber anders wie in Godards Walter-Benjamin-Hommage NOUVELLE VAGUE, grundlegend anders aber als bei Regisseuren wie beispielweise Quentin Tarantino oder Eli Roth. Einen von Zitaten und cineastischen Anspielungen triefenden Film wie DJANGO UNCHAINED oder GREEN INFERNO kann selbst der verstehen, der nie zuvor einem italienischen Kannibalenfilm oder einem Western auch nur nahegekommen ist. Beide Filmen erzielen eine zusätzliche Wirkung für einen Eingeweihten, der das Jonglieren mit filmhistorischen Referenzen erkennt, alle anderen können sie trotzdem ungezwungen rezipieren, und dann eben schlecht oder gut finden. ANIME PERSE sind seine Zitate wesentlich tiefer eingeschrieben. Vor allem sind es aber, anders als bei Tarantino, keine konkreten Zitate. Selten kommt man bei ANIME PERSE auf die Idee, den Zeigefinger auszustrecken und zu rufen: die Szene, die ist aus dem und dem Film. Es ist, wie gesagt, eher ein mythisches Erbe, das Mattei hier verwaltet. Nackte Frauen unter Knastduschen und Gefängniswärterinnen, die ihre Opfer mit Heroinspritzen gefügig machen: das hat man so oft schon gesehen, zumindest, wenn man sich in gewissen Kreisen bewegt, dass man gar nicht mehr mit Sicherheit sagen kann, wo denn eigentlich zum allerersten Mal. Im letzten Drittel des Films, wenn unsere Helden getürmt sind und von einer Gruppe verrohter Männer wie Freiwild gejagt werden, werden die Anspielungen zwar dann doch konkreter, wenn Mattei sichtlich in Richtung italienischem Kannibalenfilm zwinkert – eine Pfählung wie in CANNIBAL HOLOCAUST, Dschungelfallen wie in CANNIBAL FEROX, Brustabschneiden wie in MANGIATI VIVI! -, dennoch wirkt es nie so, als wolle er ein bestimmtes, namentlich benanntes Vorbild hochhalten wie es Tarantino und Roth gerne tun, sondern auf einen stetig zirkulierenden, archetypischen Ozean an Bildern verweisen, die wir alle irgendwie in uns tragen.
Wo bei Godard, der, wie erwähnt, ähnlich verfährt, der Humor weitgehend fehlt – oder bin ich einfach zu wenig intellektuell, um ihn zu verstehen? -, ist er bei Mattei Programm. ANIME PERSE schockt nicht, überhaupt nicht. Es ist ein großer Spaß, ein langes, gütiges Augenzwinkern von einem Greis, der nichts mehr zu verlieren und alles zu gewinnen hat. Man sieht: die Prügel der Wärterinnen schlagen bloß in die Luft, treffen ihre Opfer niemals. Man sieht: die angebliche Sexorgie ist eine ironische Persiflage, dessen heftigster Moment darin besteht, dass mehreren Frauen Essensreste von den nackten Körpern geleckt werden, während eine Stripperin im Hintergrund gelangweilt ihre Hüften wiegt, als habe sie im Grunde gar keine Lust auf den Film. Man sieht: all die zur Schau gestellten Grausamkeiten sind ironische Masken, und am Ende siegt sowieso das Gute, und bekommt jeder Böse sein Fett weg. Mattei möchte nicht schocken, überhaupt nicht. Es geht in ANIME PERSE nicht um misogyne Gewaltexzesse, nicht um Gerechtigkeit und den Kampf zwischen Gut und Böse, nicht um Schlangen, die in Vaginen eingeführt werden, schon gar nicht um Sex. Es ist der sympathische Versuch, so etwas wie eine strukturelle Analyse eines beliebigen Exploitation-Films zu liefern, und zwar nicht in Form eines filmtheoretischen Aufsatzes, sondern quasi in Fleisch und Blut.
Drei Szenen noch, in denen Matteis Agenda überdeutlich wird. Zum einen wäre da ein Dialog zwischen dem Gangsterboss und Jennifer, die er zu einem Gespräch unter vier Augen in sein Büro gebeten hat. Er sagt zu ihr: „From the first time I saw you apart from being beautiful I understood that you are an intelligent woman.“ Dabei tippt er sich ausdrucksstark gegen die Schläfe. Allerdings erfolgt sein Tippen, das ein bisschen auch so aussieht, als wolle er Jennifer und dem Publikum den sprichwörtlichen Vogel zeigen, nicht bei dem Wort „intelligent“, sondern erst bei „woman.“ Neben der Tatsache, dass Mattei hier erneut mit Asynchronitäten spielt, verstehe ich die Szene vor allem als ein weiteres Indiz dafür, wie bewusst Mattei es ist, dass er mit ANIME PERSE ein Projekt auf die Beine gestellt hat, das vollkommen gegen jeden bekannten Strich gebürstet wurde. Noch offensiver wird er gegen Ende, nachdem die Entfleuchten sich der grünen Dschungelhölle ausgesetzt sehen. Ein Mädchen jammert: „I already heard a noise like that in a film!” Kann man seine Metafiktionalität und Selbstreflexivität noch krasser zur Schau stellen? Wohl nur, indem man sogar den Filmtitel selbst zu einem Zitat ummünzt. ANIMA PERSA heißt der beste mir bekannte Film Dino Risis aus dem Jahre 1978, eine schauderhafte Gruselgeschichte mit Vittorio Gassman und Catherine Deneuve. Ein Zufall? Nach Sichtung des Gesamtwerks Matteis kann ich nicht mehr an Zufälle glauben – zumindest nicht an welche, die sich der Kontrolle dieses klugen, jeden Schritt bedenkenden Regisseurs entziehen würden. Selten hat sich ein italienischer Genrefilmemacher wohl derart würdig aus der Affäre gezogen, die das Leben ist."
Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
... und jetzt will ich den gleich nochmal gucken!
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Re: The Jail: A Women's Hell - Bruno Mattei (2006)
Bruno Matteis WIP-Nachzügler "Jail - A Women's Hell" - ab Oktober 2015 auch von Intervision!
quelle: facebook
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