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La Bête - Walerian Borowczyk (1975)

Verfasst: Di 8. Jun 2010, 15:05
von horror1966
Bild




La Bete
(La Bete)
mit Sirpa Lane, Lisbeth Hummel, Elisabeth Kaza, Pierre Benedetti, Guy Trejan, Roland Armontel, Marcel Dalio, Robert Capia, Pascale Rivault, Hassane Fall, Anna Badalccini, Thierry Bourdon, Mathieu Rivollier, Julien Hanany, Marie Testaniere
Regie: Walerian Borowczyk
Drehbuch: Walerian Borowczyk
Kamera: Bernard Daillencourt / Marcel Grignon
Musik: Keine Information
Keine Jugendfreigabe
Frankreich / 1975

Um den finanziellen Ruin der Adelsfamilie abzuwenden, der nun nach jahrelanger Misswirtschaft droht, sieht Marquis Pierre de l'Esperance nur noch einen Ausweg: sein Sohn Mathurin und Lucy Broadhurst, amerikanische Millionenerbin eines großen Familienunternehmens, müssen unbedingt heiraten so schnell es geht. Die Weichen sind schon lange gestellt, denn die beiden Väter waren gute Freunde und so wurde die Hochzeit der Kinder schon längst beschlossen. Der Onkel des Marquis zeigt sich von der geplanten Hochzeit allerdings wenig begeistert. Ein alter Familienfluch besagt, dass eine Heirat Mathurins Tod bedeutet. Als Lucy und ihre Tante auf dem Schloss eintreffen, sind die Vorbereitungen aber bereits in vollem Gange. Bei ihrem Streifzug durch das Anwesen ist Lucy fasziniert von einem Gemälde Romildas, einer Urahnin der Familie, und findet in einem alten Buch die Zeichnung einer schrecklichen Bestie, mit der Notiz am Rand: "Ich bin ihm begegnet, und ich habe mit ihm gekämpft". In der darauf folgenden Nacht träumt sie von dieser Begegnung. Doch was als Albtraum beginnt verwandelt sich plötzlich in pure Lust - animalisch, exzessiv, grenzenlos... Schweißgebadet erwacht sie. War alles nur ein Traum?


Das es sich bei "La Bete" um einen Film handelt, der die Meinungen extrem spaltet, wird einem schon nach ziemlich kurzer Zeit klar, denn die hier erzählte Geschichte ist alles andere als das, was man im Normalfall von einem Film erwartet. Der Film macht von Beginn an keinen Hehl daraus, das er eigentlich nur provozieren will und dabei mit sexuellen Fantasien aller Art nur so um sich wirft. Regisseur Walerian Borowczyk lässt dabei rein gar nichts aus, ganz egal, ob es sich dabei um den sodomistisch veranlagten Mathurin, einen pädophilen Pfaffen, die nymphomane Tochter des Marquis, oder die wirren Träume der Lucy Broadhurst handelt. So wird der Zuschauer gleich zu Beginn mit einem Hengst und einer Stute konfrontiert, die es wild miteinander treiben, was sicherlich bei vielen Leuten die Frage aufwerfen wird, was dieser Einstieg in den Film wohl bedeuten mag. Es ist nicht mehr und nicht weniger als der Einstieg in einen Film, der im Prinzip lediglich aus sexuellen Provokationen besteht, was sich auch im Laufe des Geschehens immer mehr herauskristallisiert.

24 lange Jahre stand dieses umstrittene Werk auf dem Index und wenn man ganz ehrlich ist, kann man das auch durchaus nachvollziehen, denn die ständigen sexuellen Provokationen sind doch teilweise auch recht schockierend in Szene gesetzt worden. Hierbei stechen wohl insbesondere die Passagen des Films hervor, die sich mit den Traum-Sequenzen beschäftigen, in denen das Biest die Urahnin der Adelsfamilie vergewaltigt, diese dann aber den Spieß umdreht und ihrerseits die Initiative beim skurrilen Geschlechtsakt übernimmt. Dabei werden einem auch immer wieder die einzelnen Geschlechtsorgane in Großaufnahmen präsentiert und auch beim Austreten von Körperflüssigkeiten hält die Kamera voll drauf, so das man wirklich alle Einzelheiten erkennen kann. Und so gewöhnungsbedürftig wie diese Szenen ist der gesamte Film, dessen Erzählweise für viele sogar als langweilig und relativ uninteressant angesehen werden kann, denn eine echte Erzähl-Struktur lässt sich manchmal lediglich erahnen. Und dennoch, oder gerade deswegen geht auch eine ganz eigenartige Faszination von dem hier gezeigten Treiben aus, das auf eine ganz eigenartige Art und Weise Besitz von einem ergreift.

So belanglos die Geschichte manch Einem auch vorkommen mag, denn sie bietet eigentlich gar keine Highlights und ist lediglich ein Sammelsurium der unterschiedlichsten Sex-Fantasien, so sehr versteht sie es auch, die Aufmerksamkeit des Zuschauers für sich zu gewinnen. Das liegt sicherlich auch an den teils fantastisch fotografierten Bildern, die man hier zu sehen bekommt und an dem künstlerischen Eindruck, den dieses Werk hinterlässt. Sicher wird es sehr viele Leute geben, die das nicht nachvollziehen können, aber "La Bete" ist in meinen Augen definitiv ein Film mit einem extrem hohen künstlerischen Ausdruck. Und ganz egal, wie man zu der Anhäufung an Sex-Szenen steht, sie wirken äusserst ästhetisch und hinterlassen allein dadurch einen nachhaltigen Eindruck beim Betrachter. Doch den hinterlässt eigentlich der gesamte Film, der egal, wie man zu ihm steht, auf jeden Fall zu Diskussionen anregt und auch die Sinne belebt. Nur sollte man hier von Anfang an mit vollkommen anderen Erwartungen an dieses Werk herangehen, denn die Story ist nur sehr schwer mit anderen zu vergleichen, da es auch keinen Spannungsaufbau im herkömmlichen Sinne zu begutachten gibt. Es baut sich lediglich eine phasenweise ziemlich kranke Atmosphäre auf, die allein schon durch die doch skurrile Thematik des Films entsteht.

Abschließend kann man festhalten, das "La Bete" mit Sicherheit kein Film ist, der für das breite Mainstream-Publikum geeignet ist und selbst bei geübten Cineasten für die unterschiedlichsten Meinungen sorgen wird. Man muss schon ein Faible für extrem aussergewöhnliche Filme haben, um mit diesem Werk etwas anfangen zu können. Hier gibt es eigentlich nur zwei Seiten, entweder man liebt dieses Werk, oder man kann gar nichts damit anfangen, ein Mittelweg ist wohl kaum möglich. Eines aber kann man diesem "Skandalfilm" auf keinen Fall absprechen und das ist die künstlerische Komponente des Geschehens und die damit verbundene Ästhetik, die den Zuschauer auf jeden Fall beeindruckt.


Fazit:


"La Bete" ist ein äusserst provozierendes Stück Film, das dies auch in jeder Phase zum Ausdruck bringen will. Hier wird man mit einer Ansammlung sexueller Fantasien konfrontiert, die bei manch Einem vielleicht sogar eine Art Ekel hervorrufen können. Der Begriff "Das Tier im Manne" bekommt hier eine ganz besondere Bedeutung und wird auch auf sehr beeindruckende Art und Weise ins Bild gesetzt. Man liebt oder man hasst diesen Film, aber man sollte ihn auf jeden fall einmal gesehen haben. Für mich persönlich handelt es sich hier um ein künstlerisches Meisterwerk, was aber sicherlich im Auge des betrachters liegt.


9/10

Re: La Bete

Verfasst: Mo 8. Nov 2010, 14:01
von buxtebrawler
Nun ja, ein ungewöhnliches Filmerlebnis ist „La Bête“ von Walerian Borowczyk, erschienen im Jahre 1975, zweifelsohne. Aber deshalb auch ein gutes? Ich versuche mal meinen Kopf freizumachen vom teilweise fürchterlich schwurbeligen Geschwafele des ansonsten sehr lobenswerten Booklets der „Bildstörung“-DVD und breche den Film auf das Wesentliche herunter: „La Bête“ ist im Prinzip ein Pseudo-Sodomieporno mit viel zu viel Alibi-Handlung. Der Film beginnt mit kopulierenden Pferden in Nahaufnahme, setzt mit ermüdenden, langweiligen Dialogszenen innerhalb einer französischen Aristokratenfamilie fast wie einem billigen Groschenroman für Hausfrauen über 40 fort, lediglich unterbrochen von seltenen Softpornoszenen zwischen einem flachbrüstigen Früchtchen (mit Rastazöpfen! Diese Aristokraten...) und einem schwarzen Diener. Das einzig Interessante am ausgewalzten Mittelteil sind die Anspielungen auf eine Art Familienfluch, der zunächst angenehm an klassische Werwolf-Geschichten erinnert, aber nur unzureichend weiterverfolgt wird. Im „Finale“, wenn man es denn so nennen mag, wird die Gunst des gelangweilten Zuschauer mit einer weiblichen Masturbationsszene zurückerobert, die in einem Traum überleitet, innerhalb dessen eine Frau Sex mit einer Bestie hat, bis letztere stirbt. Die Bestie wirkt dabei mit ihrem Kostüm eher belustigend als bedrohlich und die meiste Zeit bekommt man ohnehin nur ihren Penis zu sehen, der mehrmals ejakuliert. Diese Szenen wurden übrigens ursprünglich für einen Episodenfilm gedreht, wo sie aber letztendlich keine Verwendung fanden, weshalb sie vermutlich in eine ausufernde Rahmenhandlung gepackt und als „La Bête“ recycelt wurden. Borowczyks Film ist keine mutige Neuinterpretation des Werwolfthemas und noch weniger eine interessante Geschichte um die animalische Triebhaftigkeit, die in manch zivilisiertem Menschen schlummert o.ä. Vielmehr stellt „La Bête“ einen Tabubruch hinsichtlich zoophiler Neigungen dar und sollte damit vermutlich einfach nur schockieren. Das wäre aber wesentlich kurzweiliger gegangen, wobei es ohne Alibihandlung aber natürlich schwieriger gewesen wäre, diesen bizarren Schmodder als anspruchsvollen, künstlerischen Film zu bewerben... Fazit: Eine Schockwirkung, die, insbesondere in Zeiten des Internets, in denen man per Mausklick nun wirklich alles bekommt, schnell verpufft. Mehr ist bis auf ein paar weitere, kurz angerissene Provokationen z.B. bzgl. kirchlicher Doppelmoral, nicht dahinter.

Re: La Bete

Verfasst: Mo 8. Nov 2010, 15:12
von buxtebrawler
Was gibt es eigentlich in der limitiert veröffentlichten Langfassung zusätzlich zu sehen?

Re: La Bete

Verfasst: Mo 8. Nov 2010, 15:53
von Onkel Joe
buxtebrawler hat geschrieben:Was gibt es eigentlich in der limitiert veröffentlichten Langfassung zusätzlich zu sehen?
Nichts was den Film für dich sehenswerter machen würde ;).Damals war das bestimmt Kultig den im Kino oder auf VHS zu sehen.Heute lockt man mit diesen Film eigentlich nur noch Fan´s aus dunklen Kellern hervor, neuwertiges Publikum wird sich "so wie du auch" fragen was das soll.

Re: La Bete

Verfasst: Mi 10. Nov 2010, 11:52
von Salvatore Baccaro
Meiner Meinung nach wird es einem Film wie LA BÊTE nicht unbedingt gerecht, ihn auf eine reine "Schockwirkung" hin zu beurteilen. Schaut man sich gerade die "Skandalszenen" näher an, sticht ja ins Auge, dass sie völlig überzogen, nahezu satirisch-verzerrt daherkommen, mit einem kontrapunktisch wirkenden Cemballo-Stück von Scarlatti untermalt, und auf mich so wirken, als wollte Borowczyk sich fast schon über das Porno-Genre lustig machen, eine Art Parodie dazu entwerfen, wenn er die Bestie und sein Opfer alle erdenklichen und unerdenklichen Sex-Posen miteinander ausprobieren lässt. Das satirische Element zieht sich durch den gesamten gesellschaftskritischen Teil des Films: Borowczyk verteilt Ohrfeigen gegen Aristokratie, Kirche, und zeigt eine Gesellschaft, die eine schönere äußere Form hat, unter der man allerdings nicht lange nach einem hässlichen Innleben zu suchen braucht, es reicht, wenn man ein bisschen an ihr kratzt. LA BÊTEs Humor ist still und subtil (mir persönlich ging es so, dass mir erst beim dritten oder vierten Anschauen bewusst wurde, wie witzig und ironisch der Film eigentlich in seinen Details ist, weshalb ich in ihm deutliche Paralleln zu französischen Schriftstellern wie Maupassant oder Mérimée zu erkennen meine: überhaupt stand Mérimées großartige Novelle LOKIS ja eindeutig Pate), was er mit der Poesie gemein hat, die dem Film innewohnt (tatsächlich würde ich LA BÊTE als einen der erotischsten Filme bezeichnen, die ich jemals gesehen habe: allein die Rosen-Masturbations-Szene!), wohingegen die "Skandalszenen" mit dem Brüllen einer Bestie auf sich aufmerksam machen, und daher dazu einladen, den Fokus vor allem auf sie zu legen - allerdings finden sich selbst in den Kopulationsszenen zwischen Weib und Biest Momente voller Poesie (die Schnecke, die über ihren Schuh kriecht), und Spuren von Borowczyks eigenwilligem Humor (die strampelnden Frauenfüße, die der Bestie unbewusst zu einem Erguss verhelfen).

Das "Problem" von Filmen wie LA BÊTE ist wohl, dass sie zwischen allen Stühlen stehen. Der Konsument von "reißerischen" Horrorfilmen wird sich bei all den Dialogszenen und den ausführlichen Schilderungen der Hochzeitsvorbereitungen schnell langweilen, und der "seriöse" Arthouse-Konsument wird schon bei der Eröffnungsszenen irritiert die Augenbrauen hochziehen. Tatsächlich markiert LA BÊTE wohl auch einen Wendepunkt in Borowczyks Schaffen. Zuvor war er (mal abgesehen von CONTES IMMORAUX, der wohl bei den Zeitgenossen auch schon auf Unverständnis stieß) zunächst als renommierter Animationsfilmer tätig und seine frühen Spielfilme erhielten ebenso das Lob der Kritik (amüsant dabei ist, dass der Film, den er vor LA BÊTE drehte, eine Verfilmung des polnischen Literaturklassikers DZIEJE GRZECHU darstellte), ab LA BÊTE, so scheint es, teilte er das Schicksal von Künstlern wie Argento oder Rollin, die aufgrund des Kontextes, in dem sie agierten, auch heute noch vorrangig in der Schmuddel - oder Splatter-Ecke rangieren.

Re: La Bête

Verfasst: Di 7. Apr 2015, 17:38
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 22.05.2015 bei Bildstörung in einer limitierten Ausführung auf Blu-ray:

Bild

Extras:
- Bonus-DVD enthält: Kurzfilm L'Escargot de Venus (4 Min.); Kurzdoku "Borowczyks Wahn" (9 Min.); Interviews mit Walerian Borowczyk (7 Min.) und Noël Véry (7 Min.); Deleted Scenes (11 Min.); Behind the Scenes (11 Min.); Bildergalerie

Quelle: http://www.ofdb.de/view.php?page=fassun ... &vid=62261

Re: La Bête - Walerian Borowczyk (1975)

Verfasst: Do 14. Mai 2015, 09:20
von jogiwan
Nach „The Strange Case of Dr. Jekyll & Miss Osbourne” hatte ich gestern dann noch spontan Lust auf “La Bete”, an dem sich ja mittlerweile ja fast seit 40 Jahre die Geister ganz gehörig scheiden. Der 1975 entstandene Streifen ist ja irgendwo zwischen Erotik, Gesellschaftssatire, Autorenkino und Horror angesiedelt und schildert die einseitige Liebesgeschichte einer hübschen Frau aus reichem Hause, die mit ihrer Tante zu einer arrangierten Heirat in ein heruntergekommenes Schloss reist und dort bitter erkennen muss, dass ihr zukünftiger Ehemann nicht der liebende Ehemann ist, welchen sie eigentlich erwartet hat. In welche Richtung man die Handlung des Streifens mit seinen zahlreichen und ungewöhnlichen Momenten inklusive der berühmten Traumsequenz deuten möchte, ist aber ohnehin jedem Zuschauer selbst überlassen und ob erotisches Märchen für Erwachsene, Drama mit Horror-Motiven oder ein nicht nur aufgrund der titelgebenden Bestie bissiges Statement zu gesellschaftspolitischen Befindlichkeiten ist ja letztlich auch egal, wenn man sich darauf einigen kann, dass dieses Werk einfach in keine der gängigen Schubladen passt und das verdammt nochmal auch gut so ist.