Aztec Mummy vs. The Human Robot - Rafael Portillo (1958)
Verfasst: Mo 16. Mär 2015, 15:06
Originaltitel: La momia azteca contra el robot humano
Produktionsland: Mexiko 1958
Regie: Rafael Portillo
Darsteller: Ramón Gay, Rosa Arenas, Crox Alvarado, Luis Aceves Castaneda, Jaime González Quiñones
Die Aztekenmumie, Folge 3:
Ein Jahr ist vergangen, das Franchise jedoch noch lange nicht tot. LA MOMIA AZTECA CONTRA EL ROBOT HUMANO heißt der dritte Beitrag Rafael Portillos zur Aztekenmumie-Trilogie, die mit LA MOMIA AZTECA begonnen worden und mit LA MALDICIÓN DE LA MOMIA AZTECA fortgeführt worden ist. Der Titel lässt bereits auf vieles schließen. Offenbar reicht beim dritten Film einer Reihe die Hauptattraktion der vorherigen Filme nicht mehr aus. Es muss ein Kontrapart her, etwas, woran die Titelfigur sich reiben kann, ein Zweikampf der Giganten im besten Fall. So viel kann ich schon jetzt verraten: LA MOMIA AZTECA CONTRA EL ROBOT HUMANO reißt das Ruder wieder herum, und ist, gerade nach dem mir etwas zu formelhaften Vorgängerfilm, etwas, mit dem ich, im positiven wie im negativen Sinn, nun wirklich nicht gerechnet habe.
Fünf Jahre sind vergangen – in dem Kosmos zumindest, in dem unsere Filmreihe spielt, und in dem Dr. Almada, mittlerweile offiziell mit Flor verehelicht, seine beiden Kollegen Dr. Estelle und Dr. Diaz zu sich nach Hause einlädt, um ihnen derart spektakuläre Dinge zu enthüllen, dass ihnen die Ohren abzufallen drohen. Zuvor aber darf LA MOMIA AZTECA CONTRA EL ROBOT HUMANO noch einmal den kompletten Vorspann von Teil eins recyclen. Erneut sehen wir Impressionen der ehemaligen Aztekenhauptstadt Tenochtitlan. Erneut versichert eine Stimme aus dem Off, der vorliegende Film beruhe auf seriösen, nachprüfbaren Experimenten. Erneut werden als Autoritäten die mir unbekannten Wissenschaftler Dr. Hughes und Dr. Tony, sowie ein namenlos bleibender Anwalt, ins Feld geführt. Erneut schließt der Prolog mit dem Hinweis, dass für die Leinwandadaption der Hughes/Tony-Experimente die Realität mit der Fiktion verknüpft worden sei, was immer das auch heißen soll. Erst danach fallen wir in die eigentliche Spielfilmhandlung, die indes eine äußerst zerfaserte ist. Wie gesagt: es sind fünf Jahre seit den Ereignissen der letzten beiden Filme vergangen, weshalb Almada sich bemüßigt fühlt, großangelegte Aufklärungsarbeit zu leisten. Nachdem Dr. Diaz und Dr. Estelle in seinem Salon Platz genommen und Flor die üblichen oberflächlichen Schönheitskomplimente gemacht haben, hebt Almada zu einer langen Erzählung bzw. Rückblende an, die tatsächlich die gesamte erste Dreiviertelstunde dieses gerade mal sechzigminütigen Films einnimmt.
Was hat Almada seinen Gästen und seinem Publikum denn zu erzählen? Jedenfalls zunächst nichts, was Diaz und Estelle nicht längst wissen würden. Er beginnt mit dem Wissenschaftlichen Kongress, dem er in LA MOMIA AZTECA seine Reinkarnationstheorie vorgestellt hat, fährt fort mit der Ignoranz, die ihm von den Kollegen entgegengeschlagen ist, berichtet en detail von seinen daraus resultierenden Gefühlen der Enttäuschung und Resignation – und das alles, obwohl Diaz und Estelle an besagtem Kongress teilgenommen haben, somit bestens im Bild sein müssten. Was ich zunächst nur ungläubig fürchtete, wird bald zur Gewissheit: Almada erzählt uns wirklich noch einmal die gesamte Handlung der beiden ersten Aztekenmumien-Filme. Zwar wird immer mal wieder in den Salon geschnitten, wo Diaz und Estelle große Augen reißen, der Großteil der ersten vierzig Minuten des Films setzt sich indes aus Szenen zusammen, die sattsam aus Teil eins und Teil zwei der Serie bekannt sind, und über die Almada aus dem Off zusammenfassend Sinn stiftet. Immerhin unterstreicht das einen Eindruck, den ich vor allem bei LA MOMIA AZTECA bereits geäußert habe: im Grunde funktionieren diese mexikanischen Genrefilme wie Werke der Stummfilmzeit. Es ist nicht unbedingt nötig, die Dialoge zu verstehen, um zu begreifen, wovon sie handeln. Die wenigsten Plotpunkte werden verbal vermittelt, das meiste wird jeder allein durch Schauen verstehen können.
Flor begibt sich freiwillig in Hypnose, Xochitl und Popoca werden zum insgesamt dritten Mal hingerichtet, man dringt in die Pyramide ein, entwendet den Brustharnisch, die Mumie erwacht, die Fledermaus wird zu Dr. Krupp, Flors Vater stirbt usw.- falls jemand Zeit sparen möchte, würde es durchaus genügen, sich von allen drei Filmen einzig diesen dritten anzuschauen, um die Handlungen der ersten beiden in komprimierter, übersichtlicher Form serviert zu bekommen. Zwei Dinge sind in Almadas Erzählung, so sehr sie an den Drehbüchern von Teil eins und zwei klebt, dann aber doch sehr vielsagend. Zum einen spricht er ständig im Plural. Ein kollektives Wir ist es, das all die bunten Abenteuer erlebt hat. Kaum einmal geht er näher auf die Individuen ein, die sich hinter diesem Wir verbergen. Damit unterstreicht LA MOMIA AZTECA CONTRA EL ROBOT HUMANO, wie sehr seine Geschichte, und die der Vorgänger, eine Folie sind, auf die sich prinzipiell jeder Zuschauer selbst imaginieren kann, und wie wenig sie von jedweder Psychologie der in ihr verstrickten Subjekte abhängt – die demnach keine eigenständigen Subjekte, sondern bloße Objekte, vergleichbar vielleicht mit Schachfiguren, sind. Der zweite Punkt, der auffällt: Pinacates alter ego El Ángel wird von Almada mit keinem Wort be-dacht. Folgerichtig erfüllt Pinacate in diesem dritten Teil auch wieder genau die Angsthasenrolle, die er in LA MOMIA AZTECA innegehabt hat. Dass er sich jemals zeitweise als luchador verdingt hat, findet mit keiner Silbe Erwähnung. In Anbetracht der kläglichen Figur, die er in LA MALDICIÓN DE LA MOMIA AZTECA abgab, dürfte das kaum jemanden wundern.
Nach knapp vierzig Minuten ist die Rückblende Almadars zwar noch nicht beendet, schildert aber endlich Geschehnisse, die ein aufmerksamer Betrachter der ersten beide Teile noch nicht kennt. Obwohl es am Ende von Teil zwei schien, Dr. Krupp sei endlich ein Fraß der Schlangen geworden, hat der gemeinsam mit seiner rechten Hand Tierno in letzter Sekunde sein Leben retten können, und sinnt weiterhin darauf, sich den Aztekenschatz zu sichern. Sein Problem: sobald er erneut versuchen würde, in die Geheimkammer der Pyramide von Tenochtitlan einzudringen, würde die Aztekenmumie Popoca mit Sicherheit sofort wieder auf den Plan treten, um den Schatz zu verteidigen. Wo Popoca inzwischen steckt, weiß indes niemand. Am Ende von Teil zwei ist die Mumie ins Ungewisse davongestapft. Dr. Krupp möchte sie aber ausschalten, und zwar nachdrücklich, um danach ungestört den Schatz heben zu können. Um den Aufenthaltsort der Mumie herauszufinden, kommt er gemeinsam mit dem Drehbuch auf eine der abstrusesten Ideen der gesamten Reihe. Er fährt zum Haus Almadas und flüstert dort mehrmals im Auto sitzend Flors Name vor sich hin, worauf diese, schon im Bett liegend, wie schlafwandelnd hochschreckt, zu ihm und Tierno nach draußen wankt, und sie auf den nächsten Friedhof führt, wo Popoca sich im Grab eines gewissen Francisco de Urquico, des letzten Aztekennachfahren, zur Ruhe gebettet hat. Mal abgesehen davon, dass ich es seltsam finde, auf einem offenkundig christlichen Friedhof ein Prachtmonument für den letzten lebenden Azteken zu begegnen, erklärt der Film Krupps Einflussnahme über Flor im Prinzip überhaupt nicht. Noch bizarrer wird es im Folgenden: Almada und Pinacate merken, dass Flor nachts unterwegs war, und zwar scheinbar ohne Bewusstsein, und vermuten Machenschaften Krupps dahinter. Man lässt einen befreundeten Wissenschaftler Flors Nachthemd untersuchen, worauf der Spuren eines seltenen Marmors findet, der vorrangig für Grabdenkmäler verwendet wird. Sodann klappern Almada und Pinacate sämtliche Friedhöfe der mexikanischen Metropole ab bis sie das Monument gefunden haben, in dem Popoca schlummert. Was sie nun tun, ist abwarten – darauf, dass Krupp den nächsten Schritt unternimmt, und das dauert die oben bereits erwähnten fünf Jahre.
Der Film jedoch dauert nun bloß noch eine Viertelstunde und weder hat die Handlung bislang richtig eingesetzt noch ist irgendein Sterbenswörtchen über den versprochenen humanoiden Roboter gefallen. Immerhin tritt Krupp als Fledermaus endlich in räuberische Erscheinung. Entwendet werden ein menschlicher Leichnam, ein menschliches Gehirn sowie große Mengen radioaktiver Substanzen, das alles aus dem örtlichen Krankenhaus, und so ungeschickt, dass die Presse, von der Almada davon erfährt, sicher ist, nur die Fledermausbande könne dahinterstecken, man habe das an Krupps Kostümierung erkannt. Erneut dürfen Almada und Pinacate Hobbydetektive sein. Was schützt einen vor Radioaktivität? Wohl nur Eisen, lautet die Logik des Films, weshalb unsere Helden solange alle Eisenhändler Mexiko Citys aufsuchen bis sie einen gefunden haben, der vor zwei Tagen erst eine ungewöhnlich hohe Menge an eine Adresse geliefert hat, die er den Beiden ohne zu zögern nennt. Hinter dieser Adresse hat Bruder Leichtsinn Krupp tatsächlich ein neues, nicht allzu geheimes Labor errichtet, und braut dort den ultimativen Gegner für die Aztekenmumie zusammen, einen im wahrsten Sinne des Wortes menschlichen Roboter, sprich: einen lebenden Leichnam, der in einem Korsett aus Metall steckt und im Kampf mit Radioaktivität um sich schießt. Dies, so erklärt Krupp unseren Helden, die natürlich sofort bei Betreten des Geländes gefasst werden, sei das einzige Mittel, Popoca nachdrücklich zu vernichten. Gemeinsam bricht man auf zu dem Grabe Francisco de Urquicos, wo die Mumie nach wie vor selig schläft. Da Flor, Diaz und Estelle inzwischen ebenfalls dorthin unterwegs sind, steht einem feuerwerkgroßen Showdown zwischen Verbrechertum und Wissenschaft, zwischen Roboter und Mumie, zwischen Gut und Böse nur noch im Wege, dass der Film jetzt leider bloß noch fünf Minuten dauert.
War LA MOMIA AZTECA ziemlich klassisch in seiner Ausführung, Form und Inhalt betreffend stellenweise fast so etwas wie die mexikanische Antwort auf US-amerikanischen Universal-Mumienhorror, und war LA MALDICIÓN DE LA MOMIA AZTECA ziemlich steril in seiner Ausführung, Form und Inhalt betreffend stellenweise fast so etwas wie die verlorene Folge irgendeines mexikanischen Wrestler-Serials, so ist LA MOMIA AZTECA CONTRA EL ROBOT HUMANO der Moment, wo die Reihe in die Gefilde eines Trashs stürzt, den man gesehen haben sollte, um glauben zu können, dass es möglich ist, derart viele absurde Einfälle in einer derart kurzen Laufzeit zu versammeln. Während die beiden Vorgängerfilme immerhin noch über eine interne Logik verfügten, die zwar nicht mit unserer sogenannten Realität kompa-tibel ist, jedoch in sich selbst schlüssig schien, verzichtet dieser dritte Teil auf noch den leisesten Funken Vernunft und Verstand, und entfacht ab der vierzigsten Minute ein Inferno an Abstrusitäten, gleichermaßen entsetzend und entzückend. Warum muss es denn ausgerechnet ein Roboter sein, dem die Aztekenmumie in ihrem Finalkampf gegenübersteht? Wieso bestellt Almada eigentlich Diaz und Estelle zu sich, um ihnen die Enthüllungen bezüglich Krupp zu präsentieren, und nicht gleich die Polizei? Wieso legt sich die Mumie nicht in ihrer Pyramide schlafen, sondern im Grabmal Francisco de Urquicos mitten auf einem christlichen Friedhof? Ich weiß keine Antwort auf diese Fragen, der Film weiß sie ebenfalls nicht, und der Geist des Surrealismus triumphiert spätestens in einer der größten Szenen der gesamten Reihe, wenn nämlich Krupp, zum Glück wieder in sein Fledermauskostüm gehüllt, dessen Arme wie Flügel spreizt, sein Gesicht irre verzerrt und, mit einem saftigen Donnerschlag von der Tonspur, seinen menschlichen Roboter vorstellt, der wirklich nicht mehr ist als ein Laiendarsteller in einem Konstrukt aus Pappmaché. Theatralisch, dramatisch, nahezu tragisch ist dieser Moment und fasst alle drei Teile in einer völlig überzeichneten Klimax zusammen: wer hier eintritt, lasse allen Verstand fahren.
Insgesamt gesehen kann ich sagen, dass meine Liebe zum mexikanischen Horrorfilm wächst je mehr ich von diesen wundersamen Machwerken zu sehen bekomme. Mexiko verfügte in den 50ern und 60ern über eine Genrefilmproduktion, die sich vor europäischen Ländern wie Italien oder Großbritannien, und schon gar nicht vor den USA zu verstecken braucht. Die Filme mögen kindlicher sein, reduziert in ihren Mitteln und, gemessen am konventionellen Kino, voller Fehler, Ungereimtheiten und Makel. Letztlich sollte man Filme wie die, die vom Schicksal der aztekischen Mumie Popoca erzählen, allerdings nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen schauen – und das schlägt bei mir im Takt von Kinderspielen, bei denen man zwischen zwei Lidschlägen vom Piraten zum Cowboy, vom Räuber zum Gendarm, vom Jäger zum Verfolgten werden konnte.