Wenn die Gondeln Trauer tragen - Nicolas Roeg (1973)
Verfasst: Do 10. Jun 2010, 16:23
Wenn die Gondeln Trauer tragen
(Don't Look Now)
mit Donald Sutherland, Julie Christie, Hilary Mason, Clelia Matania, Massimo Serato, Renato Scarpa, Giorgio Trestino, Leopoldo Trieste, David Tree, Ann Rye, Nicholas Salter, Sharon Williams, Bruno Cattaneo, Adelina Poerio
Regie: Nicolas Roeg
Drehbuch: Daphne Du Maurier / Allan Scott
Kamera: Anthony B. Richmond
Musik: Pino Donaggio
FSK 16
Großbritannien / Italien / 1973
Nachdem die geliebte Tochter in einem Teich ihres englischen Landsitzes ertrank, kommen John und Laura Baxter (Donald Sutherland & Julie Christie) nach Venedig. Hier passieren mysteriöse Dinge. Der Geist des toten Kindes scheint auf die Erde zurückgekehrt, um die Eltern vor den tödlichen Gefahren der Lagunenstadt zu warnen. Laura gerät ganz in den Bann dieser unheimlichen Visionen. Was geschieht aber, wenn John die warnenden Signale aus dem Reich der Toten ignoriert? Kann das Paar sich noch länger den drohenden Folgen entziehen, in welche es durch die Voraussagen der geheimnisvollen, blinden Hellseherin verstrickt wurde?
Wenn man von Mystery / Thrillern mit leichtem Horror-Einschlg spricht, dann kann man an diesem subtilen Meisterwerk von Nicolas Roeg kaum vorbei, denn kann man diesen Film wohl ohne Übertreibung zu den besten Vertretern seiner Sparte zählen. Hier liegt einmal wieder ein Paradebeispiel dafür vor, das man selbst mit einem äusserst geringen Budget (geschätzte 1.500.000 $) eine maximale Wirkung erzielen kann. Aus heutiger Sicht mag dieses Werk auf viele eventuell einen etwas angestaubten Eindruck hinterlassen und auch die eher sehr ruhige Erzählweise der Geschichte mag nicht mit jedem Geschmack konform gehen, doch ist es doch insbesondere der gewählte Erzähl-Stil, der dem Geschehen ein so hohes Maß an Intensität verleiht und den Zuschauer förmlich in seinen Bann zieht. Der dabei entstehende Horror ist vollkommen unblutig und von der subtilen Art, so das trotz der Tatsache, das im Prinzip gar nicht so viel geschieht, ein äusserst angespanntes Seh-Verhalten beim Betrachter entsteht.
In der Hauptsache wird man fast ganzzeitig mit den beiden Hauptcharakteren John und Laura konfrontiert, die durch einen tragischen Unfall ihre kleine Tochter verloren haben. Die beiden anderen, für die Geschichte besonders wichtigen Figuren sind 2 skurrile Schwestern, von denen die eine blind ist und anscheinend über "Das zweite Gesicht" verfügt. Vor allem Laura ist den Prophezeiungen dieser Frau besonders zugänglich, die ihr und ihrem Mann dringend rät, Venedig so schnell wie möglich zu verlassen, um einer Katastrophe zu entgehen, die insbesondere John betrifft. Mehr kann und darf man über den Inhalt einfach nicht verraten, um die Spannung nicht schon vor der Sichtung des Filmes zu nehmen.
Doch prinzipiell ist es eigentlich vollkommen egal, wieviel man über den Inhalt weiss, denn selbst nach mehrmaligem Anschauen verliert dieses Meisterwerk des Mystery / Thrillers rein gar nichts von seiner Faszination, die auch nach mittlerweile 37 Jahren immer noch vorhanden ist, da es sich hier wirklich um einen zeitlosen Klassiker handelt. Dazu tragen schon allein die erstklassigen darstellerischen Leistungen bei, die sich einem hier offenbaren, wobei insbesondere D. Sutherland und J. Christie herausragen, die der Geschichte durch ihr authentisches und überzeugendes Schauspiel ganz unweigerlich ihren Stempel aufdrücken. Doch ist es längst nicht nur das Schauspiel, das diesen Klassiker so absolut sehenswert macht, auch die sich entfaltende Atmosphäre ist als absolutes Highlight anzusehen. Mit der Zeit verdichtet sich die Grundstimmung immer mehr, die aufkommende Bedrohlichkeit der Geschehnisse tritt immer mehr in den Vordergrund und das Szenario nimmt immer mehr unheimliche und mysteriöse Elemente an, denen man sich als Zuschauer nicht erwehren kann. Immer mehr versinkt man selbst in den geheimnisumwobenen Geschehnissen, die sich einem präsentieren und kann auch eine phasenweise auftretende Gänsehaut nicht unterdrücken.
Und dann sollte man es auch nicht unerwähnt lassen, das dieser Film wohl eine der ästhetischsten und ausdrucksstärksten Sex-Szenen der Filmgeschichte beinhaltet, denn auch, wenn solche Passagen in vielen Filmen eher unnötig und überflüssig erscheinen, so passt es hier perfekt in das exzellente Gesamtbild. Selten hat eine solche Szene so viele Gefühle beinhaltet, denn über Leidenschaft, Schmerz, Trauer und Liebe ist doch die gesamte Gefühls-Palette vorhanden und wird dabei brillant zum Ausdruck gebracht, so das einen das Gefühl überkommt, das die beiden Personen in ihrem Schmerz richtiggehend miteinander verschmelzen wollen.
So kann man letztendlich zu der Erkenntnis gelangen, das mit den minimalsten Mitteln eine maximale Wirkung erzielt wurde, die auch noch lange nach dem Ende des Films nachwirkt und einen nicht so schnell wieder freigibt. Ständig lässt man das Szenario immer wieder vor seinem geistigen Auge vorüberziehen und sucht nach weiteren Anhaltspunkten und Kleinigkeiten, die man vielleicht übersehen hat und die einem noch eine andere Sichtweise auf die Ereignisse bieten, um diese auch anders interpretieren zu können. So beschäftigt einen die Geschichte auch noch sehr nachhaltig, was meiner Meinung nach immer das größte Kompliment ist, das man einem Film machen kann, ist es doch praktisch die Garantie dafür, das man ihn nicht das letzte Mal gesehen hat.
Fazit:
"Wenn die Gondeln Trauer tragen" ist ein absolut brillanter Mystery / Thriller, dem subtile Horror-Elemente und dramatische Züge beigefügt wurden, so das insgesamt eine nahezu perfekte Kombination entstanden ist, die ihre beabsichtigte Wirkung auf den Zuschauer nicht verfehlt. Trotz seines Alters von nun fast schon 40 Jahren ist der Film dabei immer wieder sehenswert und garantiert ein intensives und auch unheimliches Film-Erlebnis, das man nicht so schnell vergessen wird.
9/10