Europa Report - Sebastian Cordero (2013)

Moderator: jogiwan

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horror1966
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Europa Report - Sebastian Cordero (2013)

Beitrag von horror1966 »

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Europa Report
(Europa Report)
mit Daniel Wu, Sharlto Copley, Christian Camargo, Karolina Wydra, Michael Nyqvist, Anamaria Marinca, Embeth Davidtz, Isiah Whitlock Jr., Dan Fogler
Regie: Sebastián Cordero
Drehbuch: Philip Gelatt
Kamera: Enrique Chediak
Musik: Bear McCreary
FSK 12
USA / 2013

In naher Zukunft ist die Technik reif für eine Expedition zum Jupitermond Europa. Unter dessen Oberfläche wurde schon viele Jahre zuvor von Satelliten Wasser entdeckt, nun soll eine sechsköpfige Crew bestehend aus Wissenschaftlern beiderlei Geschlechts und diverser Sparten mal nachsehen, ob sich darin nicht vielleicht Leben befindet. Nach langer Reise finden ihre Hoffnungen vor Ort neue Nahrung, als sich weite Teile des Wassers als flüssig entpuppen, und sowohl Lichtsensoren als auch Bewegungsmelder anschlagen.


Der von nicht allen Leuten geliebte Found Footage Drehstil scheint sich bei Regisseuren anscheinend immer noch größter Beliebtheit zu erfreuen. Wurde in den letzten Jahren zum Großteil das Horror Genre für unzählige Beiträge dieser Art herbei gezogen, so liegt mit "Europa Report" nun auch ein SCI/FI Werk vor, in dem man sich dieses Stils bedient hat. Natürlich stellt man sich dabei unweigerlich die Frage ob das denn überhaupt funktionieren kann und geht mit einer gewissen Skepsis an die hier erzählte Geschichte heran, doch ehrlich gesagt hätte man meiner Meinung nach kaum eine bessere Erzählweise für das Szenario wählen können. Man sollte sich jedoch von Beginn an darüber bewusst sein, das hier definitiv kein actiongeladener Film vorliegt, denn vielmehr hat Regisseur Sebastián Cordero sein Hauptaugenmerk auf eine äußerst klaustrophobische Grundstimmung gelegt, die auch in weiten Teilen der Erzählung sehr gut zur Geltung kommt. Angesiedelt ist das Ganze in der nahen Zukunft und Ziel der Mission ist ein Jupiter Mond namens Europa. Bis man ausführlich mit der Aufgabe der sechs Astronauten konfrontiert wird vergeht eine geraume Zeit und so bekommt man erst einmal diverse Puzzle Teilchen serviert, die im Laufe des Filmes ein relativ rundes Gesamtbild ergeben.

Cordero spielt dabei auch mit verschiedenen Zeitebenen, zudem werden immer wieder mehrere Rückblenden eingebaut, in denen auch Personen vom Bodenpersonal zu Wort kommen. Dadurch erhöht sich der dokumentarische Eindruck der Abläufe um ein Vielfaches und streckenweise wird man als Zuschauer das Gefühl nicht los, das man sich mitten in einem interessanten Tatsachenbericht befindet. In gewissen Teilen erinnert "Europa Report" dann von der Atmosphäre her auch an einen Klassiker wie "2001 - Odyssee im Weltraum" und spätestens jetzt müsste eigentlich jeder wissen, auf welche Art von Film man sich hier einlassen wird. Der ruhige und bedächtige Aufbau der Ereignisse ist sicher nicht jedermanns Sache und wer an dieser Stelle etliche Tempowechsel oder gar ein Effekt Feuerwerk erwartet wird eher enttäuscht sein. Wenn man allerdings geheimnisumwitterte Storys mit einer ständig ansteigenden Intensität zu schätzen weiß, dann dürfte dieses Werk genau richtig sein.

Seinen Spannungsbogen bezieht das Szenario aus der üblichen Frage ob es fremdes Leben im Weltall gibt, außerdem ist das Schicksal der Astronauten ein weiterer Reizpunkt, denn durch die Einführung in das Geschehen wird schon verhältnismäßig schnell klar, das die Mission zu keinem guten Ende gekommen ist. Nach manchmal etwas fahrig wirkenden ersten Minuten in denen auch des Öfteren die Split Screen Technik zu Tage tritt, besinnt man sich auf das Wesentliche und beleuchtet dabei die Ereignisse die sich an Bord des Raumschiffes abgespielt haben. Das gestaltet sich auch größtenteils interessant, wobei man allerdings ein Faible für das wissenschaftliche Element haben sollte. Besteht der Film doch zu großen Teilen aus Dialogen, in denen einem etliche Erklärungsversuche für die Abläufe geliefert werden. Wenn man also auf Action und viel Tempo steht wird "Europa Report" auf wenig Gegenliebe stoßen, so das dieses Werk auch sicherlich nur für eine bestimmte Zielgruppe zugänglich sein wird.

Auch wenn es sich an dieser Stelle um keinen pompös ausgestatteten Blockbuster handelt, kann das Szenario gerade in optischer Hinsicht durchgehend überzeugen. Zwar fehlt es an spektakulären Effekten, aber insbesondere das Innere des Raumschiffes hinterlässt doch einen sehr überzeugenden Eindruck. Auch bei den Darstellern gibt es nichts zu beanstanden, zwar fällt hier niemand besonders ins Auge, doch in der Summe sind die Performances durchaus als gelungen anzusehen. Das bekannteste Gesicht unter den Akteuren dürfte wohl Michael Nyqvist sein, den die meisten hauptsächlich aus der Millennium Trilogie von Stieg Larsson kennen werden. Letztendlich kan man dieses Werk meiner Meinung nach auf jeden Fall als gut gelungenes Experiment bezeichnen, in dem man den Found Footage Look in das SCI/FI Genre integriert hat. Das wird nicht jedem zusagen, sollte doch aber zumindest so neugierig machen, das man diesem Film eine faire Chance gibt die er ganz bestimmt verdient hat.


Fazit:


Obwohl ich nicht der größte Fan des Found Footage bin, hat mich Sebastián Cordero mit seinem "Europa Report" äußerst positiv überrascht. Mit der richtigen Erwartungshaltung kommt der Betrachter fast durchgehend auf seine Kosten und dürfte seine Freude an diesem eher ruhigen, aber deswegen nicht minder intensivem Szenario haben.


7/10
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Arkadin
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Re: Europa Report - Sebastian Cordero (2013)

Beitrag von Arkadin »

Ein Raumschiff mit einer internationalen Besatzung macht sich 2061 auf, um auf dem Jupitermond Europa nach Spuren außerirdischen Lebens zu suchen. Doch etwas geht schief. Es kommt zu einem tragischen Unfall und der Funkkontakt zur Erde bricht ab. Aus dem Material, welches die Bordkameras während des langen Fluges aufgenommen haben, wurde eine Dokumentation erstellt. Diese beantwortetdie Frage, was mit der Crew geschah.

Obwohl das schöne Cover andere Erwartungen weckt, handelt es sich beim “Europa Report” um eine Mockumentary, die mit dem Stilmittel des noch immer recht populären “Found-Footage”-Genres arbeitet. Wobei der Film dankenswerterweise nichts mit den berüchtigten Wackelkameras zu tun hat, die das Genre oftmals zur Geduldsprobe machen. “Europa Report” gibt vor, aus dem Material der Kameras zusammengeschnitten zu sein, die am Bord des Raumschiffs aufgestellt sind. Nur selten nimmt einer der Darsteller selber eine Kamera in die Hand (z.B. um einen Gruß an die Lieben aufzunehmen) oder das Geschehen wird mit an Helmen befestigten Mini-Kameras gefilmt. Dementsprechend wechselt die Bildästhetik auch von Einstellung zu Einstellung, was dem Film aber auch eine gewisse Dynamik gibt. Denn ständig unveränderte Einstellungen hätten das eh schon recht geringe Tempo des Filmes noch weiter verlangsamt. Andererseits wäre der Realismus, der vor allem die ersten zwei Drittel von “Europa Report” prägt, dadurch sicherlich noch verstärkt worden.

Immer wieder werden die strengen Regeln, was und wie zu sehen ist/sein kann, dezent gebrochen. So ist die Kamera immer so eingerichtet (oder die Schauspieler in ihrem Blickfeld positioniert), dass filmische Schnitte möglich sind. Außerdem schleicht sich hier und da ein unauffälliger Zoom ein, was bei den statischen Bordkameras eigentlich nicht möglich sein sollte. Da dies alles aber nicht als “unbearbeitetes Material”, sondern als Fake-Dokumentation der Ereignisse ausgeben wird, kann man diese kleinen Inkonsequenzen durchaus verzeihen. Ebenso die Musikuntermahlung. Der Score von Bear McCreary ist zwar ganz hervorragend ausgefallen, passt aber eher zu einem konventionellen Spielfilm und weniger zu den vorgeblich “echten” Bildern von “Europa Report”. Andererseits ist das ganze Science Fiction und somit von vornherein nicht – wie z.B. in “Blair Witch Project” – darauf ausgelegt, dem Zuschauer Glauben zu machen, man sähe etwas “reales”. Dies verhindert schon die Auswahl der Schauspieler, die zwar alle keine großen Stars sind – zumindest in Hollywood – aber doch durchaus vertraute Gesichter.

Unter den Darstellern ist Michael Nyqvist sicherlich der Bekannteste. Hier spielt er den Russen Andrei Blok. Berühmt geworden ist er außerhalb seiner Heimat Schweden neben Noomi Rapace in der Rolle des Mikael Blomkvis in der “Millennium“-Reihe. Auch die Rumänin Anamaria Marinca hat schon in einigen Filmen mitgespielt, seit sie die Hauptrolle in dem 2007 in Cannes gleich dreimal (u.a. mit der Goldene Palme) ausgezeichneten Abtreibungs-Drama “4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage” die Hauptrolle spielte. Die wunderschöne Polin Karolina Wydra sorgt für ein wenig Sex-Appeal. Sie spielte zuvor “Dr. House“s Ehefrau Dominika und die Violet in “True Blood“. Daniel Wu hat in unzähligen Hongkong-Filmen mitgewirkt, und ist regelmäßig in Jackie-Chan-Filmen zu sehen. Alle Darsteller spielen zurückgenommen und natürlich. Niemand drängt sich in den Vordergrund. Generell gibt es zunächst keine Hauptfigur, alle tragen gleich viel zur Handlung bei und sorgen dafür, dass diese “echt” wirkt.

Überhaupt wurde bei der Produktion des Filmes viel Wert auf Authentizität gelegt. Dies beginnt bereits bei dem hervorragenden Set-Design. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, an einem Set zu sein. Jedes Teil wirkt so, als ob es wirklich eine Funktion hätte. Würde man es nicht besser wissen, könnte man glauben, der Film sei tatsächlich in einem echten Raumschiff gedreht worden. Demgegenüber stehen einige offensichtliche digitale Kreationen, wenn es die Umgebung außerhalb des Raumschiffes gezeigt wird. Aber dies fällt nicht weiter ins Gewicht. Spielt doch der überwiegende Teil des Filmes sowieso im Inneren des Schiffes. Dort wird zunächst die Routine und die Langeweile der Besatzungsmitglieder in den Vordergrund gerückt. Durch einen dramaturgischen Kniff versucht der ecuadorianischen Regisseur Sebastián Cordero (dessen “Rabia” ich einst auf dem Internationalen Filmfest in Warschau sah – siehe hier) trotzdem Spannung zu erzeugen, indem er früh zu erkennen gibt, dass es auf der langen Reise zum Jupiter ein tragisches Ereignis gab. Leider geht dies zu Lasten der Kontinuität und das plötzliche Springen in den Zeitebenen verwirrt weitaus mehr, als es dem Film nutzt. Da helfen auch die eingeblendeten Timecodes nichts, die auf den ersten Blick schwer zu entziffern sind.

Am Ende wird es dann doch noch richtig dramatsich und auch so etwas wie Action kommt auf. Vielleicht wäre aber ein ruhigeres Finale angemessener gewesen. Dass der Film dann in letzter Sekunde noch sein “Monster” zeigt, und dies weitaus konventioneller ist, als man zunächst gedacht hatte, wäre ebenfalls nicht unbedingt nötig gewesen. Wären die seltsamen Vorkommnisse auf dem Jupiter Mond Europa mehr in der Schwebe gelassen worden, und hätte man die Fantasie des Zuchauers mehr gefordert, hätte das Finale noch effektiver und nachhaltiger sein können. Hier aber entschloss man sich, wie einst in “Der Fluch des Dämons“, den einfachen Weg zu gehen und den Mainstream der Zuschauer zu befriedigen. Doch dies ist nur eine leise Kritik an einem Film, der den Mut hat, es sich über weite Strecken eben nicht einfach zu machen, und sich eher auf seine Geschichte und seine tollen Schauspieler zu verlassen, als auf allzu viele Effekte und plakative Action.

“Europa Report” legt viel Wert auf Authentizität, wodurch auch die Langweile und die Routine der Protagonisten transportiert wird. Dies führt, gemeinsam mit den überzeugenden Darstellern, dazu, dass die Handelnden als Personen und nicht nur als reine Figuren wahrgenommen werden. Der mittlerweile ziemlich ausgelutschte “Found-Footage”-Kniff wird in diesem Film endlich einmal optimal eingesetzt. Durch das Gewand der Dokumentation kann man auch einige Ungereimtheiten durchaus verzeihen. Nur die zum Teil verwirrende Vor- und Rückblenden, sowie eine etwas konventionelle Auflösung, schmälern die Begeisterung für diesen ansonsten sehr guten Science-Fiction-Film ein wenig.

Screenshots: http://www.filmforum-bremen.de/2013/12/ ... pa-report/
Früher war mehr Lametta
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Blap
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Registriert: Sa 19. Dez 2009, 14:21

Re: Europa Report - Sebastian Cordero (2013)

Beitrag von Blap »

Ging völlig an mir vorüber, irgendwann auf einer Börse für 5€ eingesackt.

FF ist gar nicht meine Welt, hier aber sehr ansprechend umgesetzt. Ein überwiegend ruhiger Beitrag zum Genre, gut gespielt und ansprechend ausgestattet. Lediglich das Ende zeigt zu viel, dadurch wird das gesamte Treiben deutlich seiner Reize beraubt.

6,5/10
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
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