Orphan - Das Waisenkind - Jaume Collet-Serra (2009)
Verfasst: Fr 18. Jun 2010, 21:27
Orphan - Das Waisenkind
(Orphan)
mit Vera Farmiga, Peter Sarsgaard, Isabelle Fuhrman, CCH Pounder, Jimmy Bennett, Margo Martindale, Karel Roden, Aryana Engineer, Rosemary Dunsmore, Jamie Young, Lorry Ayers, Brendan Wall, Genelle Williams, Mustafa Abdelkarim, Landon Norris
Regie: Jaume Collet-Serra
Drehbuch: David Johnson / Alex Mace
Kamera: Jeff Cutter
Musik: John Ottman
FSK 16
Deutschland / Kanada / Frankreich / USA / 2009
Hätte Rosemaries Baby eine ältere Schwester, dann wäre es Esther! Hinter der Fassade des hübschen, intelligenten Waisenkinds verbirgt sich das Böse - kompromisslos, berechnend und kaltblütig. Nach einer Fehlgeburt entschließen sich Kate und John ihre Familie durch die Adoption des Mädchens zu komplettieren. Doch die frühreife Esther hat ihre ganz eigene Vorstellung vom perfekten Familienleben und wer sich ihr entgegenstellt, muss um sein Leben fürchten
An sich ist das neue Werk von Regisseur Jaume Collet-Serra (House of Wax) nicht gerade ein Feuerwerk an Innovation, denn bekommt man es doch anscheinend mit einem Film zu tun, der Erinnerungen an Klassiker wie "Das Omen" oder Rosemary''s Baby", in denen sich die Thematik auch um Kinder geht, die das Böse verkörpern. Und auch Genre-Vertreter wie "Whisper" oder der brandneue "Fall 39" gehen in diese Richtung, die doch schon von Haus aus ein hohes Maß an Spannung verspricht. Und dennoch hebt sich "Orphan" doch noch ein Stück von den aufgezählten Filmen ab, was insbesondere in der Aufklärung der Geschehnisse begründet ist, die sich einem gut 20 Minuten vor dem Ende offenbart und die für einen wirklichen "Aha-Effekt" beim Zuschauer sorgen. Nun mag es ganz sicher wieder etliche Menschen geben, die darüber diskutieren werden, ob die Auflösung logisch und der Realität entsprechend ist, oder vielmehr an den Haaren herbeigezogen wird, was aber meiner Meinung nach noch nicht einmal so wichtig ist, da des Rätsels Lösung ganz einfach schlichtweg brillant und vollkommen überraschend ist. Ganz egal, in welche Richtung die Gedanken des Zuschauers während des Films gehen, ich kann mir nicht vorstellen, das auch nur einer die präsentierte Lösung vorhergesehen hat, denn Anhaltspunkte dafür kann man beim besten Willen nicht finden.
Doch es ist längst nicht nur diese brillante Wendung, die das Geschehen am Ende nimmt, denn die hier erzählte Geschichte kann in allen Belangen absolut überzeugen, von der ersten Minute an baut sich eine herrlich unterkühlte und immer bedrohlicher werdende Atmosphäre auf, die einem richtiggehend unter die Haut geht und bis zum bitteren Ende auch nicht mehr loslässt. Dafür sorgen allein schon die exzellent ausgewählten Schauplätze des Geschehens, wie beispielsweise das etwas abgelegene Familien-Domizil, das mitten in einer verschneiten Winterlandschaft liegt und die winterliche Atmosphäre, die durch später einsetzenden Dauer-Schneefall die kühle und beklemmende Grundstimmung der Geschichte noch einmal zusätzlich unterstreicht. So bleibt es dann auch nicht aus, das man sich selbst in den meisten Passagen nicht ganz wohl in der eigenen Haut fühlt, da man das aufkommende Unheil fast greifen kann. Und obwohl gewisse Abläufe und Ereignisse absolut vorhersehbar erscheinen, zuckt man bei den perfekt eingefügten Schock-Momenten doch merklich zusammen und kann sich der dabei aufkommenden Gänsehaut nicht erwehren.
Die Faszination, die dieser Film ausstrahlt, ist wirklich absolut gewaltig und in erster Linie im brillanten schauspiel der Darsteller zu suchen, die durch die Bank hervorragende Arbeit abliefern. Nun lebt ein Film dieser Art selbstverständlich insbesondere von der Darstellung der Kinder-Darsteller, die in die Rolle des bösen Kindes schlüpfen und in dieser Beziehung liegt die Messlatte durch Filme wie "Das Omen" doch ziemlich hoch. Aber was Isabelle Fuhrman hier in der Rolle der Esther abliefert, das kann man ohne Übertreibung als fantastisch bezeichnen. Erscheint sie einem doch zu Beginn des Films noch wie ein kleiner Engel, der für sein Alter (9 Jahre) sehr aufgeweckt, intelligent und kultiviert daherkommt, so entpuppt sie sich doch schon nach ziemlich kurzer Zeit als ein vollkommen gefühlskaltes Monster, dessen Eiseskälte einem kalte Schauer über den Rücken jagt. Das dabei gezeigte Schauspiel ist äusserst beeindruckend und wirkt jederzeit vollkommen authentisch und glaubhaft. In keiner Phase überkommt einen dabei das Gefühl, das Fuhrman hier lediglich eine Rolle spielt, sie lebt förmlich die Rolle der Esther und verleiht ihr einen so grausamen Ausdruck, das es einem phasenweise richtig frösteln lässt. Nur äusserst selten hat man eine Kind-Darstellerin gesehen, die das absolut Böse so perfekt verkörpert, wie es in diesem grandiosen Film der Fall ist, fast möchte ich sogar behaupten, das hier in dieser Beziehung eine neue Dimension erreicht wurde, die nicht so leicht zu toppen sein wird.
Letztendlich hat es Jaume Collet-Serra nahezu perfekt verstanden, hier die Elemente des Dramas mit denen des Thrillers und des Gruselfilms zu kombinieren. Das daraus entstandene Endprodukt erzeugt dabei eine ungeheure Faszination, die sich in jeder Phase des Films auch auf den Betrachter überträgt, der sich gern und bereitwillig von der fantastischen Atmosphäre der Geschehnisse einnehmen lässt. Trotz einiger dialoglastiger Passagen und einer eher ruhigen und bedächtigen Erzählweise erscheint die Geschichte auch nicht nur eine Sekunde langatmig oder gar uninteressant, alles erscheint perfekt aufeinander abgestimmt und sorgt so für ein Seh-Vergnügen, das man nicht so schnell vergisst und dessen Wirkung auch sehr nachhaltig ist. Ein effektvoller Schocker, der auch trotz einer 16er Freigabe mit einigen harten Passagen aufwarten kann und in seiner Gesamtheit als ein qualitativ hochwertiges Film-Erlebnis angesehen werden kann und bei Freunden des Genres auf allgemeine Begeisterung stoßen sollte.
Fazit:
Selten hat mich ein Film mit der hier vorhandenen Thematik so sehr gefesselt und begeistert wie "Orphan - Das Waisenkind". Obwohl bis auf die Auflösung der Geschehnisse eigentlich keine große Innovation vorhanden ist, ist es doch gerade diese Wendung der Geschichte, die dem Film etwas Aussergewöhnliches und Geniales verleiht. Doch auch ansonsten bekommt man hier extrem spannende und atmosphärische Film-Kost präsentiert, die durch die brillante Darstellung von Isabelle Fuhrman noch einmal zusätzlich aufgewertet wird und sich so auch nicht hinter den Größen dieser Film-Gattung zu verstecken braucht. Liebhaber dieser Filme werden hier voll auf ihre Kosten kommen und dürften ihre helle Freude an diesem Genre-Mix haben, den man nur absolut weiterempfehlen kann.
9/10