Fascination - Jean Rollin (1979)
Verfasst: Sa 19. Jun 2010, 15:49
Regie: Jean Rollin
Erscheinungsjahr: 1979
Mit: Brigitte Lahaie
Bezug: deutsche X-NK DVD (X-Rated Jean Rollin Collection)
Hexen leben länger - Faszination Frau - Frauendominanz
Man, bzw. ich muss nicht erwähnen, dass Rollin keine hundsgewöhnliche Filme macht, die man so einfach als Mainstreamorientierter Filmfan konsumieren kann, denn Rollin zeichnet einen Stil aus, den man heute noch mehr als damals als sehr träge und einschläfernd bezeichnen könnte. Fans sprechen dabei aber wiederrum von hypnotisierend, mysteriös, unerklärlich, poetisch und erotisch, aber immer mit dem unterschwelligen Grauen und einer tiefen Botschaft versehen. Und das mag wohl auch Rollins Stärke sein, zelebriert er unerklärliche Geschichten jenseits aller Realitätsvorstellungen, in die man sich hineinträumen,- denken,- bzw. hineinarbeiten muss, um deren Intention und tiefste Aussage herauszukristallisieren, schwebt hinter dieser oberflächlichen Melange aus Grusel und Erotik, die Rollin ja inszeniert, immer ein Abbild gesellschaftlicher Werte, menschlicher Träume oder Empfinden.
Und auch wenn Fascination an sich, von Rollins Beginnen in Die Vergewaltigung des Vampirs (1967) und Die nackten Vampire (1969) thematisch etwas abschreitet, hat er immer noch den Fokus der Frauendominanz im Vordergrund, zelebriert er hier wie so oft das Zusammentreffen eines scheinbar normalen Menschen, der in die Fänge von Frauen gerät. Und nicht nur die Thematik ist etwas anders, ist Rollins Inszenierungsstil zwar immer noch genauso theatralisch - künstlich wie eh und je, kann man das ganze Geschehen aber doch schon eher als Film titulieren, so wie er eben Pestizide (1977) und The Living dead girl (1982) aufarbeitete. In Rollins Vordergrund drang immer das Unerklärliche, bizarre Szenen wurden aufgezeigt, die der Konsument aufarbeiten musste, aber mit denen er letztendlich doch allein gelassen wurde. In Fascination ist das anders, auch wenn der Seher viel hineininterpretieren muss, sofern er das denn möchte.
Im Vordergrund steht nämlich die Geschichte um einen diebischen Mann, von 4 ärmlichen Bauern durch die französisch verträumte Felderlandschaft in den Anfängen des 20. Jahrhunderts verfolgt, da er deren Gold in Besitz genommen hat. Zuflucht des Mannes ist ein Wasserschloss, doch deren mysteriöse Aura scheint ungeklärt, befinden sich bloss 2 Damen dortdrin, die ihn alsbald überraschen und umgarnen. Die Situation scheint bizarr und auch wenn man erahnen könnte, was passiert, sehnt man sich als Zuschauer, ähnlich wie der Mann nach der Aufklärung was es mit den Frauen auf sich hat. Vampire, Geister, Dämonen? All das scheint ungeklärt, aber das Schauspiel dass sich propagiert, kann der Mann bloss als Komödie titulieren, sieht er sich in seiner ausweglosen Lage, in den Psychospielen der Frauen versetzt, als ängstlicher Verlierer etabliert, der sich den Spielen der Frauen ergeben muss, aber dies mit solchem Zynismus von sich abzulenken versucht.
Und hier blitzt die Rollin - Intention wieder hervor, um das Ganze dennoch wieder weiter zum Höhepunkt zu treiben, fallen allsbald die ersten Schüsse, denn auch wenn er seine Angst vor den Frauen, die mit Dolchen rumfuchteln und ihn wegen der Ankunft späterer Frauen, dem Tode persönlich, verneint, mischt sich diese, seine persönliche, offensichtliche Angst mit den Reizen der Frau, kommt es hier sehr wohl zu nackten Tatsachen.
Wer Brigitte Lahaie (Pestizide, Night of the Hunted) kennt, wird erahnen, welche Züge dies annimmt, denn solche Szenen, in der sie mit der Sense über die Brücke des hochanmutigen und gothischen Wasserschlosses geht, könnte schöner und grausamer nicht sein, vorallem weil im Hintergrund der verstörende, aber dennoch ruhige Score tobt. Das Geschehen hat sich längst in bizarre Ausmaße gehievt, denn gen Mitternacht erwartet den Mann unheilvollste Natur, denn der Club der Frauen lädt zum Tanz.
Rollin lässt wie auch so oft den vermeintlichen Protagonist tanzen und auch den Zuschauer, der zwischen den Zeilen liest und Fragen über Fragen häuft. Im Grunde genommen ist Fascination ein Film über Frauen. Lieblich, unerklärlich, grausam, und dennoch menschlicher, als wie es der Mann sein könnte. Und hier mag wohl der Knackpunkt in Story und Intention sein, denn auch wenn sich die Frau hier als vermeintlich stärkeres, humaneres und dominanteres Geschlecht, bezüglich ihrer Stärken der Verführung dominiert, ist das Trennen der Beiden Brigitte Lahaie und Jean - Marie Lemaire der Spalt, die Dramatik, scheint der Mann der Herr allen Übels, der die Vereinigung der Frauen stört und die Gefühle der Frau gewinnt.
Rollin lässt dabei wieder Poetisches in die Dialoge fliessen. Die Sehnsucht nach dem Tod, die Sehnsucht nach Freiheit, Liebe und Anerkennung. Oder doch ein Hilfeschrei? Rollins Filme sind wie immer sehr persönlich, sehr tiefblickend, und doch wiederrum die Gradwanderung zwischen Erotik, Grusel, Poesie, Sleaze und purstem Trash, aber das mag wohl die Stärke sein.
Man kann ihn und seine Filme nicht erklären. Man kann die wahre Intention nicht erklären. Drama, Horror, Erotik oder doch bloss bildgewordene, Drogenverseuchte Verwirrtheit eines alten Mannes?
Und seien wir ehrlich: Einen seiner Filme nur annähernd richtig und interessant genug zu beschreiben und zu rezensieren, scheint unmöglich, vorallem weil man im Schlussakt abermals allein gelassen wird.
Fazit:
Wunderschöner, herrlich atmosphärisch verträumter und poetischer Erotikgruselfilm, der vieles in sich zusammen vereint, aber wieder Unerklärlich bleibt. Wie das Leben, die Frau und deren lieblich, grausame Erscheinung.
Verstehe einer die Frauen...
84%