African Kung-Fu Nazis - Sebastian Stein, Samuel K. Nkansah (2019)

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Salvatore Baccaro
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African Kung-Fu Nazis - Sebastian Stein, Samuel K. Nkansah (2019)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: African Kung-Fu Nazis

Produktionsland: Ghana, Deutschland, Japan 2019

Regie: Sebastian Stein, Samuel K. Nkansah

Darsteller: Elisha Okyere, Sebastian Stein, Yoshito Akimoto, Nkechi Chinedu, Marsuel Hoppe, Boateng Walker Bentil


Obwohl die Geschichtsbücher das Gegenteil behaupten, hat sich Reichskanzler Hitler nicht im April 1945 angesichts der anrückenden Roten Armee im Berliner Führerbunker per Kopfschuss selbst gerichtet, sondern den Zusammenbruch Deutschlands einigermaßen unbeschadet überstanden: Während das Dritte Reich in den letzten Zügen liegt, gelingt es Hitler, ein Flugzeug zu besteigen, das ihn ins sichere Ausland bringt – und zwar nicht etwa nach Argentinien oder in die Antarktis oder auf den Mond, wie es manche Verschwörungstheorien behaupten, sondern in den westafrikanischen Staat Ghana, (der damals noch Teil des britischen Empires ist, Hitler bei der Einreise aber dennoch keine Steine in den Weg gelegt zu haben scheint). Das ist indes nicht die einzige historische Lüge, mit der AFRICAN KUNG FU NAZIS aufräumt: Hitler nämlich hat sich nicht allein in Ghanas Hauptstadt Accra abgesetzt, sondern sich für die Reise ins Exil mit zwei engen Vertrauten umgeben. Angeschlossen haben sich ihm sowohl Reichsmarschall Göring, (in vorliegendem Film als „Horse-Man Göring“ bezeichnet und von einem bärenbreiten ghanaischen, sprich, dunkelhäutigen Darsteller verkörpert), wie auch der laut offiziellen Quellen im Dezember 1948 während der Tokioer Prozesse hingerichtete japanische Premier- und Kriegsminister Tojo Hideki – auf Mussolini als Vertreter Italiens habe man allerdings bewusst verzichtet, denn das Stiefelland habe zu oft unter Beweis gestellt, wie miserabel es in kriegerischen Dingen ist, erklärt uns die weibliche Stimme, die den aus reichlich Archivmaterial zusammengeschusterten Vorspann vorliegenden Streifens begleitet. Auf die Frage, was denn Hitler, Göring und Hideki nun in Westafrika treiben, hat die Off-Sprecherin eine verblüffende Antwort parat: Mittels exzessivem Karate-Training seien die drei Unholde zu Martial-Arts-Maestros herangereift; entweder ihre Meisterschaft im Kampfsport oder aber eine ominöse „Blutfahne“ sorgt dafür, dass das Trio es ebenso geschafft hat, den eigenen Alterungsprozess nicht bloß aufzuhalten, sondern quasi umzukehren: Hitler, Göring, Hideki sehen aus wie das blühende Leben, obwohl jeder von ihnen inzwischen weit über hundert Jahren auf die Zeitwaage bringt. Besagte „Blutfahne“ versetzt die teuflische Trias außerdem in die Lage, aktiv in die Köpfe ihrer Anhänger einzugreifen: Um sich geschart haben sie eine kleine Privatarmee, bestehend aus arglosen ghanaischen Staatsbürgern, die in dem Moment, wenn sie ihre ewige Treue auf die „Blutfahne“ schwören, jegliche Verstandeskraft verlieren und zu willenlose Zombies werden, und deren Gesichter sich zudem in einer spontanen Form des „Whitefacings“ alabasterweiß verfärben. Diese „Ghan-Aryans“, wie Hitler sie liebevoll nennt, sollen in naher Zukunft dazu dienen, dass sich die Schurken zunächst ganz Ghana unterwerfen, sodann die Kontrolle über den kompletten afrikanischen Kontinent übernehmen und, nachdem ein Viertes Reich begründet worden ist, zum Angriffskrieg auf die westliche Welt blasen können. Ja, mir ist selbst bewusst, dass all das klingt, als hätte ich es mir in einer weinseligen Nacht aus den eigenen Fingern gesaugt, aber, nein, es ist wirklich die völlig hanebüchene Prämisse vorliegender Trash-Kanone, bei der man immerhin bereits nach den ersten fünf Minuten weiß, dass man sich über Geschmacksfragen, innere Logik, historische Akkuranz in den nachfolgenden eineinhalb Stunden ebenso keine gesteigerten Gedanken zu machen braucht wie darüber, dass Hitler-Darsteller Sebastian Stein mit dem Vorbild ungefähr so viel Ähnlichkeit besitzt wie ich mit Idi Amin Dada...

Allein die Produktionsgeschichte von AFRICAN KUNG FU NAZIS klingt schon wie der Plot eines wahnwitzigen Meta-Films: Ein Oberbayer namens Sebastian Stein, den es vor Jahren nach Japan verschlagen hat, wo er mit TWILIGHT OF THE YAKUZA eine Dokumentation über die dortige Verbrecherwelt dreht, möchte unbedingt einen Spielfilm inszenieren, in dem sowohl Adolf Hitler wie ausgiebige Kung-Fu-Kämpfe eine tragende Rolle spielen. Einen Unterstützer seiner Ideen findet Stein im ghanaischen Regisseur Samuel K. Nkansah, Spitzname: Ninja Man und berühmt-berüchtigt für willenlose Werke wie den Spiderman Ghanas ANANSE oder das himmelschreiende Endzeit-Epos 2016, in dem derart munter Versatzstücke sowohl vom Predator- wie vom Alien-Franchise durcheinandergerührt werden, dass selbst Bruno Matteis ROBOWAR wie eine kreative Eigenleistung wirkt. Zusammen mit seinem Freund Yoshito Akimoto, (für den aufgrund seines asiatischen Erscheinungsbilds die Figur Tojo Hideki ins Drehbuch geholt wird), begibt sich Stein von Tokio nach Accra, wo man 20.000 US-Dollar in die Hand nimmt und der davongallopierenden Phantasie völlig freien Lauf lässt. Als Schauspielensemble rekrutiert werden bis auf Stein und Akimoto ausnahmslos Chargen aus der ghanaischen Produktionsstätte Ghallywoods; den Soundtrack bestreitet ein sommerdurchflutetes Rap-Reggae-Potpourri (inklusive einem enervierenden Leitmotiv, bei dem Männerstimmen frenetisch den Filmtitel rufen: African! Kung-Fu! Nazis!); am teuersten dürften nicht die spärlichen Kulissen gewesen sein, (zumal ein Großteil des Films sich sowieso unter freiem Himmel abspielt), sondern mutmaßlich die inflationär eingesetzten Hakenkreuzfahnen, die andauernd prominent vor der Kameralinse geschwenkt werden; finanziellen Support erhält man schließlich noch vom Hersteller eines genuin ghanaischen Kräuterbitters namens Adanko, weshalb dessen Werbefigur – ein freundlicher älterer Mann mit Hut – ebenso in den Film integriert wird wie kontinuierliches Product Placement: Wenn nicht überlebensgroß ein Adanko-Werbeplakat in Hitlers Geheimversteck prangt, heben unsere Helden zu jeder sich bietenden Gelegenheit die Tassen. Die Vorstellung, dass auch Stein & Co. beim Verfassen des Drehbuchs zuvor in einem Adanko-Fass geschwommen sind, halte ich angesichts dessen, was einem AFRICAN KUNG FU NAZIS als Story auftischt, für absolut plausibel…

Im Zentrum der Handlung agiert Addae, ein junger Mann, der den Traum hegt, einmal weltberühmter Kung-Fu-Kämpfer zu werden. Leider steht sein direktes Umfeld diesen utopischen Plänen mindestens skeptisch gegenüber: Freundin Eva liest ihm regelmäßig die Leviten, er solle sich doch endlich um einen Job bemühen, mit dem er eine Familie ernähren könne, und seine Martial-Arts-Obsession fortan, wenn überhaupt, als bloßes Hobby ausleben; auch sein Trainer im lokalen Kung-Fu-Verein schätzt Addaes Talent nicht unbedingt als besonders hoch ein, echauffiert sich vielmehr über die notorische Unpünktlichkeit seines Schülers und entscheidet sich schließlich dafür, Addaes Rivalen Akante als Repräsentant der Kung-Fu-Schule ins Rennen für einen wichtigen Wettbewerb zu schicken. Weshalb diese länderübergreifende Kampfsport-Veranstaltung von niemand anderem als Adolf Hitler höchstpersönlich ausgerichtet wird, hat sich mir im weiteren Verlauf des Films leider überhaupt nicht erschlossen: Obwohl Hitler und seine Mitstreiter längst dabei sind, die ghanaische Gesellschaft mit ihren Ghan-Aryans zu unterwandern, haben die Achsenmächtigen offenbar trotzdem noch die Muße, sich mit Profanitäten wie der Organisation eines Martial-Arts-Contests auf Leben und Tod zu befassen. Ihr Hauptaugenmerk liegt indes weiterhin darauf, ihre Gefolgsleute marodierend und schutzgeldpressend über die Märkte Accras ziehen zu lassen: Unter der Führung Hidekis bedrohen die Ghan-Aryans hilflose Gemüseverkäuferinnen, zwingen Passanten, ihnen Propagandapostkarten für völlig überzogene Preise abzukaufen und starten schließlich einen handlungstechnisch komplett unmotivierten Angriff auf Addaes Kung-Fu-Schule. Als Akante letzteren zu suchen beginnt, findet er unseren Helden sturzbesoffen im Adanko-Rausch über sein verpfuschtes Leben jammern: Wieso hat der Lehrer denn bloß ihn, Akante, zu seinem Augenstern erkoren, wo er, Addae, doch viel versierter im chinesischen Kung-Fu sei. Letztlich kann Akante den Weltschmerzseligen aber doch überreden, ihn zur Kung-Fu-Schule zu begleiten und die Ghan-Aryans davon abzuhalten, deren Inventar kurz und klein zu schlagen. Allerdings ziehen Akante, Addae und einige weitere Kung-Fu-Zöglinge gegen Hitler, Göring, Hideki den Kürzeren: Nicht nur verliert Addae im Gefecht zwei Finger, auch sein Lehrmeister wird von den Ghan-Aryans zu Tode gebracht. Grund genug, die obligatorische Rachegeschichte abzuspulen: Damit sein Lehrer nicht umsonst gestorben ist und um Accra vom schädlichen Einfluss der Hitleristen zu befreien, schwört Addae, nicht eher Ruhe zu geben, bis er noch den letzten Nazi-Sympathisanten aus seinem Heimatland vertrieben hat.

Dies ist bei der Übermacht an Adolf-Getreuen jedoch alles andere als einfach – zumal die Bösewichte während einer Reggae-Party auch noch Addaes Liebste Eva in ihre Gewalt bringen, die fortan als gehirngewaschene Mätresse nicht mehr von Hitlers Seite weicht und von diesem „Eva Braungebrannt“ getauft wird. Um seine Muskeln für den bevorstehenden Kampfwettbewerb zu stählen, denn dort möchte Addae den Halunken im Ring gegenüberstehen, zieht es Addae in den Dschungel, wo er sich von einem obdachlosen Trunkenbold, der sich beiläufig als Martial-Arts-Profi entpuppt hat, in die Geheimnisse des alkoholisierten Nahkampfs einweihen lässt. Im Klartext: Der stets mit nacktem Schmerbauch umhertorkelnde, eine blonde Perücke tragende, jedoch als „alter, weiser Mann“ bezeichnet werdende „Drunken Master“ bringt Addae dazu, literweise Kräuterbitter zu picheln, worauf er ihm im Vollrausch krude Kampfchoreographien beizubringen versucht. Damit nicht genug: Noch ein weiterer Meister wartet noch tiefer im Urwald auf Addae und erkennt in ihm, da ihm zwei Finger seiner rechten Hand fehlen, einen nicht näher definierten „Auserwählten“. Nachdem Addae nun auch noch einige legendäre Schläge erlernt hat, die einzig Kämpfer mit nur drei Fingern auszuführen vermögen, und nachdem sich auch noch eine Hexe eingeschaltet hat, um Addae mit einer magischen Schutzhaube zu versehen, können die Gladiatorenspiele beginnen. In einer bemerkenswert winzigen Halle und – (wohl dem Budget geschuldet) – unter den Augen eines überschaubaren Publikums ergeht sich der Film in seiner letzten halben Stunde darin, eine endlose Reihe an Zweikämpfen vorzuführen, bei denen Hitler wie ein römischer Cäsar auf seinem Thron sitzt und per Daumenzeichen über Tod oder Leben des jeweiligen Verlierers entscheidet. CGI-Blut spritzt in hohen cartoonesquen Fontänen, wenn Göring eine moderne Amazone zu Brei prügelt, wenn eine Gestalt mit Santo-Maske in Tollwut verfällt, oder wenn sich schließlich die inzwischen zu Freunden gewordenen Addae und Akante einander plötzlich gegenüberstehen…

Es scheint mir nicht ganz passend, dass manche Kritiker AFRICAN KUNG FU NAZIS in einem Atemzug mit Produktionen Nollywoods oder gar den ugandischen Wakaliwood-Werken des großartigen I.G.G. Nabwana à la WHO KILLED CAPTAIN ALEX? nennen. Zwar unterscheidet sich der Film Steins und Nkansahs von den genannten Erzeugnissen nicht so sehr, was ihre ökonomische Limitierung, ihre strukturelle Experimentierfreude, ihren technisch-ästhetischen Habitus angeht, jedoch trennt AFRICAN KUNG FU NAZIS von, sagen wir, einem beliebigen evangelikalen Horrorschocker Nollywoods für mich die Intention, mit der die jeweiligen Verantwortlichen an ihr Projekt herantreten: Noch die wildeste, christlich ummantelte Trash-Orgie Nollywoods wie END OF THE WICKED oder 666 präsentiert sich mit einem Gestus der Ernsthaftigkeit und dem kein bisschen ironisch wirkenden Selbstverständnis, durch sein Repertoire aus Hexenspuk, hakenschlagenden Plot-Volten und laienhaftem Schauspiel letztlich einen Beitrag zur sittlichen Läuterung des Publikums zu leisten. Auch Nabwana mag seine DIY-Filme zwar unter Einsatz von selbstzusammengeschweißten Handfeuerwaffen, laiendarstellerischen Familienmitgliedern und Nachbarn sowie haarsträubend montierten Actionszenen drehen, versteckt in Werken wie BAD BLACK oder ANI MULATU aber doch nicht nur einen Ozean an cinephiler Leidenschaft, sondern ebenso hintersinnige Kommentar zum Status Quo der ugandischen Gesellschaft, augenzwinkernde Genre-Referenzen, dramatische Momente, die weit über eindimensionalen Pulp hinausgreifen. Anders AFRICAN KUNG FU NAZIS, dem man anmerkt, dass sämtliche Beteiligten ihr Projekt von Anfang an als große Sause angelegt haben, die sich selbst zu keinem Zeitpunkt ernstnimmt, und sich stattdessen vielmehr fortlaufend eigenhändig mehr und mehr demontiert. Das soll nicht heißen, dass nicht auch Stein & Co. mit ehrlicher Begeisterung ans Werk gegangen sind, sie befinden sich aber nichtsdestotrotz stets in merklicher Distanz zu demselben, was AFRICAN KUNG FU NAZIS dann eher an bewusst als Trash konzipierte Asylum-Produktionen über fliegende Haifische anschmiegt, statt an die zumindest von den Machern überhaupt nicht für den Trash-Sektor gedachten Filme Nollywoods oder Wakaliwoods. Unterhaltsam kann man AFRICAN KUNG FU NAZIS natürlich trotzdem finden, nur ist das freilich eine andere Art von Kino als dasjenige, das einem aus Zeiten entgegenschlägt, als der Trash-Film noch seine Unschuld besessen hat: Die surrealistischen Exzesse beispielweise im italienischen Zombiefilm eines Andrea Bianchi oder Marino Girolami entstehen als Nebenprodukt primär wirtschaftlicher Erwägungen, während sie bei AFRICAN KUNG FU NAZIS von Anfang an Dreh- und Angelpunkt der gesamten Inszenierung sind. Wo ein ZOMBI HOLOCAUST wirkt, als würde der Film ab einem bestimmten Zeitpunkt in Trance verfallen und ungefiltert die absonderlichsten, von keiner logisch ablaufenden Handlung mehr diktierten Bilder aussondern, ist es einem AFRICAN KUNG FU NAZIS zu jeder Sekunde ein Anliegen, bei vollem Bewusstsein im Gehege von Camp, Trash, Pulp zu wildern: Der eine Film zuckt tatsächlich mit ausgeknipstem Verstand besinnungslos auf der Bahre und wird für ein Wahnsinniger oder eine Heilige gehalten; der andere Film tut nur so, als ob ihm sämtliche Sicherungen durchbrennen und generiert sich eher wie ein trickreicher Magier unterm Zirkuszelt.
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Re: African Kung-Fu Nazis - Sebastian Stein, Samuel K. Nkansah (2019)

Beitrag von buxtebrawler »

Über den war mal ein großer Bericht im Zap, Sebastian Stein stammt aus der Punkszene.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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