Abt. Terza-Visione-Festival des italienischen Genrefilms
Ein Wagen fährt in die Ruinen eines ehemaligen KZs. Erwartet wird der Mann hinterm Steuer von einer jungen Frau. Sie kennen sich, scheinen alte Freunde, vielleicht sind sie einmal ein Liebespaar gewesen. Wie sehr man diesen Begriff pervertieren muss, damit er für die Beziehung der Beiden verwendbar wird, zeigen uns fragmentarische Rückblenden: Er ist Conrad von Starke, Lagerkommandant in einem NS-Bordell; sie ist die Jüdin Lise Cohen, die von ihm in eine sadomasochistische Beziehung gezwungen wird. PORTIERE DELLA NOTTE, anyone?
An einem Wochenende vor vielen Jahren allein im Haus meiner Eltern lasse ich die Rollläden herunter, ziehe den Telefonstecker aus der Dose, stelle die Klingel ab, und schaue mir sämtliche italienischen NS-Exploiter an, die mir vorliegen. Seitdem bin ich angefixt, zugleich angewidert und faszinierend von dem wohl dreckigsten Kino-Subgenre überhaupt, und kann es immer noch nicht glauben: So etwas gibt es wirklich?, und dann nicht nur einen von der Sorte, sondern ein Dutzend? Schon damals hat Canevaris Beitrag für mich herausgestochen. Vor allem wegen seiner Herbheit. Da braucht es gar keine eklatanten Gore-Effekte, um einem den Magen herumzudrehen, wenn in einer bestimmt zehnminütigen Bankett-Szene die selbsternannten Herrenmenschen eine kulinarische Endlösung der Judenfrage nicht nur diskutieren, sondern auch gleich schmatzend ausagieren. Zur allgemeinen Verstörung trägt ebenfalls bei, dass Canevari den Trash-Faktor streng in Zügeln hält. Okay, ein Hakenkreuz-Orden mit Jahreszahl 1930 ist ziemlich doof, und die wandelnden Klischeebildchen wie den sadistischen Lagerkommandanten als Reinkarnation Sade’scher Libertins oder die lesbische, zugleich an Anal-Pentrationen interessierte Ilsa-Bitch sind allesamt versammelt. Daneben aber: Eine Atmosphäre übersteigerter Hoffnungslosigkeit, eine klar an Cavani geschulte abgründige Romanze, (sofern das Wort in dem Zusammenhang irgendeinen Sinn ergibt), mit noch abgründigerem Ausgang, die Verweigerung des Drehbuchs, eine der zentralen Figuren (schon gar nicht die emotionsbefreite Lise) auch nur hauchweise mit Sympathie zu segnen, ein ehrlich traumatisierendes Titellied, Szenen der Demütigung und des Ausgeliefertseins, bei denen auch ein Rudel Gerbils ganz und gar nicht possierlich wirkt.