Originaltitel: La Ragazza Del Vagone Letto
Darsteller: Silvia Dionisio, Werner Pochath, Zora Kerova, Gianluigi Chirizzi, Giancarlo Maestri
Jahr: 1980
Besprechung auf ZombiebunkerWir sind wieder in Italien und meine Güte, ist das ein schmuddeliger Schundfilm. Nach dem Begutachten fühlt man sich schmutzig, verschwitzt und schäbig. Bahnhofskino! Nichts anderes darf man von einem Film mit dem Titel "Horror-Sex im Nachtexpress" erwarten.
Es handelt sich hier offensichtlich um einen italienischen Streifen schlimmster Sorte. Die Handlung ist schnell erzählt. Ein Nachtzug reist durch die Lande und eine Gruppe von rowdyhaften "Jugendlichen" terrorisiert die Gäste, bis sie schließlich die Kontrolle übernehmen und so gut wie alle Frauen im Zug zum Beischlaf zwingen.
Das hört sich allerdings alles viel schlimmer an, als es ist. Denn den Film kann man zu keiner, aber auch wirklich absolut gar keiner Zeit ernst nehmen. Speziell die Schauspieler des Terrortrios wirken so überdreht und unfreiwillig komisch, dass man sich eher rollend auf dem Fußboden vor Klamauk wieder findet, als schockiert in der Ecke.
Sprüche wie "Lass doch den Affen, Torte, der gehört auf die Bäume", "...immer am Telefon. Sie ruft bestimmt ihren Westentaschenplayboy an" oder "Jetzt reicht‘s mir. Komm‘ her du stinkender alter Sack. Du Schmalzfliege, du Aas, du Haufen Scheiße!" setzen dem schlechten Scherz von einem Film die Krone auf.
Trotzdem versteht er es zu unterhalten. Auch wenn man Spannung vermisst, ist man dennoch interessiert, welche abstrusen Wendungen die hanebüchene Geschichte noch nehmen wird. Wie abgedreht diese ist, lässt sich an folgenden Beispielen verdeutlichen. Der als einziger wirklich jugendlich aussehende, aber vollständig ergraute, Schaffner vermittelt Fahrgäste an die zugeigene Prostituierte. Der Vater der großbürgerlichen Familie steht auf seine Tochter und einer der "Jugendlichen" lässt beim Sex ständig seinen meterlangen Zungenlappen raushängen.
Die Figuren im Film agieren auf völlig unverständliche Weise und man möchte im Minutentakt die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.
Auch wenn der Film wirklich schlecht ist, hat er dennoch seine Berechtigung. Irgendwo versucht Regisseur Ferdinando Baldi die hedonistische und rebellenhafte Jugend überspitzt als Rüpel und Monster darzustellen, setzt ihnen aber pervers-polygame, heuchlerische und uncouragierte Bürger entgegen. Im Prinzip sind in diesem Film alle Schweine, außer vielleicht der politische Gefangene. Sogar die Tochter, die plötzlich und spontan Lust auf den Lockenkopf, der das Anrecht auf den Beischlaf mit ihr beim Würfeln mit den Jungs gewann, bekommt.
Aber genug vom Film.
Genrefans kommen sicher auf ihre Kosten und können dem Film unterhaltsame Facetten abringen. Freunden des Terrorkinos dürfte der Film allerdings zu harmlos sein und der Normalkinogänger wird mit Sicherheit den Saal verlassen, sollte ihm diese Art von Sleazefilm vorgesetzt werden.
Die Veröffentlichung als solche stellt den besonders berichtenswerten Aspekt dieser Besprechung dar.
Für diese zeigt sich das junge Kölner Label Camera Obscura verantwortlich. Liebevoll übernahm man die Gestaltung der von Sazuma begonnenen "Italian Genre Cinema Collection" und geizt auch nicht mit Aufwand für das Produkt. Neben dem tollen Bild des Films, das ganz vereinzelt durch mäßig erhaltene Sequenzen durchbrochen wird, hat man eine eigene Featurette mit ehemaligen Darstellern und dem Drehbuchautoren produziert. Hier reden die involvierten Personen in erfrischender Ehrlichkeit Tacheles. Zora Kerova fällt in ihrer sich erklärenden Art besonders heraus. Auch das animierte Menu ist bestens auf den Film abgestimmt und fügt sich nahtlos in die Optik der Spätsiebziger ein. Außerdem wurde der witzige und informative Booklettext bilingual von Sir Christian Kessler verfasst.
Die Verpackung ist ebenfalls ein Hingucker. Neben dem herrlichen Covermotiv ist der Schuber um das Digipack geschmackvoll und einheitlich gestaltet. Man merkt an jeder Kante, dass die Leute von Camera Obscura detailverliebte Filmfreaks sind.
Eine so wertvoll und haptisch ansprechende Auswertung steht dem Film vielleicht nicht zu, aber spiegelt die Ambivalenz, die dem Film immanent ist, in eindrucksvoller Weise wider. Er ist so ambivalent, dass nicht mal die Sonne sich entscheiden kann, ob sie aufgehen will oder nicht.
"La Ragazza del vagone letto" muss man nicht gesehen haben, aber er unterhält, amüsiert und lädt zum drüber schwadronieren ein. Ein Partykracher ist es allemal.