Im Namen des Gesetzes - Pietro Germi (1949)

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Salvatore Baccaro
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Im Namen des Gesetzes - Pietro Germi (1949)

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Originaltitel: In nome della legge

Produktionsland: Italien 1949

Regie: Pietro Germi

Darsteller: Massimo Girotti, Jone Salinas, Camillo Mastrocinque, Charles Vanel, Saro Urzì, Turi Pandolfini, Umberto Spadaro


In diversen Quellen, die sich mit Wegbereitern und Vorläufern des italienischen Westernkinos beschäftigen, bin ich im Vorfeld schon mehrmals auf Pietro Germis IN NOME DELLA LEGGE von 1949 gestoßen – und das, obwohl der Film, reduziert man ihn auf seinen puren Plot doch ehe nach einer Antizipation des Mafiafilms der 60er und 70er Jahre klingt: Guido Schiavi stammt frisch von der Uni, wo er erfolgreich zum Amtsrichter ausgebildet worden ist. Seine allererste Anstellung führt ihn weit weg von der Großstadt ins Hinterland von Sizilien. Bereits bei seiner Ankunft am örtlichen Bahnhof stellt sich für den jungen Mann heraus, dass sein zukünftiger Job vielleicht nicht zu den rosigsten gehören dürfte: Er begegnet nämlich seinem Amtsvorgänger, der ebenfalls an der Bahnstation auf den Zug wartet, von dem er zurück in die Zivilisation gebracht werden soll, und dieser lässt Schiavi gegenüber keinen Zweifel daran, dass er es bei seinem neuen Klientel mit einem Völkchen zu tun haben wird, das sich weniger am geschriebenen Gesetzeswort orientiert, sondern noch vollkommen archaischen Vorstellungen von Auge um Auge und Zahn um Zahn verpflichtet ist. Konkret erschüttert just zur Zeit von Schiavis Ankunft eine Mordserie die kleine Ortschaft, die die Mitglieder zweier verfeindeter Familien ganz unter dem Zeichen der Blutrache verüben. Auch bleibt Schiavi der damit verbundene Einfluss der Mafia nicht verborgen: Selbst seine direkten Untergebenen raten ihm, sich besser nicht mit Mafiaboss Passalacqua anzulegen, und lieber eine Frage zu wenig als eine zu viel zu stellen – überhaupt sei es besser, wenn er bezüglich der grassierenden Bluttaten mehrere Augen zudrücke und ja keine offiziellen Untersuchungsverfahren einleite. Vom Idealismus geleitet entschließt sich Schiavi jedoch, all diese Warnungen in den Wind zu schlagen und macht es zu seinem erklärten Ziel, seine Schäfchen notfalls mit Gesetzesgewalt dahingehend zur Vernunft zu bringen, dass sie von ihren tradierten, barbarischen Ritualen Abstand nehmen und vor allem der de facto regierenden Mafia ihre Unterstützung aufkündigen…

Pietro Germi, der mit UN MALEDETTO IMBROGLIO knapp zehn Jahre später auch eine Art Proto-Giallo drehen wird, hat mit IN NOME DELLA LEGGE (nah einem Drehbuch, an dem, unter anderem, Federico Fellini und Mario Monicelli mitschrieben), einen schon deshalb filmhistorisch interessanten Film geschaffen, weil er gleich zwei Genres mit einer Klappe schlägt, die erst mindestens eine, wenn nicht gar zwei Dekaden später wirklich virulent werden sollten: Während das Drehbuch einen idealistischen jungen Richter in den Kampf gegen mafiöse Strukturen Siziliens schickt und dadurch mehr oder minder explizit auf gesellschaftliche Problematiken im Nachkriegsitalien verweist, gerade was den Einfluss lokaler Mafia-Bosse sowie den Stellenwert althergebrachter Normen- und Werte-System im ruralen Sizilien betrifft, legt sich IN NOME DELLA LEGGE, was seine Bildsprache betrifft, in einigen Szenen ein ästhetisches Gewand um, bei dem es wirklich schwerfällt, nicht sofort visuelle Assoziationen zum Italo-Western zu knüpfen: Statt eines wortkargen Revolverhelden ist es hier eben ein frischgebackener Jurist, der an einem trostlosen Bahnhof irgendwo im Niemandsland anlangt; statt eines goldgeilen Bandenchefs und seinen Getreuen sind es hier eben der örtliche Mafia-Boss sowie die männlichen Mitglieder seiner weitverzweigten Familie, die durch die karge Landschaft reiten, Eselherden stibitzen, zum Abschuss freigegebene Menschen über den Haufen schießen. Im Verbund miteinander ergeben diese beiden Genre-Elemente, die wohlgemerkt aber unter neorealistischen Vorzeichen vereint werden – (sprich, IN NOME DELLA LEGGE ist weniger temporeich, actiongesättigt, spannend denn dokumentarisch, reflektiert, betont naturalistisch in der Umsetzung seines Stoffes) -, eine kuriose Mixtur, die allerdings vielleicht auf dem Papier reizvoller klingt als wie sich schließlich auf der Leinwand präsentiert: Zumindest für mich schleppt sich die Handlung des überraschend dialoglastigen Streifens doch über so manche Durststrecke und gerne hätte so manche potenziell dramatische Szene etwas opulenter in Szene gesetzt sein können. Was IN NOME DELLA LEGGE indes gewissermaßen dann doch in den letzten Minuten adelt, ist das sehr vielschichtige, ambivalente Finale, das es einem möglich macht, die zurückliegende Story und vor allem die Charakterentwicklung unseres Helden Schiavi aus zwei ganz gegensätzlichen Blickwinkeln zu beurteilen - weshalb der Streifen, zumindest laut meinen Sekundärquellen, in der zeitgenössischen Kritik durchaus zu einer kleinen Kontroversen geführt zu haben scheint...
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