La settima donna - Franco Prosperi (1978)

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Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: La settima donna - Franco Prosperi

Beitrag von buxtebrawler »

„Wenn eine von euch Büchsen versucht, zu fliehen, dann leg ich die anderen um!“

Der mit dem unsinnigen und zynischen deutschen Titel „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ versehene Rape’n’Revenge-Streifen des italienischen Regisseurs Franco Prosperi („Ich heiße John Harris“; nicht zu verwechseln mit seinem zur gleichen Zeit aktiv gewesenen Namensvetter, der durch seine Mondo-Filme berüchtigt wurde) erschien im Jahre 1978 und hat glücklicherweise noch nichts mit seinen späteren Kannibalen- und Barbaren-Trash-Filmen unfreiwilliger Natur gemein.

Die Ganoven Aldo (Ray Lovelock, „Das Leichenhaus der lebenden Toten“), Walter (Stefano Cedrati, „Ein Haufen verwegener Hunde“) und Nino (Stefano Cedrati, „Yeti – Der Schneemensch kommt“) überfallen eine Bank und erschießen dabei zwei Menschen. Auf der Flucht erleiden sie eine Autopanne, weshalb sie sich ein nahes Versteck suchen. Sie finden Unterschlupf in einer Strandvilla, in der die Nonne Cristina (Florinda Bolkan, „Spuren auf dem Mond“) mit fünf Klosterschülerinnen ein Theaterstück einprobt. Die Verbrecher verschaffen sich mit vorgehaltenen Waffen die Gewalt über das Gebäude und die Mädchen, demütigen, misshandeln und vergewaltigen sie, schrecken auch vor weiteren Morden nicht zurück. Wird man sich der Kriminellen erwehren können? Und wenn ja, wie?

„…und dann sehnst du dich nach einem Mann wie mich!“ (Oder doch nach einem Mann mit Grammatikbuch?)

Mit Rape’n’Revenge-Filmen ist das ja immer so eine Sache, manch einem wird die selbstzweckhafte Ausschlachtung des Leids der Opfer, der brutalen sexuellen Übergriffe und der absoluten Skrupellosigkeit der Täter vorgeworfen. Sicherlich ist das, was Wes Craven seinerzeit mit dem genrebegründenden „Last House on the Left“ lostrat, möglicherweise in manch Fällen diskussionswürdig, doch Prosperis „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ grenzt sich durch seinen wenig spekulativen Inszenierungsstil von expliziten Sexploitatern ein gutes Stück weit ab. Interessant ist auch manch stilistischer Kniff: So zeigt beispielsweise der Banküberfall zu Beginn nicht die Köpfe der Täter, sondern die Männer lediglich von der Hüfte an abwärts, um den Zuschauer lange Zeit im Unklaren darüber zu lassen, wer der Drei die tödlichen Schüsse abgab. Während man Schwester Cristina zum Umziehen zwingt, wird wiederum keine nackte Haut gezeigt, stattdessen wird hektisch zwischen verschiedenen Gesichtern hin und her geschnitten – was eine weitaus intensivere, beklemmendere Wirkung erzielt. Ähnlich verfährt man bei der Vergewaltigung einer Schülerin, die nicht explizit dargestellt wird, stattdessen wird auf die Gesichter Schwester Cristinas sowie der Täter gezoomt. Die im Rahmen der Handlung stattfindende Gewalt gegen die Mädchen ist schlimm; geeignet, sich an ihr zu ergötzen, ist sie allein schon aufgrund ihrer Art der Inszenierung indes nicht. Auf den Gipfel getrieben wird die sadistische Brutalität, wenn irre lachende Vergewaltiger einen Pflock in die Vagina eines der Mädchen rammen. Auch hier bekommt man nicht viel zu sehen, doch wird das Kopfkino zu schlimmen Bildern provoziert.

Dass die Mädchen eigentlich das Theaterstück „Sommernachtstraum“ einstudieren wollten, nun jedoch ihren persönlichen Sommeralptraum erleben, ist symptomatisch für den Film, der durch die Gewalteskalationen die sommerliche Strandidylle konterkariert. Walter und Nino (in der deutschen Fassung anscheinend vertauscht!?) sind dabei lange Zeit federführend und werden als widerlichste Zeitgenossen charakterisiert. Nino schminkt sich extra vor einer Vergewaltigung, Walter hat ein aufgedunsenes Gesicht und ihm geht ständig fast einer ab angesichts der versammelten Weiblichkeit. Ihm rammte eines der Mädchen in Notwehr einen Stielkamm ins Bein und die Wunde entzündet sich nicht nur recht unappetitlich, sondern wandert auf eigenartige Weise hoch auf den Oberkörper – eine von ein paar inszenatorischen Schnitzern des Films. Als Schlimmster des Trios entpuppt sich jedoch Schönling Aldo, ein Wolf im Schafspelz, der zunächst quasi jegliche Schuld von sich wies und auf seine Kompagnons abzuwälzen versuchte, hinter seiner galanten Fassade jedoch die pure Niedertracht verbirgt. Schauspielerisch reicht die Skala von einwandfrei bis zu solide, wobei die Besetzung der Hauptrollen mit der eleganten, markanten Bolkan und dem blonden Todesengelsgesicht Lovelock ein sehr sehenswertes Duell beider Pole verspricht, das im Finale schließlich seine Entladung findet. Es beweist, dass selbst Nonnen und Klosterschülerinnen mitnichten immer die rechte Backe hinhalten und der Gewaltfreiheit frönen, ihre Ideale demnach sicherlich stärker und länger strapaziert werden können, als die anderer Menschen, sie letztlich jedoch eine Lebenslüge leben bzw. lebten, denn nach den Ereignissen dieses Sommers dürfte für sie nichts mehr so sein wie zuvor. Der Zuschauer erhält seine Befriedigung und die moralkritische Aussage des Rape’n’Revenge-Beitrags wird in drastische Bilder getaucht. Mit Ende des Films darf sich das arg beanspruchte Gerechtigkeitsempfinden des zuvor nach (fast) allen Regeln der Genrekunst gegen die Verbrecher aufgebrachten Publikums wieder beruhigen, der Adrenalinpegel zurückfahren und man im Kino- oder heimischen Sessel seine kleine Katharsis genießen – unter Beibehalt des bitteren Beigeschmacks durch die unschuldigen Opfer. Nein, seine emotionale Wirkung verfehlt auch „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ nicht.

Was gibt sonst noch? Einen von Ray Lovelock persönlich gesungenen Titelsong (jedoch anscheinend nicht in allen deutschen Fassungen enthalten) innerhalb eines insgesamt systemerhaltenden Soundtracks, eine schluderige deutsche Synchronisation und die obligatorische J&B-Pulle im Schrank. Ein Prosit diesem erfrischend stilvollen Genrebeitrag!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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sergio petroni
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Re: La settima donna - Franco Prosperi

Beitrag von sergio petroni »

buxtebrawler hat geschrieben: „…und dann sehnst du dich nach einem Mann wie mich!“ (Oder doch nach einem Mann mit Grammatikbuch?)
:D ...aber was nützt das, wenn man nicht lesen kann? :kicher:

Tolle Kritik zu einem tollen Film übrigens! :thup:
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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buxtebrawler
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Re: La settima donna - Franco Prosperi

Beitrag von buxtebrawler »

sergio petroni hat geschrieben:Tolle Kritik zu einem tollen Film übrigens! :thup:
Ich danke dir :verbeug:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: La settima donna - Franco Prosperi

Beitrag von buxtebrawler »

Sollte anscheinend eigentlich heute bei einem neuen Label namens "Wild Dogs" in zwei verschiedenen Blu-ray/DVD-Mediabooks erscheinen. Im DTM-Shop ist nun allerdings im breitesten Österreichisch von einer frühestens Auslieferung "Mitte Jänner" die Rede, im Forum heißt es gar "verschoben auf den 27. Februar".

Bild Bild

Infos:
* Mediabook streng limitiert auf 1.000 Stück
* HD-Weltpremiere mit neuer Abtastung vom Originalnegativ
* Audiokommentar von Dr. Marcus Stiglegger
* Mehrseitiges Booklet
* Deutsche Kinofassung
* Italienischer Trailer
* Deutscher Trailer
* Bildergalerie

Quelle: http://shop.dtm.at/product_info.php?pro ... 5vqn5okrv3

Gelistet werden die Mediabooks mit jeweils 34,99 EUR...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Captain Blitz
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Re: La settima donna - Franco Prosperi

Beitrag von Captain Blitz »

Mitte Jänner bezog sich darauf, dass DTM wohl in den Weihnachtsurlaub gehen wird und ab Mitte Jänner wieder am Start ist. :kicher: Der Film selber kommt wohl wirklich erst frühestens Ende Februar. :(
dr. freudstein
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Re: La settima donna - Franco Prosperi

Beitrag von dr. freudstein »

Jänner :lol: zu faul Januar korrekt zu schreiben wa?

aber hab ja grad ne hübsche DVD erworben im Pappschuber, hat sich also erledigt :D
Captain Blitz
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Re: La settima donna - Franco Prosperi

Beitrag von Captain Blitz »

Da ich noch keine VÖ von dem Film besitze, wird es dann Ende Februar direkt das Mediabook, dabei wird es dann auch auf ewig bleiben. :D
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jogiwan
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Re: La settima donna - Franco Prosperi (1978)

Beitrag von jogiwan »

Nun nicht mehr beschlagnahmt:
schnittberichte.com hat geschrieben: Franco Prosperis Verflucht zum Töten aka Junge Mädchen zur Liebe gezwungen (Original: La settima Donna, 1978) wurde in Deutschland auf VHS sowohl ungekürzt, als auch in zensierter Form veröffentlicht. 1983 landete der Film schließlich auf dem Index und wurde 1985 bundesweit beschlagnahmt.

Die deutschsprachige DVD-Premiere erfolgte erst 2007, auf Blu-ray gab es Verflucht zum Töten dann 2014 (wir berichteten). Nun gab FilmArt bekannt, dass sie die Beschlagnahme aufgehoben haben und den Antrag auf Listenstreichung stellten. Es ist nach Lucio Fulcis Das Syndikat des Grauens der zweite italienische Film, der vom §131er freigesprochen wurde.
quelle: https://www.schnittberichte.com/news.php?ID=16256
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jogiwan
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Re: La settima donna - Franco Prosperi (1978)

Beitrag von jogiwan »

und nun runter vom Index:

01.png
01.png (682.85 KiB) 641 mal betrachtet
quelle: filmART/facebook
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Borderline666
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Re: La settima donna - Franco Prosperi (1978)

Beitrag von Borderline666 »

Allmählich finden sich bei mir immer mehr italienische Perlen ein, von denen ich zuvor nur hin und wieder mal gehört habe, aber nie so wirklich wahr genommen habe. Doch zum Glück gibt es Label wie Camera Obscura, die sich solchen italienischen Wundern angenommen haben und die Italian Genre Cinema Collection an den Tag gelegt haben, die bisher nur so gestrotzt hat vor Filmen, die zu den sehenswertesten des italienischen Kinos gehören. Nur die deutschen Titel klingen mir manchmal zu reißerisch, denn bei JUNGE MÄDCHEN ZUR LIEBE GEZWUNGEN könnte man auch an einen Schmuddelfilm denken, bei VERFUCHT ZU TÖTEN vermutlich an einen Horrorfilm, aber weder noch trifft auf den Film zu, es handelt sich nur um einen erstklassigen Rape n Revenge-Thriller aus des Altmeisters Francesco Prosperi Hand. Übersetzt bedeutet der Titel übrigens "Die siebte Frau", der sich, wie ich finde, viel angenehmer anhört für solch ein Kunstwerk von Film!

Die Storyline klingt auch ganz gut: Drei Männer, die zuvor eine Bank überfallen und einen der Angestellten umgebracht haben, befinden sich auf der Flucht und stoßen auf eine Villa, die von einer Ordensschwester und ihren Internatsschülerinnen bewohnt wird, die ein Studienseminar abhalten. Für die drei Herren scheint es das Paradies auf Erden zu sein, insbesondere für den perversen Lüstling Mario. So nimmt die Ungnade seinen Lauf bis es zur ersten Vergewaltigung kommt.

Francesco Prosperi ist beileibe kein Unbekannter im italienischen Filmuniversum, jedoch muss angemerkt werden, dass es sich nicht um den Franco Prosperi handelt, der für die MONDO CANE-Reihe verantwortlich ist. Hiesiger Prosperi´s Wirken konnte man unter anderem auch bei MONDO CANNIBALE 3 bewundern, als auch als Drehbuchschreiber zu Filmen AMAZONIA - KOPFJAGD IM REGENWALD. Für das amerikanische Publikum wurde der Film als THE LAST HOUSE ON THE BEACH heraus gegeben, wogegen man die Nähe zu Wes Craven´s THE LAST HOUSE ON THE LEFT gesucht hat, zumal man hier von besagtem Film inspiriert wurde.

Ab dem Eintreffen in die Villa herrscht den halben Film über eine bedrückende Atmosphäre, weil es ständig bedrohlich für Damen ist und man nicht weiß, wie weit die drei Räuber noch gehen werden. Man muss den Akteuren zu gute heißen, dass sie einen soliden Gebrauch von ihrer Schauspielkunst machen, um auf den Zuschauer einen ernst wirkenden Eindruck zu hinterlassen. Glücklicherweise unterließ Prosperi es, die Gewaltakte ins Explizite zu reißen, das hätte den Film dann doch wahrscheinlich ´kaputt´ gemacht und hat die Gewaltschau etwas seichter dargestellt, wie man es aus anderen Genrevertretern kennt.

Da ich derzeitig im italienischen Thriller-Bereich auf "Brautschau" bin, lasse ich mich gerne zu weiteren Filmen dieser Art beraten, weil ich den italienischem Film allgemein positiv eingestellt bin und gerne ein paar Tipps annehme, die solide und in diesem Fall keine Zeitverschwendung sind.
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