The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Moderator: jogiwan
Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Blu-ray von Redemption (USA)
Black Magic Rites (Italien 1973, Originaltitel: Riti, magie nere e segrete orge nel trecento)
Sinnlichkeit & Irrsinn! Renato Polsellis bizarres Kinotheater schäumt über ...
Im 14. Jahrhundert endete Isabella (Rita Calderoni) auf dem Scheiterhaufen, unter dem Beifall des Pöbels wurde sie als Hexe verbrannt. Ihr Liebhaber (Mickey Hargitay) konnte die Massen nicht stoppen, er schwört grausame Rache ... Fünfhundert Jahre später feiert eine illustre Runde am Ort des Geschehens eine rauschende Party. Bald verschwinden Personen, alle Beteiligten geraten in einen Strudel aus Lust, Angst und Wahnsinn ...
Hm, der obige Inhaltseinblick fällt reichlich knapp aus? Ja, einerseits beabsichtigt, andererseits fällt es schwer das Treiben in angemessene Worte zu kleiden. Renato Polselli sprengte meinen Schädel bereits mit dem einzigartigen "Delirio Caldo" (Das Grauen kommt nachts, 1972) in Stücke, "Black Magic Rites" (auch unter dem Titel "The Reincarnation of Isabel" bekannt) quirlt die Grütze erneut mit Volldampf durch den Fleischwolf. Neben der Regie, zeichnet Polselli für das Drehbuch und den Schnitt verantwortlich, ein Meister des obskuren Kinos tobt sich aus.
Wo fange ich, wo höre ich auf? "Black Magic Rites" verführt unsere Augen mit wunderschönen Farben, Erinnerungen an die Kompositionen von Mario Bava werden wach. Hier und da verweilt die Kamera lustvoll, spüre ich einen Hauch Jean Rollin durch den Raum wehen. Plötzlich drangsaliert ein keifendes Schnittmassaker meine Sinne, poltern Hektik und Wahnsinn im Eiltempo über mich hinweg. Bereits während der Vorspann in fröhlichen Farben über meinen Bildschirm rotiert, groove ich mich zu den Klängen der psychedelischen Musik auf den Streifen ein. Wüste Sprünge durch die Jahrhunderte, teuflische Rituale im tödlichen Taumel, Zeit und Raum verlieren an Bedeutung, haltlos und fasziniert lasse ich mich auf den Trip ein, vergesse alles um mich herum. Oft drängt sich der Vergleich zum Theater auf, die "subjektive Qualität" der Kulissen und Effekte verliert mehr und mehr an Bedeutung, unglaubliches Overacting einiger Darsteller wandelt auf dem schmalen Grat zwischen genial und grenzdebil. Immer wieder drängen blanke Brüste (überwiegend) attraktiver Damen ins Bild, muten in diesem Inferno fast wie eine samtige Erdung an, verlieren sich zugleich im überspannten Taumel aus Groschengrusel und bedeutungsschwanger-kaputten Dialogen. Herr Polselli frönt dem Humor. Während das finale Ritual des Schreckens seinen Lauf nimmt, wechselt er mehrfach munter und sorglos den Schauplatz, zeigt uns eine alberne Rödeleinlage aus der unteren Schublade, zerschmettert mit Pantoffeln der Verdammnis -ohne Not- die Krone seines ungezügelt geifernden Höllenschlunds.
Mickey Hargitay und Rita Calderoni waren die tragenden Figuren in "Delirio Caldo", diesmal gehen sie in brodelnder Dauerekstase auf. Nicht immer, nicht immer. Hargitay darf mehrfach um Fassung ringen, während Rita Calderoni mich erneut verzaubert. Herr der Hölle, wie unglaublich schön diese Frau damals war! In all dieser Maßlosigkeit gibt es Momente des Friedens, ruht die Göttin auf ihrem Bett und schaut ins Leere, ich möchte vor der Glotze auf die Knie fallen! Polselli gönnt den Synapsen keine Entspannung. Ich verzichte auf die Aufzählung der übrigen Darsteller, Rita lässt keine klaren Gedanken zu. Ihr dürft sicher sein, wohlgeformte Möpse, fiese Fratzen und neurotische Entgleisungen erwarten euch! "Das Grauen kommt nachts" wurde durch die einzigartige Qualität der deutschsprachigen Synchronisation noch wahnsinniger, diese Option steht für "Black Magic Rites" nicht zur Verfügung. Völlig egal, denn "Riti, magie nere e segrete orge nel trecento" hat bereits ohne weitere Maßnahmen eine gigantische Überdosis galoppierenden Aberwitz aufgesogen.
Wenn die Nutzung des Wortes "Füllhorn" jemals angebracht war, dann beim Versuch meine Eindrücke zu diesem Film festzuhalten. Hektische Sprünge durch die Zeit, Musik die sich aus allen möglichen Schubladen bedient, psychedelische Orgeln und die ganze Welt flüstert, schreit und gurgelt uns das Echo um/in die Ohren. Erotisches Geknister, zerhackt und durch den Schredder geprügelt. Teufelswerk, Gruften, Grusel und Hysterie, plötzlich Vampire. Der Nörgler findet Anschlussfehler in rauhen Mengen, ich trete ihm mit Anlauf in den Arsch, nenne es künstlerische Freiheit! Logik, Stringenz, logische Stringenz??? Bitte, setzt euch mit dem After auch eure Rechenschieber, ungefettet! Lieber Renato Polselli, vielen Dank für diese herrliche Nacht, hinter der Schwelle zum Wahnsinn frohlockt kranke Glückseligkeit. Blapi im Bett mit Rita, Schweineorgel inklusive, sucking in the Seventies!
Boooing! Doooiiingggg! Hallo? ... Wie belieben? Wo bin ich, wer seid das hier und überall? Nun denn, eine DVD zu "Black Magic Rites" stand bereits seit einiger Zeit im Regal, vor wenigen Wochen gesellte sich die BD aus dem Hause Redemption hinzu. Ganz grosses Lob für diese Auswertung, angenehmerweise wurde der Film nicht auf ein "steriles Etwas" geschrumpft. Stimmungsvolle Farben, keine übertriebene Nachschärfung, kleine Verunreinigungen sind sichtbar, die Tonspur knistert und brummt manchmal lebendig vor sich hin. Der Film kommt toll rüber, mehr "Filmfeeling" geht im Pantoffelkino der Großbildfernseher und Beamer nicht (echtes "35mm Kino" lässt sich zumindest erahnen). "Riti, magie nere e segrete orge nel trecento" liegt im italienischen Originalton vor, englische Untertitel sind zuschaltbar. Weniger üppig die Ausstattung, mehr als ein paar Trailer aus dem Labelprogamm sind nicht in an Bord.
Rituale, schwarze Magie und geheime Orgien im vierzehnten Jahrhundert ... oder satanische Freuden mit der Göttin und den Irren = 9/10 (überragend)!!!
Lieblingszitat:
"Her body belongs to Satan. She's damned for all eternity!"
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
dem schließe ich mich vorbehaltslos an!Blap hat geschrieben:9/10 (überragend)
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Ich mag diesen kompletten Wahnsinn auch sehr, sehr gerne. Einer dieser Filme, von denen man gar nicht glauben mag, dass sie existieren. Auf einer Stufe mit dem legendären "Deliro Caldo", der allerdings auch den Vorteil einer unfassbaren Synchro hat. "Reincarnation..." muss ohne auskommen und gleicht das locker durch seine Bilder aus, aus denen der Irrsinn nur so tropft. Must see!jogiwan hat geschrieben:dem schließe ich mich vorbehaltslos an!Blap hat geschrieben:9/10 (überragend)
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Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
In den Tiefen meines PCs gefunden.
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Tja.. eine Inhaltsangabe fällt extrem schwer. Warum? Siehe unten. Ich versuche trotzdem einmal mein Glück. Vor 300 Jahren wird in einem mitteleuropäischen (?) Dorf die Hexe Isabelle verbrannt. In der Jetzt-Zeit (also den frühen 70er Jahren) versucht eine Gruppe Satanisten diese wiederzubeleben. Zufällig reist gerade jetzt eine junge Frau an, die der Hexe wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Viele schnuckelige Mädels ziehen sich aus und verschwinden, die Männer benehmen sich mehr als merkwürdig... und am Ende bleibt Verwirrung.
Himmel Herrgott! Was geht denn hier ab? Das dürfte sich wirklich jeder fragen, der diesen Film erfahren hat. Denn anders als "erfahren" kann man dieses Erlebnis nicht beschreiben. Entweder ist Regisseur Renato Polselli ein Meisterwerk gelungen oder er ist ein Riesenstümper. Dass man auch nach den Schlusstiteln darauf keine Antwort findet, spricht eher für die erste These. Auf jeden Fall fühlt man sich nach dem Film wie nach dem Genuss von 2 Kisten Becks auf Ex. Einem ist schwindelig, man kann sich nicht daran erinnern was in den letzten 80 Minuten passiert ist und wo man sich überhaupt befindet. Neugierig geworden? Nun, dann seit aber gewarnt! Für jemanden, der einen "normalen Horrorfilm" sehen möchte, ist der Film nun partout nichts. Ständig springt er in den Szenen hin und her. Mal ist es taghell, im Gegenschuss stockdunkel. Personen verschwinden, um in der nächsten Szene ganz woanders wieder aufzutauchen. Mal spielt die Szene im Freien, um in der nächsten Sekunde auf einer sehr künstlichen Bühne das Geschehen fortzusetzen. Logik gibt es gar keine und die handelnden Personen agieren entweder stocksteif oder überchargieren, dass es weh tut. Und dies zumeist in ein und derselbe Szene. Völlig wirr wird es, wenn plötzlich Szenen dazwischengestreut werden, die aus einem teutonischen Lederhosenfilm stammen könnten und diese dann auch stilecht von lustiger Stummfilmmusik begleitet werden. Inmitten dieses Chaos: der absolut untalentierte Mickey Hargitay (Mister Jayne Mansfield & Universum), ein Typ der Raoul heißt und auch genauso aussieht und die wunderbare Rita Calderoni. Letztere besitzt zwar auch keinerlei schauspielerisches Talent, aber eine merkwürdig melancholische Ausstrahlung und unendlich traurige Auge. Das sie sich in ihren Filmen auch mit schöner Regelmäßigkeit splitterfasernackt präsentiert finde ich gar nicht schlecht. Von Polselli stammt auch der legendäre "Delirium" (aka " Das Grauen kommt nachts"/"Deliro Caldo"), den ich mir bereits in zwei verschieden geschnittenen Versionen angetan habe und der ein ganz ähnliches Gefühl hinterlässt. Renato Polselli: Genie oder Irrer?
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10 Jahre später kenne ich die Antwort: Irres Genie und genialer Irrer.
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Tja.. eine Inhaltsangabe fällt extrem schwer. Warum? Siehe unten. Ich versuche trotzdem einmal mein Glück. Vor 300 Jahren wird in einem mitteleuropäischen (?) Dorf die Hexe Isabelle verbrannt. In der Jetzt-Zeit (also den frühen 70er Jahren) versucht eine Gruppe Satanisten diese wiederzubeleben. Zufällig reist gerade jetzt eine junge Frau an, die der Hexe wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Viele schnuckelige Mädels ziehen sich aus und verschwinden, die Männer benehmen sich mehr als merkwürdig... und am Ende bleibt Verwirrung.
Himmel Herrgott! Was geht denn hier ab? Das dürfte sich wirklich jeder fragen, der diesen Film erfahren hat. Denn anders als "erfahren" kann man dieses Erlebnis nicht beschreiben. Entweder ist Regisseur Renato Polselli ein Meisterwerk gelungen oder er ist ein Riesenstümper. Dass man auch nach den Schlusstiteln darauf keine Antwort findet, spricht eher für die erste These. Auf jeden Fall fühlt man sich nach dem Film wie nach dem Genuss von 2 Kisten Becks auf Ex. Einem ist schwindelig, man kann sich nicht daran erinnern was in den letzten 80 Minuten passiert ist und wo man sich überhaupt befindet. Neugierig geworden? Nun, dann seit aber gewarnt! Für jemanden, der einen "normalen Horrorfilm" sehen möchte, ist der Film nun partout nichts. Ständig springt er in den Szenen hin und her. Mal ist es taghell, im Gegenschuss stockdunkel. Personen verschwinden, um in der nächsten Szene ganz woanders wieder aufzutauchen. Mal spielt die Szene im Freien, um in der nächsten Sekunde auf einer sehr künstlichen Bühne das Geschehen fortzusetzen. Logik gibt es gar keine und die handelnden Personen agieren entweder stocksteif oder überchargieren, dass es weh tut. Und dies zumeist in ein und derselbe Szene. Völlig wirr wird es, wenn plötzlich Szenen dazwischengestreut werden, die aus einem teutonischen Lederhosenfilm stammen könnten und diese dann auch stilecht von lustiger Stummfilmmusik begleitet werden. Inmitten dieses Chaos: der absolut untalentierte Mickey Hargitay (Mister Jayne Mansfield & Universum), ein Typ der Raoul heißt und auch genauso aussieht und die wunderbare Rita Calderoni. Letztere besitzt zwar auch keinerlei schauspielerisches Talent, aber eine merkwürdig melancholische Ausstrahlung und unendlich traurige Auge. Das sie sich in ihren Filmen auch mit schöner Regelmäßigkeit splitterfasernackt präsentiert finde ich gar nicht schlecht. Von Polselli stammt auch der legendäre "Delirium" (aka " Das Grauen kommt nachts"/"Deliro Caldo"), den ich mir bereits in zwei verschieden geschnittenen Versionen angetan habe und der ein ganz ähnliches Gefühl hinterlässt. Renato Polselli: Genie oder Irrer?
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Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Rita Calderoni ist hier und in anderen Filmen (Delirio caldo, Nuda per Satana) eine absolute Wucht. Die Frau umgeben von den bizarren, abstrusen Szenarien dieser Filme ist wirklich ein Genuss für Kenner.
- buxtebrawler
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Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Arkadin hat geschrieben:(...) ein Typ der Raoul heißt und auch genauso aussieht (...)
Verdammt, ich bin neugierig geworden auf diesen Film.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- Salvatore Baccaro
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Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Es sind Polselli-Wochen in meinem Kopf...
Jetzt, wo ich die beiden frühen Horrorfilme Polsellis, nämlich L’AMANTE DEL VAMPIRO und IL MOSTRO DELL’OPERA kenne, wirft das ein ganz neues Licht auf eines seiner „verrücktesten“ Werke der 70er, ein schauerromantisches Spektakel mit dem vielversprechenden Titel RITI, MAGIE NERE E SEGRETE ORGE NEL TRECENTO.
Riten. Schwarze Magie. Geheime Orgien. Das alles im vierzehnten Jahrhundert. Es klingt ein bisschen vollmundig, was Polselli einem hier im Stile eines populärwissenschaftlichen Sachbuchs, das seine schmuddelig-schmierige Substanz nur halbseiden verschleiert, vollmundig anpreist. Da stellt sich die Frage: hält der Film denn, was sein Titel ankündigt? Meiner Meinung nach kann man das auf zweierlei Weisen beantworten. Zunächst steht ein klares Nein! Die schwarzmagischen Riten und Orgien, da mag man noch zustimmen, da das gesamte Treiben des Films durchaus mit solchen Schlagworten umschrieben werden kann, eben weil es so vage ist, dass es sich einer konkreten Bezeichnung entzieht wie der Teufel dem Weihwasser, allerdings siedelt die Handlung eindeutig im zwanzigsten und nicht im vierzehnten Jahrhundert, das letztlich nur in einigen Rückblenden eine Rolle spielt, und dort auch nur die einer bloßen Kulisse, über die man nichts erfährt und die dadurch austauschbar wird. Nun mag wahrscheinlich sowieso nur eine kleine Minderheit sich für einen Streifen solchen Namens interessiert haben, um mehr über die kirchenpolitischen, sozialen oder theologischen Strukturen des Spätmittelalters zu erfahren, wer indes wenigstens eine verständliche Handlung, die von A nach Z führt und die einzelnen Sex- und Schauerszenen einigermaßen sinnvoll miteinander verbindet, erwartet hat, wird genauso enttäuscht werden wie jene Hobby-Historiker. Polsellis Titel macht demnach Sinn, da er drei ihrerseits äußerst ungenau definierte Begriffe aneinanderreiht, ohne dass sie irgendeine Verbindung eingehen würden, und zumal sie, wie gesagt, nichts wirklich Klares aussagen. Man hätte genauso schreiben können: Satanische Beschwörungen, Verruchte Kulte, Dunkle Bünde, oder Okkulte Zeremonien, Schwarze Bruderschaften, Ekstatische Feste, oder Versteckte Verschwörungen, Böse Zaubereien, Opferungen, oder… nun, ihr versteht, was ich meine. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die wie Werbeslogans klingenden Versprechungen als eigentlich leere Hülsen, in die man füllen könnte, was man möchte. Polselli tut das Ganze freilich auch, und montiert seinen Film aus ebensolchen Hülsen zusammen. Jede einzelne Szene, scheint es, hat im Prinzip keinen wirklichen Inhalt, d.h. keine Aussagen, die sie zwingend mit den übrigen verbinden würden, da sind lediglich Rudimente wie ungenau gezeichnete Figuren, für den Zuschauer unverständliche Handlungen, undurchschaubare Dialoge usw. Sicher, es sind Figuren da, und Dialoge, und gewisse Handlungen, tatsächlich Sinn stiftet davon indes nichts, und das Finale des Films ist genauso wenig erklärt und erklärbar wie sein Anfang. So gesehen wäre es gar nicht verkehrt, auch Polselli mit den klassischen Surrealisten in einen Hexenkessel zu werfen, da er ebenso wie diese quasi aus dem Unbewussten schöpft, sprich: gewisse Szenen, die archaischen Wert haben, z.B. angekettete, gepeitschte Frauen, düstere Kellerlöcher, Rituale im Fackelschein usw., und größtenteils aus der schattigeren Hälfte unseres kulturellen Gedächtnis stammen, in loser Reihenfolge zusammentackert, ohne Wert darauf zu legen, dass sie über sich selbst und die reine Symphonie der Bilder hinaus einen intellektuellen Text generieren. Nach der Logik der Story erübrigt sich da zu fragen, und auch die Frage, wieso Polselli, vor allem im Finale wird das überdeutlich, dauernd irgendwelche albernen Comedy-Einlagen mit atmosphärisch inszenierten Spukszenen kreuzt, und somit kein stimmiges Ganzes bekommt, sondern zwei völlig unterschiedliche Emotionen, die sich, zusammengewürfelt, gegenseitig ruinieren, und vor allem der Versuch, mehr aus den Bildern herauszulesen, als an ihrer reiner Oberfläche steckt, und sich hineinzudenken in diesen wirren Kosmos voller Zeitschleifen und Zeitsprünge. Nein, Polselli klebt da ganz bewusst aneinander, was einfach nicht zusammengehört. Da wechselt zwischen zwei Schnitten in einer Szene, deren Montage suggeriert, ihre Einzelbilder zeigten ein und denselben Ort zu ein und derselben Zeit, munter die Sonne mit dem Mond, da reagiert die Vergangenheit auf die Gegenwart und umgekehrt, da scheint oftmals der Film selbst gar nicht zu wissen, wo er gerade ist und was genau in ihm passiert.
Oder doch? Was nämlich auffällt, ist, wie konsequent RITI, MAGIE NERE E SEGRETE ORGE NEL TRECENTO bei ziemlich klarem Verstand exakt die Muster von Polsellis beiden etwa zehn Jahre zuvor entstandenen frühen Horrorfilmen wiederkäut. Beide Filme, L’AMANTE DEL VAMPIRO und IL MOSTRO DELL’OPERA, spielen in einem abgeschlossenen Gebiet, der eine in einer Burg, die offenbar genau eben jene ist, in der auch RITI, MAGIE NERE etc. gedreht wurde, der andere in einem leerstehenden Theaterhaus, in beiden Filme ist eine Gruppe verschiedener Menschen aufgrund reichlich haarsträubender Gründe an diesem Ort versammelt, bei dem einen eine Tanztruppe, bei dem anderen eine Theatertruppe, bei RITI wird der Grund, außer, dass man da eine wilde Party feiert, erst gar nicht benannt, und letztlich haben alle drei Filme gemeinsam, dass sie mehr oder minder stark stilvoll inszenierten Schrecken mit Comedy-Elementen und surrealistischen Ausflügen anreichern, wobei die Logik definitiv den Kürzeren zieht. Natürlich ist RITI im direkten Vergleich der weitaus zugedrogtere Film. Anders als der weitgehend konventionelle IL MOSTRO DELL’OPERA und der sich in Stummfilmästhetik suhlende L’AMANTE DEL VAMPIRO ist RITI ein psychedelischer Trip geworden, bei dem Montage, Schauspieler, Regie und Kamera permanent von einer Overdose zur nächsten stürzen. Jedes, und wirklich jedes Element, aus dem ein Film sich normalerweise zusammensetzt, hat Genre-Regeln und allgemein üblichen filmischen Methoden einen Krieg erklärt, der zumindest auf der einen Seite eindeutig drogeninduziert stattfindet. Alles, was Polselli früher schon gemocht hat, ist hier vereint, und feiert hemmungslos seinen Rausch. Der Rückgriff auf sein Frühwerk scheint demnach zwar bei vollem Bewusstsein erfolgt zu sein, das, was Polselli mit diesen Versatzstücken anstellt, trägt allerdings kaum noch einen vernünftigen Zug. Wenn da beispielweise zwischenzeitlich von einem Vampir gemunkelt wird, den ich zumindest im Film niemals zu Gesicht kriegte, und wenn eine Figur komplett in einem Comedy-Korsett steckt und in jeder Situation, selbst den ernstesten, wahnsinnigstes Over-Acting betreibt, und wenn in knallbunten Verließen Sex und Folter zusammentreffen und auf vom Pöble überströmten Marktplätzen barbusige Hexen verbrannt werden, dann zeigt das Polselli als Hohepriester in einem dionysischen Fest, stilecht mit Bockshörnern und Bocksbart, der Phrasen lallt, die nur Stimmungen, keinen Sinn wecken.
Jetzt, wo ich die beiden frühen Horrorfilme Polsellis, nämlich L’AMANTE DEL VAMPIRO und IL MOSTRO DELL’OPERA kenne, wirft das ein ganz neues Licht auf eines seiner „verrücktesten“ Werke der 70er, ein schauerromantisches Spektakel mit dem vielversprechenden Titel RITI, MAGIE NERE E SEGRETE ORGE NEL TRECENTO.
Riten. Schwarze Magie. Geheime Orgien. Das alles im vierzehnten Jahrhundert. Es klingt ein bisschen vollmundig, was Polselli einem hier im Stile eines populärwissenschaftlichen Sachbuchs, das seine schmuddelig-schmierige Substanz nur halbseiden verschleiert, vollmundig anpreist. Da stellt sich die Frage: hält der Film denn, was sein Titel ankündigt? Meiner Meinung nach kann man das auf zweierlei Weisen beantworten. Zunächst steht ein klares Nein! Die schwarzmagischen Riten und Orgien, da mag man noch zustimmen, da das gesamte Treiben des Films durchaus mit solchen Schlagworten umschrieben werden kann, eben weil es so vage ist, dass es sich einer konkreten Bezeichnung entzieht wie der Teufel dem Weihwasser, allerdings siedelt die Handlung eindeutig im zwanzigsten und nicht im vierzehnten Jahrhundert, das letztlich nur in einigen Rückblenden eine Rolle spielt, und dort auch nur die einer bloßen Kulisse, über die man nichts erfährt und die dadurch austauschbar wird. Nun mag wahrscheinlich sowieso nur eine kleine Minderheit sich für einen Streifen solchen Namens interessiert haben, um mehr über die kirchenpolitischen, sozialen oder theologischen Strukturen des Spätmittelalters zu erfahren, wer indes wenigstens eine verständliche Handlung, die von A nach Z führt und die einzelnen Sex- und Schauerszenen einigermaßen sinnvoll miteinander verbindet, erwartet hat, wird genauso enttäuscht werden wie jene Hobby-Historiker. Polsellis Titel macht demnach Sinn, da er drei ihrerseits äußerst ungenau definierte Begriffe aneinanderreiht, ohne dass sie irgendeine Verbindung eingehen würden, und zumal sie, wie gesagt, nichts wirklich Klares aussagen. Man hätte genauso schreiben können: Satanische Beschwörungen, Verruchte Kulte, Dunkle Bünde, oder Okkulte Zeremonien, Schwarze Bruderschaften, Ekstatische Feste, oder Versteckte Verschwörungen, Böse Zaubereien, Opferungen, oder… nun, ihr versteht, was ich meine. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die wie Werbeslogans klingenden Versprechungen als eigentlich leere Hülsen, in die man füllen könnte, was man möchte. Polselli tut das Ganze freilich auch, und montiert seinen Film aus ebensolchen Hülsen zusammen. Jede einzelne Szene, scheint es, hat im Prinzip keinen wirklichen Inhalt, d.h. keine Aussagen, die sie zwingend mit den übrigen verbinden würden, da sind lediglich Rudimente wie ungenau gezeichnete Figuren, für den Zuschauer unverständliche Handlungen, undurchschaubare Dialoge usw. Sicher, es sind Figuren da, und Dialoge, und gewisse Handlungen, tatsächlich Sinn stiftet davon indes nichts, und das Finale des Films ist genauso wenig erklärt und erklärbar wie sein Anfang. So gesehen wäre es gar nicht verkehrt, auch Polselli mit den klassischen Surrealisten in einen Hexenkessel zu werfen, da er ebenso wie diese quasi aus dem Unbewussten schöpft, sprich: gewisse Szenen, die archaischen Wert haben, z.B. angekettete, gepeitschte Frauen, düstere Kellerlöcher, Rituale im Fackelschein usw., und größtenteils aus der schattigeren Hälfte unseres kulturellen Gedächtnis stammen, in loser Reihenfolge zusammentackert, ohne Wert darauf zu legen, dass sie über sich selbst und die reine Symphonie der Bilder hinaus einen intellektuellen Text generieren. Nach der Logik der Story erübrigt sich da zu fragen, und auch die Frage, wieso Polselli, vor allem im Finale wird das überdeutlich, dauernd irgendwelche albernen Comedy-Einlagen mit atmosphärisch inszenierten Spukszenen kreuzt, und somit kein stimmiges Ganzes bekommt, sondern zwei völlig unterschiedliche Emotionen, die sich, zusammengewürfelt, gegenseitig ruinieren, und vor allem der Versuch, mehr aus den Bildern herauszulesen, als an ihrer reiner Oberfläche steckt, und sich hineinzudenken in diesen wirren Kosmos voller Zeitschleifen und Zeitsprünge. Nein, Polselli klebt da ganz bewusst aneinander, was einfach nicht zusammengehört. Da wechselt zwischen zwei Schnitten in einer Szene, deren Montage suggeriert, ihre Einzelbilder zeigten ein und denselben Ort zu ein und derselben Zeit, munter die Sonne mit dem Mond, da reagiert die Vergangenheit auf die Gegenwart und umgekehrt, da scheint oftmals der Film selbst gar nicht zu wissen, wo er gerade ist und was genau in ihm passiert.
Oder doch? Was nämlich auffällt, ist, wie konsequent RITI, MAGIE NERE E SEGRETE ORGE NEL TRECENTO bei ziemlich klarem Verstand exakt die Muster von Polsellis beiden etwa zehn Jahre zuvor entstandenen frühen Horrorfilmen wiederkäut. Beide Filme, L’AMANTE DEL VAMPIRO und IL MOSTRO DELL’OPERA, spielen in einem abgeschlossenen Gebiet, der eine in einer Burg, die offenbar genau eben jene ist, in der auch RITI, MAGIE NERE etc. gedreht wurde, der andere in einem leerstehenden Theaterhaus, in beiden Filme ist eine Gruppe verschiedener Menschen aufgrund reichlich haarsträubender Gründe an diesem Ort versammelt, bei dem einen eine Tanztruppe, bei dem anderen eine Theatertruppe, bei RITI wird der Grund, außer, dass man da eine wilde Party feiert, erst gar nicht benannt, und letztlich haben alle drei Filme gemeinsam, dass sie mehr oder minder stark stilvoll inszenierten Schrecken mit Comedy-Elementen und surrealistischen Ausflügen anreichern, wobei die Logik definitiv den Kürzeren zieht. Natürlich ist RITI im direkten Vergleich der weitaus zugedrogtere Film. Anders als der weitgehend konventionelle IL MOSTRO DELL’OPERA und der sich in Stummfilmästhetik suhlende L’AMANTE DEL VAMPIRO ist RITI ein psychedelischer Trip geworden, bei dem Montage, Schauspieler, Regie und Kamera permanent von einer Overdose zur nächsten stürzen. Jedes, und wirklich jedes Element, aus dem ein Film sich normalerweise zusammensetzt, hat Genre-Regeln und allgemein üblichen filmischen Methoden einen Krieg erklärt, der zumindest auf der einen Seite eindeutig drogeninduziert stattfindet. Alles, was Polselli früher schon gemocht hat, ist hier vereint, und feiert hemmungslos seinen Rausch. Der Rückgriff auf sein Frühwerk scheint demnach zwar bei vollem Bewusstsein erfolgt zu sein, das, was Polselli mit diesen Versatzstücken anstellt, trägt allerdings kaum noch einen vernünftigen Zug. Wenn da beispielweise zwischenzeitlich von einem Vampir gemunkelt wird, den ich zumindest im Film niemals zu Gesicht kriegte, und wenn eine Figur komplett in einem Comedy-Korsett steckt und in jeder Situation, selbst den ernstesten, wahnsinnigstes Over-Acting betreibt, und wenn in knallbunten Verließen Sex und Folter zusammentreffen und auf vom Pöble überströmten Marktplätzen barbusige Hexen verbrannt werden, dann zeigt das Polselli als Hohepriester in einem dionysischen Fest, stilecht mit Bockshörnern und Bocksbart, der Phrasen lallt, die nur Stimmungen, keinen Sinn wecken.
- sergio petroni
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Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Immer wieder schön, wie versucht wird, das Unfaßbare in Worte zu fassen.
Diesen Film in traditionelle Schemen zu packen erscheint gar unmöglich.
Wir haben es mit Schauspielern zu tun die gar keine sind, eine "Geschichte"
ohne roten Faden und ohne Rücksicht auf zeitliche Zusammenhänge erzählt,
bebildert, erfühlt?
Ob jetzt irrwitzig oder visionär, man muß in der richtigen Stimmung sein,
um sich darauf einlassen zu können. Dann allerdings man bekommt ein Hirnwindungen-
verbrennendes-Erlebnis geboten, wie selten (oder eigentlich nie).
Und die von Arkadin erwähnten zwei Kisten Becks (gerne eine andere Marke!)
könnten nach Genuß des Werkes hilfreich sein, den Schwebezustand noch möglichst
lange aufrecht zu erhalten.
Eine irdisch-"normale" Anwandlung kann Polselli dann doch nicht verleugnen.
Alleine die unglaublich bezaubernde Rita Calderoni sorgt mit ihrer Sehnsucht-
erweckenden Leinwandpräsenz für menschliche (männliche) Gefühlswallungen.
Diesen Film in traditionelle Schemen zu packen erscheint gar unmöglich.
Wir haben es mit Schauspielern zu tun die gar keine sind, eine "Geschichte"
ohne roten Faden und ohne Rücksicht auf zeitliche Zusammenhänge erzählt,
bebildert, erfühlt?
Ob jetzt irrwitzig oder visionär, man muß in der richtigen Stimmung sein,
um sich darauf einlassen zu können. Dann allerdings man bekommt ein Hirnwindungen-
verbrennendes-Erlebnis geboten, wie selten (oder eigentlich nie).
Und die von Arkadin erwähnten zwei Kisten Becks (gerne eine andere Marke!)
könnten nach Genuß des Werkes hilfreich sein, den Schwebezustand noch möglichst
lange aufrecht zu erhalten.
Eine irdisch-"normale" Anwandlung kann Polselli dann doch nicht verleugnen.
Alleine die unglaublich bezaubernde Rita Calderoni sorgt mit ihrer Sehnsucht-
erweckenden Leinwandpräsenz für menschliche (männliche) Gefühlswallungen.
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Black Magic Rites: The Reincarnation of Isabel (Renato Polselli, 1973) 6/10
Joseph Roth und Franz Kafka haben es vorgemacht, und ich nehme mir dieses Recht jetzt auch heraus: Der folgende Text wird ein Fragment bleiben! Zu überwältigend und verwirrend die Eindrücke, zu schwer zu beschreiben die Empfindungen bei der Sichtung, und diese liegt dann auch noch mehrere Monate zurück. Was bei einem 08/15-Film von der Stange noch funktionieren würde, nämlich eine längst vergangene Sichtung zu beschreiben, kann bei einem Film von Renato Polselli nicht funktionieren. Und bei BLACK MAGIC RITES schon gleich zweimal nicht …
Im Folgenden also dasjenige, was mir direkt nach dem Filmerlebnis durch den Kopf gegangen ist. Wie gesagt, der Text ist nicht zu Ende gebracht worden, und ob er das jemals wird steht in den Sternen. Aber wer den Film noch nicht kennt kann nach der Lektüre vielleicht verstehen, woran ich letzten Endes gescheitert bin. Und wer ihn schon kennt bekommt hoffentlich Lust, sich dieses unfassbare Spektakel mal wieder anzutun …
-----------------------------------------
Jack Nelson kauft sich die Hälfte eines alten Schlosses, und feiert den Erwerb der Immobilie praktischerweise gleichzeitig mit der Verlobung seiner Bekannten Laureen mit Richard Brenton. Jack weiß aber nicht, dass vor 500 Jahren auf diesem Schloss die angebliche Hexe Isabel verbrannt wurde, und dass jetzt die Zeit gekommen ist, mittels Blutopfern die Wiederauferstehung Isabels einzuleiten. Denn Lauren ist die Reinkarnation der Hexe Isabel, und Jack war in diesem früheren Leben ihr Liebhaber. Jeder der heutigen Gäste auf dem Schloss hat auch vor 500 Jahren bereits eine Rolle gespielt, und in einer Person kommen sie alle zusammen: In dem Besitzer der anderen Schlosshälfte, einem Okkultisten, der seit Jahren das Grab von Jack Nelson sucht.
Es ist schwer zu verstehen. Bekanntes und Unbekanntes liegen nah bei einander.
Drogenrausch. Brennende Kreuze. Eine Hexe, der das Herz entnommen wurde. Goldfischgläser, in denen sich nackte, angekettete Frauen spiegeln. Endloses Starren in den leeren Raum. Der schnellste Monolog der Filmgeschichte (nämlich wenn Stefania Fassio sich dafür rechtfertigt, die Treppe hinuntergefallen zu sein, indem sie unserklärtdassdaseinMonsterwarmitgrünenAugenweiljaalleMonstergrüneAugenhabenundeskamvonhintenundsiekonntesichnichtwehren …). Ein Okkultist mit einem etwas heruntergekommenen Schiffsmodell auf dem Schreibtisch. Die drei Supermänner in ihren roten Strampelanzügen, die flüssige Götterspeise mit Waldmeistergeschmack in aufgerissene Frauenschlunde schütten. Psychedelische Rockmusik der härteren Gangart. Ein Grab aus vertrockneten Holzästen.
Filme von Renato Polselli sind ja bekanntlich immer etwas anders. Weder ist DAS GRAUEN KOMMT NACHTS ein Giallo wie man ihn sich vorstellt, noch ist LUST ein Erotikstreifen klassischer Provenienz. BLACK MAGIC RITES läuft offiziell als Horrorfilm – ein Hoch auf das Schubladisieren, dem unsere Erwartungshaltungen entspringen und uns dann so oft enttäuschen.
Denn auch BLACK MAGIC RITES ist anders. Grundlegend anders. Zwar geht es schon irgendwo um die Wiederauferweckung einer toten Hexe und ihrer Rache, durchgeführt von ein paar Satansjüngern in den Kostümen der drei Supermänner. Aber das ist nur der vordergründige Teil des Films, der oberflächliche Part, der unter dem Begriff Horror das Publikum anlocken soll.
Der restliche Teil des Films, also alles, was unter dem Begriff “filmisch“ zusammenfasst: Schnitt, Musik, Schauspieler, Drehbuch, Kamera, all diese Dinge sind beileibe nicht filmisch, sondern hochgradig psychedelisch! Schauen wir da doch mal im Einzelnen drüber (was ja eigentlich Quatsch ist, weil Polselli-Filme eigentlich immer in ihrer Gesamtheit betrachtet werden sollten):
Der Schnitt ist oft schnell und zuweilen auch interessant. Soll heißen, dass die Reihenfolge der schauspielerischen Aktionen nicht immer korreliert mit dem, was uns der Schnitt eigentlich zeigen möchte. Tag. Nacht. Innen. Tag. Außen. Nacht … Ihr wisst was ich meine. Und das soll heißen, dass vor allem gegen Ende die Bettszenen mit Stefania Fassio, der blonden unbekannten Darstellerin und dem ebenfalls unbekannten Pinscher sowas von deplatziert hineingeschnitten wurden, dass der Verdacht nahe liegt, dass hier eine andere Fassung vorliegt. In seiner Recherche zum LUSTHAUS DER TEUFLISCHEN BEGIERDEN belegt Richie Pistilli ja bereits das Vorhandensein mehrerer, komplett unterschiedlich geschnittener und inhaltlich gravierend anderer Fassungen. Wie gesagt, diese Bettszenen haben mit dem eigentlichen Film eigentlich nichts zu tun. Darauf deutet auch die verwandte Musik hin, die eher an Slapstick-Komödien erinnert.
Überhaupt die Musik. Beginnt der Film noch spannend, mit einer musikalischen Hommage an Der FLUCH DER SCHWARZEN SCHWESTERN (nämlich Trommeln), über denen dann ein Chor wertvolles Wissen spricht: “Gestern wie heute, heute wie gestern. Alles ist dasselbe! Warum?“ Irgendwann allerdings hat es sich dann mit dem Chor, es kommt eine Bontempi-Orgel zum Einsatz, genauso wie das bereits erwähnte Slapstick-Orchester, und dann Peng Knall Bumm Psychedelic Rock der härteren Gangart! Einfach mal eben so. Ich habe jetzt bestimmt was vergessen, aber das macht nichts, ich kann den Film ja jederzeit wieder rauchen …
Die Schauspieler. Oder so. Ich meine, wir sind uns alle einige, dass Mickey Hargitay sicher ein sympathischer Kerl, aber als Schauspieler nicht unbedingt die oscarreife Nummer 1 war. Und jetzt kommt die Überraschung: Zusammen mi Rita Calderoni rockt er hier den Film wie nichts Gutes.
Mehr Worte hat es einfach nicht ...
Joseph Roth und Franz Kafka haben es vorgemacht, und ich nehme mir dieses Recht jetzt auch heraus: Der folgende Text wird ein Fragment bleiben! Zu überwältigend und verwirrend die Eindrücke, zu schwer zu beschreiben die Empfindungen bei der Sichtung, und diese liegt dann auch noch mehrere Monate zurück. Was bei einem 08/15-Film von der Stange noch funktionieren würde, nämlich eine längst vergangene Sichtung zu beschreiben, kann bei einem Film von Renato Polselli nicht funktionieren. Und bei BLACK MAGIC RITES schon gleich zweimal nicht …
Im Folgenden also dasjenige, was mir direkt nach dem Filmerlebnis durch den Kopf gegangen ist. Wie gesagt, der Text ist nicht zu Ende gebracht worden, und ob er das jemals wird steht in den Sternen. Aber wer den Film noch nicht kennt kann nach der Lektüre vielleicht verstehen, woran ich letzten Endes gescheitert bin. Und wer ihn schon kennt bekommt hoffentlich Lust, sich dieses unfassbare Spektakel mal wieder anzutun …
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Jack Nelson kauft sich die Hälfte eines alten Schlosses, und feiert den Erwerb der Immobilie praktischerweise gleichzeitig mit der Verlobung seiner Bekannten Laureen mit Richard Brenton. Jack weiß aber nicht, dass vor 500 Jahren auf diesem Schloss die angebliche Hexe Isabel verbrannt wurde, und dass jetzt die Zeit gekommen ist, mittels Blutopfern die Wiederauferstehung Isabels einzuleiten. Denn Lauren ist die Reinkarnation der Hexe Isabel, und Jack war in diesem früheren Leben ihr Liebhaber. Jeder der heutigen Gäste auf dem Schloss hat auch vor 500 Jahren bereits eine Rolle gespielt, und in einer Person kommen sie alle zusammen: In dem Besitzer der anderen Schlosshälfte, einem Okkultisten, der seit Jahren das Grab von Jack Nelson sucht.
Es ist schwer zu verstehen. Bekanntes und Unbekanntes liegen nah bei einander.
Drogenrausch. Brennende Kreuze. Eine Hexe, der das Herz entnommen wurde. Goldfischgläser, in denen sich nackte, angekettete Frauen spiegeln. Endloses Starren in den leeren Raum. Der schnellste Monolog der Filmgeschichte (nämlich wenn Stefania Fassio sich dafür rechtfertigt, die Treppe hinuntergefallen zu sein, indem sie unserklärtdassdaseinMonsterwarmitgrünenAugenweiljaalleMonstergrüneAugenhabenundeskamvonhintenundsiekonntesichnichtwehren …). Ein Okkultist mit einem etwas heruntergekommenen Schiffsmodell auf dem Schreibtisch. Die drei Supermänner in ihren roten Strampelanzügen, die flüssige Götterspeise mit Waldmeistergeschmack in aufgerissene Frauenschlunde schütten. Psychedelische Rockmusik der härteren Gangart. Ein Grab aus vertrockneten Holzästen.
Filme von Renato Polselli sind ja bekanntlich immer etwas anders. Weder ist DAS GRAUEN KOMMT NACHTS ein Giallo wie man ihn sich vorstellt, noch ist LUST ein Erotikstreifen klassischer Provenienz. BLACK MAGIC RITES läuft offiziell als Horrorfilm – ein Hoch auf das Schubladisieren, dem unsere Erwartungshaltungen entspringen und uns dann so oft enttäuschen.
Denn auch BLACK MAGIC RITES ist anders. Grundlegend anders. Zwar geht es schon irgendwo um die Wiederauferweckung einer toten Hexe und ihrer Rache, durchgeführt von ein paar Satansjüngern in den Kostümen der drei Supermänner. Aber das ist nur der vordergründige Teil des Films, der oberflächliche Part, der unter dem Begriff Horror das Publikum anlocken soll.
Der restliche Teil des Films, also alles, was unter dem Begriff “filmisch“ zusammenfasst: Schnitt, Musik, Schauspieler, Drehbuch, Kamera, all diese Dinge sind beileibe nicht filmisch, sondern hochgradig psychedelisch! Schauen wir da doch mal im Einzelnen drüber (was ja eigentlich Quatsch ist, weil Polselli-Filme eigentlich immer in ihrer Gesamtheit betrachtet werden sollten):
Der Schnitt ist oft schnell und zuweilen auch interessant. Soll heißen, dass die Reihenfolge der schauspielerischen Aktionen nicht immer korreliert mit dem, was uns der Schnitt eigentlich zeigen möchte. Tag. Nacht. Innen. Tag. Außen. Nacht … Ihr wisst was ich meine. Und das soll heißen, dass vor allem gegen Ende die Bettszenen mit Stefania Fassio, der blonden unbekannten Darstellerin und dem ebenfalls unbekannten Pinscher sowas von deplatziert hineingeschnitten wurden, dass der Verdacht nahe liegt, dass hier eine andere Fassung vorliegt. In seiner Recherche zum LUSTHAUS DER TEUFLISCHEN BEGIERDEN belegt Richie Pistilli ja bereits das Vorhandensein mehrerer, komplett unterschiedlich geschnittener und inhaltlich gravierend anderer Fassungen. Wie gesagt, diese Bettszenen haben mit dem eigentlichen Film eigentlich nichts zu tun. Darauf deutet auch die verwandte Musik hin, die eher an Slapstick-Komödien erinnert.
Überhaupt die Musik. Beginnt der Film noch spannend, mit einer musikalischen Hommage an Der FLUCH DER SCHWARZEN SCHWESTERN (nämlich Trommeln), über denen dann ein Chor wertvolles Wissen spricht: “Gestern wie heute, heute wie gestern. Alles ist dasselbe! Warum?“ Irgendwann allerdings hat es sich dann mit dem Chor, es kommt eine Bontempi-Orgel zum Einsatz, genauso wie das bereits erwähnte Slapstick-Orchester, und dann Peng Knall Bumm Psychedelic Rock der härteren Gangart! Einfach mal eben so. Ich habe jetzt bestimmt was vergessen, aber das macht nichts, ich kann den Film ja jederzeit wieder rauchen …
Die Schauspieler. Oder so. Ich meine, wir sind uns alle einige, dass Mickey Hargitay sicher ein sympathischer Kerl, aber als Schauspieler nicht unbedingt die oscarreife Nummer 1 war. Und jetzt kommt die Überraschung: Zusammen mi Rita Calderoni rockt er hier den Film wie nichts Gutes.
Mehr Worte hat es einfach nicht ...
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
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Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Originaltitel: Riti, magie nere e segrete orge nel trecento
Regisseur: Renato Polselli
Kamera: Ugo Brunelli
Musik: Romolo Forlai, Gianfranco Reverberi
Drehbuch: Renato Polselli
Regisseur: Renato Polselli
Kamera: Ugo Brunelli
Musik: Romolo Forlai, Gianfranco Reverberi
Drehbuch: Renato Polselli
Im 14. Jahrhundert, dem Säkulum in dem der Schwarze Tod wütete, wird die attraktive Isabella Drupel der Hexerei wie des Vampirismus beschuldigt und muss für ihre abscheulichen Taten auf dem Scheiterhaufen büßen. Ihr Geliebter, Jack, gelobt die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und einhergehend seine Liebste mit Hilfe der schwarzen Magie ins Leben zurückzuholen, sodass er in den Kellergewölben seines Schlosses, wo die Überreste seiner Isabella aufgebahrt sind, emsig Jungfrauen opfert. Rund ein halbes Millennium später erwirbt Jack Nelson, eine Nachkomme des Hexenmeisters oder eventuell dessen Reinkarnation (?), das vom kaltem Hach des Todes beseelte Herrenhaus, welches mittlerweile zu einem Mädchenpensionat umfunktioniert wurde und fortan Jacks Stieftochter, Laureen, als neues zuhause dienen soll. Zum Einstand will das junge Mädel in der schmucken Bleibe ihre Verlobung feiern. Die geladenen Gäste setzen sich aus den Wiedergeburten von Isabellas präpuritanischen Peinigern zusammen. Während der ausgelassenen Festlichkeiten verschwinden nach und nach die weiblichen Gäste, die anschließend von diversen Folterinstrumenten in Empfang genommen werden. Wer oder was ist hier eigentlich los?
Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten! Wer jedoch aufmerksam „Die Zeitmaschine“ gelesen hat, dem wird bewusst sein, dass sich ein realer Gegenstand in vier Dimensionen erstreckt. Drei sind uns als Länge, Höhe, Breite, die vierte als die Dauer respektive als die Zeit bekannt. In den drei erstgenannten Dimensionen können wir uns - in der Höhe freilich mit Hilfsmitteln - jederzeit nach Belieben bewegen. In der vierten Dimension, die Zeit, schreiten wir zwar kontinuierlich voran, können die Bewegung allerdings nicht verlangsamen, beschleunigen stoppen oder in die entgegengesetzte Richtung, also rückwärts, ausführen. H.G. Wells beschäftige sich mit dieser Tatsache und beauftragte (s)einen Zeitreisenden, einige Gelehrte vom Gegenteil zu überzeugen. Der Zeitreisende ist, wie wir ja hoffentlich alle wissen, niemals von seiner zweiten Reise zurückgekehrt. Doch bevor er sich auf jene zweite Tour durch Raum und Zeit begab, nahm er seine Zuhörer bei der Hand und definierte ihnen auf plausible Weise, wie er den Zugang sowie die nachfolgende Bewegung innerhalb der vierten Dimension praktizieren konnte. Renato Polselli hielt im Vergleich zu dem Zeitreisenden wenig von plausiblen Erklärungen. Polselli schöpfte stattdessen seine künstlerische Freiheit aus und definierte mit „The Reincarnation of Isabel“ die vierte Dimension als einen für jedermann und -frau zugänglichen Raum, in dem ein Fluchtpunkt wurzelt, an dem sich Vergangenheit und Gegenwart kreuzen und zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Wer sich nun „The Reincarnation of Isabel“ zu Gemüte führt, der wird flink begreifen, warum ich so ein extrem wirres Zeug schreibe, denn Polselli attackiert seine Zuschauer mit einem riesigen Arsenal von Fragezeichen und liefert in letzter Konsequenz keine Erklärung für diesen offensiven Feldzug.
Da ich jegliche Formen von Drogen verabscheue, mich allerdings gern von Filmen berauschen lasse, halte ich Renato Polselli für einen ganz tollen Regisseur, denn er scherte sich keinen Deut um Massenkompatibilität. Die daraus fruchtende Abstinenz von Regeln und Grenzen ist meines Erachtens der bedeutende Teil seiner Erfolgsformel. Ich finde es sehr schade, das sein hierzulande bekanntestes Werk, „Das Grauen kommt nachts“, immerzu auf dessen deutsche Synchronisation reduziert wird. Freilich bereitet diese viel Freude, aber der Zugang zu Polsellis „Delirio Caldo“, dem heißen Delirium, ist primär nur über den Originalton möglich, da die zahlreichen Brüller innert der bundesrepublikanischen Tonbearbeitung, den Zuschauer in (von Polsellis eigentlichem Konzept) abweichende Bahnen diktieren. Wen Polsellis Werke wie erwähnter „Das Grauen kommt nachts“, „Mania“ oder der phänomenale „Lusthaus teuflischer Begierden“ (als phänomenal suggeriere ich die Originalversion und nicht die von Alois Brummer versaubeutelte deutsche Kinoversion) bereits überfordert haben, der sollte „The Reincarnation of Isabel“ besser meiden, ansonsten werden ihm Satan und seine kleinen Teufelchen manch üble Streiche spielen und ggf. schnell in die Frustration sowie die einhergehende Kapitulation treiben. Wer sich den genannten Filmen gewachsen fühlt(e) und sich evt. gar mit ihnen arrangieren konnte wie kann, der lässt sich von „The Reincarnation of Isabel“ und seiner teuflischen Bagage vermutlich mit Freuden ins Delirium ziehen.
Um diesen Sog visuell zu verdeutlichen und dem Appell an den Zuschauer, sich mit Haut und Haaren zu „Isabel“ und einem gemeinsamen Aufenthalt auf der Metaebene verführen zu lassen, mehr Eindruck zu verleihen, präsentiert Polselli simultan zu den Credits (ähnlich dem Auftakt zu „Revelations of a Psychiatrist on the perverse World of Sex”, wo das Titelblatt einer Zeitung in eine Drehbewegung übergeht) eine kontinuierlich kreisende, die Hypnose symbolisierende, Spirale. Ob das, der drehenden Spirale folgende, Opferritual sowie die anschließende Inquisition Alptraum oder Realität reflektieren, lässt sich nicht beantworten und erst recht nicht mit der alltäglichen Logik abgleichen. Dieser Rezeptur bleibt der Film über die gesamte Spielzeit treu und lässt die unterschiedlichen Dekaden sowie den Schein und das Sein an dem bereits erwähnten Fluchtpunkt, das verfluchte Schloss, aufeinander treffen.
Währenddessen weiß die phasenweise in Antinaturalismus getauchte Fotografie von Ugo Brunelli, der häufig mit Polselli zusammenarbeitete und manch wirren Trip mitgestaltete, gemeinhin zu gefallen. Den Schnitt übernahm Polselli selbst und kreierte diverse Parallelmontagen, welche die Abstrusität des Gesamtwerkes additional befruchten. Tontechnisch gibt es das genreüblich Unwetter, welches plötzlich den Donner sprechen lässt und zeitgleich für gelähmtes Entsetzen sorgt. Begleitet von einem monoton prasselnden Regen, der dem Grollen in ehrfürchtiger Manier Applaus spendet, sowie dem heulenden Wind, der jegliche Mauerritzen des Schlosses durchfegt, um sich mit dem Odem des Schnitters zu verbünden und an dem ketzerischen Spiel innert der Schlossmauern teilzunehmen. Ab und an kriechen auch die Klänge einer Orgel in die Gehörgänge und man wird von dem empfangenen Klangkonstrukt ähnlich eingelullt wie vom Darkthrone-Alben „Transilvanian Hunger“. Der Score hat halt so manche Überraschung parat und kommentiert demgemäß eine sinnfreie Liebesszene zwischen zwei Mädels und einem fülligen Herrn mit einer vollkommen unerwarteten Slapstickmusik. Die Szene evoziert ähnliche Verwunderung, wie es eine Bildkomposition aus „Das Grauen kommt nachts“, in der sich die Protagonisten, von psychedelischer Rockmusik begleitet grundlos auf dem Boden wälzen, vermag. Hier wird eine versteckte Botschaft vermittelt, die selbst von denen nicht verstanden wird, die von sich behaupten am meisten verstanden zu haben! Wahrscheinlich helfen nur cannabinoide Substanzen, um im Nebel verkiffter Träume den heiligen Gral zu erspähen. Nein, Finger weg von den Drogen, denn „The Reincarnation of Isabel“ ist auch ohne zu Hilfenahme jeglicher Hippie... dermaßen berauschend, dass sich Sinn und Zweck gern die polsellische Auszeit nehmen dürfen.
https://italo-cinema.de/item/reincarnat ... isabel-theDie Frage lässt sich nicht pauschal beantworten! Wer jedoch aufmerksam „Die Zeitmaschine“ gelesen hat, dem wird bewusst sein, dass sich ein realer Gegenstand in vier Dimensionen erstreckt. Drei sind uns als Länge, Höhe, Breite, die vierte als die Dauer respektive als die Zeit bekannt. In den drei erstgenannten Dimensionen können wir uns - in der Höhe freilich mit Hilfsmitteln - jederzeit nach Belieben bewegen. In der vierten Dimension, die Zeit, schreiten wir zwar kontinuierlich voran, können die Bewegung allerdings nicht verlangsamen, beschleunigen stoppen oder in die entgegengesetzte Richtung, also rückwärts, ausführen. H.G. Wells beschäftige sich mit dieser Tatsache und beauftragte (s)einen Zeitreisenden, einige Gelehrte vom Gegenteil zu überzeugen. Der Zeitreisende ist, wie wir ja hoffentlich alle wissen, niemals von seiner zweiten Reise zurückgekehrt. Doch bevor er sich auf jene zweite Tour durch Raum und Zeit begab, nahm er seine Zuhörer bei der Hand und definierte ihnen auf plausible Weise, wie er den Zugang sowie die nachfolgende Bewegung innerhalb der vierten Dimension praktizieren konnte. Renato Polselli hielt im Vergleich zu dem Zeitreisenden wenig von plausiblen Erklärungen. Polselli schöpfte stattdessen seine künstlerische Freiheit aus und definierte mit „The Reincarnation of Isabel“ die vierte Dimension als einen für jedermann und -frau zugänglichen Raum, in dem ein Fluchtpunkt wurzelt, an dem sich Vergangenheit und Gegenwart kreuzen und zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Wer sich nun „The Reincarnation of Isabel“ zu Gemüte führt, der wird flink begreifen, warum ich so ein extrem wirres Zeug schreibe, denn Polselli attackiert seine Zuschauer mit einem riesigen Arsenal von Fragezeichen und liefert in letzter Konsequenz keine Erklärung für diesen offensiven Feldzug.
Da ich jegliche Formen von Drogen verabscheue, mich allerdings gern von Filmen berauschen lasse, halte ich Renato Polselli für einen ganz tollen Regisseur, denn er scherte sich keinen Deut um Massenkompatibilität. Die daraus fruchtende Abstinenz von Regeln und Grenzen ist meines Erachtens der bedeutende Teil seiner Erfolgsformel. Ich finde es sehr schade, das sein hierzulande bekanntestes Werk, „Das Grauen kommt nachts“, immerzu auf dessen deutsche Synchronisation reduziert wird. Freilich bereitet diese viel Freude, aber der Zugang zu Polsellis „Delirio Caldo“, dem heißen Delirium, ist primär nur über den Originalton möglich, da die zahlreichen Brüller innert der bundesrepublikanischen Tonbearbeitung, den Zuschauer in (von Polsellis eigentlichem Konzept) abweichende Bahnen diktieren. Wen Polsellis Werke wie erwähnter „Das Grauen kommt nachts“, „Mania“ oder der phänomenale „Lusthaus teuflischer Begierden“ (als phänomenal suggeriere ich die Originalversion und nicht die von Alois Brummer versaubeutelte deutsche Kinoversion) bereits überfordert haben, der sollte „The Reincarnation of Isabel“ besser meiden, ansonsten werden ihm Satan und seine kleinen Teufelchen manch üble Streiche spielen und ggf. schnell in die Frustration sowie die einhergehende Kapitulation treiben. Wer sich den genannten Filmen gewachsen fühlt(e) und sich evt. gar mit ihnen arrangieren konnte wie kann, der lässt sich von „The Reincarnation of Isabel“ und seiner teuflischen Bagage vermutlich mit Freuden ins Delirium ziehen.
Um diesen Sog visuell zu verdeutlichen und dem Appell an den Zuschauer, sich mit Haut und Haaren zu „Isabel“ und einem gemeinsamen Aufenthalt auf der Metaebene verführen zu lassen, mehr Eindruck zu verleihen, präsentiert Polselli simultan zu den Credits (ähnlich dem Auftakt zu „Revelations of a Psychiatrist on the perverse World of Sex”, wo das Titelblatt einer Zeitung in eine Drehbewegung übergeht) eine kontinuierlich kreisende, die Hypnose symbolisierende, Spirale. Ob das, der drehenden Spirale folgende, Opferritual sowie die anschließende Inquisition Alptraum oder Realität reflektieren, lässt sich nicht beantworten und erst recht nicht mit der alltäglichen Logik abgleichen. Dieser Rezeptur bleibt der Film über die gesamte Spielzeit treu und lässt die unterschiedlichen Dekaden sowie den Schein und das Sein an dem bereits erwähnten Fluchtpunkt, das verfluchte Schloss, aufeinander treffen.
Währenddessen weiß die phasenweise in Antinaturalismus getauchte Fotografie von Ugo Brunelli, der häufig mit Polselli zusammenarbeitete und manch wirren Trip mitgestaltete, gemeinhin zu gefallen. Den Schnitt übernahm Polselli selbst und kreierte diverse Parallelmontagen, welche die Abstrusität des Gesamtwerkes additional befruchten. Tontechnisch gibt es das genreüblich Unwetter, welches plötzlich den Donner sprechen lässt und zeitgleich für gelähmtes Entsetzen sorgt. Begleitet von einem monoton prasselnden Regen, der dem Grollen in ehrfürchtiger Manier Applaus spendet, sowie dem heulenden Wind, der jegliche Mauerritzen des Schlosses durchfegt, um sich mit dem Odem des Schnitters zu verbünden und an dem ketzerischen Spiel innert der Schlossmauern teilzunehmen. Ab und an kriechen auch die Klänge einer Orgel in die Gehörgänge und man wird von dem empfangenen Klangkonstrukt ähnlich eingelullt wie vom Darkthrone-Alben „Transilvanian Hunger“. Der Score hat halt so manche Überraschung parat und kommentiert demgemäß eine sinnfreie Liebesszene zwischen zwei Mädels und einem fülligen Herrn mit einer vollkommen unerwarteten Slapstickmusik. Die Szene evoziert ähnliche Verwunderung, wie es eine Bildkomposition aus „Das Grauen kommt nachts“, in der sich die Protagonisten, von psychedelischer Rockmusik begleitet grundlos auf dem Boden wälzen, vermag. Hier wird eine versteckte Botschaft vermittelt, die selbst von denen nicht verstanden wird, die von sich behaupten am meisten verstanden zu haben! Wahrscheinlich helfen nur cannabinoide Substanzen, um im Nebel verkiffter Träume den heiligen Gral zu erspähen. Nein, Finger weg von den Drogen, denn „The Reincarnation of Isabel“ ist auch ohne zu Hilfenahme jeglicher Hippie... dermaßen berauschend, dass sich Sinn und Zweck gern die polsellische Auszeit nehmen dürfen.