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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Di 16. Nov 2021, 12:07
von buxtebrawler
„Tatort“: Maria Furtwängler trifft an Weihnachten auf Udo Lindenberg
„Alles kommt zurück“ von Regisseur Detlev Buck am 26. Dezember

Wer am zweiten Weihnachtsfeiertag das Geschenk von „Tatort“ und ARD auspackt, findet Charlotte Lindholm in rockiger Gesellschaft von Udo Lindenberg. Das Erste zeigt den von Detlev Buck inszenierten Fall „Alles kommt zurück“ am 26. Dezember um 20:15 Uhr. Für Maria Furtwängler ist es außerdem die erste Folge, die sie als Produzentin mitverantwortet.

Quelle und weitere Infos:
:arrow: https://www.fernsehserien.de/news/tator ... lindenberg

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: So 21. Nov 2021, 22:50
von Reinifilm
„Tatort: Murot und das Prinzip Hoffnung“ - der ging bei mir gar nicht. Abgebrochen/10

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Mi 24. Nov 2021, 13:46
von buxtebrawler
Tatort: Abendstern

„Mann, seid ihr wieder präzise…“

Der neunte Einsatz des von 1974 bis 1980 innerhalb der öffentlich-rechtlichen „Tatort“-Krimireihe in Essen und um Essen herum ermittelnden Kommissarduos Heinz Haferkamp (Hans-Jörg Felmy) und Willy Kreutzer (Willy Semmelrogge) entstand nach einem Drehbuch Herbert Lichtenfelds unter der Regie Wolfgang Beckers, der insgesamt zehn Episoden beisteuerte, und wurde am 7. November 1976 erstausgestrahlt.

„Es gibt eben schlaue Polizisten und nicht ganz so schlaue Polizisten!“

Die verheiratete Kellnerin Isabel Raisch (Andrea Rau, „Spielball der Lust“) unterhält eine Affäre mit dem älteren Gerhard Helm (Günter Gräwert, „Das Wunder des Malachias“), der fürs Essener Bauamt tätig ist. Als Helm seine Geliebte von der Arbeit abholt und mit ihr ausfährt, werden sie von Isabels Mann Peter (Christian Kohlund, „Die Brücke von Zupanja“) verfolgt, der sie aber aus den Augen verliert. An einer Waldkreuzung geht Helm das Benzin aus, woraufhin er mit dem Kanister zur nächsten Tankstelle eilt. Als er zurückkommt, liegt Isabel, die im Auto gewartet hatte, schwerverletzt neben seinem Audi. Noch auf dem Weg ins Krankenhaus erliegt sie ihren Verletzungen. Damit seine Affäre nicht auffliegt, verscharrt Helm die Tote kurzerhand im Wald. Am nächsten Morgen entdecken Kinder eine Männerleiche an derselben Kreuzung, was die Kommissare Haferkamp und Kreutzer auf den Plan ruft. Kurze Zeit später wird auch Isabels Leiche gefunden. Hängen beide Todesfälle miteinander zusammen und wenn ja, wie? Und was ist das Motiv? Haferkamp und Kreutzer ermitteln in Isabels Umfeld und nehmen Peter Raisch unter Mordverdacht fest…

„Männer sind manchmal sehr dumm!“

Zunächst einmal irritiert, dass Isabel Raisch einen toten Fuchs oder so um ihren Hals spazieren trägt, was offenbar als vollkommen normal betrachtet wird. Zu noch ungläubigeren Reaktionen führt, dass der alte, dicke Typ, mit dem sie abschwirrt, nicht etwa – wie zunächst angenommen – ihren Vater darstellen soll, sondern ihren Liebhaber! Was die attraktive junge Frau ausgerechnet an ihm findet, bleibt bis zum Schluss unthematisiert. Dass Haferkamp sich bereits um kurz 6:00 Uhr morgens sein erstes Bierchen einverleibt, fällt da schon kaum noch ins Gewicht. Hauptverdächtiger ist sowohl fürs Publikum als auch für die Polizei zunächst Isabels Ehemann. Die bayrische Amtshilfe um den Münchner Kriminaloberinspektor Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) besorgt den damals obligatorischen Gastauftritt eines anderen „Tatort“-Ermittlers, wirkt aber eher erzwungen. Haferkamp und Kreutzer necken sich gern mal gegenseitig, die Dialoge zwischen Helm und seiner Ehefrau (Elfriede Irrall, „Hilfe, meine Braut klaut“) erinnern hingegen an „Szenen einer Ehe“ – da kriselt’s gewaltig. Jene Frau Helm „ermittelt“ dann auch fast besser als die Polizei, bis schließlich ihr Mann in den Kreis der dringend Tatverdächtigen rückt. Neben den anfänglichen Irritationen steht nun als große Frage im Raum, weshalb es zwei Tote gibt.

„Eine einzige Bitte um Verzeihung…“

Die reichlich unvorhersehbare Auflösung der überkonstruierten, aber unterhaltsamen und nie zu langatmig werdenden Handlung geht einher mit viel klassischer Ermittlungsarbeit, an deren Ende eine psychologisch interessante Auflösung steht. Der Ermittlungserfolg steht in Zusammenhang mit Tonbandauswertungen, einem „kleinen Lauschangriff“ gewissermaßen. Neben einem schweren Streicherthema führt ein wiederkehrendes Gitarrensolo aus Deep Purples „Fools“ musikalisch durch die Episode, in der die Opfer enttäuschend anonym bleiben, insbesondere Elfriede Irrall aber schauspielerisch glänzt. Eine interessante Personalie stellt Helm-Darsteller Günter Gräwert dar, der sich in erster Linie als Regisseur verdingte und mit Beiträgen zu Serien wie „Derrick“, „Der Alte“ und auch den „Tatort“ Krimierfahrung hinter der Kamera sammelte.

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Mi 24. Nov 2021, 15:39
von karlAbundzu
„Tatort: Murot und das Prinzip Hoffnung“
Eine durchgeknallte Familie verliert durch Mord ihren Patriarchen an eine Serienkillerreihe, und das hat alles mit Murots Kurzzeitstudium zu tun.
Die Besetzung ist top, gespielt wird schön drüber. Das Buch alledings hinkt hinten und vorne, das Einbinden von Murots Biographie ist krampfhaft, die Motivationen eher lächerlich.
Das geht besser.

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Mi 24. Nov 2021, 15:50
von buxtebrawler
Tatort: Murot und das Prinzip Hoffnung

„Was kann einem schon passieren, wenn man sowieso nichts mehr hat?“

Nach zwei Münchner „Tatort“-Episoden verschlug es Regisseur Rainer Kaufmann im Herbst/Winter 2020 in seine Heimatstadt Frankfurt, wo er den zehnten Fall des LKA-Ermittlers Murot (Ulrich Tukur) nach einem Drehbuch Martin Rauhaus‘ drehte. Dieser wurde am 21. November 2021 erstausgestrahlt und bleibt der Tradition der Murot-„Tatorte“ treu, zu zitieren, koste es, was es wolle. Diesmal nahm man sich die Frankfurter Schule und, von ihr ausgehend, weitere bildungsbürgerliche Exkurse vor.

„Auf die Familie!“

In Frankfurt werden kurz nacheinander drei Menschen durch Genickschüsse gezielt ermordet. Zwei von ihnen wiesen einen Migrationshintergrund auf und der Dritte war ein Obdachloser, weshalb erste Überlegungen der Polizei in Richtung Rechtsextremismus tendieren. Da es sich beim Obdachlosen jedoch um den Philosophieprofessor Jochen Muthesius handelte, den Kommissar Felix Murot (Ulrich Tukur) noch aus seiner Studentenzeit kannte, klappert er zusammen mit Magda Wächter (Barbara Philipp) dessen Kinder Inga (Karoline Eichhorn, „Der Felsen“), Paul (Lars Eidinger, „25 km/h“) und Laura Muthesius (Friederike Ott, „Bella Germania“) ab, die allesamt kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater hatten – der ihnen kaum einer war und ein Leben auf der Straße seiner Familie vorgezogen hatte. Auch Nachbarssohn Jürgen von Mierendorff (Christian Friedel, „Zuckersand“), einen bekennenden Neofaschisten, nimmt man genauer unter die Lupe. Praktischerweise kann Inga aufgrund ihres Berufs als Familientherapeutin mit einer Familienaufstellung der Polizei hilfreich zur Seite stehen. Was hat es mit dieser Familie und ihrem Umfeld auf sich, warum mussten drei Menschen sterben – und wer wird das nächste Opfer sein?

Wie vom Wahnsinn gepackt schreitet Murot auf die Kamera eines Reporterteams zu und bittet inmitten der Aufzeichnung die unbekannte Mörderin respektive den unbekannten Mörder darum, ihn als nächstes umzubringen – ein nicht ganz alltäglicher „Tatort“-Auftakt, auch nicht für einen Murot. Wie es dazu kam, vermittelt eine eine Woche zuvor einsetzende Rückblende, die mit der Vertreibung Obdachloser beginnt; wie der/die Täter(in) die Waffe präpariert, wird in kurzen Zwischenschnitten gezeigt, bevor der Mord an Muthesius in Point-of-View-Perspektive stattfindet. Kurz wird auf die erst als „Döner-“, dann als „NSU-Morde“ bekanntgewordene Mordserie des neonazistischen Thüringer Verfassungsschutzes referenziert, bevor der zweite Mord in Rückblendenzwischenschnitten erzählt zu werden scheint, was sich jedoch als Finte erweist.

Professorensohn Paul suchen Murot und Wächter während dessen Philosophie-Performance in einem Abendclub auf, wobei sie offenbar die einzigen Gäste sind. Laura arbeitet in einer Art sozialem Zentrum und Inga eben als Familientherapeutin. Man darf mutmaßen, dass ihr Beruf auch bei der Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte geholfen hat, denn sie und ihre Geschwister haben nicht nur ihren Vater an die Straße verloren, sondern auch ihre Mutter, die Selbstmord begangen hatte. Dies stellt sich ebenso heraus wie der Umstand, dass Murot kurz vor jedem Mord einen Hinweis durch den/die Täter(in) erhalten hat. Oder gibt es gar mehrere Täter(innen)? Diese äußerst rätselhafte Konstellation wird mit ihren Rückblenden bzw. Vorwegnahmen, POV-Perspektiven und Stilisierungen (wie visualisierten Familienaufstellungen) wenn nicht spannend, so zumindest neugierig machend erzählt, bis die Bezugnahmen auf die Frankfurter Schule Überhand nehmen und man mit immer eigenartigeren, entrückteren, zitatgespickten Dialogen und elitären Hochkulturverweisen zu nerven beginnt. Dass ich zusammenzucke, wenn zur Hauptsendezeit rassistisches und sexistisches pseudowissenschaftliches Gequatsche kolportiert wird und unwidersprochen bleibt, sagt wahrscheinlich in erster Linie etwas über meinen Zustand als Mitglied dieser Gesellschaft aus und kann den „Tatort“-Macherinnen und -Machern schwerlich angelastet werden.

Der hochgradig artifizielle Stil dieses „Tatorts“, der kaum einer seiner Figuren etwas Authentisches oder Menschliches angedeihen lässt, verhindert jedoch beinahe jede Anteilnahme seitens des Publikums. Nach 73 Minuten endet die ausgedehnte Analepse, es wird wieder an den Beginn angeknüpft. Kurz darauf sind der/die Täter(in(nen)) bekannt und brauchen nur noch überführt zu werden, was in einem grotesken Showdown endet. Bis dahin war alles sehr verkopft, doch der große Aha-Effekt bleibt aus: Das Motiv ist vollkommen nebensächlich, schnell vergessen und die philosophischen Exkurse führen zu nichts. Lars Eidinger darf einmal mehr eine durchgeknallte Type spielen, schafft es aufgrund des Drehbuchs aber nicht, seiner Rolle Profil zu verleihen. Der ganzen Geschichte fehlt so etwas wie ein Überbau, der ihn zu mehr machen würde als zu einer Arty-farty-Fingerübung im TV-Krimi-Sujet für selbstgefällige Philosophie-Nerds. Enttäuschend.

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Mi 24. Nov 2021, 23:46
von Reinifilm
War für mich tatsächlich der misslungenste Tatort seit langem…

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Do 25. Nov 2021, 12:41
von Salvatore Baccaro
buxtebrawler hat geschrieben: Mi 24. Nov 2021, 15:50 Dass ich zusammenzucke, wenn zur Hauptsendezeit rassistisches und sexistisches pseudowissenschaftliches Gequatsche kolportiert wird und unwidersprochen bleibt, sagt wahrscheinlich in erster Linie etwas über meinen Zustand als Mitglied dieser Gesellschaft aus und kann den „Tatort“-Macherinnen und -Machern schwerlich angelastet werden.
Hu!, was genau wurde da denn kolportiert bzw. in welchem Zusammenhang steht das "pseudowissenschaftliche Gequatsche" mit der Frankfurter Schule?

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Do 25. Nov 2021, 12:58
von buxtebrawler
Salvatore Baccaro hat geschrieben: Do 25. Nov 2021, 12:41 Hu!, was genau wurde da denn kolportiert bzw. in welchem Zusammenhang steht das "pseudowissenschaftliche Gequatsche" mit der Frankfurter Schule?
Habe ich als so was wie "Aussterben der deutschen Rasse durch Migration" und "Frauen sind aufgrund ihrer Hirnanatomie grundsätzlich dümmer als Männer" in Erinnerung, einen konkreten FFM-Schulbezug gab's dabei aber nicht.

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Do 25. Nov 2021, 13:00
von Salvatore Baccaro
buxtebrawler hat geschrieben: Do 25. Nov 2021, 12:58
Salvatore Baccaro hat geschrieben: Do 25. Nov 2021, 12:41 Hu!, was genau wurde da denn kolportiert bzw. in welchem Zusammenhang steht das "pseudowissenschaftliche Gequatsche" mit der Frankfurter Schule?
Habe ich als so was wie "Aussterben der deutschen Rasse durch Migration" und "Frauen sind aufgrund ihrer Hirnanatomie grundsätzlich dümmer als Männer" in Erinnerung, einen konkreten FFM-Schulbezug gab's dabei aber nicht.
Achso, dann hatte ich den Satz in Deiner Kritik missverstanden: Ich dachte, die sexistischen und rassistischen Äußerungen bezögen sich auf die Frankfurter-Schule-Referenzen...

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Verfasst: Do 25. Nov 2021, 23:26
von karlAbundzu
Nein, die lassen einen pseudo-intelektuellen Nazi reden, aber das wird einerseits so dämlich entlarvend dargestellt andererseits ist die Reaktion der beiden Kommissare auch eindeutig.
Insofern wird dem etwas entgegen gesetzt.