Martin - George A. Romero (1977)

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Martin - George A. Romero (1977)

Beitrag von buxtebrawler »

Martin.jpg
Martin.jpg (941.39 KiB) 303 mal betrachtet

Originaltitel: Martin

Herstellungsland: USA / 1977

Regie: George A. Romero

Darsteller: John Amplas, Lincoln Maazel, Christine Forrest, Elayne Nadeau, Tom Savini, Sarah Venable, Francine Middleton, Roger Caine, George A. Romero, James Roy ,J. Clifford Forrest Jr., Robert Ogden u. A.
Martin (John Amplas) lebt im Hause seines Cousins Cuda (Lincoln Maazel), ein Mann mit einem traditionellen Wertesystem, ein Kleingeist. Cuda hält den etwas seltsam anmutenden und verstört wirkenden jungen Mann für einen Vampir. Tatsächlich leidet Martin unter einer sonderbaren sexuellen Neigung, einer Art der Nekrophilie: er betäubt Frauen und schläft anschließend mit ihren leblosen Körpern, während er ihre Venen öffnet und ihr Blut trinkt. Martin ist wie ein Süchtiger. Erst die Beziehung zu Mrs. Santini (Elayne Nadeau), mit der ihn eine ganz "normale" sexuelle Beziehung verbindet, befreit ihn von seiner Sucht. Kurzfristig...
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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dr. freudstein
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Re: Martin - George A. Romero

Beitrag von dr. freudstein »

Übelst, kennt den keiner, schreibt keiner was zu :o

Dann also von mir ein paar einfache Worte:
Ich fand den super, iwie ironisch und tragisch zugleich.
Martin, der moderne Vampir, der mit Schlafmittelinjektionen seinen Opfern nachstellt und dann auch noch Star in einer Radiosendung wird, super !!!
Dann gibt es noch Verweise auf DER EXORZIST und Martin hat Probleme das weibliche Geschlecht auf natürliche Weise zu bezirpen (wer nicht). Klasse auch die Szenen, wie er den Liebhaber durchs Haus jagt . Dieser bekam eine Injektion, da er nicht weiß, was ihm gespritzt wurde, fürchtet er um sein Leben und will unbedingt den Notarzt oder sonst wen verständigen und die Liebhaberin hat ganz andere Sorgen, als ihm zu helfen :lol:

8/10
Es muß ja nicht immer ZOMBIE sein vom Romero :mrgreen:
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buxtebrawler
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Re: Martin - George A. Romero

Beitrag von buxtebrawler »

Die 1970er waren nach meinem Empfinden das Jahr der innovativen, experimentellen Filme, gerade auch im phantastischen Bereich. So ging Romero mit seinem modernen Vampir-Drama ebenfalls ungewöhnliche Wege, indem er es vollständig aus der klassischen Bram-Stoker-Erzählung herauslöste und mit sämtlichen Vampir-Konventionen brach. „Martin“ ist ein ruhiger, scheuer und zumindest äußerlich junger Mann, von dem bis auf seinen Cousin niemand glaubt, dass er ein Vampir sei. Trotzdem ist er Gefangener seiner Triebe, seinem unstillbaren Bedürfnis nach Blut, das er regelmäßig auf für einen Vampir sehr ungewöhnliche Weise befriedigen muss. Durch die Fixierung des Films auf Martin identifiziert sich der Zuschauer trotz seiner Taten mit ihm und betrachtet ihn mehr als Opfer denn als kaltblütigen Meuchelmörder, während die zahlreichen in schwarz-weiß gehaltenen Rückblenden der einzige Anhaltspunkt für den Zuschauer sind, dass es sich bei Martin nicht tatsächlich nur um einen geistesgestörten Jugendlichen handeln könnte. John Amplas agiert überzeugend und Tom Savini, der auch eine Nebenrolle innehat, zeichnet sich für die hier recht rar gesäten und nie selbstzweckhaften blutigen Effekte verantwortlich. Der Score mit seinen „Martin! Martin!“-Stimmen sorgt zusätzlich für Gänsehautatmosphäre. Obwohl vieles im Verborgenen bleibt und auch kein Story-Twist für gänzliche Aufklärung sorgt, überrascht „Martin“ mit einen schockierenden Ende. Sorgfältig und wirksam inszenierter, ruhiger Horror, dessen Metaphern zu erkennen und zu interpretieren ich jedem selbst überlassen möchte.

7/10
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untot
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Re: Martin - George A. Romero

Beitrag von untot »

Ich fand den auch ganz gut, aber ich mag Romeros andere Filme dann doch lieber, trotzdem ganz ansehnlich!

6/10
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nocgi
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Re: Martin - George A. Romero

Beitrag von nocgi »

George A. Romeros Neuinterpretation des fest in der Filmgeschichte verankerten Vampirmythos, unterscheidet sich äußerst angenehm von der altbekannten Vampirthematik. Romero lässt den Zuschauer die ganze Zeit über in Ungewissheit, ob Martin nun tatsächlich ein Vampir ist oder nur sehr, sehr verwirrt ist und in seiner eigenen bizarren Traumwelt lebt. Anders als im klassischen Vampirfilm gibt es bei Romero keine dunkle transsylvanische Wälder und adlige Vampire, die in nebelumschlungenen Schlössern leben. Martin ist dabei vielmehr als nur ein kleiner Horrorfilm. Durch den Fokus auf eine von Arbeitslosigkeit und Verfall gezeichnete amerikanische Kleinstadt als Hauptschauplatz, hat Martin auch deutliche stärken eines realistischen Sozialdramas der späten 70er Jahre.

Der junge und unscheinbare Martin (John Amplas) fährt mit dem Zug von Indianapolis nach Pittsburgh zu seinem wesentlich älteren Cousin Cuda (Lincoln Maazel). In Pittsburgh, genauer gesagt in der Kleinstadt Braddock angekommen, wird Martin auch sogleich von Cuda in Empfang genommen. Cudas Begrüßung ist alles andere als herzlich. Er betrachtet Martin als Vampir und spricht ihn vorerst nur mit Nosferatu an. Cuda ist ein strenggläubiger Katholik, der einen Lebensmittelladen betreibt. Martin bekommt zwar sein eigenes Zimmer im Haus von Cuda, doch lässt dieser ihn unmissverständlich verstehen, dass er keinerlei Zwischenfälle dulden wird. Cuda möchte über jeden Schritt von Martin informiert sein.

Ein kleiner Lichtblick erscheint in der Gestalt von Martins Cousine Christina (Christine Forrest), die den Vampirmythos als abergläubischen Schwachsinn verachtet und befürchtet, dass Martin sich durch Cudas neurotische Religiosität noch weiter in seine Wahnvorstellungen flüchtet. Martin ist nämlich selbst felsenfest überzeugt, ein sehr alter Vampir zu sein. Christina scheint weder zu Martin noch zu Cuda vordringen zu können. Auch ein gemeinsames Essen mit Pater Howard (George A. Romero) kann Cuda nicht vom Gegenteil überzeugen. Martin ist ein Vampir und muss exorziert werden. Pater Howard belächelt das alles nur und erzählt davon, wie genial er den Film "Der Exorzist" fand.

Um sich etwas Gehör zu verschaffen, ruft Martin in einer Radiosendung an und erzählt dem verdutzten Moderator von seinem Vampirdasein. Sowohl Zuhörer als auch der Moderator nehmen die Geschichten zu keiner Sekunde ernst und nennen den anonymen Anrufer fortan "Der Graf".

Wenn Martin nicht ziellos durch das trostlose und vom Zerfall gezeichnete Braddock streift, liefert er als Cudas Laufbursche Lebensmittel an die Nachbarschaft aus. Hier trifft er auch auf die ältere und verheiratete Mrs. Santini (Elyane Nadeau) mit der er eine halbherzige Affäre beginnt. Die vom Leben frustrierte Hausfrau betrachtet Martin nur als Zeitvertreib und leidet ebenso still in den Tag hinein. Für beide scheint es keinerlei Hoffnung oder Alternative zu geben. Mrs. Santini ist in ihrer öden Ehe gefangen und Martin lebt immer stärker in seinem Irrglauben, ein Vampir zu sein. Sein Durst nach frischem Blut ist immer stärker und so beginnt er, Frauen aus der näheren Umgebung auszuspionieren und sie zu überfallen. Martin betäubt seine ahnungslosen Opfer, verletzt sie mit einer Rasierklinge, trinkt ihr Blut und missbraucht sie schließlich.

John Amplas liefert eine sehr gute Leistung ab und spielt den eigenbrötlerischen und niedergeschlagenen Martin sehr überzeugend. Wie üblich drehte Romero in Pittsburgh, und die trostlose, vom Zerfall gezeichnete Kleinstadt Braddock unterstreicht die hoffnungslose Grundstimmung des Films optimal. Als sehr gelungen muss auch die Filmmusik betrachtet werden, die in ihrer Melancholie perfekt zum Film passt.

Romero selbst ist in einem kleinen Cameo als Priester zu sehen. Christine Forrest, Romeros spätere Ehefrau und Tom Savini sind hier ebenfalls erstmals zu bestaunen, wie auch Produzent Paul Rubinstein, der eine klitzekleine Nebenrolle als gehörnter Ehemann hat.

Die deutsche DVD von Capelight ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. Während die Bild- und Tonqualität absolut zufriedenstellend ist, gibt es beim Bildformat einen ganz großen Kritikpunkt. Im Gegensatz zur alten VHS (und auch TV-Ausstrahlung) fehlt dem 1,85:1 (16:9) Format deutlich sichtbar Bildinhalt am oberen und unteren Bildrand. Besonders deutlich wird das bei der "Stöckchen-Szene". Im Gegensatz zum alten UFA-Tape bietet die DVD dafür rechts und links mehr Bildinhalt. Hier wurde wohl vor allem Wert darauf gelegt, nicht die 16:9 Fraktion zu verprellen. Schade!

Der Ton liegt sowohl auf englisch als auch auf deutsch wahlweise in 5.1 oder 2.0 Mono vor. Als Extras befinden sich auf der DVD ein Audiokommentar (mit deutschen Untertiteln) mit George Romero, Paul Rubinstein, Tom Savini, Michael Gornick und D. Rubinstein. Weiterhin gibt es die obligatorische Fotogalerie, original TV-Spots und den Kinotrailer sowie das "Making Martin: A Recounting Featurette".

8,5/10
„Guter schlechter Geschmack blickt zu seinem Objekt auf und macht sich nicht darüber lustig“. John Waters
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CamperVan.Helsing
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Re: Martin - George A. Romero

Beitrag von CamperVan.Helsing »

nocgi hat geschrieben:
Mrs. Santini ist in ihrer öden Ehe gefangen

Oha, wenn das mal nicht Ärger mit nem Admin gibt... :angst:
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purgatorio
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Re: Martin - George A. Romero

Beitrag von purgatorio »

MARTIN (USA 1977, Regie: George A. Romero)

Fangzähne durch Klingen ersetzt, nebelverhangene Schlösser in karger Felslandschaft von kargen Industriebrachen verdrängt, die Erotik des tödlichen Kusses von feigen Angriffen mit Betäubungsmitteln entmachtet – Romeros MARTIN entmythologisiert den Vampir und den amerikanischen Traum.

Martin, schüchtern, spätpubertierend, introvertiert, zieht in einen Pittsburgher Vorort zu seinem konservativen Onkel, der an ein schreckliches Familiengeheimnis glaubt. Trotz seiner Andersartigkeit verschwindet Martin in der Tristes einstiger Glanzzeiten der Industrieblüte in Pennsylvania. So kann er sich unauffällig Opfer für eine Obsession suchen, deren wahre Ursachen und Ziele unklar bleiben. Gleiches gilt für die Verbrechen selbst – sind sie imaginiert oder finden sie tatsächlich statt? Und wenn sie real sind, welcher Teil des Mordes ist real, welcher Wunschtraum? Denn schließlich suggerieren regelmäßige Einblendungen von Alptraum-/Filmsequenzen, die am Gothic-Stil der alten Universal-Horrorfilme, DRACULA, FRANKENSTEIN, angelehnt sind, dass Martin am Konflikt zwischen Wunsch und Realität zu zerbrechen scheint. So ist es auch bezeichnend, dass Romero die überzeugendste Gothicszenerie auf dem alten, nebelverhangenen Spielplatz mitten in Pittsburgh gelingt und zugleich als kostümierte Farce enttarnt wird.

Dem Zorn seiner früheren Horrorfilme folgt mit MARTIN die deprimierend ruhige Beerdigung des amerikanischen Traums in Industrie- und Großstadtbrachen, denen jedes Leben ausgesaugt wurde. Hier verkümmert sogar der Vampir. Wie die Arbeitslosen aus den Stahlwerken ihr Dasein in den Kneipen fristen, greift auch Martin in völliger Selbstaufgabe zum Alkohol(-liker) und tötet zwei Obdachlose, schlitzt die Venen mit zerbrochenem Glas und hat sich von seiner routinierten Sterilität gänzlich gelöst. Dies ekelt ihn an. Demgegenüber steht jedoch auch, dass er gänzlich zu ignorieren scheint, dass seine vermeintlich optimierte Tötungsmethode, mit der er sogar im Radio prahlt, jedes Mal schief geht. Das ständige Scheitern nimmt Martin hier wahr, dort nicht. Dies wirft stets die Frage nach der Bestimmbarkeit des Sichtbaren und Erfahrbaren auf. Ist Martin ein Vampir oder psychisch krank? Geschehen die Morde oder sind sie imaginiert? Ebenso schwierig sind Täter und Opfer bestimmbar – Schuld laden sich alle auf.

Die Religion wird Kino – Kino wird Religion. Der neue Priester im Ort, der den Genussmitteln frönt, liebt DER EXORZIST. Und die Medien sind es letztlich auch, die aus den Horrorstorys noch Kapital schlagen. Eine Radio-Talkshow holt das Maximum an Entertainment und Profit aus Martins Geständnissen, hält aber auch die Erinnerung an das Relikt des Horrors wach, während Martin selbst sich in der Tristes der Umgebung auflöst.

Romero hat mit MARTIN einen beeindruckend deprimierenden Film geschaffen, den er selbst im Interview als seinen besten bezeichnet. Ein persönlicher Blick auf seine Heimat, die getreu der Aufschrift auf Dantes Höllentor längst alle Hoffnung fahren ließ.
Zuletzt geändert von purgatorio am Do 6. Aug 2015, 13:17, insgesamt 1-mal geändert.
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buxtebrawler
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Re: Martin - George A. Romero (1977)

Beitrag von buxtebrawler »

Sehr schön geschrieben, purgschi :thup:

Aber: "ließ" statt "lies" (letztes Wort)
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Re: Martin - George A. Romero (1977)

Beitrag von purgatorio »

buxtebrawler hat geschrieben:Sehr schön geschrieben, purgschi :thup:

Aber: "ließ" statt "lies" (letztes Wort)
du darfst meine Texte doch ohne zu Fragen korrigieren ;) aber gut, dann mach ich das halt selbst :kicher:
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purgatorio
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Re: Martin - George A. Romero (1977)

Beitrag von purgatorio »

mir ist erst bei der gestrigen Sichtung der Zusammenhang (der offensichtlicher nicht sein könnte) zu einem recht geilen Song von Mortician auf, den ich früher sehr gern hörte.
(Video enthält ein paar Spoiler)



...wenn man Romeros Film nicht kennt, fallen einem die Parallelen natürlich nicht auf, der Song ist ja auch ohne Filmkenntnis geil :lol:
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