karlAbundzu hat geschrieben: ↑Di 1. Aug 2023, 15:32
Da ist immer ein Problem: in der Gesetzgebung sind wir tatsächlich weiter, keine Frage. Und das in Irland mal Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen möglich sind, hätten wir Mitte der 80er auch nicht gedacht. Allerdings sind das genau die Ergebnisse eines langen gesellschaftlichen Diskurses, der Mitte der 80er schon mindestens auf dem Level war. Das die allgemeine Diskussion sich wertemässig nach rechtskonservativ verschiebt, ist doch allzu offensichtlich.
Vielleicht lag es an meinem Umfeld zu der Zeit (allerdings auch Arbeiter und Kleinbürgertum), aber zu sagen, dass man Feminist ist, bedurfte keine weitere Erklärung. Heute kommt die Rückfrage: Aber du bist doch ein Mann. Das evangelische Priester, wie jüngst in Bremen, sich öffentlich trauen, Homosexuelle als grundsätzlich Kriminell und krank zu bezeichnen, hätte es zumindest in Bremen nicht gegeben.
Nein, Feministinnen waren eine größere Bandbreite. Homosexuelle waren in der Mitte angekommen und konnten so die Rechte für sich durchsetzen.
Den ersten Werte Rückschlag gab es tatsächlich nach der Wiedervereinigung und dem Niedergang der SU ( keine Ahnung, ob es da einen Zusammenhang gibt), der aber überwunden schien. Jetzt, also circa seit 10 Jahren , habe ich zumindest den Eindruck, dass über den erreichten Status Quo ( wir leben in der besten aller möglichen Gesellschaften) nicht mehr hinaus gedacht wird.
M.E.n ist die tolle Rede, die Gloria hält, der zentrale Monolog vielleicht für us-amerikanische Verhältnisse aufsehenerregend, aber eigentlich auch schon Stand der allgemeinen Kenntnisse hier, ich bleibe dabei, seit circa 40 Jahren.
Interessant wären da mal vergleiche repräsentativer Umfragen 1985, 1995, usw zu den Fragen.
Klar, der
Diskurs findet gefühlt schon ewig statt. Man muss immer unterscheiden zwischen dem, was das Gesetz mittlerweile vorgibt, und den Einstellungen, die dazu gesamtgesellschaftlich in unterschiedlichen Schichten und Milieus vorherrschen. Das mit dem Werterückschlag nach der "Wiedervereinigung" sehe ich ähnlich, ist aber ein zu weites Feld, um das jetzt hier zu besprechen. Nur so viel: Zumindest auf dem Papier war die DDR in Sachen Frauen- und Homosexuellenrechte weiter. Ja, überwunden schien später vieles, aber mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck nach der sog. Flüchtlingskrise Mitte der letzten Jahrzehnts wurde im öffentlichen Diskurs immer lauter immer mehr infragegestellt, während MeToo gezeigt hat, dass offenbar man längst noch nicht so weit war, wie man vielleicht gedacht hatte.
Beides hat aber auch zu entsprechenden Gegenreaktionen geführt und die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten gilt zumindest außerhalb des reaktionären bis rechtsextremistischen Bereichs nicht mehr als opportun. Und Betroffene fordern gefühlt immer selbstbewusster ihre Rechte ein und kritisieren Missstände (wenngleich zuweilen sicherlich auch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird). Wenn ich an früher zurückdenke, war's in meinem sozialen Umfeld tatsächlich eher so, wie ich's geschrieben hatte: Auch wenn man grundsätzlich für Frauenrechte war, war der Begriff Feminismus derart stark mit Alice Schwarzer assoziiert, dass man - und frau - damit kaum in Verbindung gebracht werden wollte. Homophobie habe ich auch in Punkkreisen noch angetroffen, "schwul" galt noch lange als Schimpfwort und feminines Auftreten von Männern - egal ob homosexuell oder nicht - als unangenehm, unangemessen, schwach und den Bestrebungen zuwiderlaufend, nach außen hin möglichst hart zu wirken - und wurde auch mal entsprechend "sanktioniert". Was das alles betrifft, hat sich in den letzten Jahren meines Erachtens doch einiges getan. Umso vehementer geht aber auch die rechte Adresse dagegen vor.
karlAbundzu hat geschrieben: ↑Di 1. Aug 2023, 15:32
Klar, der Film ist Camp auf eine Weise, auch wenn ich Alan tatsächlich nicht als queer , sondern als irgendeine Puppe, die es mal gab aber nicht erfolgreich war, ansah. Kenne mich da nicht aus, und habe eben erst gegoogelt, war erst die Kumpelfigur von Ken, dann der Freund der schwangeren midget. Insofern Fanservice, und in der Handlungslogik das einzige Individuum in Barbie-Land bzw Kendom, das folgerichtig da weg will.
Die Musical Nummern erschienen mir so queer wie jede Boygroup.
Meines Erachtens sogar noch etwas mehr
karlAbundzu hat geschrieben: ↑Di 1. Aug 2023, 15:32
Das alles ist dann insgesamt eher heten -queer, ich weiß nicht, wie der Film in der entsprechenden queeren Szene ankommt.
Das wäre in der Tat interessant zu erfahren, wenngleich auch diese natürlich keine homogene Gruppe ist und es daher auch ein breiteres Feld an Reaktionen geben dürfte.
karlAbundzu hat geschrieben: ↑Di 1. Aug 2023, 15:32Noch eins dazu: das in einer Gesellschaft ohne Sex sich trotzdem alles, auch nach einer Revolution, sich in reinen 2er hetero Beziehungen organisiert, sagt einiges aus.
Wurde das denn tatsächlich so explizit im Film ausformuliert?
karlAbundzu hat geschrieben: ↑Di 1. Aug 2023, 15:32Das die überflüssig gewordene stereotypische Barbie am Ende sich dagegen entscheidet, aber damit aus eben diesem Reich auszieht, auch.
Impliziert das dann aber nicht auch eine Kritik an diesen Verhältnissen?