Re: Malastrana - Aldo Lado
Verfasst: Fr 18. Feb 2011, 17:10
Viel zu lange hatte ich die Auseinandersetzung mit diesem Film gescheut und ich weiß im Nachhinein gar nicht mehr, warum. Vielleicht war es der Umstand, dass die Zuordnung zum Horror-Genre weitestgehend vermieden wird, mein Hauptinteresse aber eben jenem gilt? Wie dem auch sei, besser spät als nie habe ich das Regiedebüt (!) des Italieners Aldo Lados kennen und schätzen gelernt und würde es locker zu den zehn besten Phantastik-Italos überhaupt zählen. „Malastrana“ ist ein unheimlich intensiver, subtiler Psycho-/Horror-/Mystery-Thriller aus dem Jahre 1971, dessen Hauptinspirationsquelle die guten alten Paranoia-Flicks aus den 1950ern und 1960ern gewesen sein dürften, als außerirdische Invasoren die „freie“ Gesellschaft zu unterwandern und –jochen suchten.
Doch zunächst einmal ist „Malastrana“ eigentlich eine ganz wunderbare Liebeserklärung an die „goldene Stadt“ Prag und ihre Kultur. In zum Teil wunderschönen, malerischen Bildkompositionen und untermalt von einem grandiosen, häufig träumerisch-melancholischen Soundtrack Ennio Morricones verneigt sich Lado vor der Stadt mit all ihren historischen Gebäuden und zeigt anhand der Rolle des US-amerikanischen Journalisten Gregory Moore (Jean Sorel) und dessen einheimischer, junger Freundin Mira (Barbara Bach) Lebensart, -freude und Genuss vor jener beeindruckenden Kulisse. Ummittelbar stellt sich ein beträchtlicher Wohlfühlfaktor beim Zuschauer ein, der dabei fast vergisst, dass all dies eigentlich Rückblenden aus der Erinnerung des totgeglaubten, aber in einer Art Wachkoma liegenden Moore sind, der die letzten Tage geistig Revue passieren lässt.
Mit dem Verschwinden von Mira schafft es Lado, die entspannte, wohlig-warme Atmosphäre meisterlich ins bedrohliche Gegenteil umzuwandeln, in eine ohnmächtige, paranoide Stimmung angesichts einer ungreifbaren Gefahr, einer undurchsichtigen Verschwörung, der man hilflos gegenübersteht. Wie für das Entstehungsjahrzehnt üblich, ist das Erzähltempo relativ unhektischer Natur, man bietet dem Zuschauer Zeit, sich langsam einspinnen zu lassen und mit einer leicht surrealen Filmwelt zu verschmelzen, statt permanent hyperaktiv um seine Aufmerksamkeit zu buhlen.
Jean Sorel spielt seine Hauptrolle dabei grundsolide, bekam es aber auch nicht mit einem allzu facettenreichen Charakter zu tun. Dies unterstreicht allerdings seine Unbedarftheit, mit der er in seine Situation gerät; er bekommt zunehmend Profil, je mehr er Neugierde und Kampfgeist entwickelt und den ursprünglichen, bisweilen dandyhaften Lebemann-Charakter hinter sich lässt bzw. lassen muss. Barbara Bach spielt die die zuckersüße, attraktive Mira souverän und glaubwürdig und zeichnet für die sparsame Prise Erotik verantwortlich. Zur Seite steht Moore außerdem Ingrid Thulin als alternde, etwas biestige Ex-Freundin Jessica, die charakterlich sozusagen die weibliche Antithese Miras darstellt. Eine weitere größere Nebenrolle wurde mit Mario Adorf besetzt, der einen Freund und Unterstützer Moores darstellt und durch eine gewohnt memorable Leistung dem Film zusätzliche Würze verleiht.
Doch zurück zur Handlung: Metapher- und symbolreich, in erster Linie in Form von Schmetterlingen, kommt Moore im weiteren Verlauf der Handlung einem unheilvollen Geheimbund auf die Schliche, über den ich jetzt nicht alles herausspoilern möchte. Menschen, die über eine gewisse Bildung hinsichtlich der jüngeren Geschichte des sog. „Ostblocks“ im Allgemeinen und der CSSR im Speziellen verfügen, werden unschwer die Allegorie zum „Prager Frühling“ erkennen, als der Warschauer Pakt eine starke Drohkulisse auffuhr und 1968 erfolgreich Reformen des totalitär ausgerichteten Sozialismus-Versuchs verhinderte und so ein Gefühl grenzenloser Ohnmacht, Resignation und Verzweiflung vermutlich insbesondere bei der Jugend zurückließ.
Besonders schön ist aber, dass sich diese Allegorie problemlos auf jede andere Herrschaftsform, bei denen eine elitäre Kaste die Fäden in der Hand hält und auf ihrer Macht beharrt, übertragen lässt und „Malastrana“ sogar gänzlich ohne diese Art der Interpretation funktioniert, insbesondere mit seinem wahrlich schockierenden Ende, in sich logisch wirkt und nachhaltig inspirieren wie faszinieren dürfte. Dabei hatte man es zu keinem Zeitpunkt nötig, Effekthascherei zu betreiben und auf Blut und Innereien oder schmuddeligen Sleaze zu setzen. „Malastrana“ ist ein weitestgehend eigenständiges Kunstwerk, das sich so ein bisschen zwischen den Genres bewegt und mit berüchtigten italienischen Exploitation-Produktionen nicht viel zu tun hat. Und dank dem ich endlich weiß, dass auch Tomaten Schmerzen empfinden... Unbedingte Empfehlung, insbesondere für Freunde des angenehmen Erzähltempos der glorreichen 1970er, einem Jahrzehnt des innovativen bis experimentellen Horrors.
Doch zunächst einmal ist „Malastrana“ eigentlich eine ganz wunderbare Liebeserklärung an die „goldene Stadt“ Prag und ihre Kultur. In zum Teil wunderschönen, malerischen Bildkompositionen und untermalt von einem grandiosen, häufig träumerisch-melancholischen Soundtrack Ennio Morricones verneigt sich Lado vor der Stadt mit all ihren historischen Gebäuden und zeigt anhand der Rolle des US-amerikanischen Journalisten Gregory Moore (Jean Sorel) und dessen einheimischer, junger Freundin Mira (Barbara Bach) Lebensart, -freude und Genuss vor jener beeindruckenden Kulisse. Ummittelbar stellt sich ein beträchtlicher Wohlfühlfaktor beim Zuschauer ein, der dabei fast vergisst, dass all dies eigentlich Rückblenden aus der Erinnerung des totgeglaubten, aber in einer Art Wachkoma liegenden Moore sind, der die letzten Tage geistig Revue passieren lässt.
Mit dem Verschwinden von Mira schafft es Lado, die entspannte, wohlig-warme Atmosphäre meisterlich ins bedrohliche Gegenteil umzuwandeln, in eine ohnmächtige, paranoide Stimmung angesichts einer ungreifbaren Gefahr, einer undurchsichtigen Verschwörung, der man hilflos gegenübersteht. Wie für das Entstehungsjahrzehnt üblich, ist das Erzähltempo relativ unhektischer Natur, man bietet dem Zuschauer Zeit, sich langsam einspinnen zu lassen und mit einer leicht surrealen Filmwelt zu verschmelzen, statt permanent hyperaktiv um seine Aufmerksamkeit zu buhlen.
Jean Sorel spielt seine Hauptrolle dabei grundsolide, bekam es aber auch nicht mit einem allzu facettenreichen Charakter zu tun. Dies unterstreicht allerdings seine Unbedarftheit, mit der er in seine Situation gerät; er bekommt zunehmend Profil, je mehr er Neugierde und Kampfgeist entwickelt und den ursprünglichen, bisweilen dandyhaften Lebemann-Charakter hinter sich lässt bzw. lassen muss. Barbara Bach spielt die die zuckersüße, attraktive Mira souverän und glaubwürdig und zeichnet für die sparsame Prise Erotik verantwortlich. Zur Seite steht Moore außerdem Ingrid Thulin als alternde, etwas biestige Ex-Freundin Jessica, die charakterlich sozusagen die weibliche Antithese Miras darstellt. Eine weitere größere Nebenrolle wurde mit Mario Adorf besetzt, der einen Freund und Unterstützer Moores darstellt und durch eine gewohnt memorable Leistung dem Film zusätzliche Würze verleiht.
Doch zurück zur Handlung: Metapher- und symbolreich, in erster Linie in Form von Schmetterlingen, kommt Moore im weiteren Verlauf der Handlung einem unheilvollen Geheimbund auf die Schliche, über den ich jetzt nicht alles herausspoilern möchte. Menschen, die über eine gewisse Bildung hinsichtlich der jüngeren Geschichte des sog. „Ostblocks“ im Allgemeinen und der CSSR im Speziellen verfügen, werden unschwer die Allegorie zum „Prager Frühling“ erkennen, als der Warschauer Pakt eine starke Drohkulisse auffuhr und 1968 erfolgreich Reformen des totalitär ausgerichteten Sozialismus-Versuchs verhinderte und so ein Gefühl grenzenloser Ohnmacht, Resignation und Verzweiflung vermutlich insbesondere bei der Jugend zurückließ.
Besonders schön ist aber, dass sich diese Allegorie problemlos auf jede andere Herrschaftsform, bei denen eine elitäre Kaste die Fäden in der Hand hält und auf ihrer Macht beharrt, übertragen lässt und „Malastrana“ sogar gänzlich ohne diese Art der Interpretation funktioniert, insbesondere mit seinem wahrlich schockierenden Ende, in sich logisch wirkt und nachhaltig inspirieren wie faszinieren dürfte. Dabei hatte man es zu keinem Zeitpunkt nötig, Effekthascherei zu betreiben und auf Blut und Innereien oder schmuddeligen Sleaze zu setzen. „Malastrana“ ist ein weitestgehend eigenständiges Kunstwerk, das sich so ein bisschen zwischen den Genres bewegt und mit berüchtigten italienischen Exploitation-Produktionen nicht viel zu tun hat. Und dank dem ich endlich weiß, dass auch Tomaten Schmerzen empfinden... Unbedingte Empfehlung, insbesondere für Freunde des angenehmen Erzähltempos der glorreichen 1970er, einem Jahrzehnt des innovativen bis experimentellen Horrors.