Seite 2 von 5

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 11:22
von Santini
horror1966 hat geschrieben:Ich verneige mich innerlich einmal mehr vor der italienischen Filmkunst
Das geht doch runter wie Öl. :D :thup:

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 11:23
von buxtebrawler
Santini hat geschrieben:Das geht doch runter wie Öl. :D :thup:
Wie italienisches Olivenöl :D

Hab den kürzlich gesichtet und war ebenfalls recht angetan. Kurzkritik folgt.

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 13:23
von buxtebrawler
Im Jahre 2001 wollte es Giallo-Papst Dario Argento noch einmal wissen und legte mit „Sleepless“ einen herrlich altmodischen Neo-Giallo vor, der sich so vieler klassischer Genrezutaten bedient, dass man sich unweigerlich an die kongenialen Werke Argentos aus den innovativen 1970ern und glorreichen 1980ern erinnert fühlt, insbesondere an „Profondo Rosso“ (1975)…

Denn die Ähnlichkeiten der Handlung mit jenem Vorzeige-Giallo sind nicht von der Hand zu weisen, aber wie heißt es so schön: Besser gut kopiert als schlecht selbstgemacht, und wenn man sich zudem einen der besten Vertreter der Zunft aussucht: Warum nicht? Wenn man dann auch noch die Gruppe „Goblin“, die zahlreiche Genrefilmen mit ihren Klängen veredelte und ihren Platz im Langzeitgedächtnis der Filmwelt sicher hat, für einen gelungenen Soundtrack verpflichten kann, sind die Ausgangsbedingungen alles andere als schlecht.

Doch es gibt natürlich auch deutliche Unterschiede: So wirkt „Sleepless“ wesentlich dreckiger als andere Gialli Argentos und verbringt – so habe ich es zumindest empfunden – mehr Zeit in unteren sozialen Milieus. Entscheidende Rollen spielen hier z.B. Prostituierte und ein Obdachloser. Die Morde sind vielleicht nicht mehr sonderlich innovativ gestaltet worden, dafür verfügt „Sleepless“ aber über einige ultrabrutale, verstörende Szenen, die dank fähiger Make-up- und SFX-Künstler sehr ansprechend und somit effektiv ausfielen. Die erzählte Geschichte um eine seltsame, wieder aufgeflammte Mordserie mit psychologisch-pathologischem Hintergrund ist spannend und visuell interessant und fesselnd inszeniert worden, wenn Argento auch nicht mehr ganz so weit ausholt und seine legendären, ausgiebigen und schnittlosen Kamerafahrten diesmal nicht zum Zuge kommen, zumindest nicht in den berüchtigten Ausmaßen. Das „Whodunit?“ macht Spaß und die zahlreichen eingestreuten Hinweise auf den Mörder führen zu einem von manch Genrevertreter gewohnten extrem wendungsreichen Finale, in dem das Drehbuch zahlreiche Kapriolen schlägt. Klar, Skeptiker werden Argento wieder Unlogik vorwerfen, sich an Details hochziehen und/oder den Gewaltgrad verteufeln, insofern ist auch diesbzgl. alles beim Alten.

Neben der absolut verschmerzbaren fehlenden Innovation würde ich als einen tatsächlichen Schwachpunkten am ehesten die Wahl der Schauspieler benennen, die mit einem sichtlich unterforderten Max von Sydow lediglich einen großen bzw. mir bekannten Namen vorweisen kann und ansonsten „No Names“ besetzt hat, die für meinen Geschmack gern charakteristischer und ausdrucksstärker hätte ausfallen dürfen.

Fazit: Ein für Horror- wie Thriller-Fans gleichsam geeigneter Neo-Giallo, der die klassische Erzählstruktur und andere Genre-Charakteristika erfolgreich in die Gegenwart portiert und somit nie altbacken erscheint. Ein rasanter Gewalt- und Psycho-Trip, mystisch, konstruiert-komplex und als Gesamtkunstwerk faszinierend. Danke, Dario!

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 13:33
von DrDjangoMD
Sieh an, er kann es also doch noch :D Seine anderen neueren sind ja wirklich nicht so rosig. Vielleicht liegt es ja diesmal daran, dass er auf einen Auftritt Asias verzichtet hat, gell Jogi :jogi:

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 15:20
von Adalmar
Ein wirklich sehenswerter Film und wohl der beste Argento nach "La sindrome di Stendhal" (wenngleich ich auch das "Phantom der Oper" abgesehen von Julian Sands sehr gut finde), aber speziell horror1966s Ausführungen sind selbst mir als ganz großem Argentino etwas zu enthusiastisch. Die völlig unecht aussehenden Latexköpfe von der mit dem Englischhorn gemeuchelten Mutter und der Ballerina sind schon eine kleine Zumutung von Herrn Stivaletti, der hingegen in der Schlussszene einen Effekt gezaubert hat, vor dem man sich nur verbeugen kann. Die Darsteller von Stefano Dionisi über Chiara Caselli bis natürlich hin zu Max von Sydow haben mir sehr gut gefallen. Auch sind sehr schöne Eindrücke von Turin in den Film eingeflossen. Die Filmmusik der wiedervereinten Goblin ist natürlich auch ganz große Klasse. Dazu kommt eine vor allem zu Beginn des Films (Eisenbahnszene) hochklassige Inszenierung.

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 15:32
von buxtebrawler
Adalmar hat geschrieben:Die völlig unecht aussehenden Latexköpfe von der mit dem Englischhorn gemeuchelten Mutter und der Ballerina sind schon eine kleine Zumutung von Herrn Stivaletti (...)
Ist mir nicht aufgefallen. Werd ich bei der nächsten Sichtung mal verstärkt drauf achten müssen.

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 15:49
von Arkadin
Adalmar hat geschrieben:Dazu kommt eine vor allem zu Beginn des Films (Eisenbahnszene) hochklassige Inszenierung.
Ich bin von "Sleepless" weniger begeistert. Der furiose Beginn wirkt auf mich mehr wie die Kurzfilm-Hommage eines Dario-Jüngers und wirkt im Kontext des folgenden Films irgendwie deplatziert. Zudem wird der "Retro-Stil" der Eröffnung im restlichen Film nicht weiter verfolgt und da fragt man sich dann: "Was soll das?". Zudem bastelt sich Argento seine Story aus dem Setzbaukasten zusammen und präsentiert hier eher eine Revue alter Ideen, statt etwas Neuem, Eigenenständigen. Die Knallchargen (von Sydow ausgenommen) wirken auch nicht gerade aufmunternd. Nicht so grottig wie "Phantom der Oper" und weitaus besser als der gräuslige "Giallo", aber keine Zigarre.

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 16:50
von buxtebrawler
Arkadin hat geschrieben:Ich bin von "Sleepless" weniger begeistert. Der furiose Beginn wirkt auf mich mehr wie die Kurzfilm-Hommage eines Dario-Jüngers und wirkt im Kontext des folgenden Films irgendwie deplatziert. Zudem wird der "Retro-Stil" der Eröffnung im restlichen Film nicht weiter verfolgt und da fragt man sich dann: "Was soll das?". Zudem bastelt sich Argento seine Story aus dem Setzbaukasten zusammen und präsentiert hier eher eine Revue alter Ideen, statt etwas Neuem, Eigenenständigen. Die Knallchargen (von Sydow ausgenommen) wirken auch nicht gerade aufmunternd. Nicht so grottig wie "Phantom der Oper" und weitaus besser als der gräuslige "Giallo", aber keine Zigarre.
Holla, du bist aber kritisch. Weil die Eröffnung einen etwas anderen Stil verfolgt - der unmöglich einen kompletten Film lang durchzuhalten wäre und förmlich "Ich bin ein Prolog" schreit -, wirkt sie deplatziert? Finde ich nicht und finde ich auch vor allem jetzt nicht sooo unüblich. Aus dem Satzbaukasten zusammengebastelte Stories im Giallo-Bereich? :o Das hat es ja noch nie gegeben :pfeif: ;) Das war "Tenebrae" auch, einer der geilsten Filme überhaupt.

Seine 8/10 hat "Sleepless" sich m.E. redlich verdient.

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 17:09
von Blap
Adalmar hat geschrieben:Die völlig unecht aussehenden Latexköpfe von der mit dem Englischhorn gemeuchelten Mutter und der Ballerina sind schon eine kleine Zumutung von Herrn Stivaletti...
Diese Momente sind mir nicht mehr genau in Erinnerung, es wird Zeit für eine weitere Sichtung des Films. Für mich sind "unrunde" Effekte kein relevanter Grund zur Kritik. Wieso muss alles immer möglichst "echt" und "perfekt" aussehen? Ich mag holprige FX, die wie aus einem Theaterstück entliehen wirken.

...aber ich werde beim nächsten Anschauen darauf achten, schon aus Neugier. ;)

Re: Sleepless - Dario Argento

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 18:09
von CamperVan.Helsing
Arkadin hat geschrieben:
Adalmar hat geschrieben: präsentiert hier eher eine Revue alter Ideen, statt etwas Neuem, Eigenenständigen.
Ja.

Und?

Sleepless zeigt doch, dass das Giallo-Grundprinzip auch im Jahre 2000 noch tauglich ist/war und das kann man ihm nur hoch anrechnen.