Re: The Reincarnation of Isabel - Renato Polselli (1973)
Verfasst: Mo 19. Nov 2012, 23:07
Blu-ray von Redemption (USA)
Black Magic Rites (Italien 1973, Originaltitel: Riti, magie nere e segrete orge nel trecento)
Sinnlichkeit & Irrsinn! Renato Polsellis bizarres Kinotheater schäumt über ...
Im 14. Jahrhundert endete Isabella (Rita Calderoni) auf dem Scheiterhaufen, unter dem Beifall des Pöbels wurde sie als Hexe verbrannt. Ihr Liebhaber (Mickey Hargitay) konnte die Massen nicht stoppen, er schwört grausame Rache ... Fünfhundert Jahre später feiert eine illustre Runde am Ort des Geschehens eine rauschende Party. Bald verschwinden Personen, alle Beteiligten geraten in einen Strudel aus Lust, Angst und Wahnsinn ...
Hm, der obige Inhaltseinblick fällt reichlich knapp aus? Ja, einerseits beabsichtigt, andererseits fällt es schwer das Treiben in angemessene Worte zu kleiden. Renato Polselli sprengte meinen Schädel bereits mit dem einzigartigen "Delirio Caldo" (Das Grauen kommt nachts, 1972) in Stücke, "Black Magic Rites" (auch unter dem Titel "The Reincarnation of Isabel" bekannt) quirlt die Grütze erneut mit Volldampf durch den Fleischwolf. Neben der Regie, zeichnet Polselli für das Drehbuch und den Schnitt verantwortlich, ein Meister des obskuren Kinos tobt sich aus.
Wo fange ich, wo höre ich auf? "Black Magic Rites" verführt unsere Augen mit wunderschönen Farben, Erinnerungen an die Kompositionen von Mario Bava werden wach. Hier und da verweilt die Kamera lustvoll, spüre ich einen Hauch Jean Rollin durch den Raum wehen. Plötzlich drangsaliert ein keifendes Schnittmassaker meine Sinne, poltern Hektik und Wahnsinn im Eiltempo über mich hinweg. Bereits während der Vorspann in fröhlichen Farben über meinen Bildschirm rotiert, groove ich mich zu den Klängen der psychedelischen Musik auf den Streifen ein. Wüste Sprünge durch die Jahrhunderte, teuflische Rituale im tödlichen Taumel, Zeit und Raum verlieren an Bedeutung, haltlos und fasziniert lasse ich mich auf den Trip ein, vergesse alles um mich herum. Oft drängt sich der Vergleich zum Theater auf, die "subjektive Qualität" der Kulissen und Effekte verliert mehr und mehr an Bedeutung, unglaubliches Overacting einiger Darsteller wandelt auf dem schmalen Grat zwischen genial und grenzdebil. Immer wieder drängen blanke Brüste (überwiegend) attraktiver Damen ins Bild, muten in diesem Inferno fast wie eine samtige Erdung an, verlieren sich zugleich im überspannten Taumel aus Groschengrusel und bedeutungsschwanger-kaputten Dialogen. Herr Polselli frönt dem Humor. Während das finale Ritual des Schreckens seinen Lauf nimmt, wechselt er mehrfach munter und sorglos den Schauplatz, zeigt uns eine alberne Rödeleinlage aus der unteren Schublade, zerschmettert mit Pantoffeln der Verdammnis -ohne Not- die Krone seines ungezügelt geifernden Höllenschlunds.
Mickey Hargitay und Rita Calderoni waren die tragenden Figuren in "Delirio Caldo", diesmal gehen sie in brodelnder Dauerekstase auf. Nicht immer, nicht immer. Hargitay darf mehrfach um Fassung ringen, während Rita Calderoni mich erneut verzaubert. Herr der Hölle, wie unglaublich schön diese Frau damals war! In all dieser Maßlosigkeit gibt es Momente des Friedens, ruht die Göttin auf ihrem Bett und schaut ins Leere, ich möchte vor der Glotze auf die Knie fallen! Polselli gönnt den Synapsen keine Entspannung. Ich verzichte auf die Aufzählung der übrigen Darsteller, Rita lässt keine klaren Gedanken zu. Ihr dürft sicher sein, wohlgeformte Möpse, fiese Fratzen und neurotische Entgleisungen erwarten euch! "Das Grauen kommt nachts" wurde durch die einzigartige Qualität der deutschsprachigen Synchronisation noch wahnsinniger, diese Option steht für "Black Magic Rites" nicht zur Verfügung. Völlig egal, denn "Riti, magie nere e segrete orge nel trecento" hat bereits ohne weitere Maßnahmen eine gigantische Überdosis galoppierenden Aberwitz aufgesogen.
Wenn die Nutzung des Wortes "Füllhorn" jemals angebracht war, dann beim Versuch meine Eindrücke zu diesem Film festzuhalten. Hektische Sprünge durch die Zeit, Musik die sich aus allen möglichen Schubladen bedient, psychedelische Orgeln und die ganze Welt flüstert, schreit und gurgelt uns das Echo um/in die Ohren. Erotisches Geknister, zerhackt und durch den Schredder geprügelt. Teufelswerk, Gruften, Grusel und Hysterie, plötzlich Vampire. Der Nörgler findet Anschlussfehler in rauhen Mengen, ich trete ihm mit Anlauf in den Arsch, nenne es künstlerische Freiheit! Logik, Stringenz, logische Stringenz??? Bitte, setzt euch mit dem After auch eure Rechenschieber, ungefettet! Lieber Renato Polselli, vielen Dank für diese herrliche Nacht, hinter der Schwelle zum Wahnsinn frohlockt kranke Glückseligkeit. Blapi im Bett mit Rita, Schweineorgel inklusive, sucking in the Seventies!
Boooing! Doooiiingggg! Hallo? ... Wie belieben? Wo bin ich, wer seid das hier und überall? Nun denn, eine DVD zu "Black Magic Rites" stand bereits seit einiger Zeit im Regal, vor wenigen Wochen gesellte sich die BD aus dem Hause Redemption hinzu. Ganz grosses Lob für diese Auswertung, angenehmerweise wurde der Film nicht auf ein "steriles Etwas" geschrumpft. Stimmungsvolle Farben, keine übertriebene Nachschärfung, kleine Verunreinigungen sind sichtbar, die Tonspur knistert und brummt manchmal lebendig vor sich hin. Der Film kommt toll rüber, mehr "Filmfeeling" geht im Pantoffelkino der Großbildfernseher und Beamer nicht (echtes "35mm Kino" lässt sich zumindest erahnen). "Riti, magie nere e segrete orge nel trecento" liegt im italienischen Originalton vor, englische Untertitel sind zuschaltbar. Weniger üppig die Ausstattung, mehr als ein paar Trailer aus dem Labelprogamm sind nicht in an Bord.
Rituale, schwarze Magie und geheime Orgien im vierzehnten Jahrhundert ... oder satanische Freuden mit der Göttin und den Irren = 9/10 (überragend)!!!
Lieblingszitat:
"Her body belongs to Satan. She's damned for all eternity!"