Re: La settima donna - Franco Prosperi
Verfasst: Do 2. Jan 2014, 17:36
„Wenn eine von euch Büchsen versucht, zu fliehen, dann leg ich die anderen um!“
Der mit dem unsinnigen und zynischen deutschen Titel „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ versehene Rape’n’Revenge-Streifen des italienischen Regisseurs Franco Prosperi („Ich heiße John Harris“; nicht zu verwechseln mit seinem zur gleichen Zeit aktiv gewesenen Namensvetter, der durch seine Mondo-Filme berüchtigt wurde) erschien im Jahre 1978 und hat glücklicherweise noch nichts mit seinen späteren Kannibalen- und Barbaren-Trash-Filmen unfreiwilliger Natur gemein.
Die Ganoven Aldo (Ray Lovelock, „Das Leichenhaus der lebenden Toten“), Walter (Stefano Cedrati, „Ein Haufen verwegener Hunde“) und Nino (Stefano Cedrati, „Yeti – Der Schneemensch kommt“) überfallen eine Bank und erschießen dabei zwei Menschen. Auf der Flucht erleiden sie eine Autopanne, weshalb sie sich ein nahes Versteck suchen. Sie finden Unterschlupf in einer Strandvilla, in der die Nonne Cristina (Florinda Bolkan, „Spuren auf dem Mond“) mit fünf Klosterschülerinnen ein Theaterstück einprobt. Die Verbrecher verschaffen sich mit vorgehaltenen Waffen die Gewalt über das Gebäude und die Mädchen, demütigen, misshandeln und vergewaltigen sie, schrecken auch vor weiteren Morden nicht zurück. Wird man sich der Kriminellen erwehren können? Und wenn ja, wie?
„…und dann sehnst du dich nach einem Mann wie mich!“ (Oder doch nach einem Mann mit Grammatikbuch?)
Mit Rape’n’Revenge-Filmen ist das ja immer so eine Sache, manch einem wird die selbstzweckhafte Ausschlachtung des Leids der Opfer, der brutalen sexuellen Übergriffe und der absoluten Skrupellosigkeit der Täter vorgeworfen. Sicherlich ist das, was Wes Craven seinerzeit mit dem genrebegründenden „Last House on the Left“ lostrat, möglicherweise in manch Fällen diskussionswürdig, doch Prosperis „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ grenzt sich durch seinen wenig spekulativen Inszenierungsstil von expliziten Sexploitatern ein gutes Stück weit ab. Interessant ist auch manch stilistischer Kniff: So zeigt beispielsweise der Banküberfall zu Beginn nicht die Köpfe der Täter, sondern die Männer lediglich von der Hüfte an abwärts, um den Zuschauer lange Zeit im Unklaren darüber zu lassen, wer der Drei die tödlichen Schüsse abgab. Während man Schwester Cristina zum Umziehen zwingt, wird wiederum keine nackte Haut gezeigt, stattdessen wird hektisch zwischen verschiedenen Gesichtern hin und her geschnitten – was eine weitaus intensivere, beklemmendere Wirkung erzielt. Ähnlich verfährt man bei der Vergewaltigung einer Schülerin, die nicht explizit dargestellt wird, stattdessen wird auf die Gesichter Schwester Cristinas sowie der Täter gezoomt. Die im Rahmen der Handlung stattfindende Gewalt gegen die Mädchen ist schlimm; geeignet, sich an ihr zu ergötzen, ist sie allein schon aufgrund ihrer Art der Inszenierung indes nicht. Auf den Gipfel getrieben wird die sadistische Brutalität, wenn irre lachende Vergewaltiger einen Pflock in die Vagina eines der Mädchen rammen. Auch hier bekommt man nicht viel zu sehen, doch wird das Kopfkino zu schlimmen Bildern provoziert.
Dass die Mädchen eigentlich das Theaterstück „Sommernachtstraum“ einstudieren wollten, nun jedoch ihren persönlichen Sommeralptraum erleben, ist symptomatisch für den Film, der durch die Gewalteskalationen die sommerliche Strandidylle konterkariert. Walter und Nino (in der deutschen Fassung anscheinend vertauscht!?) sind dabei lange Zeit federführend und werden als widerlichste Zeitgenossen charakterisiert. Nino schminkt sich extra vor einer Vergewaltigung, Walter hat ein aufgedunsenes Gesicht und ihm geht ständig fast einer ab angesichts der versammelten Weiblichkeit. Ihm rammte eines der Mädchen in Notwehr einen Stielkamm ins Bein und die Wunde entzündet sich nicht nur recht unappetitlich, sondern wandert auf eigenartige Weise hoch auf den Oberkörper – eine von ein paar inszenatorischen Schnitzern des Films. Als Schlimmster des Trios entpuppt sich jedoch Schönling Aldo, ein Wolf im Schafspelz, der zunächst quasi jegliche Schuld von sich wies und auf seine Kompagnons abzuwälzen versuchte, hinter seiner galanten Fassade jedoch die pure Niedertracht verbirgt. Schauspielerisch reicht die Skala von einwandfrei bis zu solide, wobei die Besetzung der Hauptrollen mit der eleganten, markanten Bolkan und dem blonden Todesengelsgesicht Lovelock ein sehr sehenswertes Duell beider Pole verspricht, das im Finale schließlich seine Entladung findet. Es beweist, dass selbst Nonnen und Klosterschülerinnen mitnichten immer die rechte Backe hinhalten und der Gewaltfreiheit frönen, ihre Ideale demnach sicherlich stärker und länger strapaziert werden können, als die anderer Menschen, sie letztlich jedoch eine Lebenslüge leben bzw. lebten, denn nach den Ereignissen dieses Sommers dürfte für sie nichts mehr so sein wie zuvor. Der Zuschauer erhält seine Befriedigung und die moralkritische Aussage des Rape’n’Revenge-Beitrags wird in drastische Bilder getaucht. Mit Ende des Films darf sich das arg beanspruchte Gerechtigkeitsempfinden des zuvor nach (fast) allen Regeln der Genrekunst gegen die Verbrecher aufgebrachten Publikums wieder beruhigen, der Adrenalinpegel zurückfahren und man im Kino- oder heimischen Sessel seine kleine Katharsis genießen – unter Beibehalt des bitteren Beigeschmacks durch die unschuldigen Opfer. Nein, seine emotionale Wirkung verfehlt auch „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ nicht.
Was gibt sonst noch? Einen von Ray Lovelock persönlich gesungenen Titelsong (jedoch anscheinend nicht in allen deutschen Fassungen enthalten) innerhalb eines insgesamt systemerhaltenden Soundtracks, eine schluderige deutsche Synchronisation und die obligatorische J&B-Pulle im Schrank. Ein Prosit diesem erfrischend stilvollen Genrebeitrag!
Der mit dem unsinnigen und zynischen deutschen Titel „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ versehene Rape’n’Revenge-Streifen des italienischen Regisseurs Franco Prosperi („Ich heiße John Harris“; nicht zu verwechseln mit seinem zur gleichen Zeit aktiv gewesenen Namensvetter, der durch seine Mondo-Filme berüchtigt wurde) erschien im Jahre 1978 und hat glücklicherweise noch nichts mit seinen späteren Kannibalen- und Barbaren-Trash-Filmen unfreiwilliger Natur gemein.
Die Ganoven Aldo (Ray Lovelock, „Das Leichenhaus der lebenden Toten“), Walter (Stefano Cedrati, „Ein Haufen verwegener Hunde“) und Nino (Stefano Cedrati, „Yeti – Der Schneemensch kommt“) überfallen eine Bank und erschießen dabei zwei Menschen. Auf der Flucht erleiden sie eine Autopanne, weshalb sie sich ein nahes Versteck suchen. Sie finden Unterschlupf in einer Strandvilla, in der die Nonne Cristina (Florinda Bolkan, „Spuren auf dem Mond“) mit fünf Klosterschülerinnen ein Theaterstück einprobt. Die Verbrecher verschaffen sich mit vorgehaltenen Waffen die Gewalt über das Gebäude und die Mädchen, demütigen, misshandeln und vergewaltigen sie, schrecken auch vor weiteren Morden nicht zurück. Wird man sich der Kriminellen erwehren können? Und wenn ja, wie?
„…und dann sehnst du dich nach einem Mann wie mich!“ (Oder doch nach einem Mann mit Grammatikbuch?)
Mit Rape’n’Revenge-Filmen ist das ja immer so eine Sache, manch einem wird die selbstzweckhafte Ausschlachtung des Leids der Opfer, der brutalen sexuellen Übergriffe und der absoluten Skrupellosigkeit der Täter vorgeworfen. Sicherlich ist das, was Wes Craven seinerzeit mit dem genrebegründenden „Last House on the Left“ lostrat, möglicherweise in manch Fällen diskussionswürdig, doch Prosperis „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ grenzt sich durch seinen wenig spekulativen Inszenierungsstil von expliziten Sexploitatern ein gutes Stück weit ab. Interessant ist auch manch stilistischer Kniff: So zeigt beispielsweise der Banküberfall zu Beginn nicht die Köpfe der Täter, sondern die Männer lediglich von der Hüfte an abwärts, um den Zuschauer lange Zeit im Unklaren darüber zu lassen, wer der Drei die tödlichen Schüsse abgab. Während man Schwester Cristina zum Umziehen zwingt, wird wiederum keine nackte Haut gezeigt, stattdessen wird hektisch zwischen verschiedenen Gesichtern hin und her geschnitten – was eine weitaus intensivere, beklemmendere Wirkung erzielt. Ähnlich verfährt man bei der Vergewaltigung einer Schülerin, die nicht explizit dargestellt wird, stattdessen wird auf die Gesichter Schwester Cristinas sowie der Täter gezoomt. Die im Rahmen der Handlung stattfindende Gewalt gegen die Mädchen ist schlimm; geeignet, sich an ihr zu ergötzen, ist sie allein schon aufgrund ihrer Art der Inszenierung indes nicht. Auf den Gipfel getrieben wird die sadistische Brutalität, wenn irre lachende Vergewaltiger einen Pflock in die Vagina eines der Mädchen rammen. Auch hier bekommt man nicht viel zu sehen, doch wird das Kopfkino zu schlimmen Bildern provoziert.
Dass die Mädchen eigentlich das Theaterstück „Sommernachtstraum“ einstudieren wollten, nun jedoch ihren persönlichen Sommeralptraum erleben, ist symptomatisch für den Film, der durch die Gewalteskalationen die sommerliche Strandidylle konterkariert. Walter und Nino (in der deutschen Fassung anscheinend vertauscht!?) sind dabei lange Zeit federführend und werden als widerlichste Zeitgenossen charakterisiert. Nino schminkt sich extra vor einer Vergewaltigung, Walter hat ein aufgedunsenes Gesicht und ihm geht ständig fast einer ab angesichts der versammelten Weiblichkeit. Ihm rammte eines der Mädchen in Notwehr einen Stielkamm ins Bein und die Wunde entzündet sich nicht nur recht unappetitlich, sondern wandert auf eigenartige Weise hoch auf den Oberkörper – eine von ein paar inszenatorischen Schnitzern des Films. Als Schlimmster des Trios entpuppt sich jedoch Schönling Aldo, ein Wolf im Schafspelz, der zunächst quasi jegliche Schuld von sich wies und auf seine Kompagnons abzuwälzen versuchte, hinter seiner galanten Fassade jedoch die pure Niedertracht verbirgt. Schauspielerisch reicht die Skala von einwandfrei bis zu solide, wobei die Besetzung der Hauptrollen mit der eleganten, markanten Bolkan und dem blonden Todesengelsgesicht Lovelock ein sehr sehenswertes Duell beider Pole verspricht, das im Finale schließlich seine Entladung findet. Es beweist, dass selbst Nonnen und Klosterschülerinnen mitnichten immer die rechte Backe hinhalten und der Gewaltfreiheit frönen, ihre Ideale demnach sicherlich stärker und länger strapaziert werden können, als die anderer Menschen, sie letztlich jedoch eine Lebenslüge leben bzw. lebten, denn nach den Ereignissen dieses Sommers dürfte für sie nichts mehr so sein wie zuvor. Der Zuschauer erhält seine Befriedigung und die moralkritische Aussage des Rape’n’Revenge-Beitrags wird in drastische Bilder getaucht. Mit Ende des Films darf sich das arg beanspruchte Gerechtigkeitsempfinden des zuvor nach (fast) allen Regeln der Genrekunst gegen die Verbrecher aufgebrachten Publikums wieder beruhigen, der Adrenalinpegel zurückfahren und man im Kino- oder heimischen Sessel seine kleine Katharsis genießen – unter Beibehalt des bitteren Beigeschmacks durch die unschuldigen Opfer. Nein, seine emotionale Wirkung verfehlt auch „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ nicht.
Was gibt sonst noch? Einen von Ray Lovelock persönlich gesungenen Titelsong (jedoch anscheinend nicht in allen deutschen Fassungen enthalten) innerhalb eines insgesamt systemerhaltenden Soundtracks, eine schluderige deutsche Synchronisation und die obligatorische J&B-Pulle im Schrank. Ein Prosit diesem erfrischend stilvollen Genrebeitrag!