Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Mi 17. Jul 2013, 16:18
von jogiwan
hat geschrieben:
An Brutalität lässt Nicolas Winding Refns „Only God Knows“ nichts zu wünschen übrig. Auch die Komposition der Bilder ist durchwegs bemerkenswert.
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: So 24. Nov 2013, 12:05
von horror1966
Only God Forgives
(Only God Forgives)
mit Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Vithaya Pansringarm, Gordon Brown, Yayaying Rhatha Phongam, Tom Burke, Sahajak Boonthanakit, Pitchawat Petchayahon, Charlie Ruedpokanon, Kowit Wattanakul, Wannisa Peungpa
Regie: Nicolas Winding Refn
Drehbuch: Nicolas Winding Refn
Kamera: Larry Smith
Musik: Cliff Martinez
FSK 16 Frankreich / Schweden / Thailand / USA /2013
Die ungleichen Brüder Julian (Ryan Gosling) und Billy (Tom Burke) leben in Bangkoks Rotlichtviertel inmitten von Luxus, Sex, Sünde und Verbrechen. Dreh- und Angelpunkt für ihre illegalen Geschäfte ist ihr Kickbox-Club. Der unbarmherzige Kopf des Familienkartells ist jedoch ihre unnahbare, schöne und erbarmungslose Mutter Crystal (Kristin Scott Thomas). Als Billy eine Frau tötet, sorgt ein selbsternannter Racheengel (Vithaya Pansringarm) auf seine ganz eigene Art für Gerechtigkeit und Billy bezahlt seine Tat mit dem Leben. Die trauernde Crystal sinnt auf Rache und schickt Julian auf eine blutige Jagd nach Vergeltung durch Bangkoks Unterwelt...
Nachdem das Gespann Nicolas Winding Refn und Ryan Gosling schon mit "Drive" einen riesigen Erfolg feierte liegt nun mit "Only God Forgives" das nächste Werk vor, in dem Regisseur und Hauptdarsteller zusammen arbeiten. Aufgrund der ziemlich eindeutigen Inhaltsangabe könnte man nun einen recht klassischen Rache-Thriller erwarten, doch was Refn hier in Szene gesetzt hat, lässt lediglich das Thema Rache im Vordergrund erkennen, sondert sich aber ansonsten von den üblichen Genre-Vertretern ab. Dies geschieht dann sogar auf eine doch ziemlich drastische Art und Weise, denn das Szenario lässt schon nach wenigen Minuten erkennen, das die üblichen Strukturen des Rache-Thrillers hier nicht greifen. So bekommt man im Prinzip eine Geschichte präsentiert die mehr Fragen aufwirft als das sie diese beantworten würde. Zudem offenbart sich eigentlich noch nicht einmal eine wirkliche Handlung, wodurch das Geschehen an etlichen Stellen eher verwirrend erscheint, aber gerade aus diesem Aspekt seinen ganz besonderen Reiz bezieht. Anstatt dem Zuschauer nämlich eine strukturierte Handlung zu präsentieren, setzt Refn in seinem Film auf visuelle Stärken und untermalt seine Erzählung mit einem äußerst kräftigen Farbenspiel, das größtenteils schon eine hypnotische Faszination auf den Betrachter ausübt. Dadurch entsteht eine Art Sog, die einen ganz automatisch immer tiefer in die Ereignisse hinein zieht und phasenweise überkommt einen dabei das Gefühl, das man nur schwerlich zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann. Die zu großen Teilen recht wild aneinander gefügten Bildfolgen suggerieren nämlich den Eindruck surrealer Passagen und diverse Schauplätze des Ganzen lassen sogar einen leicht futuristischen Anstrich, so das die ganze Chose stellenweise schon an Werke von David Lynch erinnert.
"Only God Forgives" ist ganz sicher ein Film, der sich jenseits jeglichen Mainstreams ansiedelt, zudem wird die hier gewählte Umsetzung des eigentlich klassischen Rache-Themas unter Garantie die Meinungen spalten. Manch einer wird wird dem Werk wahrscheinlich jegliche Klasse absprechen, wohingegen andere in der Geschichte Genialität erkennen werden. Auf jeden Fall aber handelt es sich hier um ein ästhetisch inszeniertes Kunstwerk, das in erster Linie durch die Kraft der gezeigten Bilder nachhaltig auf einen einwirkt und phasenweise mit einer unglaublichen Härte aufwartet, die auch visuell in etlichen Szenen zu erkennen ist. Ein weiteres hervorstechendes Merkmal sind sehr viele Einstellungen die vollkommen ohne Dialoge auskommen und so eine extrem beklemmende Grundstimmung auslösen, die man nur schwerlich in Worte fassen kann. Teilweise fühlt man sich vom vorherrschenden Schweigen regelrecht erschlagen und manche Stellen in der Geschichte erinnern dabei an einen zu erwartenden Showdown in einem Western, bei dem sich die Gegner schweigend gegenüber stehen. Dieser Punkt sorgt zwangsweise dafür das der Zuschauer im Prinzip durchgehend unter extremster Anspannung steht, erwartet man doch jederzeit, das im nächsten Moment die Entladung aufgestauter Wut und Aggressionen erfolgen kann. Refn sorgt so dafür das man seinen Blick nicht vom heimischen Bildschirm lösen kann, denn auch wenn es nicht immer sonderlich leicht fällt den Zusammenhängen zu folgen, möchte man keinesfalls auch nur eine Sekunde des hypnotischen Geschehens verpassen.
Der Name Ryan Gosling mag hier bei vielen Leuten eventuell große Hoffnungen auf eine herausragende Performance aufkommen lassen, doch der Charakter des sehr schweigsamen Julian nimmt hier meiner Meinung nach eine eher untergeordnete Rolle ein. Im Vordergrund stehen viel mehr der als selbsternannter Racheengel auftretende Vithaya Pansringarm und die glänzend agierende Kristin Scott Thomas, die als eiskalte Mutter eine herausragende Performance abliefert. Vithaya Pansringarm kristallisiert sich im Laufe der Zeit immer mehr als eigentliche Hauptfigur heraus, wobei der von ihm dargestellte Charakter keine großartigen Erklärungen erfährt, sondern eher undurchsichtig und dadurch äußerst geheimnisvoll dargestellt wird. Insbesondere in der zweiten Filmhälfte konzentriert sich das Szenario dann auf eine immer weiter eskalierende Gewaltspirale, wobei die Kamera größtenteils voll drauf hält und einem so manche derbe Einstellung liefert, die für eine 16er Freigabe nicht unbedingt selbstverständlich sind. Dabei entwickelt sich immer mehr ein von Brutalität strotzender Ablauf der Ereignisse, in dem sich nicht die üblichen Gruppen von Gut und Böse zu erkennen geben. Hier liegt nämlich der wohl größte Unterschied zu den üblichen Genre-Kollegen, denn "Only God Forgives" zeigt dem Betrachter fast ausschließlich Figuren, die keinerlei Sympathiewerte beim Betrachter aufkommen lassen. Dadurch entfaltet die Geschichte dann auch ihre ganz eigene Dynamik und wirft auch gleichzeitig die Frage auf, ob ein Mörder einer 16-Jährigen Prostituierten es überhaupt verdient hat, das jemand seinen Tod rächen würde. Diesen Punkt kann man jedoch gleichzeitig auf sämtliche Abläufe anwenden, denn nicht ein einziger Charakter der Story hinterlässt den Eindruck, das man sich auf seine Seite schlagen müsste, vielmehr entpuppt sich die immer stärker ausufernde Gewalt-Orgie als logische Folge diverser Ereignisse, die sich in der kriminellen Unterwelt abspielen. Lediglich Ryan Gosling lässt an einigen Stellen so etwas wie ein Gewissen erkennen, was man in mehreren seiner Taten erkennen kann, dennoch ist dieser Punkt keinesfalls ausreichend, um seine Figur als guten menschen zu bezeichnen.
Und so steht man zum Ende des Filmes vor dem Problem, das es gar nicht einmal so leicht fällt, das eben Gesehene auch richtig einzuordnen und zu bewerten. Manch einer wird das Werk sicherlich als visuell ästhetischen Schund abtun, wohingegen andere in "Only God Forgives" ein wahres Meisterwerk sehen werden. Wie dem aber auch sei, auf jeden Fall präsentiert sich hier der wohl außergewöhnlichste Film des Jahres, dem man eine gewisse Genialität kaum absprechen kann. Die teils surreal erscheinende Geschichte strahlt eine unglaubliche Faszination aus und es fällt extrem schwer, sich dieser auf irgendeine Art zu entziehen. Für mich persönlich stellt der Film ein kleines Meisterwerk dar, das einen durch seine hypnotische Wirkung in den Sog brutaler Ereignisse zieht, die im Prinzip keine wirkliche Handlung erkennen lassen, aber genau aus diesem Aspekt ihre ganze Kraft beziehen. Rache-und Sühne offenbaren sich als zentrale Thematik in einem vollkommen anderen Gewand, als wie man sie ansonsten offeriert bekommt und erlangen durch die unglaubliche Bildgewalt ein Höchstmaß an Intensität. Für Freunde klar strukturierter Geschichten dürfte der neu Film von Nicolas Winding Refn sicherlich keine gute Adresse sein, doch wer seine Freude an außergewöhnlich umgesetzten Geschichten hat, der kann bei "Only God Forgives" getrost darauf vertrauen, das er mit einem herausragenden Szenario belohnt wird.
Fazit:
"Only God Forgives" wirft die ansonsten üblichen Strukturen eines Rache-Thrillers gänzlich über Bord und geht vielmehr den Weg eines surreal erscheinenden Bilderrausches, der den Zuschauer in seinen hypnotischen Bann zieht. Hier gibt es nicht das gewohnte Gut gegen Böse, denn sämtliche Charaktere bewegen sich viel eher in einer Grauzone, wobei sich zu keiner Zeit wirkliche Sympathieträger erkennen lassen. Die teils verwirrend erzählte Geschichte mag nicht jedermanns Sache sein, hält einen jedoch bis zur letzten Einstellung bei Atem und hinterlässt dabei einen äußerst beklemmenden Eindruck.
10/10
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Do 2. Jan 2014, 12:11
von Il Grande Silenzio
...and now for something completely different.
10/10
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Do 2. Jan 2014, 13:43
von Arkadin
Theoretiker hat geschrieben:...and now for something completely different.
10/10
Kannst du da noch etwas mehr zu schreiben? Ich mochte den Film ja auch ziemlich gerne, bin aber immer daran interessiert, warum andere das auch so sehen/den Film abgrundtief hassen. denn zwischen diesen beiden Polen gibt es auch nicht so viele andere Meinungen. In meinem Jahresrückblick schrieb ich als Ultrakurzfazit: "Der Film wird ja sehr häufig angefeindet, und ich kann die schlechten Kritiken nachvollziehen. Trotzdem hat der Film mich auf eine merkwürdige Reise mitgenommen und eine Saite zum Schwingen gebracht, die ich rational nicht erklären kann. Vielleicht mag ich ihn auch deshalb so gerne, weil er in der Regel eben soviel einstecken muss, wie seine armselige Hauptfigur."
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Do 2. Jan 2014, 13:48
von Arkadin
Apropos. Schon oft gepostet, aber imere wieder gut:
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Fr 3. Jan 2014, 16:36
von Il Grande Silenzio
Ich würde nicht sagen, dass es mir zu schwer fällt, um eine Kritik zu schreiben, vllt. finde ich hierzu noch einmal die Zeit bzw. habe die Muße.
Warum diese Wertung? Weil mich der Film in seinen Bann gezogen hat und nach wie vor beschäftigt, was wenigen Filmen in letzter Zeit gelang. Dies ist natürlich höchst subjektiv und ich kann durchaus verstehen, dass viele OGF für verkopftes Autorenkino halten.
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Fr 3. Jan 2014, 18:27
von karlAbundzu
bei mir hat der ja leider überhaupt nicht funktioniert. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch, aber als ich ihn dann im Kino sah fand ich den ganz schön hohl, aufgebläht und dann zu gewollt, oder zu substanzlos. Und einem mit dem Holzhammer den Ödipus zu zeigen, das hatten wir schon besser, siehe P. Jackson. Schade!
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Fr 3. Jan 2014, 19:01
von horror1966
Das ist auch wirklich ein Film, bei dem es eigentlich nichts dazwischen gibt. Entweder man findet ihn total genial oder kann gar nichts damit anfangen.
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Sa 1. Mär 2014, 11:15
von jogiwan
Was hat man nicht alles über "Only God forgives" schon im Vorfeld gehört: "Betörende Blutorgie", "hypnotischer Bilderfluss", "polarisierende Orgie der Gewalt", etc. und das mag zwar alles stimmen, aber abgesehen von dem schönen Neon-Look, exotischen Schauplätzen und dem gewollt künstlichen Look ist Refns entschleunigte Action-Geschichte in der Unterwelt von Bangkok im Gegensatz zu "Drive" doch ganz schön mittelmäßig und schon gar nicht originell geworden. Ryan Gosling schickt sich wohl an, der nächste Chuck Norris zu werden und auch die simple Rachegeschichte nach dem Motto "Auge um Auge" wird zwar schön dargeboten, krankt aber etwas an seinen vollkommen über- oder unterzeichneten Charakteren, denen im Verlauf der brutalen Handlung jeglicher Background verwehrt wird. Das neuerlich zelebrierte Prinzip Arthouse-Action-Splatter in Zeitlupe, in denen die heftigen Gewaltausbrüche dann umso unvermittelter erscheinen hat im Vorgänger jedenfalls bedeutend besser funktioniert und nach der x-ten Einstellung in der die Figuren des Films wie Puppen im Neon-durchfluteten Karaoke-Räumen drapiert werden, wird es für den Zuschauer etwas mühsam. Die fast schon bemühte Gegensätzlichkeit von allem, das hier in Refns einfach gestrickten Figuren-Kosmos an exotischen Schauplätzen mit dem Holzhammer zusammengebracht wird und die Oberflächlichkeit, mit der diese ohne einer Identifikationsfigur für das Publikum dann ausgiebig abgefeiert wird, mag zwar für den Moment eine gewisse Faszination ausüben, ist aber wenig nachhaltig und daher auch so rasch wieder vergessen, wie sie gesehen wurde. Mittelprächtig!
Re: Only God Forgives - Nicolas Winding Refn (2013)
Verfasst: Mo 3. Mär 2014, 13:18
von karlAbundzu
puh, endlich wer, der da mit mir ist! Ich dachte schon, es läge eventuell an meiner eigenen Stimmung an dem Tag im Kino.