BIS DAS BLUT GEFRIERT / THE HAUNTING (1963)
mit Julie Harris, Claire Bloom, Richard Johnson, Russ Tamblyn, Fay Compton, Diane Clare und Lois Maxwell
eine Produktion der Argyle Enterprises | im Verleih der Metro-Goldwyn-Mayer
ein Film von Robert Wise
»Es starrt mich an!«
In der alten Villa namens Hill House geschehen seit nun mehr 90 Jahren merkwürdige Dinge, und das Unglückshaus, wie es die Leute nennen, soll verflucht, und durch und durch böse sein. Immer wieder kam es dort im laufe der Jahre zu mysteriösen Todesfällen, die nicht restlos aufzuklären waren. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung hat es sich Doktor John Markway (Richard Johnson) nun zur Aufgabe gemacht, die übernatürlichen Phänomene dieses angeblich unbewohnten Spukhauses zu untersuchen, und möglicherweise aufzuklären, da ihm die Erbin des alten Gemäuers das Anwesen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellt. Dazu wählt er sich drei weitere Personen aus, die ihm bei der ungewöhnlichen Aufgabe behilflich sein sollen, und die gewisse Kriterien erfüllen. Eleanor (Julie Harris) ist eine von ihnen, und fühlt sich bereits beim Anblick des Hauses bedroht. Die anfängliche Euphorie der Beteiligten schlägt schnell in Angst und Hysterie um, denn Nachts geschehen dort unglaubliche Dinge, die nicht logisch zu erklären sind. Hat Hill House tatsächlich ein Eigenleben..?
"Bis das Blut gefriert" gilt als stiller Klassiker seiner Gattung, und zieht in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche Register. Zunächst muss man diesem Film von Regisseur Robert Wise einmal bescheinigen, dass er wirklich blendend funktioniert, da er ganz klassische Elemente mit einer innovativen Herangehensweise verbindet, die vor allem im handwerklichen Bereich zu finden sind. Allerdings überrascht diese Produktion auch mit einer nicht gerade alltäglichen Sparsamkeit angesichts typischer Horror- und Gruselelemente, die allerdings andernorts nicht zu finden ist, und hauptsächlich im Spektrum der Psyche breite, aber vor allem anspruchsvolle Register zieht. Das einzige, was leicht übertrieben, folglich reißerisch wirkt, ist zumindest der deutsche Titel, da er sich trotz eines gewissen Wohlklangs nicht im Entferntesten bewahrheitet, falls man sich denn als Zuschauer angesprochen fühlt. Eine weitere große und angenehme Überraschung stellt die Hierarchie der beteiligten Personen dar, denn hier wurden die Rollenverteilungen begrüßenswerterweise einfach umgekehrt, so dass die Herren (üblicherweise im Fokus stehend), der Dominanz der Damen unausweichlich bis ausschließlich untergeordnet wurden, was hinsichtlich des Themas zusätzlich Verwirrung stiftet, da analytische Sachlichkeit gegen Emotionen und Temperament arbeitet, und somit vor allem die großartige Interpretation von Julie Harris nochmals begünstigt. Der Film lebt von seiner schweren, unbehaglichen Atmosphäre, seinen stilsicheren Typisierungen und kitzelt die Nerven mit eleganten Effekten. Außerdem hält er es im Endeffekt für überhaupt nicht notwendig, für lückenlose Aufklärung zu sorgen und spricht somit die Fantasie, aber auch die Offenheit der Zuschauer-Gemeinde an.
Beinahe alles in diesem Film ist der exzellenten Darbietung der US-Amerikanerin Julie Harris ("Jenseits von Eden") untergeordnet. Eleanor, die ihre besten Jahre der kranken Mutter opferte, hatte bislang nichts vom Leben. Bis zur Selbstaufgabe pflegte und betreute sie sie bis zu deren Tode, und lebte bei ihrer Schwester, bei der sie auf der Couch schlafen durfte, aber nie Anerkennung oder Wertschätzung erfuhr. Trotz großer Schuldgefühle nimmt sie das ungewöhnliche Angebot zu diesem Experiment an, da sie sich in ihrer Vorstellung daraus einen euphorischen Neuanfang geformt hat. Glänzend wirken die Sequenzen, wenn Eleanor innere Monologe führt, das Für und Wider gegeneinander abwägt, sich in schwierigen Situationen zum Durchhalten animiert und in hysterischen Momenten selbst beruhigt, sich Gegebenheiten schön redet oder sich falsche Tatsachen glaubhaft versichert. Neben dem Spukhaus ist sie die Schlüsselfigur der Geschichte, bei der sich der Zuschauer zusehends fragen muss, ob es sich tatsächlich um übernatürliche Vorkommnisse im Haus, oder um eine schwerwiegende schizoaffektive Störung der Protagonistin handelt, und sich alles nur in ihrer verzerrten Fantasie abspielt. Eine hochinteressante Variation, die in diesem Genre damals noch eher in den Kinderschuhen steckte, dann später ausgiebig, leider meistens primitiv und selten überzeugend ausgeschlachtet wurde. Subtile Spannungsmomente sind hier jedenfalls vorprogrammiert, und "Bis das Blut gefriert" hat keine hysterischen Rundumschläge und Effekthascherei nötig gehabt. Als Gegenstück zu Eleanor fungiert Claire Bloom als Thea, die angeblich mit telepathischen Fähigkeiten ausgestattet sein soll. Sie repräsentiert die selbstbewusste, bodenständige und moderne Frau ihrer Zeit und ist somit alles, was Eleanor nicht ist. Claire Bloom spielt ihre kühle Distanz zu den Dingen klassisch aus, sie überzeugt mit zynischen Attacken und leuchtet schwarz in einer mysteriösen Aura. Ob sie schließlich nur der Spiegel, oder das Sprachrohr gewisser Einbildungen ist, entscheidet der Zuschauer. Überhaupt ist jede einzelne Einführung und die Entwicklung der unterschiedlichen Charaktere bemerkenswert dicht, das kompetente Zusammenspiel wirkt hochklassig. Richard Johnson als Initiator des Ganzen trumpft in einigen Momenten groß auf, doch immer wirkt es so, als würde er von den Damen in die zweite Reihe verwiesen, was bei Russ Tamblyn noch auffälliger in Erscheinung tritt.
Für mich war "Bis das Blut gefriert" in erster Linie eher der geglückte Versuch, in die Untiefen der menschlichem Psyche einzublicken. Das Grusel-Element kommt selbstverständlich aussagekräftig zum Tragen, da »Es«, wie es von allen nur genannt wird, allgegenwärtig zu sein scheint. Das Haus als Verkörperung des Bösen, und vor allem dessen Inszenierung wurde exzellent im Bilde festgehalten. Nach diversen filmischen Horror- und Grusel-Ungeheuerlichkeiten- und Volltreffern der letzten Jahre, hatte ich mich zuerst einmal richtiggehend neu zu orientieren, und habe um ehrlich zu sein, viele herkömmliche Effekte oder eine alternative Auflösung vermisst. Die Mischung, die man in dieser Produktion geboten bekommt wirkt letztlich jedoch nicht nur interessant, sondern hinsichtlich des Versuches, mehrere Fragmente im Film zu vereinen auch fesselnd und intelligent. Der hohe Anspruch der Geschichte wirkt manchmal etwas (Genre-)fremd, aber warum sollte man sich immer nur passiv berieseln lassen? Das langsame Tempo schürt Spannungszustände, die durch halluzinatorisch wirkende, und oftmals Schwindel erregende Kamerafahrten plötzlich forciert werden, die akustischen Finessen wie Poltern, Klopfen, Rufen oder Atmen sorgen für klassische Gänsehaut-Momente. Vollkommen faszinierend wirkt die elegante Bildkomposition, die mit Hilfe von raffiniertem Licht- und Schattenspiel für ein Gefühl der Vollkommenheit sorgt, wozu der glasklare Aufbau, angefangen mit der Erklärung, wie alles begann, bis hin zu einem denkwürdigen Finale, sein Übriges tut. Insgesamt kommt es in diesem Beitrag nur zu wenigen Längen, und ich muss schon sagen, dass man diesen Film schon einmal gesehen haben sollte, wenn man sich für das Spektrum der Angst, oder blendende schauspielerische Leistungen interessiert. Schön, einen Film gesehen zu haben, der sich in aller Konsequenz von einheitlichen Produktionen abheben wollte und das schließlich auch konnte. Ursprünglich wollte ich diesem Beitrag vorwerfen, dass er es eigentlich kaum schafft, einen das Fürchten zu lehren. Wenn sich die komplexe Handlung aber gesetzt, und die Gier nach primitiven Effekten gelegt hat, sollte man verstehen, dass dieser Film den Zuschauer auf einer ganz anderen Ebene ansprechen will, und nach alternativen Berührungspunkten sucht. Ein auf seine Weise sehr beunruhigender Klassiker des Genres!