bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler
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The Willies
"The Willies" wurde in der Tradition der Creepshow-Filme gedreht. Kleine Horror-Geschichten voll Schadenfreude und Ekel. Eine Frau beißt genüsslich in ein Hühnchen und erlebt eine makabere Überraschung. Ein Junge hat eine besondere Art mit Fliegen umzugehen und erlebt eine Horrortrip. In einer Schule wird der Hausmeister zum Monster, das sich an gemeinen Schülern rächt. Auch eine Lehrerin ist im Visier des monströsen Hausmeisters. Lassen Sie sich in die Welt des Grauens versetzen...
„Was ist ekliger als Ekel?“

Die einzige Regie-Arbeit des normalerweise als Schauspieler in Erscheinung tretenden US-Amerikaners Brian Peck (u.a. „Return of the Living Dead“) ist der 1990 veröffentlichte Episodenhorrorfilm „The Willies“.

Drei Dreikäsehochs sitzen nachts im Zelt und erzählen sich gruselige Geschichten. Zunächst sind dies sehr kurze urbane Legenden wie einer in eine Ratte – deutlich erkennbar als Gummiexemplar – beißenden Frau, einer Geisterbahnfahrt, die diese Bezeichnung auch wirklich einmal verdient und eines Hundes in der Mikrowelle (die leider in den meisten deutschen Fassungen herauszensiert wurde). Diese Ultrakurzgeschichten mit ihren chargierenden Darstellern bilden jedoch lediglich den Prolog zu zwei wesentlich längeren Episoden:

„Hier wird nicht öffentlich gehängt!“

In der ersten Episode wird ein Junge nicht nur von seinen Mitschülern, unter anderem einem Rowdy im Iron-Maiden-T-Shirt (sehr cool) gehänselt, sondern auch von seiner ihre Schüler mit „Mr.“ ansprechenden Lehrerin Mrs. TItmarch (der Name!) gemobbt. Unterstützung erhält er jedoch vom kauzigen alten Hausmeister der Schule, der ihm aber auch nicht helfen kann, als er ein Monster auf der Schultoilette entdeckt. Doch daraufhin reift in ihm die Idee, seine unliebsamen Klassenkameraden mitsamt Lehrerin aufs Schulklo zu locken, um sich seiner Peiniger zu entledigen…

Man muss gut auf Kinderdarsteller klarkommen können, denn diese führen nicht nur durch die Rahmenhandlung, sondern durch den gesamten Film. Dann aber macht diese Episode mit ihrem herrlichen Latex-Monstrum und der bösen Pointe, auf die eine weitere, wahrlich überraschende folgt, durchaus Spaß. Die dann noch angehängte dritte Pointe jedoch erscheint reichlich überflüssig.

„Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln!“

In Episode 2 lernen wir einen dicken Jungen kennen, der es mit den Eigentumsverhältnissen nicht so genau nimmt und ein kleiner Langfinger ist, außerdem vernarrt darin, Fliegen zu fangen, ihnen die Flügel herauszureißen und in Puppenhäuser zu kleben – sehr zum Unmut seiner entnervten Eltern. Nachdem er jedoch einen neuartigen Superdünger vom örtlichen Bauern bekommen hat, naschen auch die Fliegen davon und das Unheil nimmt seinen Lauf…

Diese Episode setzt auf den Ekel vor Insekten und Maden und wurde leider dramaturgisch ungeschickt sehr in die Länge gezogen, dabei recht langsam erzählt. Das Besondere ist, dass hier im Gegensatz zur vorausgegangenen Episode ein fettes Außenseiterkind tatsächlich als unsympathischer Kotzbrocken dargestellt wird. (Achtung, Spoiler!) Die äußerst bizarre Pointe zeigt dann ultratrashige Riesenfliegen, die unschwer als Menschen in Kostümen auszumachen sind. Diese haben aber dem Fettsack seine Arme herausgerissen, was wiederum eine herrlich fiese Idee ist. Trotzdem blieb bis dahin zu viel Zeit ungenutzt, wurde die Geduld des Zuschauers arg strapaziert.

Die Pointe der Rahmenhandlung schließlich ist gelungen und setzt den Schlusspunkt unter einen sich selbst nicht ernstnehmenden, comichaft-moralischen, schwarzhumorigen Film, der insbesondere mit seiner ersten längeren Episode witzig, charmant und sympathisch wirkt und unterm Strich ein netter Spaß für zwischendurch für Jung und Alt ist. Unter den Darstellern tummeln sich übrigens Namen wie Sean Astin („Die Goonies“), Kathleen Freeman („Die Fliege“) und Evan Arnold („Überfall im Wandschrank“).
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Das Haus des Grauens

„Du glaubst nicht an Gott und hast Angst vor dem Tod!“

Zwischen den allgemein anerkannten, wegweisenden Klassikern „Frankenstein“ und „Der Unsichtbare“ drehte der US-Amerikaner James Whale im Jahre 1932 einen etwas in Vergessenheit geratenen kleinen, komödiantischen Grusler, der auf dem Roman „Von der Nacht überrascht“ aus der Feder John Boynton Priestleys basiert: „Das Haus des Grauens“.

Eine Gruppe Reisender muss sich in den walisischen Bergen während eines Unwetters in eine trockene Unterkunft flüchten und klopft an die Tür der in einem ausladenden alten Gemäuer lebenden Familie Femm. Zwar werden die Unglücklichen nicht sonderlich freundlich empfangen, doch wird ihnen Einlass gewährt. Die Femms entpuppen sich als sich gegenseitig nicht unbedingt wohlgesinnte, recht eigenartige Familie bestehend aus dem alten Geschwisterpaar Horace (Ernest Thesiger, „Frankensteins Braut“) und Rebecca (Eva Moore, „Jud Süss“) sowie einem stummen Diener (Boris Karloff, „Frankenstein“). Außer ihnen lebt auch der bettlägerige, 102-jährige Vater dort, darüber hinaus scheint sie ein düsteres Geheimnis in den oberen Stockwerken zu beherbergen...

In seinem klassischen Aufbau mit einem grimmigen stummen Diener und abweisend wirkenden Bewohnern eines abgelegenen, schlossartigen Gebäudes wirkt „Das Haus des Grauens“ wie eine Art Prototyp des Gruselhaus-Horrors zu frühen Tonfilmzeiten. Doch versieht Whale seinen Film mit viel Humor besonders anhand überzeichneter Charaktere, allen voran der Schwester des Hausherrn, die fast taub ist, grundsätzlich alles falsch versteht und ebenso gottesfürchtig wie unfreundlich-schroff ist, womit sie ihren Bruder beinahe in den Wahnsinn treibt. Die alte Dame zetert sich durch zahlreiche Mono-/Dialoge voller Fatalismus („Schöner Stoff, er wird verrotten. Auch ihre schöne Haut, auch die verrottet mit der Zeit!“), abweisendem Groll und harscher Ungastfreundlichkeit und wirkt dadurch grotesk, irgendwo zwischen bedrohlich und urkomisch. Seine unheimliche Aura entfaltet der Film durch seine altertümlichen Kulissen, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint und die diversen Hinweise der Femms, dass irgendetwas dort ganz und gar nicht stimmt. So wurde eine weitere Schwester, die einen recht ausschweifenden Lebensstil führte, möglicherweise ermordet und scheint auch der grobschlächtige stumme Diener, der dem Alkohol frönt und dadurch regelmäßig aggressiv wird, einiges auf dem Kerbholz zu haben. Und was zur Hölle verbirgt sich in den oberen Stockwerken? Vegetiert dort wirklich das uralte Familienoberhaupt vor sich hin? Weshalb fürchtet sich Horace, die Treppen hinaufzusteigen?

Immer wieder setzt Whale das Gesicht der tauben Rebecca Femm unheimlich in Szene und bedient sich außerdem expressionistisch anmutender Schattenspielereien und flimmernder Lichtquellen für den Bildaufbau. Jäh unterbrochen wird die Gruselstimmung durch die Ankunft zweier weiterer Gäste, die ebenfalls wetterbedingt Unterschlupf suchen. Spätestens hier wird deutlich, wie Whale mit gegensätzlichen Charakteren arbeitet, die er aufeinander prallen lässt. Es wird viel geredet und sogar eine reichlich aufgesetzte wirkende Romanze in die Handlung integriert, bis die Situation schließlich eskaliert und das Geheimnis gelüftet wird. Dieses entpuppt sich als – ungewöhnlich für die damaligen Horrorfilme – keinesfalls übernatürlich, wenn auch mit tatsächlich gefährlichem Irrsinn ausgestattet. Viele andere zuvor eingeführte Handlungselemente verpuffen dafür weitestgehend und erweisen sich als nicht weiter von Belang. Whale spielte mit den Charakteristika eines Horrorfilms, ohne wirklich einen zu drehen. Nicht nur durch das gegenüber der Literaturvorlage abgeänderte, jetzt glückliche Ende enttäuscht „Das Haus des Grauens“ ein wenig und macht letztlich nicht viel aus seinen schrulligen Charakteren. Alles ist bizarr und irgendwie unwirklich, letztlich aber nicht zwingend gefährlich, zudem stets begleitet von einem eigenwilligen Humor. Im Nachhinein erscheinen viele Szenen eher selbstzweckhaft denn zwingend für den Handlungsaufbau erforderlich.

Nichtsdestotrotz macht es durchaus Spaß, dem Treiben als Zuschauer beizuwohnen, denn die Schauspieler sind bestens aufgelegt und hängen sich in ihre Rollen ziemlich rein. Bemerkenswert: Der 102 Jahre alte Opa Femm wurde, so sagt man, von einer Frau gespielt. Zudem macht die Vorreiterrolle, die „Das Haus des Grauens“ für Filme mit ähnlicher Ausgangssituation mit Sicherheit einnimmt, ihn filmhistorisch interessant und stellt ein nostalgisches Vergnügen für Freunde des frühen Gruselfilms dar.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Ach ja, vor "Endgame" sah ich endlich einmal meine "Fireflash"-DVD an und stellste fest, dass die in der deutschen Kinofassung fehlenden Szenen dem Film tatsächlich etwas mehr Tiefgang verleihen und eine durchaus lohnende Ergänzung darstellen. Der Vollständigkeit halber noch einmal meine nach der Kinosichtung beim Forentreffen in Frankfurt notierten Zeilen:

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Fireflash – Der Tage nach dem Ende
New York im Jahre 2019: Die Erde ist nach einem Atomkrieg verseucht und verwüstet, ein Überleben nur in den Abwasserkanälen möglich. Um die menschliche Rasse zu retten, wird eine fruchtbare Frau gesucht. Flash, ein mutiger Endzeit-Söldner, soll sie finden und in Sicherheit bringen. Gehetzt von den mächtigen und brutalen Eurakern gehen Flash und seine Gehilfen bei der Erfüllung ihrer Mission durch die Hölle. New York City versinkt im Blut. [Quelle: DVD-Forum.at]
Italo-Regisseur Sergio Martino („Der Killer von Wien“) leistete mit „Fireflash“ 1983 seinen Beitrag zum boomenden Endzeit-Genre, und zwar definitiv einen der besseren. Im Jahre 2019 ist die Welt nach einem Atomkrieg größtenteils zerstört, die Rasse der Euraker herrscht mit eiserner Hand. Die Frauen sind unfruchtbar geworden und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Plage der Menschheit endgültig vom Planeten gefegt hat. Söldner Flash (Michael Sopkiw, „Amazonas - Gefangen in der Hölle des Dschungels“) allerdings bekommt den Auftrag, die letzte noch gebärfähige Frau aufzuspüren und macht sich zusammen mit Bronx (Paolo Maria Scalondro) und Ratchet (Romano Puppo) auf den Weg durch allerlei lauernde Gefahren einer sterbenden Welt zwischen Futurismus und Primitivität.

„Fireflash“ beginnt mit einer vollen Dosis melancholisch-pessimistischer 1980er-Atmosphäre, indem ein einsamer Tippelbruder vor der Kulisse des zerstörten New Yorks in seine Trompete bläst – grandios! Im weiteren Verlauf offenbart „Fireflash“ eine wahnsinnige Detailverliebtheit in liebevoll ausstaffierten Kulissen, in denen es viel zu entdecken gibt. Ein wahrer Augenschmaus! In die gleiche Kerbe schlagen mehrere die Handlung nicht unbedingt vorantreibende Szenen voller abgefahrener Ideen, die dennoch keine reinen Füllfunktionen haben, sondern die Eigenartigkeit der Welt, durch die sich Flash schlagen muss, ebenso unterstreichen wie den Spaß, den das Filmteam mit Sicherheit bei der Umsetzung empfunden haben wird.

Getragen von einem wundervollen Synthesizer-Soundtrack der De-Angelis-Brüder „Oliver Onions“ macht der quietschbunte, comicartige „Fireflash“ in vielerlei Hinsicht Spaß, wenn auch Hauptdarsteller Sopkiw in seinem Spielfilmdebüt für die Rolle eines Endzeithelden etwas blass bleibt und ihm später gar nahezu komplett von George Eastman („Man-Eater“) als Führer der Affenmenschen die Schau gestohlen wird. Inmitten all der Charakterfressen sieht er ein wenig zu weich und „lieb“ aus. Offenbart „Fireflash“ seine Schwächen, beispielsweise nicht immer perfekte Choreographien in actionreichen Kampfszenen oder zumindest aus heutiger Sicht trashig anmutende Zukunftsvisionen, was Waffen, Gebäude etc. betrifft, so geschieht das mit so viel Charme, dass das Filmvergnügen in keiner Weise beeinträchtigt wird. Die sparsam dosierten, doch dafür umso kruderen Blut- und Splatterszenen tragen ihren übrigen Teil dazu bei.

Bei allem Testosteron geizt jedoch auch „Fireflash“ nicht mit holder Weiblichkeit. Im Laufe der Handlung lernt Flash eine herbe Schönheit kennen, die gewissermaßen im Kontrast zur sich im Dornröschenschlaf befindenden, unberührte Jungfräulichkeit ausstrahlenden Hoffnung der Menschheit steht. Klar, dass sich daraus eine kleine Endzeit-Romanze entwickelt, die in einem denkwürdigen Dialog (sinngemäß: „Wenn die Liebe auf unserer Welt noch einen Sinn hätte, wärst du die Frau, die ich lieben könnte!“) und einem ausufernden melodramatischen Abschied mündet.

„Fireflash“ ist ein offensichtlich nicht allzu knapp budgetierter, überraschend eigenständiger Beitrag zum Endzeit-Genre, der vorzüglich unterhält und letztlich ein Paradebeispiel für den Ideenreichtum italienischer Exploitation ist.
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Donovans Hirn
Dem amerikanischen Naturwissenschaftler Dr. Patrick Corey gelingt es das Gehirn eines tödlichen verletzten Multimillionärs außerhalb des Körpers in seinem Labor am Leben zu erhalten. Das makabre Experiment hat jedoch fatale Folgen: Das Gehirn des Toten gewinnt mehr und mehr Herrschaft über Corey und zwingt ihm seinen Willen auf, damit dieser einen Plan des verstorbenen Multimillionärs mit kriminellen Mitteln verwirklicht...
„Ich hab genug von diesem Science-Fiction-Zauber!“

Nach dem mir unbekannten „The Lady and the Monster“ aus dem Jahre 1944 ist der Science-Fiction-Horrorfilm „Donovans Hirn“ die zweite Verfilmung des mir ebenfalls unbekannten Romans aus der Feder des deutschen Schriftstellers Curt Siodmak, entstanden im Jahre 1953 in US-Produktion unter der Regie Felix E. Feists („Für eine Handvoll Geld“).

Der Wissenschaftler Dr. Patrick Corey (Lew Ayres, „Brennen muss Salem“) forscht daran, Affenhirne auch ohne den dazugehörigen Körper am Leben zu erhalten. Als er und sein Kollege Schratt (Gene Evans, „Das Ungeheuer von Loch Ness“) nach einem Flugzeugabsturz zur Hilfe gerufen werden, können sie für den schwerverletzten Millionär Donovan nichts mehr tun, er stirbt ihnen auf dem Behandlungstisch weg. Doch beide ergreifen die Chance und sichern sich für ihre Forschungen heimlich Donovans Hirn – und siehe da, es zeigt noch Aktivität und überlebt nicht nur in Coreys Nährstofflösung, sondern wächst zu beachtlicher Größe heran. Jedoch ergreift es mittels telepathischer Fähigkeiten nach und nach Besitz von Corey, der fortan die Geschäfte des geldgierigen und antisozialen Millionärs fortführen soll. Wird sich Corey aus der Gedankenkontrolle des Großmagnaten befreien können?

„Ich bin Arzt, kein Elektriker!“

„Donovans Hirn“ ist ein kleines, aber recht feines, eher simpel gestricktes Stück Mad-Scientist-Horrors aus den 1950ern, noch in Schwarzweiß gedreht und unprätentiös im Hinblick auf Spezial- und Make-up-Effekte. Deutlich inspiriert von „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, beschreibt Feist den Verlust der eigenen bzw. die Entwicklung einer gespaltenen Persönlichkeit. Corey, der langsam aber sicher zum Handlanger Donovans wird, vertritt nicht nur dessen Interessen vehement und rabiat, sondern adaptiert auch dessen Macken wie das Nachziehen eines Beins. Bis auf das hübsch anzusehende Hirn in einer Art Aquarium gibt es quasi keine Schaueffekte, man verlässt sich hauptsächlich auf die schauspielerischen Leistungen. Lew Ayres spielt seine Quasi-Doppelrolle überzeugend und ohne große Übertreibung, der Ton des Films ist weitestgehend humorlos. Die Handlung ist über weite Strecken vorhersehbar, worunter die Dramaturgie bisweilen zu leiden hat; kurios anzusehen ist’s aber allemal, wenn Corey innerhalb weniger Momente zu Donovan wird und seine Dialogpartner nicht wissen, wie ihnen geschieht.

Plakative Kritik an der Raffgier ohnehin schon Superreicher wird laut, denn Donovan lässt keine Gelegenheit aus, sich um Abgaben zu drücken – sogar über den Tod hinaus. Ein gelungener Aha-Effekt ist das Motiv, das man zu einem späteren Zeitpunkt erfährt: Er möchte sich in seinem Größenwahn ein eigenes stattliches Mausoleum errichten! Bis man ihm am Ende den Garaus machen kann, vergeht viel Zeit, die mitunter mehr an einen gediegenen Krimi denn an Science-Fiction-Unterhaltung erinnert. Doch so unspektakulär die Inszenierung auch sein mag, so ruft sie doch immer wieder die bizarre Situation ins Gedächtnis zurück, bis man im etwas schwülstigen Happy End leider die Chance versäumt, dem Zuschauer noch ein wenig Horror beispielsweise durch eine krude Pointe mit auf den Weg zu geben.

Da ich Filme mit Hirn mag und zudem eine Schwäche für diese Dekade des phantastischen Films habe, packt mich auch „Donovans Hirn“ mit seinem Charme. Die guten Schauspieler lieferten seriöse Leistungen ab und gaben alles in einer Zeit, in der selbst Geschichten wie diese noch nicht ironisch gebrochen wurden, was besonders aus heutiger Sicht zweifelsohne zum Unterhaltungswert beiträgt. In der Rolle der bemitleidenswerten Ehefrau Dr. Coreys ist übrigens die junge Nancy Davis zu sehen, spätere First Lady als Gattin Ronald Reagans…
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Der Terror führt Regie
Der italienische Regisseur Giacomo Solaris (Franco Nero) hat einen Film über einen zwielichtigen Staatsanwalt gedreht, der mit der Mafia zusammenarbeitet. Als Vorlage für die Rolle diente ihm Palermos Staatsanwalt Traini (Marco Guglielmi), von dem Solaris überzeugt ist, dass dieser korrupt ist und Kontakte zur Mafia hat. Als der Film in Palermo Premiere hat, raten Trainis Mitarbeiter dem Staatsanwalt gegen Solaris vorzugehen, aber der sieht sich den Film lieber an, reagiert sehr gelassen und lädt Solaris nach der Vorstellung sogar zu sich nach Hause ein. Dort trifft der Filmemacher auf hochrangige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die ebenfalls im Verdacht stehen Verbindungen zur Mafia zu haben. Als Traini am nächsten Tag auf offener Straße getötet wird, stellt Solaris auf eigene Faust Nachforschungen an, denn er ist sich sicher, dass die Mafia für den Mord verantwortlich ist...
„Sie haben also Vertrauen zur Justiz?“ – „Nein, ich vertrau auf den Skandal!“

Der für seine kritischen, die Verbindungen der italienischen Mafia mit höchsten Politik- und Justiz-Kreisen aufzeigenden Filme in den 1960ern und ‘70ern bekannt gewordene Regisseur Damiano Damiani drehte im Jahre 1971 das wütende Meisterwerk „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ – in dessen Verlauf (Achtung, Spoiler!) ein das Vertrauen in die Justiz verloren habender Kommissar zur Selbstjustiz greift und daraufhin mit Staatsanwalt Traini, gespielt von Franco Nero, aneinandergerät. 1975 kam nach „Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom“ dann „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“ in die Lichtspielhäuser, der für die deutsche VHS-Auswertung in den reißerischeren „Der Terror führt Regie“ umgetitelt wurde. Dieser Film wirkt wie eine selbstreflektive Aufarbeitung Damianis eigenen Schaffens, wie sich bereits anhand der Inhaltsangabe erahnen lässt:

Der italienische Filmemacher Giacomo Solaris (Franco Nero, „Django“) hat einen Film über einen Staatsanwalt gedreht, der sich von der Mafia korrumpieren lässt. Am Ende dieses Films wird der Staatsanwalt erschossen. Unschwer zu erkennen ist, dass für den Film Staatsanwalt Traini (Marco Guglielmi, „Lauf um dein Leben“) aus Palermo Vorbild war, dem Solaris Machenschaften mit der Mafia vorwirft und für seine Überzeugung auch einen Prozess riskieren würde, von dem er sich erhofft, dass die Kritik an Traini dadurch eine größere Öffentlichkeit erlangen würde. Doch Traini reagiert erstaunlich gelassen auf den Film und sucht den Dialog mit dem Filmemacher, lädt ihn gar zu sich nach Hause ein. Kurze Zeit später wird Traini auf offener Straße erschossen. Während Trainis Witwe Antonia (Françoise Fabian, „Das Weibchen“) Solaris vorwirft, die Tat mit seinem Film provoziert zu haben, ist dieser sich sicher, dass Traini auspacken wollte und deshalb von der Mafia ausgeschaltet wurde.

Damiani-Stammschauspieler Franco Nero spielt diesmal nicht den gleichnamigen, jedoch gänzlich anders charakterisierten Staatsanwalt Traini, sondern Filmemacher Solaris und damit anscheinend eine Art Alter Ego Damianis. So, wie sich Damiani nach „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ vermutlich Vorwürfen ausgesetzt sah, Selbstjustiz und Morde zu glorifizieren oder zumindest zu begünstigen, so werden ähnliche Stimmen gegen Solaris laut. Das ist einer von mehreren Gründen, weshalb er auf eigene Faust Ermittlungen anstellt – Ermittlungen in einem halbseidenen Milieu aus Politik und Justiz, mithilfe eigener halbseidener Freunde wie dem kleineren Mafioso Terrasini (Renzo Palmer, „Die Gewalt bin ich“). Der Tod Trainis scheint einige Unruhe bewirkt und den Status Quo durcheinandergewirbelt zu haben. Konkurrierende Mafia-Organisationen kündigen ihren Waffenstillstand auf, politische Bauernopfer werden dargebracht. Aus Solaris‘ Sicht alles Indizien, die seinen Verdacht bestätigen. Dass es nach einigen Toten dann doch anders kommt, muss er konsterniert zur Kenntnis nehmen

Damiani scheint sich mit seiner eigenen Rolle auseinanderzusetzen, mit den eigenen Idealen, aber auch mit der eigenen Fehlbarkeit in einem immer komplexer werdenden autoritären Geflecht. Dies spiegelt sich im Stil des Films wider, der weit weniger emotional als Damianis vorausgegangene Filme denn vielmehr vernunftorientiert und in mehrere Richtungen offen wirkt. Es wird offensichtlich, dass niemand die Wahrheit gepachtet hat, bei aller verständlichen Aufgebrachtheit Kurzschlussreaktionen zu vermeiden sind und oft alles ganz anders sein kann, als es zunächst scheint. Damianis in den Film übertragenes Weltbild bleibt dabei ein wenig erquickliches und ist gespickt mit aus niederen Beweggründen handelnden Menschen; wirkliche charakterliche Integrität ist mit der Lupe zu suchen. Die Handlung mit all ihren Charakteren, oftmals über mehrere Ecken miteinander verbandelt, erscheint komplex und es fällt nicht immer leicht, den Überblick zu bewahren – allein schon, da dies nicht der Film ist, der einfache Antworten liefert. Längere Zeit ist „Der Terror führt Regie“ sehr dialogreich, dafür arm an Action und trotz großartiger Schauspieler mitunter etwas trocken – bietet also im Prinzip genau das, wovor sich weniger Genreaffine häufig fürchten, wenn sie mit anspruchsvollem polit- und gesellschaftskritischem Kino konfrontiert werden. Doch rechtzeitig finden auch wieder emotional aufwühlende Momente in die Handlung, man denke nur an den wunderschön und zugleich zutiefst morbide durchästhetisierten Mord eines Arztes an einem Blutwäsche-Patienten und den verstörenden Mord an einem Mafioso auf der Straße am helllichten Tag, bei dem die Kamera voll drauf hält und im Anschluss sogar die blutüberströmte, nackte Leiche zu sehen ist. Szenen wie diese rufen knallhart ins Gedächtnis zurück, worum es bei allen Fragestellungen und Einblicken letztlich geht: Um kaltblütigen Mord.

Zur einmal mehr ohrwumverdächtigen, stimmigen musikalischen Untermalung aus dem Schaffen Riz Ortolanis lässt sich „Der Terror führt Regie“ als Bestandsaufnahme des seinerzeitigen Ist-Zustands der italienischen Gesellschaft begreifen, auf die Damiani so unparteiisch wie es ihm möglich ist blickt, bemüht um Nüchternheit, die sich in realistisch-pessimistische Ernüchterung wandelt und damit eine Entwicklung beschreibt, die so viele rebellische, ambitionierte Menschen gleich welcher Branche er- und durchleben und die augenscheinlich auch vor Damiani nicht Halt machte. Ein überaus interessanter Film, gerade durch den Vergleich mit Damianis vorausgegangenen Werken, stilsicher inszeniert und getragen von herausragenden Schauspielern.
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Night of the Living Dead
Als die Geschwister Johnny (Russell Streiner) und Barbra (Judith O'Dea) das Grab ihres Ahnen besuchen, wird Barbra von einem merkwürdigen Mann angefallen. Johnny eilt ihr zu Hilfe, wird dadurch jedoch selbst Opfer des Angreifers. In ihrer ausbrechenden Panik gelingt es Barbra zu fliehen. Sie erreicht ein Farmhaus, in welchem sie auf Ben (Duane Jones) trifft. Im Gegensatz zu ihr versucht Ben, sich dem Ernst der Lage zu stellen und riegelt das Haus ab. Denn nicht nur Barbra hatte eine unliebsame Begegnung, über Radio und Fernsehen erfahren die beiden, dass offensichtlich die Toten auferstanden sind und nun Menschenfleisch wollen. Doch damit nicht genug, allem Anschein nach sind die Zwei nicht allein in dem Haus...
„Tote müssen sofort auf die Straße gebracht und verbrannt werden!“

Als der US-Amerikaner George A. Romero im Jahre 1967 mit einigen Freunden und Bekannten insgesamt geschätzte 114.000 US-Dollar zusammenkratzte, um einen Low-Budget-Film in Schwarzweiß zu drehen, war ihm sicherlich noch nicht bewusst, mit „Night of the Living Dead“ einen verstörenden Kultfilm zu schaffen und das Zombie-Subgenre zu revolutionieren, wenn nicht gar erst eigentlich zu begründen.

Das Geschwisterpaar Johnny (Russell Streiner) und Barbra (Judith O'Dea) sucht das Grab ihres Vaters auf einem abgelegenen Friedhof auf, um einen Kranz zu niederlegen. Dabei werden sie von einem seltsamen Mann attackiert, der Johnny tötet und Barbra verfolgt. Diese rettet sich in ein scheinbar leerstehendes Farmhaus, wo sie auf Ben (Duane Jones, „Tödliche Lippen“) trifft, der das Gebäude verriegelt, um sich vor den immer mehr werdenden Angreifern zu schützen. Aus Radio und Fernsehen erfahren sie, dass es sich um sich epidemieartig ausbreitende, wiederauferstandene Tote handelt, die gierig auf Menschenfleisch sind. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass im Keller des Hauses bereits Familie Cooper Zuflucht suchte und es kommt zum Streit…

Noch großartig Worte über „Night of the Living Dead“ zu verlieren, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Wie kein Zweiter hat dieser sowohl dem Zombiefilm neue Impulse versetzt und seither quasi jeden Zombiefilm inspiriert. Auch außerhalb des Zombiebereichs findet er sich in einer Reihe einflussreicher Genre-Produktionen wieder, die den Horrorfilm weiterentwickelten und jeweils Pate standen für viele Nachahmer. Das Jahr 1968, in dem „Night of the Living Dead“ schließlich in den Kinos anlief, bedeutete eine Zäsur im Horrorfilm, denn auch mit dem von William Castle produzierten und dem ambitionierten jungen Filmemacher Roman Polanski verfilmten „Rosemaries Baby“ war erst einmal „Schluss mit lustig“ und eine neue Generation psychologisch wirkender, versierter Horrorfilme löste die vorausgegangenen, oftmals comichaft-überzeichneten und weit weniger verstörenden, weil viel mehr auf kurzweilige Unterhaltung setzenden B- und Drive-in-Movies endgültig ab. Dies passte zur gesellschaftlichen Stimmung in den USA, die geprägt war von Misstrauen in die Obrigkeit, blutigen Kriegen wie dem Vietnam-Überfall, sich auf den Straßen formierenden Protesten und dem gewaltsamen Tod außerparlamentarischer Hoffnungsträger.

Waren Zombies zuvor i.d.R. unter Voodoo-Einfluss willenlos gemachte Sklaven, die nicht viel mit den kannibalischen Exzessen verwesender Untoter, wie man sie heute gemeinhin mit dem Begriff Zombie assoziiert, gemein hatten, ließ die britische „Hammer“-Produktion im Jahre 1966 mutmaßlich erstmals einen Zombie optisch effektiv inszeniert aus seinem Grab steigen. Romero und sein Team jedoch waren es, die mit ihrem grimmigen Film den untoten Menschenfresser erschufen. In seiner Retro-Schwarzweißoptik und der orchestralen Archivmusik-Untermalung wirkt es fast, als hätte Romero damit nachträglich seinen eigenen Beitrag zu den klassischen Filmmonstren schaffen wollen – der kannibalistische, von körperlichem Zerfall gezeichnete Zombie neben Vampir, Frankensteins Kreatur, Werwolf etc. Romeros Zombies wurden laut Handlung mutmaßlich durch die durch eine Satellitenexplosion freigesetzte Strahlung zu dem, was sie sind. Und wie sich herausstellen wird, ist ihr Zustand durch Bisse auf lebende Menschen übertragbar und ihr wiederbelebtes Hirn die Achillesferse der Kreaturen, denn die Zerstörung des Gehirns ist quasi die einzige Methode, sich ihrer zu entledigen. Derart charakterisiert lässt sich zwischen den Zeilen die Angst vor außer Kontrolle geratenen Technologien beispielsweise der modernen Kriegsführung ebenso herauslesen wie vor einem Kriegszustand vor der eigenen Haustür, der in Belagerung und Kollateralschäden, letztlich in Tod und Wahnsinn gipfelt.

Romero arbeitet zu Beginn mit einer Art subjektiver Kamera, die den ersten auftauchenden Zombie von hinten filmt und gibt damit den Startschuss für eine sich stets nah am Geschehen orientierende, dynamische Kameraführung, die manch schräge Perspektive bietet und den Zuschauer sogartig ins Unheil mit hineinzieht. Weite Teile des Films bestehen aus der Etablierung des immer klaustrophobischere Züge annehmenden Belagerungszustands. Gut wird dargestellt, wie Barbra unter Schock steht, apathisch und lethargisch kaum in der Lage ist, Ben zu helfen. Dieser wiederum reißt die Verantwortung an sich und lehnt sich verzweifelt gegen die Gefahr auf, ist nicht bereit, sich in sein naheliegendes Schicksal zu fügen. Daraus ergibt sich Identifikationspotential für den Zuschauer, das auch anhält, als durch das Dazustoßen der Familie Cooper zwischenmenschliche Konflikte entstehen und die Situation sich nicht nur dadurch weiter verschärft. Romero agiert also auf mehreren Ebenen und erzeugt unterschiedliche Gefahrenquellen, die „Night of the Living Dead“ mehrschichtig machen und den Spannungsbogen fast über die gesamte Distanz aufrechterhalten. Eine weitere Ebene ist die mediale Berichterstattung, die die Hauptinformationsquelle der Eingeschlossenen wird und die sich ebenfalls immer weiter zuspitzt, immer neue Schreckensmeldungen bereithält. Lange Zeit sieht der Zuschauer die Geschehnisse lediglich aus der Perspektive der sich im Haus befindenden Personen und verfügt über denselben Kenntnisstand wie sie, was erst gegen Ende aufgeweicht wird, wenn die bewaffnete „Bürgerwehr“ ins Spiel kommt, die gezielt Jagd auf die Zombies macht. Dadurch überträgt sich die klaustrophobische Stimmung unweigerlich aufs Publikum.

An Spezialeffekten bietet „Night of the Living Dead“ neben brennenden Zombies explizite Fressszenen, wodurch sich der Film ins Gebiet des Splatterfilms vorwagt und seinerzeit moralische Grenzen von Publikum und Kritik sprengte. Im Finale eskaliert die Situation vollends und fordert viele Opfer, bis man den Zuschauer kurzzeitig in Sicherheit wiegt, um ihm dann ein superzynisches Ende sprichwörtlich vor den Latz zu knallen, das wiederum Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Situation in den USA zulässt.

Romero & Co. schufen mit einfachen Mitteln und erstaunlich gut agierenden, unerfahrenen Schauspielern ein wegweisendes Meisterwerk, das sich tief ins kollektive Bewusstsein eingebrannt hat, woran es null komma nix zu rütteln gibt – auch wenn es einige Jahre dauern sollte, bis „Night of the Living Dead“ die Ehre zuteilwurde, die ihm gebührt und ganz gleich, wie viele Kilo Innereien und Liter Kunstblut spätere Zombiefilmer aufwendeten, um den Schockeffekt zu steigern zu versuchen.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Killer Cop
Gerade als der Drogenfahnder Commissario Rolandi (Claudio Cassinelli) das Zimmer eines Teilnehmers des internationalen Kongresses für naive Kunst in Mailand untersucht, geht in der Hotellobby eine Bombe hoch. Ein junger Mann (Bruno Zanin) hatte noch versucht, den Koffer mit der Bombe zu entfernen, wurde aber vom Portier daran gehindert, wobei er in dem Gerangel seine Brille verlor. Schreiend war er nach draußen gerannt, allgemeine Panik auslösend, konnte aber nicht verhindern, dass der Anschlag viele Tote und Verletzte forderte, darunter auch der von Rolandi verdächtigte Kongressteilnehmer. Da die Toten aus verschiedenen Ländern stammen, wird der als unbestechlich geltende Generalstaatsanwalt Di Federico (Arthur Kennedy) mit der Untersuchung beauftragt, nicht ahnend, dass er innerhalb der Justizbehörde von einem dichten Netz umgeben ist, dass jeden seiner Schritte genau verfolgt. Derweil beobachtete Rolandis Freund und Kollege Luigi Balsamo (Franco Fabrizi) einen verwirrt wirkenden jungen Mann, der in einer Telefonzelle etwas auf eine Zeitung schrieb. Spontan verlässt er die Straßenbahn und liest den Schriftzug unter einem Foto des Bombenattentats "Es war ein Irrtum, Entschuldigung". Er folgt ihm, kann ihn auch einholen, aber der stark kurzsichtige Mann bedroht ihn mit einer Pistole und kann entkommen. Damit wird Balsamo zum wichtigen Zeugen...
„Es ist viel wichtiger, Gehirn zu haben als schnelle Fäuste!“

„Killer Cop“ ist ein wieder einmal mit einem den Originaltitel und damit den Sinn verfälschenden „deutschen“ Namen versehener italienischer Poliziesco, der von Luciano Ercoli („Frauen bis zum Wahnsinn gequält“) im Jahre 1974 gedreht und im Jahr darauf veröffentlicht wurde.

Drogenfahnder Rolandi (Claudio Cassinelli, „Die weiße Göttin der Kannibalen“) durchsucht gerade ein Hotelzimmer, als ein junger Mann in die Lobby stürmt und einen Koffer zu entwenden versucht, in dem sich eine Bombe befindet. Der Portier glaubt ihm kein Wort, hält ihn für einen Dieb und entreißt ihm den Koffer in einer Rangelei. Kurz darauf detoniert der Sprengstoff und fordert viele Tote. Aufgrund der internationalen Relevanz des Falls wird der einen guten Ruf genießende Generalstaatsanwalt Di Federico (Arthur Kennedy, „Hexensabbat“) mit den Ermittlungen betraut, unter steter Beobachtung der Justizbehörde. Der wegen seines Respekts vor Schusswaffen in Misskredit geratene ältere Polizist und Freund Rolandis Luigi Balsamo (Franco Fabrizi, „Das Syndikat“) trifft per Zufall auf den jungen Mann aus der Hotellobby, der nervös eine Art Entschuldigung auf einen Zeitungsartikel zum Thema kritzelt, und verfolgt ihn. Er kann zwar entkommen, wird jedoch fortan von der Polizei gesucht. Balsamo gerät dadurch ins Kreuzfeuer der Hintermänner des Anschlags und Rolandi schaltet sich gegen den Wunsch Di Fredericos in die Untersuchungen ein…

Vor dem realen gesellschaftlichen Hintergrund seinerzeitiger terroristischer Anschläge in Italien schuf Ercoli einen typisch italienischen Kriminalfilm, der mitnichten von einem „Killer Cop“ handelt, sondern vielmehr von der Machtlosigkeit ehrbarer Polizisten angesichts eines korrupten Justizapparats und einflussreicher Strippenzieher im Verborgenen – wie der in etwa mit „Der Polizei sind die Hände gebunden“ übersetzbare Originaltitel „La polizia ha le mani legate“ verdeutlicht. Das tatsächliche Motiv für den Anschlag bleibt lange Zeit komplett im Dunkeln, obwohl von einer Art Verwechslung die Rede ist und man zwei an der Sache beteiligte Freunde des jungen Mannes kennenlernt. Das sorgt für reichlich Verwirrung auf Seiten des Zuschauers, insbesondere, wenn man selbst mit dem Schluss die exakten Hintergründe nicht erfährt. Was davon bewusstes Kalkül der Filmemacher war und was auf erzählerisches Unvermögen zurückzuführen ist, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen. Irritierend wirkt sich zudem aus, dass die scheinbare Hauptrolle plötzlich aus dem Film gemordet wird – und man seitens der Polizei offensichtlich nicht nur von ihr erwartet, auch dann nicht vorerst kleinbeizugeben, wenn man mit einer Pistole bedroht wird.

Unmissverständlich zeigt „Killer Cop“ indes, wie Staatsanwaltschaft und Polizei teilweise gegen- statt miteinander arbeiten. Auch wurden die Charaktere sowohl der Exekutive als auch des kurzsichtigen, drogenabhängigen, nervösen jungen Bombenlegers recht detailliert herausgearbeitet, dargestellt von überzeugenden Schauspielern wie dem leider bei Dreharbeiten zu Sergio Martinos „Paco – Kampfmaschine des Todes“ ums Leben gekommenen Claudio Cassinelli, und trotz allem zieht sich ein angenehm dezenter Humor durch die Handlung. Wenn zum Ende dann nach vielen Hinweisen deutlich wird, weshalb man bei den Ermittlungsarbeiten mehr oder weniger auf der Stelle tritt, wird zumindest dieses Rätsel gelöst. Auf den dramatischen Aspekt um die Liebesaffäre des Kommissars hätte jedoch gern eine stärkere Gewichtung gelegt werden dürfen. Auch hätte man gern gesehen, worüber als finale Pointe lediglich eine Texttafel informiert.

Unterm Strich bleibt aber ein technisch versierter, intelligenter, kein Stück reaktionärer Poliziesco, der trotz seiner stellenweisen erzählerischen Unbedarftheit stets spannend bleibt und ein mulmiges Gefühl zurücklässt – zu dem Stelvio Cipriani einen seiner besten Soundtracks beisteuert.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien
Lisa und Margaret, zwei Studentinnen aus München, verreisen über die Weihnachtsferien mit dem Zug. Als die beiden in Innsbruck umsteigen, landen sie dummerweise im gleichen Abteil wie die Gangster Teppista und Curly und eine reiche Dame, mit der Teppista auf der Bordtoilette Sex gehabt hatte. Die drei entpuppen sich als sadistische Unmenschen, die Lisa und Margaret permanent belästigen und demütigen. Der Horror kulminiert im blutigen Tod Lisas, deren Leiche daraufhin durch's Fenster entsorgt wird. Margaret stirbt beim Sprung aus dem fahrenden Zug. Am Bahnhof von Verona warten derweil Lisas Eltern auf die Ankunft der Mädchen. Doch sie treffen nur zwei Männer in Begleitung einer Dame an, die Lisas Vater um ärztliche Behandlung bitten...
„Sag bloß, du bist noch Jungfrau!?“

Anmerkung: Es ist mir unmöglich, über diesen Film spoilerfrei zu berichten. Im Zweifelsfall bitte nicht weiterlesen.

Nachdem der italienische Regisseur Aldo Lado mit „Malastrana“ und „The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“ ein Horror-Meisterwerk und einen gelungenen Giallo geschaffen hatte (sowie einige weitere Filme, die es anscheinend nie zu einer deutschen Fassung brachten), beackerte er im Jahre 1975 mit „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“ das von Wes Craven mit „The Last House on the Left“ initiierte „Rape'n'Revenge“-Subgenre.

Die Studentinnen Lisa (Laura D'Angelo, „Der tödliche Kreis“) und Margaret (Irene Miracle, „Inferno“) wollen die Weihnachtsferien in Verona verbringen und reisen von München aus mit dem Nachtzug. In Innsbruck müssen sie umsteigen und werden fortan von den Soziopathen Teppista (Flavio Bucci, „Suspiria“) und Curly (Gianfranco De Grassi, „Gunman“) sowie einer mondänen Dame (Macha Méril, „Profondo Rosso“), die zuvor ihre Vergewaltigung durch Teppista auf der Zugtoilette sichtlich genoss und sich daraufhin den Kriminellen anschloss, terrorisiert. Lisa und Margaret müssen sadistische Spiele und Vergewaltigungen über sich ergehen lassen. Lisa verblutet schließlich und Margaret stirbt, als sie sich verzweifelt aus dem Zugfenster wirft. Doch in Verona trifft das Trio auf Lisas Eltern (Marina Berti, „Der Tod trägt schwarzes Leder“ und Enrico Maria Salerno, „Das Syndikat“), die dort die beiden Mädchen abholen wollten...

„Niemand von uns hat Schuld daran! Solche Dinge passieren eben!“

Mit „Rape'n'Revenge“-Filmen ist das so eine Sache. War Cravens von Ingmar Bergmans „Jungfrauenquelle“ inspirierter Genre-Pionier ein nihilistischer Schocker, der auf beunruhigende Weise menschliches Gewaltpotential verdeutlichte und moralische Fragen stellte, und ist es auch nicht uninteressant, wie z.B. in „I Spit on Your Grave“ eine Frau in der Rolle der Rächerin zu sehen, so können einfache Nachzügler und Plagiate schnell recht unoriginell wirken und unter ihrer Vorhersehbarkeit leiden. Zudem fallen diese Filme oft den Vorwürfen anheim, niedere Instinkte zu bedienen und Misshandlungen/Vergewaltigungen exploitativ auszuschlachten. Aldo Lado orientiert sich zwar recht eng an Cravens Original, versucht sich jedoch, zwischen eben beschriebene Gefahren hindurchzuschlängeln. In Deutschland zu Bildern bundesrepublikanischer Einkaufsstraßen zur Weihnachtszeit beginnend, mischt Lado die beiden rüpelhaften Verbrecher auf ihrer Flucht vor der Polizei unter Bahnreisende in einem gut besetzten Zug, in dem sich auch die beiden Protagonistinnen neben einer ganzen Reihe anderer Reisender befinden, von denen eine Menge grob skizziert werden – unabhängig davon, welche Bedeutung sie für den weiteren Verlauf haben werden.

Teppista und Curly werden von Flavio Bucci und Gianfranco De Grassi sehr charakteristisch und nicht unglaubwürdig verkörpert. Teppista ist ein schmieriger, notgeiler Typ, der gern Frauen erniedrigt, Curly ein Junkie mit irrem Blick. Der besondere Coup des Drehbuchs ist jedoch die von Macha Méril gespielte namenlose Frau, dich sich nach außen hin vornehm und elegant gibt, in deren Inneren es vor schmutzigen sadistischen Phantasien jedoch nur so zu brodeln scheint. Im Gegensatz zu den beiden „Herren“ sieht man ihr ihre Verruchtheit nicht an, dabei ist es sie, die den Sadismus der beiden in Bahnen lenkt und auf die Studentinnen fokussiert. Sie gibt die Anweisungen, die ausgeführt werden, macht sich jedoch nicht selbst die Finger schmutzig. Damit hat „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“ sein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Vorbild und weiß auch, damit umzugehen. Während der nächtlichen Bahnfahrt entsteht eine Art klaustrophobischer Kammerspiel-Atmosphäre, ein Gefühl der Ausgeliefertheit und der Nichtexistenz moralischer Grenzen auf Seiten der Peiniger. Als erschreckendes Beispiel für bürgerlichen Opportunismus wird schließlich ein weiterer Passagier (Franco Fabrizi, „Killer Cop“) eingeführt, der zunächst heimlich die Misshandlungen beobachtet, nach seiner Entdeckung jedoch anscheinend dankbar der Aufforderung zur Vergewaltigung Folge leistet, um sich anschließend schnell wieder aus dem Staub zu machen, ohne weitere Schritte einzuleiten. Die Quälereien der Mädchen werden gegengeschnitten mit Bildern der gutbürgerlichen Weihnachtsfeier von Lisas Familie, die auf leider recht plumpe Weise zu wohlhabenden Gutmenschen stilisiert wird.

Das Finale fällt nach langem Verharren in einer für den Zuschauer unerträglichen Situation, in der Lisas Familie nicht ahnt, dass die Mädchen tot sind und dass ihre Mörder ihnen gegenübersitzen, genretypisch brutal und konsequent aus, lässt als entscheidenden Kniff jedoch die vermeintlich feine Dame überleben, die weder als Mittäterin erkannt noch enttarnt wird und zu allem Überfluss auch noch die weinende Mutter tröstet. Diese besonders fiese Pointe lässt das Publikum mit seinen nun also nicht komplett befriedigten Rachegelüsten allein zurück und erklärt, dass sich das Böse nur gut genug zu kaschieren braucht, um ungeschoren davon zu kommen. Davon, dass Lado in möglichst wenig ausschlachterischer, effekthascherischer Weise dieses Ziel erreichen wollte, darf durchaus ausgegangen werden, denn er verzichtete der Thematik zum Trotz komplett auf Nacktheit seiner Schauspieler und überließ den Großteil der Misshandlungen der Mädchen dem Dunkel oder dem Off respektive der Phantasie es Zuschauers, explizite Visualisierungen der Verbrechen sucht man vergebens. Erst als es den Tätern an die Kragen geht, wird Lado grafisch offensiver.

Nach dem sehr schwülstigen und erneut recht plump die Handlung kontrastieren sollenden Titellied entpuppt sich Ennio Morricones Mundharmonika-Soundtrack als ein Höhepunkt des Films und kitzelt in vielen Momenten erst so richtig die gewünschte Stimmung heraus. Glanzpunkten wie diesen steht jedoch eine zeitweise etwas behäbige Erzählweise gegenüber, die nicht ohne Streckszenen auskommt. Nichtsdestotrotz ein wirklich guter Vertreter seiner Zunft, der sich auf interessante Weise zwischen Anspruch und Konvention bewegt, berührt und, wie ich gerade feststelle, länger nachwirkt, als zunächst vermutet.
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Gewalt rast durch die Stadt
Rom hat mehr Gesichter als Touristen glauben. Die Polizei ist machtlos gegen brutale Gangster-Banden, die die Stadt terrorisieren. Doch ein Mann stellt sich der Herausforderung. Polizei-Kommissar Berti führt einen gnadenlosen Kampf gegen die Kriminellen. Für ihn zählt nur Gewalt gegen Gewalt...
„Allerdings sollte man auch hier mit der nötigen Brutalität zurückschlagen.“

1975 war es dann endgültig soweit und der Ruf Dirty Harrys wurde in Italien erhört. Regisseur Marino Girolami („Zombies unter Kannibalen“) drehte mit „Gewalt rast durch die Stadt“ den ersten wirklichen einer ganzen Reihe von kompromisslosen Selbstjustizstreifen im Poliziesco-Genre und etablierte mit Maurizio Merli, der hier eine erste Hauptrolle als skrupelloser Kommissar bekleidet, einen Genre-Star.

Rom ächzt unter einer Welle von Gewalt, ausgelöst von eiskalten Gangstern, die ein Menschenleben nach dem anderen auslöschen und offensichtlich durch die Justiz kaum Repressalien zu fürchten haben. Kommissar Betti, berüchtigt für seine harte Linie, stellt sich der zunehmenden Gewalt entgegen und eckt mit seinen vom Gesetz nicht abgedeckten Methoden kräftig an, bis er schließlich suspendiert wird. Daraufhin schließt er sich einer Bürgerwehr, bestehend aus gutsituierten Mitgliedern der gehobenen Gesellschaft Roms, an und geht weiter auf Verbrecherjagd, bekämpft Feuer mit Feuer.

Selbstjustiz war schon häufig Thema in italienischen Polizei-, Gangster- und Mafia-Filmen, doch wurde sie meist durchaus differenziert betrachtet und richtete sich gegen einflussreiche Kräfte, denen auf normalem Wege kaum beizukommen war oder gegen einzelne, besonders skrupellose Täter, die wie wahnsinnig eine einzige Blutspur hinter sich herzogen. In „Gewalt rast durch die Stadt“ jedoch geht es nun erstmals den „kleinen Fischen“ an den Kragen, die im gesamten Film vollkommen undifferenziert keinerlei Charakterisierung außer der als schießwütige Soziopathen erfahren. Ihnen entgegen stellt sich mit Kommissar Betti ein wahrer Hooligan im Filzmantel, der nach der Prämisse „erst schießen, dann fragen“ vorgeht und sie reihenweise über den Haufen knallt. In sehr hohem Tempo wird recht zusammenhanglos Episode an Episode aneinandergereiht, die einzig das Ziel haben, neues Futter für Action-Szenen voller Verfolgungsjagden in italienischen Kleinwagen, wüsten Prügeleien und tödlichen Schusswechseln zu liefern. Wer glaubt, mit Bettis Konfrontation mit der Bürgerwehr würde der Film eine kritische Wendung erfahren, irrt: Betti stürzt sich mit Haut und Haaren ins Geschehen und hat sichtlich Freude daran, kleine Ganoven zu misshandeln und auch außerhalb von Notwehr-Situationen an Ort und Stelle hinzurichten. Dabei sieht er mit seinem blonden Scheitel und seiner Rotzbremse auch noch aus wie der geborene Unsympath und beschränkt sich mimisch auf ein absolutes Minimum. Doch anstatt die äußerst fragwürdigen Umstände einer das Gesetz selbst in die Hand nehmenden, elitären Vereinigung selbsternannter Richter und Henker kritisch zu beäugen, scheint der Film Applaus zu klatschen und bedient in seiner stumpfen, plumpen Primitivität reaktionäre Stammtischklientel, rechte Rattenfänger und faschistoide Bestrebungen nach der „starken Hand“, die „kräftig durchgreifen müsse“, glorifiziert Polizeigewalt und lässt jegliche ethische Distanz vermissen. Eine tiefergehende Analyse der Gewalteskalation auf den Straßen Roms bleibt komplett aus und wäre der Film vermutlich auch gar nicht in der Lage zu bieten gewesen. Dass sich der Streifen dabei absolut ernst nimmt und präsentiert, verhindert jegliche Möglichkeit ironischer Brechung des Gezeigten. Das nachdenkliche Ende hinsichtlich der entfachten Gewaltspirale wirkt aufgesetzt und wie ein halbherzig angeheftetes Alibi.

Es kann nur gemutmaßt werden, wie viele autoritätsgeile Gewalttäter sich berufen fühlten, in den Polizeidienst zu gehen und tatsächliche oder vermeintliche Delinquenten zu misshandeln, legitimiert durch die von Filmen wie „Gewalt rast durch die Stadt“ aufgegriffene, unreflektiert wiedergegebene und dadurch weiter angeheizte Stimmung. Autoritätsmissbrauch und Polizeigewalt sind schwerwiegende gesellschaftliche Probleme, gerade auch in Italien, auch heutzutage. Statt sich kritisch damit auseinanderzusetzen, redet Girolamis Film dem Lynchmob nach dem Mund. Technisch ist Girolami davon, was das Genre bisher zu bieten hatte, ein gutes Stück entfernt, einige gewitzte Kamerakniffe täuschen nicht über den zur „Story“ passenden schlicht gehaltenen Stil hinweg, namhafte Darsteller wie Richard Conte („Tödlicher Hass“), Ray Lovelock („Oben ohne, unten Jeans“) oder John Steiner („Tödliche Schlagzeilen“) sichern zumindest ein gewisses schauspielerisches Niveau, doch selbst die Musik der De-Angelis-Brüder fiel eher mittelmäßig aus. Girolami begrub hiermit die Intelligenz, die z. B. ein als stilbildend geltender „Das Syndikat“ vorgegeben hatte. Da ich ihm jedoch nicht vorwerfen möchte, mit diesem auf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnittenen Machwerk bewusst Politik betrieben haben zu wollen, gebe ich faire 3 von 10 Schnäuzerzuckungen statt der für auf Leinwand gebannte reaktionäre Propaganda obligatorischen 1 von 10 Pünktchen.
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Der Vernichter
Die berüchtigte "Conti Gang" kidnappt den Sohn eines Mailänder Großindustriellen. Ein Privatdetektiv, Der CONTI auf die Spur kommt, wird ermordet aufgefunden. Sein gerissener Bruder RAMBO - ein wilder Motorradfreak, Schwarzes Schaf und Wunderkind - setzt sich im Auftrag der Kripo auf die Fährte der Gangster. Gegen die Übermacht benutzt er einen raffinierten Trick: 5 Millionen Lösegeld stehen im Feuer. Das riecht weit und sticht auch dem mächtigen Mafiaboss MATERNO, dem Erzrivalen von CONTI, in die Nase. RAMBO spielt die beiden gegeinander aus. Ein mörderischer Privatkrieg ohne Beispiel bricht los...
„Ich latsche niemandem auf die Füße und hoffe, dass mir niemand auf die Füße latscht.“ (Rambo: Leben und leben lassen – doch wehe, wenn er losgelassen…)

Nach seinem fulminanten „Der Berserker“ drehte Italo-Regisseur Umberto Lenzi mit dem im Jahre 1975 veröffentlichten „Der Vernichter“ alias „Flash Solo“ einen weiteren Poliziesco mit Tomas Milian in der Hauptrolle, der diesmal jedoch als Identifikationsfigur für den Zuschauer fungiert. Der Genrebegriff muss hier indes weitgefasst werden, denn es steht keine Polizeiarbeit im Vordergrund, sondern der Privatfeldzug eines Mannes gegen mörderische Mafia-Strukturen:

Der einzelgängerische Biker Rambo (Tomas Milian) kehrt in die Stadt zu seinem alten Freund Pino (Mario Piave, „Der Berserker“) zurück. Dieser ist der mafiösen Conti-Gang auf der Spur, die den Sohn eines Mailänder Großindustriellen entführt hat und Unsummen an Lösegeld zu erpressen versucht – doch seine Ermittlungen muss er bald mit dem Leben bezahlen. Voller Wut, dennoch überlegt und gerissen macht es Rambo sich zum Auftrag, seinen Freund zu rächen, das unschuldige Kind zu befreien und im gleichen Abwasch zwei verfeindete Mafia-Clans gegeneinander auszuspielen.

„Für mich gibt’s nur ein Gesetz – nämlich meins!“

Tomas Milian sieht mit seinem Bart wesentlich älter aus als zuvor in „Der Berserker“ und spielt in diesem actionreichen Polizei-/Gangsterfilm einen schnoddrigen, verwegenen Outlaw, immer einen frechen Spruch auf den Lippen, doch konsequent und knallhart, wenn es ums Ganze geht. Damit ist er die Antithese zu Pino, einem wesentlich sanfterem Gemüt, der Anerkennung durch seine Tätigkeit für einen privaten Sicherheitsdient sucht. Wieder einmal sind die Entführungen von Kindern reicher Eltern Gegenstand der Handlung, ansonsten erinnert der Film grundsätzlich an klassische Italo-Western bzw. an den Eastern-Klassiker „Yojimbo – Der Leibwächter“, der Pate stand für „Für eine Handvoll Dollar“ und Konsorten. So ist „Der Vernichter“ in der Tradition dieser Filme zu betrachten, weniger als die Realität nachzeichnender Einblick in die Polizeiarbeit oder die italienische Mafia. Das Resultat ist ein kurzweiliger Action-Film, der möglicherweise vorwegnahm, was gerade ab den 1980ern die US-Amerikaner in Sachen „One Man Army“-Actionfilmen produzieren sollten, in denen sich ein abgebrühter, mit allen Wassern gewaschener Einzelkämpfer einer Übermacht entgegenstellt und in der Regel als Sieger aus den Auseinandersetzungen hervorgeht. So war Milians Rollenname angeblich auch beeinflusst vom Roman „First Blood“, der später zum ersten „Rambo“-Film mit Sylvester Stallone verfilmt wurde. Der Abzug sitzt hier bei allen ziemlich locker, neben den obligatorischen Verfolgungsjagden bekommt man großangelegte Schießereien und viele Tote zu einem funkigen Bläser-/Flöten-Soundtrack geboten. Diverse fiese Gangstervisagen geben sich die Klinke in die Hand, Schauspieler wie Luciano Catenacci („Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“), Joseph Cotten („Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes“) und Adolfo Lastretti („Spasmo“) beweisen jede Menge Charisma und dem wandlungsfähigen Milian scheint seine Rolle einmal mehr wie auf den Leib geschneidert. Einige interessante Ideen verfeinern die rasante und spannend erzählte Geschichte zusätzlich und sorgen für manch Überraschung.

Soziale Fragen werden weitestgehend ausgeklammert und werden nicht sonderlich vermisst, da die wohlhabende, um ihren Sohn bangende Familie zwar nicht tiefergehend beleuchtet wird, sich jedoch unzweifelhaft in der moralisch integereren Position gegenüber den skrupellosen Mafia-Clans befindet. Angenehmerweise spielt die Intelligenz des verschlagenen Rambos, der stets einen Schritt voraus denkt und sich auch neuen Situationen blitzschnell anzupassen vermag, eine neben den Schieß- und Prügelkünsten ebenfalls nicht zu verachtende Rolle, so dass die Intelligenz des Zuschauers nicht beleidigt wird. Ein rundum gelungener, toll besetzter und stilsicher abgedrehter Action-Reißer aus dem Poliziesco-Umfeld, der auch heute noch prima funktioniert und kurzweilige Zerstreuung bietet, ohne ein gewisses Niveau zu unterschreiten.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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