bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Zeit der Wölfe
In unseren Träumen liegen Furcht und Sehnsucht, Grausamkeit und Zärtlichkeit, Erlebtes und Fantasie bekanntlich nicht weit voneinander entfernt. Auch bei der 14-jährigen Rosaleen vermischen sich, angeregt durch die Märchenerzählungen ihrer Großmutter, Hoffnungen, Wünsche und Ängste zu einer ebenso faszinierenden wie bedrohlichen Traum-Realität.Unvermittelt findet sich Rosaleen in der mittelalterlichen Märchenwelt ihrer Großmutter wieder, wo abseits des Ortes tief im Wald die Bedrohung durch den Wolf, genauer durch den Werwolf, lauert - nicht umsonst wurde das Mädchen stets vor Männern mit zusammengewachsenen Augenbrauen gewarnt. Und tatsächlich begegnet Rosaleen kurz darauf in einer Traum-Episode auf dem Weg zur entlegenen Kate der Großmutter einem schönen Fremden, der sich nur wenig später als der grausame Mörder der alten Dame entpuppt und sich vor Rosaleens Augen in einen Wolf verwandelt ...
„Altweibergeschichten! Hinterwäldlerischer Aberglaube!“

Das Fantasy-/Horror-Märchen „Zeit der Wölfe“ des irischen Regisseurs Neil Jordan, entstanden im Jahre 1984 in britisch-US-amerikanischer Koproduktion, basiert auf den Kurzgeschichten „Der Werwolf“ und „Die Gesellschaft der Wölfe“ der britischen Autorin Angela Carter, die sich auch am Drehbuch beteiligte. Es war nach „Angel - Straße der Angst“ Jordans zweite Regiearbeit.

Die Heranwachsende Rosaleen (Sarah Patterson, „Schneewittchen“) träumt sich in eine mittelalterliche Märchenwelt, in der ihr ihre Großmutter (Angela Lansbury, „Mord ist ihr Hobby“) fantastische Geschichten von Wolfsmenschen erzählt und sie vor Männern mit zusammengewachsenen Augenbrauen warnt. Und tatsächlich begegnet sie derartigen Wesen und gerät in Gefahr…

Das Grimm’sche Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf wird gern als Allegorie auf das Erwachen der weiblichen Sexualität interpretiert: Das Rotkäppchen als jungfräuliches Mädchen, der Wolf als Verführer. Einen ganz ähnlichen Weg schlägt Jordans auf mehreren Ebenen erzähltes Grusel-Fantasy-Märchen ein, das ab einen bestimmten Zeitpunkt die Erzählung vom Rotkäppchen aufgreift und auf eine eigene Weise interpretiert. Dramaturgisch eher leise führt Jordans Film durch seine verträumten, märchenhaften Kulissen, bis eine wirklich gut umgesetzte Häutungs-/Verwandlungsszene ein erstes tricktechnisches Ausrufezeichen setzt und den Film ein Stück weit in den Horrorbereich verlagert. Bis zur nächsten Wolfs-Action vergeht dann allerdings eine ganze Weile, effektkünstlerisch naiv ging man hier zu Werke und zog Hunden Kostüme an. Weitere Spezialeffekte muten auch eher eigenartig an: Da entledigt sich ein Wolfsmensch des Kopfes der Oma per Handkantenschlag und das Greisenhaupt zerschellt wie Porzellan. Lange Zeit bleibt die Handlung nur lose zusammenhängend, dabei optisch stets interessant genug, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Erst im letzten Drittel wird die Rotkäppchen-Geschichte aufgegriffen und geschickt variiert. Die Verwandlungsszene am Ende fiel indes etwas unbeweglich aus, dafür bereiten Wölfe mit leuchtenden Augen ein gewisses Unbehagen. Es folgt eine sehr schöne, quasi neue und erneut nur lose mit den vorausgegangenen Ereignissen verflochtene Geschichte einer verwundeten Wölfin, die nichts Böses wollte. Die eigentliche Pointe des Films passt ebenfalls prima, wird hier aber natürlich nicht verraten.

Ja, psychologisch lässt sich an „Zeit der Wölfe“ und seinen Freud’schen Bildern viel in Bezug auf das Heranreifen der weiblichen Sexualität heruminterpretieren, alternativ lässt man schlicht die weltliche Logik weitestgehend hinter sich gelassen habenden Bilder auf sich wirken und genießt einen bestimmt nicht rundherum perfekten Film, der jedoch durch seine einzigartige Mischung aus klassischer Märchenverfilmung, Fantasy-Stimmung, Horrorbildern und interessanter Kontextsetzung bekannter Erzählungen und Metaphern aufmerken lässt und aufgeschlossenen Freunden des phantastischen Films durchaus empfohlen sei – nicht zuletzt dank überzeugender schauspielerischer Leistungen der kleinen Sarah Patterson und der für ihre Rolle prädestinierten Angela Lansbury.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Dream Demon
Eine junge Frau aus gutem englischen Hause, die kurz vor ihrer Hochzeit steht, leidet unter grausam-bizarren Visionen und Träumen. Fest entschlossen sich nicht davon gefangennehmen zu lassen, versucht sie dagegen anzukämpfen, doch schon bald scheinen Realität und Traum zu verschmelzen...
„Es ist nur ein Traum!“

„Dream Demon“ ist eine britische Horror-Produktion aus dem Jahre 1988, für die man US-Regisseur Harley Cokeliss („Black Moon“) verpflichtete. Es wurde sein letzter Spielfilm, bevor er ins Fantasy-Fernsehserien-Geschäft einstieg.

Die gutbürgerliche Diana (Spielfilmdebüt für Jemma Redgrave, „Diana: Her True Story“) ist im Begriff, einen vermögenden Falklandkriegs“helden“ zu ehelichen. Doch während dieser als Militärpilot die meiste Zeit außer Haus ist, erleidet sie im gemeinsamen Londoner Domizil furchtbare Alpträume und bizarre Visionen; zudem hat sie ständig zwei widerliche Paparazzi (Timothy Spall, „Gothic“ und Jimmy Nail, „Das Tier II“) im Genick, die ihre Privatsphäre wenig achten. Während sie von den beiden belästigt wird, lernt sie die punkige Jenny (Kathleen Wilhoite, „Witchboard - Die Hexenfalle“) kennen und freundet sich mit ihr an. Jenny verbindet irgendetwas mit dem Haus, kann aber noch nicht zuordnen, was genau es ist. Sie scheint aber der Schlüssel zu einem düsteren Geheimnis zu sein, das für die geplagte Diana die Realitäts- und Traumebenen immer mehr miteinander zu vermischen scheint…

„Dream Demon“ entführt den Zuschauer direkt zu Beginn auf eine geplatzte Hochzeit Dianas mit ihrem machohaften, unsympathischen Veteranen und präsentiert eine überraschende, splatterige Enthauptungsszene. Natürlich entpuppt sich alles als Alptraum Dianas, doch der Einstieg ist gelungen. Cokeliss arbeitet mit einigen ungewöhnlichen Kameraperspektiven und auffallend distanzlosen Gesichtszooms. Die Übergänge in die Alptraumsequenzen erinnern an die seinerzeit populäre „A Nightmare On Elm Street“-Reihe, Dianas Visionen schaffen Raum für surreales, gruseliges Ambiente und greifen einige klassische Motive auf. Manch gut umgesetzte Spezialeffekte wissen zu gefallen und machen „Dream Demon“ zwischenzeitlich immer mal wieder zu einer im positiven Sinne etwas unappetitlichen und blutigen Angelegenheit. Untermalt werden die Bilder von einem zweckmäßigen Synthie-Pop/Sakral-Choral-Crossover-Soundtrack.

Das ist vielleicht alles nicht sonderlich originell, gehört aber zu den positiven, unterhaltsamen Seiten des Films. Als irritierender und die stellenweise geglückte Gruselatmosphäre torpedierend erweisen sich die Paparazzi, von denen insbesondere der Fotograf bemerkenswert unverschämt vorgeht, die jedoch beide schnell zu Comic-Reliefs werden und „Dream Demon“ mit unpassendem Humor versehen. Mit der Nachvollziehbarkeit hat man es dann auch nicht so, so lässt Diana beispielsweise trotz üppig ausgestatteter Luxusbude und fortwährender Verfolgung durch eben Genannte anscheinend ständig die Tür offen, so dass jedermann einfach hineinstiefeln kann. Ab einem gewissen Punkt wirft man dann folgerichtig sämtliche Logik über Bord und konstruiert einen „Buh!“-Effekt nach dem anderen, um schließlich irgendwie auf des Rätsels „Lösung“ zuzuschlingern – die sich jedoch auch nicht in Gänze erschließt. Die eingestreuten Rückblenden lassen zunächst auf (angedeuteten) Kindesmissbrauch schließen, dabei will jedoch ein Familienvater lediglich eine Steinstatue erstellen!? Höchst eigenartig. Und wird da in „Dream Demon“ etwa tatsächlich die „Kein Sex vor der Ehe“-Doktrin propagiert…?

Fazit: Ambitioniertes, tricktechnisch gar nicht mal schlechtes, letztlich in Bezug auf die Handlung jedoch leider ziemlich vermurkstes, biederes Stück ‘80er-Video-Geschichte, durchschnittlich geschauspielert und kaum Akzente setzend. Dann doch lieber die echten Freddy-Krueger-Filme oder gelungeneres von Wes Cravens Filmreihe inspiriertes Genrefutter á la „Mary Lou“.
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Sieben
Der ständige Regen, all die Menschen und selbstverständich die ganzen Toten: Detective Lieutenant Somerset (Morgan Freeman) hat den Glauben an das Gute in der Welt schon vor Jahren verloren. Alleine in seiner Wohnung lebend und kurz vor der wohlverdienten Pensionierung stehend, ist es ein Metronom, welches ihm dabei hilft, abzuschalten und Schlaf zu finden. Doch seine letzte Arbeitswoche bringt den Ermittler nicht nur mit dem impulsiven Detective Mills (Brad Pitt) zusammen, welcher ausdrücklich auf den Posten versetzt werden wollte. Am Montagmorgen beginnt ihr Fall mit einem schier unfassbaren Opfer: Ein enorm übergewichtiger Mann wird tot in seiner Wohnung gefunden. Es scheint, als hätte er sich tatsächlich zu Tode gegessen. Somerset ist davon überzeugt, dass dieser Mord erst der Anfang ist, findet allerdings kaum Fürsprecher. Und so wird am Dienstag ein Opfer der High Society aufgefunden, in blutigen Lettern ist das Wort Geiz auf den Teppich geschrieben. Zudem begibt sich Somerset durch neue Hinweise nochmals an den Tatort vom Montag. Dort entdeckt er das Wort Völlerei und einen Zettel versteckt hinter dem Kühlschrank. Somerset scheint mit seiner Serienmörder-Theorie recht zu behalten. Es gibt also nur eine Frage: Sind die Polizisten gut genug, um den Killer zu stoppen, ehe er alle sieben Sünden "bestraft" hat? Aber können die beiden ungleichen Typen Mills und Sumerset überhaupt gemeinsam arbeiten?
„Wenn die Leute einem zuhören sollen, reicht es nicht, ihnen einfach auf die Schulter zu tippen. Man muss sie mit einem Vorschlaghammer treffen. Erst dann können Sie sich ihrer Aufmerksamkeit gewiss sein.“

Nach seinem Regie-Debüt „Alien³“ war der Psycho-Thriller „Sieben“ aus dem Jahre 1995 gefühlt US-Regisseur David Finchers eigentliches Debüt, da er mit ihm an kein Franchise wie noch bei der „Alien“-Fortsetzung gebunden war. Das Drehbuch stammt aus der Feder Andrew Kevin Walkers („8 mm“).

In einer US-amerikanischen Großstadt treibt ein Serienmörder (Kevin Spacey, „Die Jury“) sein Unwesen, der seine Opfer anhand der „sieben Todsünden“ aus der katholischen Theologie aussucht und seine Morde thematisch passend inszeniert. Ausgerechnet in seiner letzten Arbeitswoche bekommt es der Kurz vor der Pensionierung stehende Detective Lieutenant Somerset (Morgan Freeman, „Die Verurteilten“) nicht nur mit diesem Fall zu tun, sondern auch mit dem Nachwuchs-Detective Mills (Brad Pitt, „Die Todesparty 2“), der charakterlich das genaue Gegenteil von Somerset zu sein scheint…

Mit „Sieben“ setzte Fincher eine überdeutliche Duftmarke in die Thriller-Landschaft, worauf bereits der extrem durchästhetisierte Vorspann hinweist. Fincher hat ein nahezu perfektes Gespür für düstere Bilder und inszeniert für seinen Film eine nicht namentlich genannte Großstadt (die laut Walker von New York inspiriert wurde, gedreht wurde jedoch in Los Angeles) als urbanen Alptraum, in dem es permanent regnet und sich die Menschen gegenseitig fremd sind, sie in der Anonymität vor sich hinvegetieren – oder böse Pläne aushecken. Nahezu jede Einstellung scheint durchkomponiert, ohne damit aufdringlich oder verkünstelt zu wirken. In seiner inhaltlich unheimlich fiesen Geschichte hat beinahe jeder einzelne Dialog Gewicht und wird wenig dem Zufall überlassen. Fincher gelingt es, erzählerisch geschickt die Konzentration des Zuschauers zu binden und ihm die nicht ganz unkomplexe Handlung auf hoch spannende Weise nahezubringen. Bizarre, eindringliche Bilder der Tatorte, beginnend mit unappetitlichen Aufnahmen eines extrem Adipösen, fallen äußerst erinnerungswürdig aus und wie Fincher diese schrecklichen bis verstörenden Impressionen (erstklassige Make-up-Arbeiten!) präsentiert, ist die Definition von wohldosiert. Die eigentlichen Morde bekommt man dabei nicht zu Gesicht; es sind die Resultate mit ihren drapierten Leichen und die polizeilichen bzw. gerichtsmedizinischen Ermittlungsergebnisse, die eine sehr plastische Vorstellung davon liefern, was genau geschehen sein muss – psychologischer Horror vom Feinsten. Und in Form einen krassen Schockmoments, als ein vermeintliches Mordopfer sich als doch noch lebendig herausstellt, setzt man noch einen drauf. Zu jedem entdeckten Mord ertönt eine andere Hintergrundmusik, unterschiedliche Stile finden Verwendung, doch allen gemein ist die Ohnmacht der Polizei, die sich als Marionetten im Spiel des Mörders entpuppen, der ihnen stets einen oder gleich mehrere Schritte voraus ist und sie an der Nase herumführt. Er gibt sich das Allerweltspseudonym „John Doe“, das für eine nicht identifizierte Person steht, und wird bewusst kaum charakterisiert. Bis zum Schluss könnte er quasi jeder sein. Dadurch unterscheidet sich „Sieben“ von anderen Thrillern um psychopathologische Killer, erinnert jedoch hier und da ein wenig an „Das Schweigen der Lämmer“. Vielmehr dürfte „Sieben“ jedoch Inspiration für andere Filmemacher gewesen sein. Neben Thriller-Kost fallen mir spontan die „Saw“-Fortsetzungen ein, in denen sich ebenfalls jemand zur moralischen Instanz erhebt und „sündhaftes“ Leben bestraft.

Zurück zum Film: Seitens der polizeilichen Ermittler konstruiert man einen interessanten Kontrast zwischen dem aufstrebenden, machohaften Jüngling mit bezaubernder Ehefrau (Gwyneth Paltrow, „Hook“) und dem alleinstehenden, schwermütigen, alternden, aber hoch professionell arbeitenden Cop, die an ihre Grenzen stoßen, ohne ihre Zusammenarbeit jedoch vermutlich völlig auf der Stelle treten würden. Doch aller charakterlichen Entwicklung beider zum Trotz bleibt das Verhältnis des Zuschauers zu ihnen distanziert, ist eine wirklich starke emotionale Bindung zu niemanden möglich. Sympathieträger ja, Identifikationsfiguren eher nein, denn dafür müsste man sich entscheiden zwischen hochmütigem Eifer und betrübter Ernüchterung – während der Film indes alles dafür tut, letztere nachvollziehbar zu machen. Das perfekt konzipierte, unvorhersehbare Finale dreht die Spannungsschraube fast bis zur Materialermüdung, untermauert die Überlegenheit Does und arbeitet die zutiefst verständlichen, weil menschlich-instinktiven Schwächen vor allem Mills' heraus. Gleichzeitig verdeutlicht es die perfide Logik des Terrors, die das Verhalten von Menschen in Extremsituationen eiskalt berechnend einkalkuliert. Inszenatorisch beweist Fincher einmal mehr sein großes Talent, indem er den Zuschauer fast Glauben macht, selbst in den berüchtigten Karton hineingeschaut zu haben.

„Sieben“ ist hochkarätig besetzt mit Schauspielern, die ihre Rollen studieren und maßgeschneidert vor laufender Kamera nachleben; auch Brad Pitt, den manch einer eventuell zunächst für überfordert gehalten haben könnte, liefert letztlich eine einwandfreie Leistung. Finchers Stil bleibt trotz von der Stadt ins Wüstenumland wechselnden Drehorten konsequent bitter-schaurig und ungemütlich und wurde nicht zuletzt dadurch zu einem Meilenstein des Thriller-Genres, innerhalb dessen er sich jedoch strenggenommen ausschließlich bewegt, an dessen Grenzen er kratzt, provoziert und überrascht, sie jedoch nicht überschreitet, u.a. indem er die oben beschriebene Distanz wahrt. Das mulmige Gefühl, was sich so alles hinter Großstadtwohnungstüren abspielen könnte, nimmt der Zuschauer jedoch zweifelsohne mit und in Kombination mit manch bösem Bild dieses Films vielleicht sogar ein Leben lang.
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Racket
Die Mafia erpresst Schutzgeld, ihre Methoden werden immer skrupelloser und brutaler. Unmöglich ihnen mit legalen Methoden das Handwerk zu legen, entscheidet sich Inspektor Nico Palmieri (Fabio Testi) die vormals Unterdrückten zu einer schlagkräftigen Einsatzgruppe aufzurüsten um gemeinsam mit ihnen die Gangster ein für alle Mal zu erledigen.
„Nur gemeinsam können wir die Brut erledigen!“

Nachdem der italienische Regisseur Enzo G. Castellari („The Riffs“), der sich mit seinen Western, vor allem aber mit seinen Actionfilmen einen Namen gemacht hat, u.a. mit Filmen wie „Ein Mann schlägt zurück“ und „Tote Zeugen singen nicht“ das Poliziesco-Genre bedient und dafür mit Franco Nero zusammengearbeitet hatte, drehte er im Jahre 1976 mit „Racket“ einen weiteren Selbstjustiz-Poliziesco, diesmal mit Fabio Testi („Das Geheimnis der grünen Stecknadel“) in der Hauptrolle.

Ein sog. „Racket“, ein Ring skrupelloser Schutzgelderpesser, hält Rom in Atem und presst kleine Geschäftsleute aus wie Zitronen. Die Verbrecher gehen dabei immer dreister vor und sogar sprichwörtlich über Leichen – kein Wunder, wenn die Polizei wenig motiviert scheint, konsequent gegen die Übeltäter vorzugehen und spätestens gewiefte Anwälte ihre Mandanten im Falle von Verhaftungen wieder freiboxen. Inspektor Palmieri (Fabio Testi) ist es leid, tatenlos zusehen zu müssen und nutzt seine Suspendierung vom Dienst dafür, unter den Opfern des Rackets Mitglieder für seine zu allem entschlossene Privatarmee zu rekrutieren, um den Gangstern endgültig den Garaus zu machen…

„Racket“ ist natürlich nicht der erste Vertreter eines Genrefilms, in dem ein Bulle das Gesetz selbst in die Hand nimmt, weil man ihm – aus welchen Gründen auch immer – von behördlicher Seite Steine in den Weg legt. Reaktionäre Beispiele bemängeln die Gesetzeslage und sehnen sich nach „Law & Order“-Sheriffs in Wild-West-Manier, intelligentere Exemplare betreiben tiefergehende Ursachenforschung, spüren manch Komplott auf und legen sich mit den großen Fischen an. Manche dieser Filme erscheinen angesichts eines anscheinend verbrieften Rekordhochs in Sachen Verbrechen im Italien der 1970er emotional und wütend, wie aus dem Bauch heraus gedreht, andere gehen wohlüberlegt vor und sensibilisieren den Zuschauer für Ungerechtigkeiten im Verborgenen, einige geben Antworten auf Fragen, andere werfen erst Fragen auf. Und natürlich gibt es auch diejenigen Filme, bei denen die Handlung zur Nebensache gerät und die auf Schauwerte wie auch krachende Action setzen und/oder die ihre Geschichte comichaft überzeichnen, bis kaum noch Parallelen zur Realität zu ziehen sind.

So ein bisschen eine Mischung aus allem, in erster Linie aber ein Muster für letztgenannte Erscheinungsform des Selbstjustiz-Poliziescos ist „Racket“, mit dem Castellari sein Talent für unterhaltsame Actionkost unter Beweis stellt, indem er Schönling Fabio Testi als aufgebrachten Inspektor in einen wahren Krieg ziehen lässt, in dem keine Gefangenen mehr gemacht werden. Von vornherein geht’s hier rund, so dass der Zuschauer recht schnell regelrechten Hass auf die interessanterweise gemischtgeschlechtlichen Schutzgelderpresser (bzw. deren ausführende Handlanger) entwickelt, die selbst vor Mord und Vergewaltigung einer Minderjährigen (die sich im Anschluss das Leben nimmt) nicht zurückschrecken. Das tendiert zwar stark zur Schwarzweiß-Malerei, wenngleich die Gangster zwar das absolut Böse verkörpern, Palmieri jedoch alles andere als ein Engel ist, rege Kontakte zu kriminellen Informanten unterhält und seine Kompetenzen im Umgang mit Verdächtigen tatsächlich dann und wann überschreitet. Vor allem aber ist auch er in Gefahr vor dem Racket, wie eine großartig gefilmte Sequenz zeigt, in der man ihm die Autoscheiben einschlägt und ihn mitsamt seinem Gefährt eine Klippe hinunterstößt. Natürlich wird er zur Identifikationsfigur für den Zuschauer, wenn es auch etwas eigenartig anmutet, dass er selbst einem irren Amokläufer zum Ausbruch verhilft, um mit ihm sein Team zu verstärken.

Doch zur Sache: Castellari inszeniert Stunts und Prügeleien, heftige, blutige Schießereien, teils in Zeitlupe und sehr gut choreographiert, einen Überfall auf einen Sportschützen und dessen Frau an der Grenze des Erträglichen, spickt seinen Film mit ein wenig durchaus willkommenem Humor und wählt manch originelle Kameraperspektive, beispielsweise wenn er Palmieri durch eine Waschpulverpackung filmt. Zu allem ertönt ein zweckmäßig-versierter Soundtrack der De-Angelis-Brüder. Einerseits erscheint „Racket“ recht simpel gestrickt, andererseits steckt er voller Überraschungen (wie z.B. dem Heraufbeschwören eines Lynchmobs) und bietet bis zum Castellari-typischen ausufernden Baller-Finale geschürte Rachegelüste und Spannung en masse. Einige Charakterfressen gesellten sich zu Testi, Renzo Palmer („Die Killer der Apocalypse“) trifft auf Orso Maria Guerrini („Keoma – Melodie des Sterbens“) trifft auf Romano Puppo („Fireflash - Der Tag nach dem Ende“) u.a. – und alle sind voll bei der Sache; es ist ein Vergnügen, ihnen zuzusehen. Selbst auf Testi ist einmal mehr Verlass und es gelang, ihm einen rauen Charme zu verpassen.

Schade ist jedoch, dass man nicht erfährt, wie Palmieris kleinkrimineller Freund an seine Informationen kommt oder welches das Rachemotiv des Amokläufers ist, wenn laut Palmieri jeder eines hat. Auch gibt es häufig blutig Schusswunden zu sehen, des Öfteren jedoch auch gar nicht, obwohl ganze Magazine auf eine einzelne Person abgeschossen werden. Wurde da geschludert? Und dass Palmieri gleich drei Autos durch einzelne Schüsse zur Explosion bringt, gibt es wohl auch nur in Filmen wie diesen. Das Schöne an „Racket“ jedoch ist, dass er trotz derartiger Ungereimtheiten prächtig funktioniert und wunderbare Action-Unterhaltung für große Jungs (und Mädels) bietet.
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The Game
Nicholas Van Orton (Michael Douglas) lebt ausschließlich für seine Arbeit, die zumeist aus Firmenauflösungen und Aktienhandel besteht. Er hat keine Freunde, keine Hobbies und Zynik ist für ihn lebensbestimmend. Da schenkt ihm sein Bruder (Sean Penn) die Teilnahme an einem mysteriösen Spiel, welches wie Nicholas erfährt, speziell auf die Bedürfnisse der einzelnen Spieler zugeschnitten wird. Dann aber wird er abgelehnt. Erbost will er das alles vergessen, ist aber plötzlich mitten drin im Spiel: Schlüssel tauchen bei ihm auf,ein Geschäftstermin platzt, als er notgedrungen einen Verletzten in die Klinik bringt, wird er plötzlich von der Polizei verfolgt. Das Spiel wird immer gefährlicher für ihn: sein Haus wird verwüstet, in einem Hotelzimmer finden sich Drogen und Hardcore-Videos auf seinen Namen, jemand leert seine Konten. Eine Kellnerin scheint mehr zu wissen, doch es ist schon zu spät: Nicholas wird betäubt und wacht mittellos in einem Grab in Mexiko wieder auf. Zu allem entschlossen besorgt er sich eine Waffe und beginnt, die Schuldigen zu suchen...
„Eine Bande verzogener Kinder macht mit mir, was sie will!“

„The Game“, US-Regisseur David Finchers nach „Alien³“ und „Sieben“ dritter Film, wurde im Jahre 1997 ein Action-Paranoia-Thriller der verglichen mit seinem o.g. Noir-Zweitling leichter verdaulichen Sorte. Das Drehbuch stammt von John Brancato und Michael Ferris („Terminator 3 – Rebellion der Maschinen“).

Der kalifornische Investmentbanker und Millionär Nicholas Van Orton (Michael Douglas, „Falling Down“) hat seine Ehe ruiniert, dadurch seine Frau an einen anderen verloren und ist im Begriff, ein immer zynischerer, materiell reicher, doch emotional verarmter Finanzhai zu werden, den außer seinen Geschäften nicht mehr viel interessiert. Zu seinem Geburtstag erhält er von seinem sich charakterlich sehr unterscheidenden Bruder Conrad (Sean Penn, „Milk“) die Teilnahme an einem ominösen Gewinnspiel, über das Conrad nicht viel erzählt und über das Nicholas selbst beim aus reiner Neugierde Absolvieren des Eignungstests nichts erfährt – außer, dass es individuell auf jeden Spieler zugeschnitten sein soll. Und obwohl ihn ein Anruf erreicht, dass er abgelehnt worden wäre, wird sein Leben nach und nach auf den Kopf gestellt: Anscheinend spielt man tatsächlich ein Spiel mit ihm, und zwar ein sehr Böses, das Nicholas‘ Ansehen, seine gesamte Existenz und schließlich gar sein Leben gefährdet…

Mit „The Game“ schien David Fincher nach seinem düsteren „Sieben“ zur Abwechslung etwas positive Energie verbreiten zu wollen, auch wenn es lange Zeit nicht unbedingt den Anschein hat. Der Film beginnt seine Hauptrolle mittels Schmalspuraufnahmen aus dessen Kindheit zu charakterisieren und schafft damit einen die Diskrepanz zwischen der kindlichen Unbeschwertheit Nicholas‘ und seiner derzeitigen Existenz aufzeigenden Kontrast. Diverse über den Film verteilte eingestreute Rückblenden erinnern immer wieder daran, dass Nicholas nicht immer der Snob mit 2.000-Dollar-Schuhen war. Gespickt mit etwas Situationskomik gerät dieser nun in immer mehr die Ausmaße eines Action-Thrillers annehmende Konfusionen, wird zur Marionette in einem aufwühlenden Spiel und kämpft gegen einen scheinbar allgegenwärtigen, unsichtbaren Gegner, bis er nicht mehr weiß, wem er überhaupt trauen kann, wer Freund und wer Feind ist und was man mit diesen Spielchen bezweckt – bis er anscheinend kurz davor steht, alles zu verlieren, wofür er sein Leben lang gearbeitet hat. Alles zwischenzeitliche sich in Sicherheit wiegen scheint nur kurze Zeit später bestraft worden zu sein; in die Enge getrieben sieht Nicholas nur noch einen einzigen Ausweg.

Der Zuschauer verfügt zu keinem Zeitpunkt über mehr Informationen als Nicholas, was auch bei mangelnder Identifikationsmöglichkeit mit dem reichen Schnösel „The Game“ zu einer nervenaufreibenden, hochspannenden Angelegenheit macht, die immer wieder Netz und doppelten Boden ausrollt und in einem wendungsreichen Finale mündet. Ebenso wie Nicholas durchlebt man ein Wechselbad der Gefühle und hat am Ende möglicherweise gar Tränen der Erlösung in den Augen. Dass die ganze Sause hochgradig konstruiert und unrealistisch ist, muss jedoch auch Fincher klargewesen sein und so setzte er auf ein immer höher werdendes Tempo, auf episodenhafte Kurzweil und eine technisch anspruchsvoll umgesetzte, letztlich jedoch recht einfache Erfolgsformel. Die schlussendliche Pointe erscheint angesichts des betriebenen Aufwands – sowohl des fiktiven Spielanbieters als auch des realen Drehteams um Fincher – fast schon profan und lässt doch deutliche Fragen nach Verhältnismäßig- und moralischer Verantwortbarkeit aufkommen.

Allzu ernstnehmen sollte man „The Game“ indes nicht, sondern ihn eher als auf hohem Niveau verdammt unterhaltsam umgesetzte Parabel auf das Älterwerden, menschliche Werte und die Priorisierungen zwischenmenschlicher Beziehungen, materiellen Besitzes etc. begreifen, ohne dass sonderlich in die Tiefe gegangen und beispielsweise Nicholas‘ fragwürdiger Beruf als solcher infrage gestellt werden würde. Ein Film wie dieser hätte auch ganz schnell ins Auge gehen und oberflächlicher Hollywood-„Blockbuster“-Kitsch mit viel Kawumms werden können, doch Michael Douglas stellt die breite Palette seines schauspielerischen Talents eindrucksvoll unter Beweis, Deborah Kara Unger („Crash“) erweist sich als erstklassige Wahl für die undurchsichtige, in sein Leben tretende Dame zwischen Ghetto-Schick, Femme fatale und abgebrühtem Profi und David Fincher gelang es, aus der Thematik einen stellenweise arg beunruhigenden Film zu machen, der das eigene Leben bzw. das, was man dafür hält, als wackliges Konstrukt beschreibt, das durch Eingriffe von Unbekannt schnell ins Wanken geraten kann, die mitunter erdrückende Last millionenschweren Besitzes und die Gefahr daraus resultierender Paranoia aufgreift und unterbewusste Ängste vor dem Kontrollverlust instrumentalisiert, um auf höchstmögliche Weise von seinem Publikum Besitz zu ergreifen, ohne es mit Schwarzweißmalerei oder Appellen an die niedersten Instinkte zu beleidigen. Das ist mir knappe 8 von 10 Überraschungspartys wert.
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Super
Frank (Rainn Wilson) ist eigentliche eine total unscheinbare Person, wenig attraktiv, beruflich als Imbißkoch nicht eben karriereorientiert. Nur die Ehe zu seiner wunderschönen Frau Sarah (Liv Tyler) zählt zu den schönen Momenten in seinem Leben. Bis zu dem Tag, als Sarah wieder rückfällig in Sachen Drogen wird und mit dem Dealer Jacques (Kevin Bacon) mitgeht. Frank gerät in eine handfeste Lebenskrise, aus der ihn auch Gebete nicht erretten können. Also greift er zur Selbsthilfe und verwandelt nach Anregungen der Comicbuchverkäuferin Libby (Ellen Page) nach und nach in einen individuellen Superhelden: den etwas nachlässig gewandeten und mit einer Rohrzange bewaffneten "blutroten Blitz" ("Crimson Bolt"), der fortan auf den Straßen der Stadt brutal gegen Verbrecher vorgeht. Alsbald sind die Zeitungen voll von Franks Taten, doch sein Hauptaugenmerk gehört der Rettung Sarahs. Da erklärt sich Libby nicht nur zu seinem Fan, sondern verwandelt sich auch in Franks Sidekickgehilfin "Blitzie" ("Boltie"), die allerdings eine noch härtere Gangart anschlägt. Doch auch die Gegner sind nicht ohne und Kugeln bleiben eben doch Kugeln und die sind schmerzhaft...
„Alles was einen Superhelden ausmacht, ist die Entscheidung, das Böse zu bekämpfen!“

„Super“ ist der bis dato jüngste Regie-Streich von US-Amerikaner und Ex-Troma-Mitarbeiter James Gunn („Slither“), der damit quasi parallel zu „Kick Ass“ dessen bösen kleinen Bruder entwickelte: Eine Superhelden-Persiflage im bitterbösen Tragikomödien-Gewand.

Der wenig auffällige Frank (Rainn Wilson, „Haus der 1000 Leichen“) zehrt in seinem Leben in erster Linie von zwei Ereignissen: Der Heirat seiner hübschen Frau Sarah (Liv Tyler, „Der Herr der Ringe“-Trilogie) und dem einen Moment, in dem er einem vorbeieilenden Polizisten einen entscheidenden Hinweis über den Fluchtweg eines mutmaßlichen Spitzbuben geben konnte. Letzteres gibt bereits einen Einblick in Franks Selbstwertgefühl und so ist es wenig verwunderlich, dass er in eine tiefe Krise stürzt, als seine ehemals drogenabhängige Frau einen Rückfall erleidet und in die Fänge des schmierigen Unterwelt-Barons Jacques (Kevin Bacon, „The Flatliners“) gerät. Erste Versuche, Sarah nach Hause zurückzuholen, scheitern, zudem scheint man ihn überhaupt nicht ernstzunehmen. Doch naive christliche Superhelden-Cartoons im TV bringen ihn auf die ultimative Idee und mithilfe von Recherchen im örtlichen Comic-Laden sowie einer göttlichen Eingebung wird er zum „Blutroten Blitz“, bewaffnet mit einer Rohrzange. Er knöpft sich manch Missetäter auf der Straße vor, erweist sich als wenig zimperlich und teilt kräftig aus. Schließlich erhält er Unterstützung von der Comic-Verkäuferin Libby (Ellen Page, „Juno“) und bläst zur großen Sarah-Rückhol-Aktion…

„Du sollst nicht vordrängeln!“

James Gunn torpediert die Erwartungshaltung des unbedarften Zuschauers, indem er entgegen allen Gesetzen der Romantic Comedy seinen von der Frau verlassenen Verlierer zwar vorführt, ihn jedoch nicht zum unbedingten Sympathieträger hochstilisiert, der nach einigen Anläufen zielsicher auf ein Happy End zusteuert. Nein, Frank näht sich eher unbeholfen seinen Superhelden-Dress zusammen und muss bald lernen, dass ihm a) die Verbrecher nicht gerade in die Arme laufen und ein erwartungsvolles, nächtliches Kauern hinter Mülltonnen verdammt langweilig sein kann und er b) in Ermangelung tatsächlicher Superkräfte dringend eine Waffe benötigt – so nimmt er fortan seine Rohrzange mit auf seine Touren und entwickelt einen Heidenspaß daran, mal mehr, mal weniger moralisch verwerflich Handelnden kräftig mit ihr eins überzubraten, dass das Blut nur so spritzt. Damit greift Gunn zum einen die splatterige Tradition seines ehemaligen Arbeitgebers „Troma“ sowie seines Regie-Vorgängers „Slither“ auf und zeigt zudem extrem schwarzhumorig und in voller Konsequenz die möglichen Folgen fragwürdiger Selbstjustizhandlungen selbsternannter Helden. Immer wieder bekommt der Zuschauer einen Schuss vor den Bug, sobald er Gefahr läuft, sich ein Stück weit mit Frank zu identifizieren. Ultrabrutal geht es dabei bisweilen zu, die grobe Kelle bestimmt das Handwerk.

Immer wieder baut Gunn auf die Unvorhersehbarkeit seiner grotesken, gnadenlos überzeichneten, jedoch nie zu absurden Handlung und schafft dadurch auf ihre individuelle Weise spannende Unterhaltung, die irre Einzelgänger und Eigenbrötler wie Frank und seinen Sidekick „Blitzi“ – jene Comichändlerin, die sich als noch verrückter als Frank entpuppt – auf skrupellose, widerwärtige Drogendealer treffen lässt, bis es folgerichtig irgendwann dann doch noch so richtig eskaliert und der Action-Anteil des Films in die Höhe schnellt. Zwischendurch wird das eine oder andere Superhelden-Klischee auf die Schippe genommen, wird in Rückblenden gezeigt, wie Frank und seine Sarah zusammenkamen und stellen manch animierte Comic-Einsprengsel auch stilistisch einen Bezug zur Welt der gezeichneten Bilder her. Akustisch führt ein lockerer Rock-Soundtrack durch den Film, durchaus hörenswert und ebenfalls die eigentliche Bitter- und Grausamkeit des Films konterkarierend.

Der Epilog, der beschreibt, was nach dem Finale passierte, ist – ich erinnere an meine Worte bzgl. der Erwartungshaltung – vollkommen unlustig, eigentlich tieftraurig, letztlich jedoch innerhalb dieses bizarren Films der vermutlich realistischste Moment, dessen Inhalt ich an dieser Stelle natürlich nicht verrate. Evtl. ist er in seiner ernüchternden Aussage sogar als Kompromissmöglichkeit, mit der es sich für „Verlierertypen“ wie Frank arrangieren lässt, zu verstehen. Wie dem auch sei, neben dem Beschriebenen wird auch schauspielerisch einiges geboten, denn Rainn Wilson scheint prädestiniert für seine Rolle und spult die ganze Palette von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt nach Art eines erbarmungswürdigen Clowns absolut gekonnt ab. Ellen Page gibt überzeugend einen unberechenbaren kleinen Teufel im Körper eines vermeintlich niedlichen Mädchens und darf sich u.a. in einer der sicherlich außergewöhnlichsten Sexszenen in der Geschichte des Superhelden-Films verausgaben. (Beide standen übrigens bereits in „Juno“ gemeinsam vor der Kamera.) Liv Tyler hat nicht so viel zu tun und muss eigentlich die meiste Zeit nur sediert aus der Wäsche gucken. Natürlich ist sie in einem Film wie diesem an der Seite einer Rolle wie der des „Blutroten Blitzes“ ein echter Hingucker. Kevin Bacon schlüpft einmal mehr in die Rolle des Widerlings, die ihm stets auf den Leib geschneidert scheint – so auch hier.

Fazit: „Super“ ist genau das und dürfte für viel Entsetzen, aber auch für viel Spaß sorgen – je nach Publikum…
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Fight Club
Wir erfahren nicht einmal seinen Namen: der Erzähler dieser Geschichte (Edward Norton) bleibt anonym. Deprimiert und desillusioniert von der Leere seines Lebens in einer konsumorientierten Gesellschaft und einem geistabtötenden Job, besucht er Treffen von Krebskranken, wo er verschiedene Krankheiten vorgibt, um wahre Nähe und Anteilnahme parasitenhaft zu erfahren. Bis er zwei Personen kennenlernt, die sein Leben nachhaltig verändern werden: die kettenrauchende Marla Singer (Helena Bonham Carter), die seine Vorgehensweise kopiert und den Seifenvertreter Tyler Durden (Brad Pitt), der ihm eine neue Richtung vorgibt. Bei einer gegenseitigen Prügelei entdecken beide die befreiende Wirkung, das Beste im Kampf zu geben und die Narben hinterher mit Stolz zu tragen. Aus diesem Erlebnis erwächst der Fight Club, eine ganze Gruppe von Männern, die der gleichen brutalen Leidenschaft frönt. Und es werden immer mehr Teilnehmer und Clubs. Schließlich verselbständigt sich die Unternehmung und wird zu einer geheimen nationalen Bewegung mit terroristischen Zügen, zuviel für den Erzähler, doch nicht für Tyler Durden...
Projekt Chaos

„Selbstverbesserung ist Masturbation!“

Ich weiß, (nicht nur) die erste Regel lautet, ich solle nicht über den Fight Club sprechen. Da ich aber weiß, dass diese Regel vorrangig aufgestellt wurde, um dessen Popularität erst so richtig voranzutreiben, traue ich mich trotzdem, meine zwei Kreuzer zu US-Regisseur David Finchers Verfilmung des gleichnamigen Romans Chuck Palahniuks abzugeben. Palahniuks (mir unbekannter) Roman erschien 1996, drei Jahre später kam der Film als hochbudgetierte Produktion in die Kinos, die an den Kinokassen nicht den erwünschten Erfolg einbrachte, im Heimkino jedoch schnell zum Kultfilm avancierte.

Der zumindest namentlich anonym bleibende Protagonist des Films (Edward Norton, „Roter Drache“) lebt alleine in seiner Wohnung mit Möbel-Massendiscounter-Ausstattung und geht irgendeinem langweiligen Bürojob nach, der ihn alles andere als ausfüllt. Nach Feierabend verdingt er sich als Elendstourist, indem er sich in verschiedene Selbsthilfegruppen einschleicht, um dort „wahre Gefühle“ zu erleben und damit seine Schlafpropleme zu bekämpfen. Dort lernt er Marla Singer (Helena Bonham Carter, „Big Fish“) kennen, die zu seinem Unmut derselben Freizeitgestaltung frönt. Während einer Geschäftsreise wird er außerdem mit Tyler Durden (Brad Pitt, „Sieben“) konfrontiert, der aktuell als Seifenvertreter arbeitet, jedoch den Großteil gesellschaftlicher Konventionen hinter sich gelassen zu haben scheint. Man freundet sich miteinander an, er zieht zu Tyler und beide gründen nach einer befreiende Wirkung offenbarenden Prügelei den „Fight Club“, einen geheimen Untergrund-Boxclub für gestresste und/oder alltagsmüde Angestellte, nachdem Durden das Weltbild des schaflosen Elendstouristen kräftig auf den Kopf gestellt hat. Doch nach einiger Zeit schlägt der „Fight Club“ eine andere, gefährliche Richtung ein…

Zu seinem größten Teil besteht „Fight Club“ aus einer ausgedehnten Rückblende, die der anonyme Protagonist als Erzähler auftretend aus dem Off kommentiert. Der freundlich und harmlos aussehende Norton wurde bewusst als Platzhalter für den typischen, unauffälligen angestellten Stadtbewohner konzipiert, der im Büro einer von vielen Anzugträgern ist und vordergründig betrachtet durch keine herausragende Eigenschaft aus der Masse hervorsticht. Längere Zeit wirkt „Fight Club“ wie eine groteske, zynische Komödie, die die urbane US-amerikanische Gesellschaft und das Individuum in ihr aufs Korn nimmt. Der verspielte Stil des Films bedient sich neben einer künstlerischen, fokussierten Kamera bewusst künstlich bzw. in Videoclip-Ästhetik gestalteter Einspieler. Einer der kreativen komödiantischen Höhepunkte ist, wie sich die Allerweltswohnung des Protagonisten in einen Ikea-Katalog samt Produktbezeichnungen verwandelt. Ein weiteres Beispiel für das bewusste Spiel mit der filmischen Illusion ist das kommentierende Durch-Bild-Gehen des Erzählers, der dabei Tyler Durden beschreibt. Manch einer, der sich von „Fight Club“ fälschlicherweise einen Film über Hooligans erwartete, wird eventuell schon jetzt entnervt abschalten und verpassen, wie der Ton zunehmend ernster wird.

Denn „Fight Club“ wird zu einer besonderen Art ätzender Satire, die zivilisatorische Entfremdungserscheinungen, Widersprüche und Abartigkeiten diversen handfesten physischen wie psychischen Erkrankungen gegenüberstellt und zusätzlich mit Kritik am kapitalistischen System und dessen Konsumfixiertheit vermengt. Menschen, die sich in zivilisatorischen Details verlieren wie der emotional vereinsamte Protagonist, suchen nach Nervenkitzel. Wer zunächst nicht aus seiner Haut kann, findet in jemandem wie Tyler Durden eine starke, motivierende Führungspersönlichkeit. Einmal Blut geleckt, kann aus einem Ausbrechen aus dem Alltag, durch das man spürt, dass man noch lebt, schnell Lebensmüdigkeit aus Langeweile bis hin zur Lust an der Selbstzerstörung werden – und kann aus einem Untergrund-Boxclub eine Großstadt-Guerilla hervorgehen. Und aus einer Guerilla eine straff organisierte Armee mit hohen Zielen, genährt aus der Abenteuerlust ihrer Mitglieder. Die Dialoge des Films sind gespickt mit bemerkenswerten Fakten (?) nicht nur zum Thema der Sprengstoffherstellung, hinzu kommen einige zitierwürdige anarchistische Monologe. In seinen Gewaltszenen ist „Fight Club“ recht direkt und ungeschönt, dabei wenn es zur Sache geht nie glorifizierend wie manch Prügelorgie vergangener Jahrzehnte und damit vom Vorwurf der Gewaltverherrlichung und des Machismo befreit. Mitunter wird’s auch sehr unappetitlich, ob nun lediglich durchs Kopfkino in Bezug auf die Hotelküche oder deutlich visueller beim Herstellen des Zusammenhangs zwischen abgesaugtem Menschenfett und Körperseifen oder manch blutiger Sauerei. Bei allem bleibt die Handlung stets weitestgehend unvorhersehbar und nicht zuletzt dadurch dramaturgisch brillant.

Weiteres über „Fight Club“ zu schreiben, ohne entscheidende Wendungen der Handlung zu spoilern, fällt schwer, ich tue es trotzdem: „Fight Club“ ist einer DER Mindfuck-Thriller überhaupt, also einer der Filme, die dem Zuschauer andere Bilder als die der filmischen Realität zeigen und schließlich mal sehr schwungvoll, mal eher hüftsteif, jedoch stets um den größtmöglichen Überraschungseffekt bemüht die Handlung eine grundlegende Wendung erfahren lassen. Und trotzdem fällt eine Genre-Zuordnung nicht leicht, denn „Fight Club“ ist kein Genrefilm, er ist viel mehr. Er trägt dramatische Elemente in sich ebenso wie komödiantische, Psycho-Thrill trifft auf Prä-Apokalyptisches, Satire trifft auf Action und Gewalt – und wird zu einer zukunftsweisenden, inspirierenden Kino-Erfahrung, die nach meinem derzeitigen Kenntnisstand und Dafürhalten zu den bedeutendsten der 1990er-Jahre gehört. Darüber hinaus ist „Fight Club“ großes Schauspielkino (genial: Norton mit seiner freundlichen, sympathischen Ausstrahlung als „Mr. Everybody“, Pitt als abgeklärter, unberechenbarer Lebenskünstler, der sich äußerst erfolgreich in Konsumverzicht übt, Bonham Carter als kränklich wirkendes, ungeerdetes, doch obsessives Großstadt-Findelkind mit großen Psycho-Knacks, verloren in zielloser Beschäftigung mit sich selbst, Meat Loaf (!) als Hodenkrebs-Patient mit Männertitten), ein Sogwirkung entfachendes einerseits klassisches, andererseits technisches, modernes Stück Erzählkino sowie ein Spiel mit dem Medium Film an sich – als weiteres Beispiel hierfür seien die für Sekundenbruchteile hineingeschnittenen Einzelbilder genannt; eine Methode, der man nachsagt, Zuschauer unbemerkt manipulieren zu können. Trotz seiner pointierten Wendung der Handlung ist „Fight Club“ mitnichten nur während der Erstsichtung spannend. Mit Kenntnis ihrer erweisen sich viele Szenen als meisterhafte Zweideutigkeiten und fällt auf, wie penibel Fincher und sein Team angesichts dieser Herausforderung auf die innere Logik des Films geachtet haben. Zudem bekommt der Zuschauer zwischendurch immer wieder subtile Hinweise, die sich in der Regel auch erst beim wiederholten Anschauen erschließen. Selbst davon einmal abgesehen ist „Fight Club“ derart detailbeladen und in mehrere Richtungen interpretierbar, dass jede erneute Sichtung möglicherweise neue Sichtweisen hervorbringt bzw. zu neuen Überlegungen anregt, denn genau das ist eine der größten Stärken des Films: Ohne verkünstelte, schwurbelige Form der Präsentation motiviert er aufgeschlossene Zuschauer, lange über den Einsatz des Abspanns hinaus das Gesehene zu reflektieren – und sei es nur, um mit sich selbst auszumachen, ob es überhaupt fundierte Substanz besitzt oder sich schlicht um aufgeblähten Hollywood-Popanz handelt (für den ich „Fight Club“ keinesfalls halte).

Entscheidend dazu bei trägt, dass „Fight Club“ faktisch über gleich zwei Pointen verfügt: Die überraschende Wendung leitet ein Finale ein, das nicht nur eine These zur Bewältigung des aktuellen Kapitalismus aufstellt, sondern auch viele Fragen aufwirft: Inwieweit sind die äußeren Umstände mitverantwortlich für seine persönlichen Probleme? Wie weit darf man gehen? Ist die finale Pointe trotz ihrer Destruktivität ein fortschrittlicher Akt, der der Allgemeinheit zugutekommt, oder schlicht das Ausleben übersteigerter Machtphantasien und Geltungssucht eines kranken Charakters? Wäre auf diese Weise überhaupt etwas veränderbar? Manch Kritiker sah in diesen meines Erachtens anarchistischen Bestrebungen gar einen neuen Faschismus, was ich jedoch vorrangig als bedauernswerte geistige Beschränktheit, als in sich aufgesogenes Märchen von der Alternativlosigkeit zum Kapitalismus interpretiere, als reaktionäre Angst vor Veränderung. Wie auch immer, „Fight Club“ bietet einerseits radikale anarchistische Visionen, betrachtet allein schon durch den Verzicht auf eindeutige Sympathieträger und damit das Vorkauen seiner Aussage für den Zuschauer die menschliche, moralisch-ethische Komponente zweifelsfrei kritisch, ohne zu be- oder verurteilen. Manch ein Zuschauer wird sich dabei erwischen, dem noch immer namenlosen Protagonisten mit Unverständnis zu begegnen, wenn dieser Durdens Plan vereiteln will – und vermutlich wurde „Fight Club“ auch auf genau diesen manipulativen Effekt hin konzipiert. Gegen Ende des Films hat man aufgrund der erzählerischen Finesse längst vergessen, dass es sich beim Vorausgegangenen um eine ausgedehnte Rückblende handelte und wird jäh aus ihr herausgerissen, um schließlich einer wunderschönen, hochästhetischen Zerstörungsorgie beizuwohnen, während „Where is my Mind?“ der Pixies ertönt – ein unvergesslicher Kino-Moment voller Magie. Da gebe ich gern 9 von 10 Kopfschüssen für diesen modernen Klassiker und Kultfilm gleichermaßen, der vielleicht Finchers bester Film ist und auf ewig bleiben wird.
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Planet des Grauens
Ein amerikanische Raumschiff wird auf dem Rückflug vom Mars in einen Zeitstrom geschleudert und gelangt in der Zukunft zur Erde zurück. Diese ist von einem Atomkrieg verwüstet und ständig dem unterirdisch lebenden Restvolk Gefahr von Mördermutanten und Riesenspinnen. Da eine Rückkehr nicht möglich ist, nehmen die Astronauten den Kampf für die Überlebenden auf.
„Wenn das hier die Venus ist oder irgendein anderer fremder Planet, werden wir wahrscheinlich irgendwelche Superwesen treffen, die grünes Blut haben und uns mit ihren AtomTodestrahlen-Kanonen beharken – und wir stehen dann da, mit diesen altmodischen kleinen Schießeisen.“ (Furcht vor dem interstellaren Schwanzvergleich: US-amerikanische Raumfahrer)

Der Spielfilm mit dem inflationären Titel „Planet des Grauens“ ist ein Billig-Science-Fiction-Trash-Heuler von US-Regisseur Edward Bernds („Die Rückkehr der Fliege“) aus dem Jahre 1956, wie sie seinerzeit als B-Filme in den Kinos oder gern auch in den Autokinos (Drive-Ins) liefen – wenngleich bereits in Farbe gedreht. Anstelle von Science-Fiction-Horror geht es Bernds hier um einen postapokalyptischen Endzeitfilm, der sich jedoch selbst ein Bein stellt und mit dem Subgenre ein Jahr nach Roger Cormans „Die letzten Sieben“ nicht adäquat umzugehen versteht.

Ein paar tollkühne KosmoAstronauten führen eine Marsumkreisung durch. Doch in Marsnähe bricht der Funkkontakt ab und das Raumschiff gerät in einen Zeitstrom, der es extrem beschleunigt und schließlich auf der nach einem alles verwüstenden Atomkrieg postapokalyptischen Erde im Jahre 2508 wieder ausspuckt. Sich zunächst noch auf einem fremden Planeten wähnend, trifft die Besatzung dort auf barbarische Mutanten, derer sie sich erwehren müssen, sowie ein aufgrund der verstrahlten Oberfläche und der dort lauernden Gefahren unterirdisch lebendes Volk Überlebender, die aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit vom Aussterben bedroht sind und nach all ihren negativen Erfahrungen einem bedingungslosen Pazifismus nachgehen – noch.

Bernds‘ Raumschiff ist ein niedliches Miniaturkonstrukt, einer von mehreren sehr durchschaubaren Effekten. Die Männer denken nach ihrer unfreiwilligen Landung trotz überaus irdischer Vegetation sofort an einen fremden Planeten, was genauso wenig für ihre Intelligenz spricht wie ihre Reaktion auf den Angriff fellgewandter Höhlenmenschen („Waren das nun Menschen oder Tiere?“). Die Annahme, dem Zuschauer den Kampf mit einer unfassbar unrealistischen Riesengummispinne zumuten zu können, spricht wiederum gegen den Regisseur, doch ist das noch nicht das eigentliche Problem des Films. Auch nicht unbedingt der Machismo und die vielen flapsigen Sprüche der testosterongesteuerten Herren. Deren Hormone in Wallung bringen auch die superknappe Leibchen tragenden Zukunftsfrauen („Der Geschmack der Frauen hat sich kaum geändert!“), was man ihnen grundsätzlich kaum verdenken kann (und ohnehin ein immer gern gesehener Bonus in ansonsten budgetbedingt recht karg ausgestatteten zeitgenössisch-naiven Science-Fiction-Filmchen ist).Wie man sich an sie heranschmeißt, wie man sie über sie denkst und von ihnen redet wiederum offenbart einen selbst in den biederen 1950ern schon erbärmlichen Sexismus, den auch Regisseur und Drehbuchautor Bernds vertreten haben muss, denn er lässt die Mädels trotzdem auf die Hirnis von vorvorgestern fliegen und kommt nicht einmal ansatzweise auf die Idee, dass man hunderte Jahre später etwas anders auf ein derartiges Niveau reagieren könnte.

Doch damit noch längst nicht genug: Auf das äußerst friedliebende Volk , das unter der Erde lebt und sich nicht traut, die Oberfläche zu betreten, sich zudem aus gutem Grunde gegen Waffen jeglicher Art sträubt, reagieren unsere Patriarchen absolut ignorant und ungläubig – statt von ihrer Weisheit zu profitieren zu versuchen, geben sie sich kampfes- und angriffslustig und preisen derartig ihre Waffen an, dass man meinen könnte, die NRA hätte den Film finanziert. Wilde Theorien über das weitestgehende Aussterben der Menschheit werden mir nichts, dir nichts über Nacht aufgestellt und letztlich bedarf es nur eines einfachen Verrats innerhalb des Zukunftsvolks, um dessen Lebensmaxime um 180° zu ändern. Dies kommt seitens des Drehbuchs einer maximalen Respektlosigkeit alternativer Meinungen und Lebensentwürfe gleich, die im Falle eines Lebens in Frieden und ohne Waffen als auf ganz wackligen Beinen stehend betrachtet werden, denen jegliches Fundament abgeht, die man ohne viel Aufwand hinwegwischen könne. Dieser Chauvinismus nimmt gar noch bedenklichere Formen an und wird richtiggehend faschistoid, wenn man die abfällig nur „Missgebildete“ genannten bzw. als „Vieh“ bezeichneten primitiven Oberflächenbewohner mit Schusswaffen massakriert und auf diesen zutiefst rassistischen Akt auch noch stolz ist. Erinnerungen nicht nur an den US-amerikanischen Genozid an den Ureinwohnern werden wach, der jahrzehntelang auch noch in diversen verklärenden Western gefeiert wurde – eine Kerbe, in die auch „Planet des Grauens“ schlägt. Die Amis bringen „Zivilisation“ und alle sind begeistert – eine durch und durch augenwischende Form der Propaganda, auf der fußend noch immer um Akzeptanz für die US-amerikanischen Eroberungskriege geworben wird (und die bei Weitem die in Genrefilmen jener Epoche ebenfalls nicht allzu selten anzutreffende kritiklose Darstellung des Militärs als Heilsbringer übertrumpft). Der Heile-Welt-Epilog könnte dann auch in exakt dieser Form in tatsächlichen Propagandafilmen totalitärer Staaten Verwendung finden und das Leben nach endgültiger „Lösung“ der <beliebige Minderheit hier einsetzen>-Fragen beschreiben. Form und Inhalt dieses peinlich dahingestümperten und anscheinend zu großen Teilen aus H.G. Wells‘ „Die Zeitmaschine“ (Rod Taylor spielte ironischerweise auch in der 1960er-Verfilmung mit) zusammengeklauten Filmchens sind zwar in erster Linie lächerlich, waren damals aber ernstgemeint und lassen mir angesichts des Missbrauchs des eigentlich fürs Freidenkerische prädestinierte Science-Fiction-Genres das Lachen im Halse steckenbleiben. Einziger punktewürdiger Lichtblick ist neben den modisch interessanten Kostümen der Damen die leise Kritik an Atomwaffen, denn immerhin waren sie es, die die Erde verwüsteten und die Menschheit fast ausrotteten. Doch wie Bernds aus seiner eigenen Prämisse keinerlei Lehren zieht, ist beschämend. Der Film hingegen ist als entlarvendes Zeitzeugnis von dokumentarischem Wert.
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Camorra – Ein Bulle räumt auf
Nachdem Komissar Betti nach Neapel versetzt wurde, nimmt er den Kampf gegen die berüchtigte Camorra auf, die mit äußerst brutalen Mitteln die Straßen tyrannisiert und von den Händlern Schutzgelder erpreßt. Ihm gegenüber steht ein Mann, den alle nur den "Generale" nennen und der als Mafia-Boss die verbrecherischen Fäden zieht. [Quelle: "Hölle auf Erden"]
„Wenn du einen Römer aus Rom rausholst, ist er überall auf der Welt gleich unmöglich!“

Nach „Die Viper“ war der Poliziesco „Camorra – Ein Bulle räumt ein“ die zweite Zusammenarbeit des italienischen Regisseurs Umberto Lenzi mit Maurizio Merli, beide Filme kamen im Jahr 1976 in die Lichtspielhäuser. Zudem ist dies der zweite Film, in dem der von Merli verkörperte rabiate Kommissar den verglichen mit seinem testosteronschwangeren Auftreten sehr weiblichen Namen Betti trägt; zuvor verkörperte er diese Rolle bereits in Marino Girolamis „Gewalt rast durch die Stadt“, der gleichzeitig Merlis Genredebüt darstellte.

Kommissar Betti verschlägt es von Rom nach Neapel, das Schauplatz zahlreicher Verbrechen ist, vom einfachen Handtaschendiebstahl über Schutzgelderpressungen bis zum gemeinen Mord. Und fast alle Fäden führen immer wieder zum „Generale“ (Barry Sullivan, „Planet der Vampire“), dem führenden Kopf der mafiösen Camorra, die Angst und Schrecken verbreitet. Selbst der zwielichtige Industrielle Francesco Capuano (John Saxon, „Black Christmas“) fürchtet ihn mittlerweile und steht auf dessen Abschusslisten. Mit seinen gewohnt unorthodoxen Methoden, die bei seinen Vorgesetzten nicht gerade auf Gegenliebe stoßen, geht Betti gegen das Verbrechen vor – in aller Konsequenz.

„Solange ich atme, entkommt mir keiner!“ (denkt nicht daran, die Luft anzuhalten: Betti)

Als wirkliche Fortsetzung zu Girolamis unbeholfenen, stumpfsinnigen Film ist „Camorra – Ein Bulle räumt auf“ eher nicht zu betrachten, denn Kommissar Betti ist hier nicht der primitive Idiot, der er noch in seinem Debüt war – dennoch ist mit ihm auch hier natürlich alles andere als gut Kirschen essen. In einer schön konstruierten Eröffnungssequenz wird er unmittelbar nach seiner Ankunft in Neapel auf spezielle Weise „gewarnt“, indem man ihn erst anrempelt, dann beinahe über den Haufen fährt und ihm ein graumelierter Herr schließlich aufzupassen rät. Daraufhin verprügelt Betti erst einmal einen Autodieb und schleppt ihn mit auf die Wache, wo sich der Delinquent manch Beleidigung gefallen lassen muss. Körperverletzung im Amt und Beleidigung sind eigentlich auch gesetzlich untersagt, doch statt seine Kollegen und sich selbst zur Strafe zu verprügeln und damit endgültig in einen Teufelskreis zu geraten, aus dem es kein Entrinnen gibt, widmet sich Betti wichtigeren Dingen.

„Wir müssen so schnell zuschlagen, dass sie’s kaum mitbekommen – Blitzkrieg!“ (deutsche Tugenden auch beim ehemaligen Verbündeten)

„Camorra – Ein Bulle räumt auf“ steckt schon voller wüster Prügeleien und markiger Sprüche, bevor immer brutalere Szenen Einzug halten. Eine ganze Aneinanderreihung unterschiedlicher Verbrechen in recht hoher Frequenz verleiht dem Film ein hohes Tempo sowie kurzweilige Episodenhaftigkeit, einzelne Erzählstränge werden indes immer wieder als rote Fäden aufgegriffen: Der „Generale“ und seine Schutzgelderpressungen, dessen Fehde mit Capuano sowie rätselhafte Banküberfälle, deren Hauptverdächtiger dadurch ein Alibi hat, stets pünktlich zum Erfüllen seiner Bewährungsauflagen auf der Wache zu sein. Klassisch nach Kriminalfilm-Manier ermittelt wird dabei kaum, dazu kommt man auch gar nicht, denn ständig passiert etwas in diesem actionreichen Reißer. In Lenzis filmischen Paralleluniversum ist Polizist ein extrem gefährlicher Beruf und so wundert es dann angesichts ständiger Gefahr für Leib und Leben wenig, dass – quasi aus reiner Selbstverteidigung heraus – Folter als polizeiliche Methode ebenso akzeptiert und glorifiziert wird bzw. vom Zuschauer werden muss wie willkürliche Polizeimaßnahmen („Sperrt ihn für’n paar Tage ein!“). Jedoch ist die Selbstjustiz der Herren Beamten und allen voran des blondgescheitelten Schnauzbartprolls Merli/Betti gar nicht unbedingt das dominierende Elemente des Films und auch nicht zwingend seine Botschaft – vielmehr geht es hier um Action, eingebettet in eine klassische Geschichte Gut gegen Böse, fein abgeschmeckt mit italienischen Zutaten. So ist einer der Höhepunkte sicherlich die rasante, mehrminütige Motorradfahrt durch dichten Großstadtverkehr, die teilweise aus subjektiver Perspektive (Point of view) gefilmt wurde. Gleich der nächste Ausritt wird zu einem nervenkitzelnden Wettlauf mit der Zeit und mit Betti. Das Geschehen verlagert sich zeitweise auf die Dächer Neapels und bietet einmal mehr Raum für faszinierende Aufnahmen der italienischen Metropole, wie sie Bestandteil vieler Polizeifilme und Thriller der 1970er sind und je älter sie werden, umso mehr Bedeutung als Teil einer filmischen Zeitreise erlangen. Während einer Bahnfahrt entwickelt ein Gangster, den der Zuschauer zuvor eher als Gentleman kennengelernt hat, einen ungeahnten Sadismus und Betti riskiert gar das Leben einer Geisel. Diese Szene gipfelt in einem weiteren Höhepunkt der Gewalt, aber auch in einem waghalsigen Stunt, den Merli offensichtlich selbst durchführt. Überhaupt ist es durchaus imponierend, wie verbissen Merli seine Rolle spielt – ein grimmiger Typ, dem nur ein kleiner Junge ein Lächeln entlockt.

Die Dialoge stecken voller derber Beleidigungen, manch fiese Gangstervisage lugt ins Bild, nicht wenige davon mit einem gewissen Wiedererkennungswert anhand anderer Genre-Produktionen, und der „Generale“ wurde so richtig schön hassenswert gezeichnet und ebenso von Barry Sullivan gespielt – u.a. beweist er, wie gefährlich der Bowling-Sport sein kann. Der immer gern gesehene John Saxon gibt in seiner im sehr geschickt konstruierten Finale an Bedeutung gewinnenden Rolle den aalglatten Typen, dem mit legalen Mitteln schlicht nicht beizukommen ist und selbst zum Opfer auserkoren wurde. Näher charakterisiert werden die Verbrecher jedoch nicht, weder in Bezug auf ihre Charaktere, noch auf ihre sozialen Hintergründe. Sie dienen vor allem als Projektionsflächen für Klischees, aber auch für negative menschliche Eigenschaften und die Ängste der besonders seinerzeit angesichts der Verbrechensrate italienischer Städte verunsicherten Zuschauer. Besagtes Finale leitet scheinbar ein „Dirty Harry“-Ende ein, zeigt Betti zumindest ungewohnt nachdenklich und zweifelnd, bekommt aber dann doch noch einmal die Kurve. Ein leicht melancholisches, gesungenes Lied im Abspann passt gut zu diesen finalen Szenen dieses schwer unterhaltsamen weiteren Vertreters des gnadenlos überzeichneten Selbstjustiz-Bullenfilms à la italiano, der einmal mehr mit einem kongenialen treibenden, aufpeitschenden Soundtrack versehen wurde, für den in diesem Falle Franco Micalizzi verantwortlich zeichnet.

So fragwürdig die Glorifizierung von Polizeigewalt und anderen Gesetzesübertretungen Uniformierter auch ist, so sehr taugen diese eng mit ihrer Zeit verbundenen Polizieschi zu Unterhaltungszwecken. Der Kollege Monezza von http://www.filmtipps.at sprach in diesem Zusammenhang einmal von Suchtgefahr und als anfänglicher Genre-Skeptiker kann ich das mittlerweile gut nachvollziehen. Im Gegensatz zu US-amerikanischen Action-Orgien wirken diese Filme irgendwie organischer und mehr aus dem Bauch heraus, ihr Grundprinzip ist meist einfach und übersichtlich, allzu hohe Anforderungen an den Zuschauer werden nicht gestellt. Kennt dieser einen, kennt er zwar nicht alle, aber weiß, wie der Hase läuft, kann sich an immer neuen Variationen des Themas erfreuen, hat durch ähnlich angelegte Rollen und oftmals auch identische Schauspieler hohe Wiedererkennungseffekte und bekommt im Idealfall reichlich Spannung, Nervenkitzel und Gewalt geboten. Nach einem nicht ganz unähnlichen Prinzip funktionieren z.B. Slasher; einer Sucht, der ich schon lange verfallen bin.
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Panic Room
Meg Altman (Jodie Foster) ist geschieden und hat die Tochter mitgenommen und sucht nun eine Wohnung. Der Ex ist ein reicher, industrieller Pharmazeutiker, deshalb soll etwas Teures her. Ihnen wird das Gebäude eines verstorbenen Millionärs angeboten. Das Besondere ist der Panikraum, wenn er verschlossen ist, ist er nur von den Personen im Inneren zu öffnen, nicht von aussen. Kurzfristig nimmt Meg an und zieht noch am gleichen Tag ein. Nachts brechen drei Diebe ein und Meg flieht mit ihrer Tochter in den "Panic Room" des Hauses. Doch das, was die Diebe wollen, befindet sich IN diesem Raum...
„Es ist eine emotionale Immobilie!“

Der US-Thriller „Panic Room“ aus dem Jahre 2002 war US-Regisseur David Finchers Film Nr. 1 nach dem überragenden „Fight Club“ sowie sein Film Nr. 1 im neuen Jahrtausend. Die reich geschiedene Meg Altman (Jodie Foster, „Das Mädchen am Ende der Straße“) bezieht mit ihrer Diabetes-kranken Tochter (Kristen Stewart, „Twilight - Biss zum Morgengrauen“) die Luxuswohnung eines verstorbenen Millionärs. Diese verfügt über einen sog. Panikraum, der als einbruchssicher gilt, im Falle eines Falles nur von innen zu öffnen ist und ausreichend Nahrung für einen längeren Zeitraum bietet. Meg ahnt nicht, dass sie diesen Raum bereits in der ersten Nacht wird aufsuchen müssen, denn drei Einbrecher verschaffen sich Zugang zur Wohnung – und suchen ausgerechnet etwas, das sich direkt im Panikraum befinden soll…

Verglichen mit seinem extravaganten „Fight Club“ ist Finchers „Panic Room“ beinahe konventionelle Genrekost, die für manch Enttäuschung bei den Fans, aber auch für Aufatmen beim Mainstream gesorgt haben dürfte. Doch wäre Fincher nicht Fincher, wenn er nicht selbst aus einem Drehbuch von David Koepp („Jurassic Park“, „Mission: Impossible“, „Krieg der Welten“-Remake etc.) noch das gewisse Etwas herauskitzeln würde. „Panic Room“ greift den US-amerikanischen Trend auf, insbesondere nach den Ereignissen vom 11. September 2001 das subjektive Sicherheitsgefühl gerade auch der besser Betuchten zu erhöhen, indem man sich sündhaft teure Komfort-Bunker in die Behausungen bauen lässt. Die Frage nach Sinn und Unsinn derartiger Maßnahmen und der sozialen gesellschaftlichen und/oder politischen Hintergründe, die diese Schritte evtl. notwendig machen, umschiffen Koepp und Fincher dabei nahezu komplett; Meg Altman hat diesen Raum nicht gefordert, aber er ist nun einmal vorhanden, also nutzt sie ihn. Nach einem einmal mehr sehr eleganten, wenn auch (passend zum Film) unspektakuläreren Vorspann, der seine Schrift auf verschiedene Weise und in unterschiedlichen Perspektiven auf Hauswände projiziert, macht Fincher angesichts des Drehbuchs das einzig Richtige und setzt verstärkt auf Atmosphäre: Er erzeugt eine ungemütliche, verregnete, kühle Stimmung, die zum Einmümmeln in den hoffentlich sicheren eigenen vier Wänden einlädt und damit nicht nur mit der verbreiteten, instinktiven Angst des Publikums vor dem Einbruch Fremder in die eigene Intimsphäre spielt, sondern auch Empathie für die Opfer entwickelt, welche sich zurückgezogen in den Schutzraum heruntergebrochen auf die klassische Mutter-Tochter-Beschützerrollenverteilung wiederfinden und sich in einer trügerischen Sicherheit wähnen, die zwar zeitweise eine gewisse Nestwärme suggeriert, die jedoch von zweifelhaftem Bestand ist, da die installierten Monitore unablässig die Realität des Hauses und der sich in ihm befindenden Einbrecher zeigen und schließlich die massiven Eindringungsversuche der zu allem entschlossenen Kriminellen dokumentieren – bis der akute Ausbruch von Tochter Sarahs Medikamentenabhängigkeit den Schutzraum zur gefährlichen Todesfalle umdefiniert. Zudem wirft „Panic Room“ die Frage auf, wie sicher man letztlich überhaupt ist, wenn man sich ausschließlich verstecken kann, während die Bedrohung möglicherweise alle Zeit der Welt hat. Soweit gehen, zu interpretieren, „Panic Room“ würde Schutzmaßnahmen wie diesen per se ihre Wirksamkeit absprechen und zum Unglücksbringer umdeuten, würde ich aber nicht.

Fincher arbeitet mit einigen visuellen Schmankerln; so bereiten tolle, schnittlose Kamerafahrten den Einbruch vor, bekommt man 90°-Schwenks zu sehen und erweckt das Objektiv gar den Anschein, ins Schlüsselloch der Haustür einzudringen oder durch Zimmerdecken zu gleiten – kleine, feine Spezialeffekte, die das klaustrophobische Kammerspiel optisch ordentlich aufpeppen. Das Einbrecher-Trio wird individuell charakterisiert: Burnham (Forest Whitaker, „Body Snatchers“) mit seinem müden, traurigen Blick ist der Sympathieträger unter ihnen; er wurde engagiert, weil er in der Firma arbeitet, die diese Panikräume herstellt und deshalb bestens mit der Materie vertraut ist – eigentlich ein feiner Kerl, den die Aussicht auf eine gewisse finanzielle Sorglosigkeit zu diesem Schritt getrieben hat. Sein Partner Junior (Jared Leto, „Requiem for a Dream“) ist ein bisschen blöd im Kopf, clownesk und bauernschlau-verschlagen, eine Nervensäge, wie sie im Buche steht. Raoul (Dwight Yoakam, „Die Newton Boys“), der ohne Absprache mit Burnham von Junior hinzugezogen wurde, ist der Finsterste der Bande: eiskalt und böse, entpuppt sich zu allem Überfluss auch noch als beunruhigender, unberechenbarer Psychopath, der die Situation immer weiter verschlimmert. Ihre Dialoge untereinander sind nicht frei von Komik; glücklicherweise ließ Fincher es nicht zu, Koepps Hang fürs Alberne zu viel Platz einzuräumen und wahrt einen gewissen Abstand zur Grenze des Unerträglichen. Allen drei gemein ist, dass sie nicht wussten, dass das Haus bereits wieder bewohnt ist und eigentlich davon ausgingen, eine leerstehende Immobilie vorzufinden, was natürlich nicht einer gewissen Tragik entbehrt.

Einer der größten Trümpfe Finchers ist es indes, seinen leicht nachvollziehbaren, niemanden überfordernden Thriller meisterhaft hochgradig spannend zu inszenieren, sich eine ausreichende Unvorhersehbarkeit zu bewahren und Schlüsselszenen auf den Punkt zu gestalten, wie beispielsweise die nervenzerreißende Zeitlupensequenz, als Meg Altman kurz ihren Schutzraum verlässt. Eine kurz vorm Koma stehende Tochter, die dringend ihr Medikament braucht und ein übel zugerichteter Ex-Mann (Patrick Bauchau, „Phenomena“), der zur Hilfe eilte, betonen den Ernst der Lage und lassen keinen Zweifel an der Gefährlichkeit der Situation. Über Meg Altman erfährt man leider nicht allzu viel und muss hinnehmen, dass sie über sich hinauswächst und über manch technisches Geschick und physikalische Kenntnis verfügt, die ich nicht unbedingt zur Allgemeinbildung zählen würde. Nach einem dramatischen, actionreichen Finale fällt das Ende dann auch etwas unbefriedigend aus, tritt dabei jedoch niemandem zu Nahe und besiegelt damit das Schicksal von „Panic Room“ als bis zum Zeitpunkt seiner Premiere Finchers bisher konventionellstem, irgendwie gefälligstem Film, der dank souveräner, hochklassiger Regie und verdienter Schauspieler dennoch deutlich aus jeglichem Einheitsbrei hervorsticht und vor allem eines wurde: verdammt unterhaltsam für fast die ganze Familie, kleine Kinder besser ausgenommen. Da gebe ich 7,5 von 10 Sid-Vicious-T-Shirts.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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