Klingt schwer nach Rainer Brandt und Karlheinz Brunnemann.buxtebrawler hat geschrieben: ↑Mi 14. Aug 2024, 13:22 und „Fürnehmkeit“ (S. 385) muss er sich selbst ausgedacht haben, Google liefert exakt 0 (null) Treffer.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Früher war mehr Lametta
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Téhem – Malika: (1) Ausgeträumt! / (2) Nervous Breakdown
Der Franzose Thierry Maunier alias Téhem zeichnete von 1998 bis 2008 die neunbändige Comicreihe „Malika Secouss“, von der in deutscher Übersetzung leider nur zwei Softcover-Alben in den Jahren 2001 und 2002 im Hamburger Carlsen-Verlag (unter dem verkürzten Titel „Malika“) erschienen sind. Diese sind vollfarbig gestaltet und bringen es ganz klassisch auf jeweils 48 Seiten.
Die Jugend-Funnys spielen im Original innerhalb einer dunkelhäutigen Community einer Plattenbausiedlung in den französischen Banlieus, die die deutsche Bearbeitung kurioserweise in Deutschland verortet. Dort vertreibt sich die kesse, hübsche, sportliche Malika mit dem kräftigen Stiefeltritt zusammen mit dem coolen, adipösen Dooley und dem tumben Basketballer Jeff die Zeit. Sozialarbeiter und andere, die es gut mit den Heranwachsenden meinen, werden dabei häufig düpiert. Pro Seite mit flexibler dreizeiliger Panel-Struktur bekommt man im ersten Band eine (unbetitelte) Geschichte inklusive Pointe geboten.
Während ich mir zunächst noch dachte, dass der Humor zwar angenehm ist, für meinen Geschmack aber gern etwas deftiger ausfallen hätte dürfen, entwickelt er sich von Seite zu Seite tatsächlich in diese Richtung. Manch Pointe geht dabei auch auf Kosten Malikas oder ihrer Clique. Nicht jeder Gag sitzt, aber mir gefällt der Zeichenstil und am Ende ist mit dem Trio sowie den Vorstadt-Hooligans, der Bibliothekarin und dem Sozialarbeiter vertraut. Einige simpel anmutende Gags entpuppen sich als tiefgründiger, als es zunächst den Anschein hat, und setzen sich auf zwar humorige Weise, aber dennoch kritisch mit der Situation in den Banlieus zwischen Wohnghetto, Sportplatz und Supermarkt auseinander. Malika taugt trotz eigener Schwächen als Identifikationsfigur insbesondere für Teenagerinnen.
Im zweiten Band erhalten die kleinen Geschichten Titel – und Malika einen etwas zu jungen Verehrer, was zum Anlass mehrerer Gags wird. Eine Ausfahrt aufs Land mit dem Sozialarbeiter gerät gar zu einer längeren zusammenhängenden Abfolge pointierter Culture-Clash-Ereignisse. In die Falle, müde politisch korrekte Betroffenheitscomics zu zeichnen, tappt Téhem indes nie, denn er lässt sich seine Figuren wiederholt als ignorant und resistent gegenüber den gutgemeinten pädagogischen und sozialen Maßnahmen der Stadtverwaltung erweisen und sie zahlreiche Klischees bedienen. Dennoch findet er die richtige Balance zwischen mit ihnen und über sie lachen und karikiert sie auf liebevolle Weise.
Schade, dass Carlsen die Reihe nach nur zwei Alben eingestellt hat.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Midam – Kid Paddle, Band 4: Full Metal Cracker
Mit „Kid Paddle“ brachte der belgische Comiczeichner Midam seine erste Reihe heraus. Der Hamburger Carlsen-Verlag erstveröffentlichte sie hierzulande in Form von sechs jeweils 48-seitigen, vollfarbigen Softcoveralben im Zeitraum Februar 1997 bis August 2001. Zwei Jahre später brachte sie es sogar zu einer Zeichentrickserie. Der vierte Comic-Band „Full Metal Cracker“, ein Zufallsfund in einem Freiburger Antiquariat, ist meine erste Konfrontation mit „Kid Paddle“.
Im Mittelpunkt der Funny-Reihe steht mit Kid Paddle ein Schüler im Kindesalter, der Computer- und Videospielen verfallen ist. Er hat zwei Freunde: den hornbebrillten, zu ihm aufblickenden Horsti, der leicht zu beeindrucken ist (und seltsamerweise ein bisschen wie ein Opa aussieht) sowie Bigbang, den Naturwissenschafts-Nerd mit Stoppelhaarschnitt, der permanent eine VR-Brille zu tragen scheint. Kid Paddle schikaniert gern seine Schwester, fällt seinem Vater auf die Nerven und steht mit dem Spielhallenaufseher auf Kriegsfuß.
Die sich über ein bis zwei handgeletterte Seiten mit jeweils vier Reihen flexibler Panels erstreckenden, unbetitelten Gags sind nicht unbedingt immer videospielspezifisch. Zwar karikieren sie u.a. Videospielinhalte, aber auch die Interessengebiete und Freizeitgestaltung zehn- bis 14-jähriger Rotzlöffel, worin sich auch ältere Semester wiederfinden dürften. Die letzte Geschichte endet mit einer besonders beeindruckenden seitenfüllenden Zeichnung. Der Humor ist frech, ohne allzu provokant zu sein, dabei aber sehr gelungen (also keinesfalls zu kinderspezifisch), und der aufgeräumte, aber witzige Zeichenstil überaus gelungen. Im Design der Tischlampe Kid Paddles Vaters findet sich zudem eine Charlie-Brown-Hommage.
Klasse Stoff, von dem auch die übrigen fünf Alben hermüssen!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Paolo Eleuteri Serpiere – Aphrodisia
Als ich aus einer Gebrauchtartikel-Wühlkiste eines Comichändlers dieses 1999 im Münchner Verlag Schreiber & Leser erschienene 56-seitige, vollfarbige Softcover-Album mitnahm und dann irgendwann auch las, wusste ich nicht, dass es sich um den im italienischen Original „Druuna“ betitelten zweiten Teil der berüchtigten achtteiligen „Morbus Gravis“-Reihe Serpieris um die eben Druuna heißende Protagonistin handelt, die der Zeichner ab 1985 innerhalb einer dystopischen, surrealen Science-Fiction-Welt auftreten ließ, die er mit drastischen Horror- und Erotik-Elementen mischte.
Meine Ahnungslosigkeit erklärt auch, weshalb ich während der Lektüre der Ansicht war, Serpieri habe es sich mit dem in reiner Schriftform vorangestellten (und in dieser deutschen Übersetzung leider viele Zeichensetzungsfehler aufweisenden) Prolog etwas sehr einfach gemacht – hielt ich diesen Band doch für eine in sich abgeschlossene Geschichte. Dem ist nicht so und entsprechend herausfordernd ist es auch, sich in die Handlung einzufinden. Deren Prämisse wird in einem Dialog im letzten Drittel auf den Punkt gebracht: „Du, ich und diese ganze Umgebung“, so lässt Druuna ihr dortiges Gegenüber wissen, „gehören zum Traum eines ,Geistes‘. Einst war er ein Mensch, jetzt ist er reine Energie mit unglaublichen Kräften.“
Der sich an eine erwachsene Leserschaft richtende Comic ist in einem hyperrealistischen Stil hervorragend gezeichnet, handgelettert und mit expliziten Sexszenen durchsetzt, die eine eigenwillige, gewöhnungsbedürftige, reichlich abgefahrene Angelegenheit aus der Geschichte machen – die, zumindest in diesem einzigen mir bisher bekannten Band, hinter den Schauwerten zurücksteht.
Die „Morbus Gravis“-Reihe rief sodann auch die deutschen Sittenwächter auf den Plan. Vor Schreiber & Leser veröffentlichte hierzulande der Alpha-Verlag die Alben, der sich, so steht’s in der Wikipedia, von vornherein in Selbstzensur geübt habe. Dies habe deutsche Behörden jedoch nicht daran gehindert, im Zuge der bis dahin beispiellosen Beschlagnahmeaktion im Jahre 1995 auch „Morbus Gravis“-Titel zu unterschlagen. Gut möglich daher, dass es sich auch bei dieser Schreiber-&-Leser-Auflage um eine bereits entschärfte Fassung handelt. Unzensierte Gesamtausgaben seien 2015 und 2016 ebendort erschienen.
Diese Zensurgeschichte ist ehrlich gesagt spannender, als dieses Album auf mich wirkte, das mich mit Serpieris Stil, den dynamischen Panelstrukturen und der mal trist-graustichigen, dann wieder lebendig fleischfarbenen Kolorierung in erster Linie gestalterisch zu überzeugen wusste.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Bill Watterson – Calvin und Hobbes
Nach „Irre Viecher aus dem All“ und „Was sabbert da unterm Bett?“ konnte ich auf einem Flohmarkt nun auch des (selbstbetitelten) ersten Softcover-Bands der in den Nullerjahren beim Hamburger Carlsen-Verlag erschienen elfbändigen Funny-Zeitungsstrip-Reihe habhaft werden. Im US-Original ist er bereits 1987 erschienen.
Über 130 Schwarzweiß-Seiten erstrecken sich die überwiegend aus vier Panels bestehenden Strips sowie die sonntags in den Tageszeitungen veröffentlichten Onepager. In seinem zweiseitigen Vorwort hebt „Doonesbury“-Schöpfer Garry Trudeau Wattersons Realismus in Bezug auf kindliche Erlebniswelten lobend hervor und beschreibt die Funktion dieser Comics für eine ausgewachsene Leserschaft:
„Dieses Gefühl des Ausgeschlossenseins verleitet viele Erwachsene zu dem Versuch, die Unbeschwertheit der Jugend wiederzuerlangen, das Unwiederbringliche zurückzuholen. Ein paar Verzweifelte greifen zu Mitteln, die über kurz oder lang in die Betty-Ford-Klinik führen. Wir anderen, etwas Vernünftigeren, lesen ,Calvin und Hobbes‘.“
Die Fantasiesituationen des sechsjährigen Einzelkinds Calvin, in denen sein Stofftiger Hobbes lebendig und ihm Spielkamerad und Familienmitglied zugleich wird, machen einen Großteil der Strips aus; ihre Pointe ist die jeweilige Auflösung in der Realität – ein Konzept, das Watterson hier noch sehr stringent verfolgt. Jedoch: Manchmal ist’s spaßigerweise auch umgekehrt. Watterson etabliert einige Running Gags und wiederkehrende Motive sowie Figuren wie die Mitschülerin, den Schulschläger, Raumfahrer Spiff (ein Alter ego Calvins, vergleichbar mit Snoopys Weltkriegsflieger-Ambitionen), Calvins Fernsehsucht und die Beurteilungen seines Vatis, als handele es sich um bei diesem um einen gewählten Politiker. Das ist mal niedlich, öfter frech, immer charmant und meist irre komisch.
Die deutsche Bearbeitung legte Calvin auf S. 110 Paul Kuhns „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ in den Sangesmund, die Reminiszenz an den Horrorklassiker „Die Fliege“ auf S. 114 wiederum ist international verständlich. Eigenartigerweise folgt in meiner Ausgabe auf Seite 72 die Seite 85, es scheinen also 12 Seiten zu fehlen. Nach einem Herausriss sieht’s aber nicht aus. Ein Fehldruck? Oder doch eine spurenlose Entfernung?
Wie auch immer: „Calvin und Hobbes“ würde ich gern irgendwann komplettieren, weitere Bände liegen schon bereit.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Marc-Uwe Kling – Die Känguru-Apokryphen
Klings „Känguru-Chroniken“ sowie die beiden Fortsetzungen, „Das Känguru-Manifest“ und „Die Känguru-Offenbarung“ (aus den Jahren 2009 bis 2014) um das Leben eines nicht unsympathischen, aber eher zurückhaltenden und introvertierten Kleinkünstlers mit einem plötzlich auftauchenden kommunistischen und sich überraschend menschlich verhaltenden, nun ja, Känguru eben, sind Bestseller. Die sich jeweils aus etlichen kurzen, pointierten Episoden zusammensetzenden Bände gab ich mir in Hörbuch-Form, live aufgenommen während Lesungen Klings, der sein literarisches Kleinkünstler-Alter-Ego sowie das Känguru (mit leicht verstellter Stimme) selbst liest. Die authentischen Publikumsreaktionen unterstützten den lebendigen Eindruck. Am besten gefielen mir jene, insbesondere frühen Episoden, in denen das Känguru, wenngleich mit sämtlichen menschlichen Schwächen ausgestattet, äußerst treffende Gesellschaftsanalysen in kabarettistisch-humoriger Form vornimmt und es den Anschein hat, als sage und tue es all das, was Kling vielleicht denkt und selbst gern täte, sich aber nicht traut – bzw. schlicht lieber einer klar als solche erkennbaren Kunstfigur in den Mund legt. Spätere Episoden, in denen das Känguru immer mehr Hintergrundgeschichte bekam, sind i.d.R. zwar noch immer gehobener Humor, wurden mir aber etwas zu abstrakt und verrückt.
Mit ein paar wenigen Jährchen Abstand gönnte ich mir dann auch dieses Bonus-Material, das 2018 veröffentlicht wurde. Ich legte mir wieder das Hörbuch auf und lauschte rund 50 Episoden lang dem Alltag der beiden. Auch hier gilt: Je bissiger politischer oder je mehr den stinknormalen Alltag aufs Korn nehmend, desto besser. Die Klassiker finden sich in den anderen Bänden, aber verkehrt ist auch das hier nicht – insbesondere mit ein wenig Abstand macht es Laune, die „beiden“ wieder zu hören. Besonders hervor stechen hier die Kabbeleien und kleinen Duelle, die sie sich liefern, mitunter herrlich ins Absurde übersteigert. Nicht jeder Schuss ist ein Treffer und die frühen Bände sind definitiv zwingender, aber Zeitverschwendung sieht anders aus.
Bisher habe ich zu Hörbüchern nichts geschrieben, es angeregt durch dieses Forum nun aber doch getan. Viel vorenthalten habe ich da niemandem, denn normalerweise höre ich gar keine Bücher und hätte es in diesem Falle wohl auch nicht getan, hätte ich Teile der Reihe nicht im Tauschschrank gefunden (und Fehlendes aus der Sammlung meiner Lebensgefährtin aufstocken können). Davon unabhängig werde ich mich vielleicht so nach und nach mal dem übrigen Werk Klings annähern…
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – „Staatsbürgerliche Pflichten grob verletzt“. Der Rauswurf des Liedermachers Wolf Biermann 1976 aus der DDR
„Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“, kurz: BStU, von 2011 bis zum Schluss in Person: Roland Jahn, hat zahlreiche Publikationen zum Thema Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR herausgegeben – einige entgeltlich, andere gratis. Zu den Gratispublikationen, derer ich bereits zwei durchgesehen (und hier besprochen) habe, zählt auch dieser rund 110-seitige, großformatige Softcover-Band aus dem Jahre 2016, in dem wie gewohnt Originalauszüge aus MfS-Akten auf Hochglanzpapier nachgedruckt sind.
Wie der RAF-Band ist auch diese Sammlung in fünf chronologisch aufeinander aufbauende Kapitel („Der Plan entsteht“, „Kein Interesse am Protest gegen Franco“, „Die ,Zange der Konterrevolution‘“, „Das Konzert“ und „Der Protest“) unterteilt, denen jeweils eine Seite mit Hintergrundinformationen vorangestellt ist. Den Band eröffnen jedoch zwei allgemeinere Vorworte, eines davon von Biermann persönlich. In diesem unterstellt er dem MfS einen Mordversuch (der sich so in den Akten nicht wiederfindet). Doch auch unabhängig davon ist es natürlich ein ungeheuerlicher Vorgang, dass ein eigentlich sozialistischer Liedermacher aus einem sozialistischen Staat ausgebürgert wird, weil er zu unbequem ist. Entsprechend aufschlussreich und interessant bis spannend liest sich diese Aktensammlung (sofern man die Ambition aufbringt, in solchen bürokratischen Originalquellen zu stöbern), die aber auch Eintrittskarten, Ausweiskopien und transkribierte Interviews enthält.
So wird deutlich, dass das Kulturministerium eher auf Biermanns Seite war, aber das MfS dazwischengrätschte (S. 36). Honecker und Hager waren in diese Vorgänge auch involviert. Ab 1976 genoss Biermann den Schutz der Kirche, die ja für so viele Oppositionelle in der DDR eine große Rolle spielte. In einem Interview mit dem NDR zeigt sich Biermanns Unerfahrenheit im Umgang im Medien, im Prinzip aber auch das Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Kulturen. Biermann war damals noch ein DDR-sozialisierter bekennender Kommunist. Zudem geht aus dem Gespräch hervor, dass er damals noch an einem konstruktiven Mitwirken am Aufbau des Sozialismus interessiert war. Es ist fatal, dass das MfS dies nicht erkannte und ihm stattdessen derart reaktionär zusetzte. Ungeachtet dessen äußerte er sich fortwährend gegen Republikflucht und übte kritische Solidarität mit der DDR ggü. dem Westen.
Die ganze Verkommenheit der CDU und CSU zeigt folgende, auch hier festgehaltene Posse: Nach Biermanns Ausbürgerung am 16. November 1976 beschloss die ARD, sein wenige zuvor in Köln gegebenes Konzert auszustrahlen. Die Ausstrahlung musste auf Initiative dieser Parteien hin jedoch im Nachtprogramm versteckt werden und war im bayrischen Sendegebiet gar nicht zu empfangen. Da spielt der Club Deutscher Unternehmer also lieber dem MfS und der DDR-Führung in die Hände, statt einen kapitalismuskritischen Liedermacher in einer Form stattfinden zu lassen, dass Millionen DDR-Bürgerinnen und -Bürger (die ARD empfingen) daran nicht erst zu nachtschlafender Zeit hätten partizipieren können.
Leider ist Biermann später selbst ein CDU-unterstützender Popanz geworden. Hatten Stasi & Co. also doch Recht? Sicher nicht. Um es noch einmal klar zu sagen: Eine solche Ausbürgerung ist ungeheuerlich und nicht zu rechtfertigen, lässt diejenigen, die sie beschließen, zudem höchstgradig unsouverän wirken. Dass Biermann später zum strammen Reaktionär devolutionierte, ist aber der größte Gefallen, den er seinen einstigen Peinigern tun konnte. Vielleicht ist es also schlicht die politische Naivität, die sich durch Biermanns Vita zieht. Sowohl bei dieser Reflektion als auch beim groben Nachvollziehen der skandalösen Ereignisse des Jahres 1976 – inklusive der anschließenden Dynamiken in der DDR, der zahlreichen Solidaritätsbekundungen anderer Künstlerinnen und Künstler sowie der Rechtfertigungsversuche der Obrigkeit – half mir dieser Band (wenngleich Biermanns späterer Werdegang in anderen Quellen nachgelesen werden muss).
Im Anhang finden sich das obligatorische Abkürzungsverzeichnis und die BStU-Kontaktdaten.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
@Bux
Klingt sehr interessant. Biermann ist einfach ein schwieriger Typ, in jedweder Hinsicht. Früher eher ein Querulant, heute kickt von Rechthaberei geprägter Altersstarrsinn gut rein.
Musikalisch ist des Biermanns Kunst für mich nicht eine einzige Sekunde aushaltbar.
Der nach der Ausbürgerung stattgefundene Exodus eines Teils der Kulturschaffenden der DDR ist bemerkenswert. Ohne olle Biermann wäre Manne Krug nie in der Sesamstrasse gelandet. Danke Wolle!
Klingt sehr interessant. Biermann ist einfach ein schwieriger Typ, in jedweder Hinsicht. Früher eher ein Querulant, heute kickt von Rechthaberei geprägter Altersstarrsinn gut rein.
Musikalisch ist des Biermanns Kunst für mich nicht eine einzige Sekunde aushaltbar.
Der nach der Ausbürgerung stattgefundene Exodus eines Teils der Kulturschaffenden der DDR ist bemerkenswert. Ohne olle Biermann wäre Manne Krug nie in der Sesamstrasse gelandet. Danke Wolle!
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Der beste Horror aller Zeiten
Von 1972 bis 1984 – also mit mehreren Dekaden Verspätung – erschienen die kultigen, dieses Genre begründenden E.C.-Horrorgeschichten in Heftform auch beim deutschen Ableger, dem Williams-Verlag. Dieser veröffentlichte bereits im Jahre 1973 ferner einen groß- bzw. überformatigen, 128-seitigen Sonderband mit dem Titel „Der beste Horror aller Zeiten“. Ein Teil der enthaltenen Geschichten ist noch schwarzweiß gedruckt.
Das Vorwort liefert dem interessierten Publikum einen historischen Abriss, die erste Geschichte „Auge um Auge“ ist dann in einer Postapokalypse auf der von Monstern beherrschten Erde angesiedelt – in der für die Monster die letzten Menschen die eigentlichen Monster sind. Da kaum mit Sprechblasen gearbeitet wird, handelt es sich mehr um eine betextete Bildergeschichte. Von nun an wird jeweils das Cover des Originalhefts abgebildet, das mit Angabe des Erstveröffentlichungsdatums sowie einer kurzen Einführung zum Zeichner und dessen Stil einhergeht. „Wüstentod“ um einen entflohenen Schwerverbrecher, der es mit einem hungrigen Geier in der Wüste zu tun bekommt, ist mir als „Der Aasgeier“ aus der „Geschichten aus der Gruft“-Fernsehserie bekannt. Mit „Verlies des Terrors“ folgt eine makabre Story über Lebensmittelrationierung im Krieg, die immer wieder vom Crypt Keeper kommentiert wird, aus dem man im Deutschen den „Fleischwolf“ machte. Auf ein ganzseitiges Künstlerporträt Jack Davis‘ folgt die bitterböse Romanze „Im Morgengrauen“ und mit „Schöner Traum“ eine nicht minder böse, in China spielende Geschichte über einen opiumsüchtigen Familienvater, der vom Tod Angehöriger träumt, welcher dann eintritt.
Weiter geht’s mit der modernen Vampirgeschichte „Mitternachts-Genuss“ und der deftigen Story „Treibsandtriebe“ über einen zurückgebliebenen Serienmörder, die gar zu Bodyhorror mutiert. „Ein Weltraumleben“ hingegen entpuppt sich als abgefahrene Garten-Eden-Variation im Science-Fiction-Gewand. Das nächste Künstlerporträt ist Al Williamson gewidmet; und die darauffolgende Geschichte „Treibjagd“ um eine Frau, die scheinbar mehrfach nacheinander auf grausamste Weise ermordet wird, spielt gekonnt mit dem Surrealismus. Auch Johnny Craig erhält ein Künstlerporträt, bevor „Im Sumpf“ von einem kannibalischen Einsiedler handelt, der sich zwischen Sumpf und Treibsand eine Hütte gebaut hat – erzählt von seiner Hütte! Einer der Höhepunkte ist zweifelsohne „Herrenrasse“, eine hervorragend gemachte Geschichte um einen KZ-Überlebenden, die zehn Jahre nach dessen Befreiung in den USA spielt, wo er einem ehemaligen KZ-Kommandanten begegnet – mit überraschender Wendung.
Melodramatisch wird’s in „Knopfaugen blicken dich an“, einer Weihnachtsgeschichte um einen blinden Jungen mit ebenso genialem wie krudem Ausgang. Graham Ingels wird porträtiert und die „Friedhofsnacht“, eine bizarre Story über den Leiter einer Irrenanstalt, dem die Bewohner ans Leder wollen, bekommt eigenartigerweise Titelblatt und Einführung erst hintenangestellt. Die Geschichte arbeitet mit schönen Point-of-View-Perspektivzeichnungen und einer interessanten Lebendig-begraben-Variation. „Gerettet“ ist eine Kreuzung aus Science-Fiction und Vampirhorror, und die letzte Geschichte greift bereits der nach der US-Zensur der E.C.-Comics etablierten Satirezeitschrift „Mad“ vorweg: Herrlich selbstironisch erklimmt man die Meta-Ebene und lässt Jack Kamens von seiner Arbeit für E.C. berichten.
Die orthographischen und grammatikalischen Fehler dieser deutschen Sonderausgabe (Beispiele: „Vampiere“, „viel“ statt „fiel“, „Sagen-Sagengestalten“, „hount“ statt „haunt“) lassen die Geschichten schundiger erscheinen als sie sind. Was sich da in flexibler, aber meist aufgeräumter, klarer Panelstruktur abspielt, ist nichts Geringeres als höchst verdienstvolle Comicgeschichte, deren pop- und subkultureller Einfluss gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann – und die mit ihrem Stil, ihrer Erzählweise und ihrer moritatischen, häufig schwarzhumorigen Moral auch aus heutiger Perspektive noch immer sehr unterhaltsam ist. Ob dieser Sonderband tatsächlich die besten E.C.-Horrorgeschichten enthält, sei aber einmal dahingestellt.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE
Horrorschocker Grusel Gigant #1
Ha, mein zweiter Weissblech-Comic! Nach „Derber Trash #1“ natürlich wieder ein Sammelband, diesmal aus der Horrorcomicsparte. Dieser erschien im Jahre 2016 und vereint auf 148 vollfarbigen Seiten im Softcover und Heftchenformat die Inhalte der ersten fünf „Horror Schocker“-Ausgaben mit Ausnahme der Geschichte „Heimfahrt“ aus der Nummer 4. Hierfür werden nicht näher benannte rechtliche Gründe angegeben. Das ist alles sehr farbenfroh; die jeweilige Panelstruktur wurde individuell den Erzählungen angepasst, hier wirkt nichts in Form gezwängt. Für diesen Band wurden das Lettering überarbeitet und Rechtschreibfehler korrigiert – das ist sehr löblich. Wie im großen Vorbild, den in den 1950ern im US-amerikanischen EC-Verlag erschienenen Horrorcomics, gibt es einen Meta-Erzähler, der in die Geschichten einführt und sie zuweilen kommentiert: den Styx-Fährmann Charon.
Los geht’s mit „Unten am Sumpf“, einer schwer an die alten EC-Sumpfgeschichten erinnernden Geschichte über einen Mörder, der Opfer seiner eigenen Tötungsmethoden wird. Was im darauffolgenden „Winter 1389“ als typische mittelalterliche Anti-
Hexenjäger-Story beginnt, gibt mit einer am Schluss gezogenen kruden Parallele den Christen die Schuld am Ausbruch der Pest – als habe es sich um eine Rache der Hexen an ihnen gehandelt. Da bekanntlich nicht nur Christen unter der Seuche zu leiden hatten, scheint mir dies nicht ganz zu Ende gedacht. Bei „Martin der Entdecker“ handelt es sich um eine Geschichte über Massen- und individuellen Abenteuertourismus, zivilisationskritisch und mit herrlich bösem Ende – hier kriegen alle ihr Fett weg.
„Insektentod“ handelt von einem brutalen Gangsterboss, der von Wespen totgestochen wird, nachdem er eines seines Opfer mittels insektenspray umbrachte, gefolgt von Niniwes Fluch, einer längeren, abenteuerlichen Mär über eine antike Totengöttin mit lebenden Leichen, Skeletten – und einem offenen Ende in der Gegenwart. In ihrem Anschluss findet sich mit „Im Tal des Drachen“ eine etwas unspektakuläre Ritter- und Drachen-Story.
Dafür geht’s mit „Der Bote“, die vom Kampf Mensch gegen Ameise – erzählt aus Sicht einer Ameise! – handelt, umso origineller weiter. „Maria!“ entpuppt sich als cooler Rape’n’Revenge-Fetzer mit einer Werwölfin und „Der Schlächter von Oakwood Manor“ als schwarzhumorige Kurzgeschichte um einen Geisterjäger. „Der Bestatter“ zeigt, wie ein ebensolcher zu einem seltsamen Assistenten gelangt.
„El Dorado“ präsentiert Konquistadoren auf ihrer fatalen Suche nach diesem mythischen Ort, hier siegt – wie so oft in diesen Comics – eine höhere Gerechtigkeit. Wiederum nicht der Fall ist dies in „Gute Nacht Geschichte“, einer Geschmacklosigkeit über Alpträume und Kopfschmerzen als Symptome eines Gehirntumors. Im Anschluss erhält Charon eine kurze Origin-Story.
Das letzte Heft des Sammelbands eröffnet mit „Tauwetter“, einem lakonischen Schocker über ein Mordkomplott in einem vereisten Bergsee. „Flurbereinigung“ thematisiert ein Hünengrab, einen ignoranten Bauern und einen vermeintlichen Fluch, der diesen das Leben kostet. In „Der Kuss der Seejungfrau“ begibt sich ein schiffbrüchiger Abenteurer auf die Suche nach einer ebensolchen und in die „Die Wüste lebt!“ fahndet eine Expedition nach einer neuen Spezies, auf die sie auch trifft, aber niemandem mehr über sie berichten kann…
Als Bonusmaterial erhält man drei Seiten Historie über die Heftreihe und einige Hintergrundinformationen sowie „Der Sturm“, eine Geschichte über den Kapitän eines Sklavenschiffs, der sein Ziel knapp verfehlt.
Die mal noch etwas unbehauenen, mal aber auch sehr filigranen und zum Teil hübsch-morbiden Zeichnungen verschiedener Künstler wissen zu gefallen, die mal sarkastische, mal düster-gruselige, mal moritatische oder makabre Erzählweise überzeugt größtenteils und die überwiegend wirklich guten Texte stechen hervor. Liebloser Schund geht definitiv anders und mit dem hommagenartig an EC angelehnten Konzept rennt man bei mir offene Türen ein – wenngleich sich der spezielle Geist der 1950er-Jahre-Originale natürlich nicht ohne Weiteres kopieren und/oder auf die Neuzeit übertragen lässt. In all den Jahren ist es auch nicht leichter geworden, auf diesem Gebiet originell zu sein, und so fallen diese Geschichten und Geschichtchen denn auch etwas weniger erinnerungswürdig als die Klassiker aus. Unterhaltsam und kurzweilig ist die Lektüre aber allemal!
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