bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Moderator: jogiwan

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Nightmare on Left Bank

Der unsinnigerweise in Deutschland „Nightmare on Left Bank“ betitelte belgische Horrorfilm „Linkeroever“ aus dem Jahre 2008 war das erste Werk in Spielfilmlänge, bei dem Pieter Van Hees allein Regie führte. Der Originaltitel bezeichnet einen Stadtteil Antwerpens.

Pech im Sport, Glück in der Liebe? So scheint es für die Läuferin Marie (Eline Kuppens), die nach einem Schwächeanfall Trainingsverbot auferlegt bekommt und die Teilnahme an einem wichtigen Turnier abschreiben muss. Jedoch hat sie mit Bob (Matthias Schoenaerts, „Loft - Tödliche Affären“) einen neuen Lebensgefährten kennengelernt, in dessen Wohnung in Linkeroever sie viel Zeit verbringt. Seltsam erscheint ihr jedoch, dass die Vormieterin seit längerer Zeit vermisst wird. Als beunruhigend erweist sich zudem die alte Legende vom tiefen schwarzen Loch im Fundament des Wohnblocks, das angeblich direkt in die Hölle führen soll. Dass sie sich mit dem Partner der vermissten Vormietern anfreundet, scheint Bob nicht zu gefallen – und wieso heilt ihre Verletzung nicht aus, sondern wird immer schlimmer?

Sich in aller Seelenruhe entfaltender, langsam in den Alltag schleichender, Außenstehenden zunächst in Paranoia begründet erscheinender Psycho-/Okkult-Horror à la „Rosemaries Baby“ stand unzweideutig Pate für Van Hees‘ „Linkeroever“. Marie wird Opfer eines mystischen Komplotts, ohne dies lange Zeit zu bemerken, obschon sich die merkwürdigen Ereignisse häufen. Auch hier wird die Liebe zu einem Mann ausgenutzt, auch hier treibt ein unheimlicher Kult sein Unwesen und zieht im Hintergrund die Fäden, überlässt nur wenig dem Zufall. Und auch hier wird das Opfer von surreal anmutenden Ereignissen in ihrer Traumwelt geplagt. Der in recht ruhigem Tempo erzählte Film bedient sich eines nüchternen, dafür umso natürlicheren Stils, der sich auch in der Freizügigkeit der beiden Hauptdarsteller niederschlägt. Beide zeigen sich auf ganz selbstverständliche Weise nackt und liefern sich eine recht offenherzige Sexszene, die jedoch nicht pornographisch ausgeschlachtet wird. Eline Kuppens ist in ihrem Spielfilmdebüt eine talentierte Schauspielerin, jedoch keine klassische Schönheit, was die Natürlichkeit dieser Szenen angenehm unterstreicht und ihrer Ausstrahlung Tür und Tor öffnet, die dazu beiträgt, dass es – Horrorfilm hin oder her – richtiggehend Spaß macht, den beiden Jungverliebten zuzusehen (nicht nur beim Sex).

Die Veränderungen des Beins Maries zu beobachten, ist hingegen eher unappetitlicher Natur. Was es damit auf sich hat, darauf bleibt der Film eine eindeutige Antwort schuldig. Das Ende biegt zwar reichlich abgefahren um die Antwerpener Ecke, habe ich jedoch zugegebenermaßen nicht ganz verstanden. Doch das Schöne an „Linkeroever“ ist: Das ist gar nicht so schlimm, denn mit seinem Einblick in belgische Wohn- und Familienverhältnisse, seinem choralen Soundtrack und seinen in ihrem Kontext unheimlichen wirkenden, alten Schwarzweiß-Aufnahmen, mit denen die Bilder gespickt wurden, weiß er trotzdem auf unspektakuläre, unprätentiöse Weise zu gefallen – sofern man Filme dieses Stils, angereichert mit zeitgenössischem europäischem Lokalkolorit zu schätzen weiß. Ich jedenfalls habe Lust bekommen, ihn beizeiten noch einmal zu anzusehen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Das Schlitzohr und der Bulle
Um ein hohes Lösegeld einzustreichen, entführt der Gangster Brescianelli (Henry Silva) die kleine Tochter eines reichen Geschäftsmannes. Da aber das Vermögen des Mannes von der Regierung zu Ermittlungszwecken beschlagnahmt wurde, scheint das Mädchen dem Tode geweiht. Denn Brescianelli ist fest entschlossen, seine Geisel bei ausbleibender Zahlung unter die Erde zu bringen. Kommissar Sarti (Claudio Cassinelli) sieht nur einen Ausweg: er befreit den szenekundigen Kleinkriminellen Marazzi (Tomas Milian) aus dem Gefängnis und macht sich mit ihm und einer Gruppe von Kriminellen auf die Suche.
„Wenn ich den erwische, der uns verpfiffen hat, dem polier‘ ich die Eier nach der Methode P38!“

„Das Schlitzohr und der Bulle“ ist ein weiterer Poliziesco, der unter der Regie Umberto Lenzis („Die Viper“) entstand. Er datiert auf das Jahr 1976 und ist nach „Der Berserker“ die zweite Zusammenarbeit Tomas Milians („Der Gehetzte der Sierra Madre“) und Henry Silvas („Der Mafiaboss – Sie töten wie Schakale“) für Lenzi. Die Rolle des ermittelnden Kommissars wurde diesmal nicht Maurizio Merli, sondern Claudio Cassinelli („Killer Cop“) zuteil.

Der Schwerverbrecher Brescianelli (Henry Silva) hat Camilla, die kleine Tochter eines reichen Geschäftsmanns, entführt, die aufgrund einer Nierenkrankheit seither in akuter Lebensgefahr schwebt, da sie dringend eine Dialyse benötigt. Die Polizei kommt mit herkömmlichen Ermittlungsmethoden nicht weiter und gibt Kommissar Sarti daher grünes Licht, den Kleinkriminellen Marazzi, genannt „Maccaroni“, aus dem Gefängnis zu entführen. Dieser kennt die lokale Unterwelt wie seine Westentasche und soll bitteschön dabei helfen, Brescianelli bzw. das Mädchen aufzuspüren.

„Dich kauf ich mir!“ – „Dann fang schon mal an zu sparen!“

Dieser in einem DER Hochjahre des ruppigen Poliziescos entstandene Film Umberto Lenzis war zum Zeitpunkt seines Erscheinens in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich für diesen Regisseur. Ein Grund dafür ist der ungewohnte komödiantische Ton vieler Szenen, den Drehbuchautor Sacchetti inspiriert von Spencer/Hill-Italo-Western-Komödien einbrachte und – der zweite Grunde – zusammen mit Tomas Milian erstmals für einen Lenzi-Bullenfilm an der Rolle eines Kriminellen feilte, der neben einem aufrechten Polizisten zum Protagonisten wird, ohne den der Vertreter des Gesetzes alt aussehen würde. „Maccaroni“ avanciert zum Sympathieträger und gemahnt an manch Terence-Hill-Rolle, fällt dabei jedoch wesentlich gefährlicher aus und erschießt aus Rache auch schon mal ohne große Not sein Gegenüber. Dies verleiht Maccaroni eine zynische, abgeklärte Note und lässt ihn nicht zur Witzfigur verkommen. Während Henry Silva in „Der Berserker“ noch der Selbstjustiz-Bulle war, darf er hier wieder den abonnierten Bösewicht mimen. Und als den unorthodoxen, schlagkräftigen Cop engagierte man diesmal überraschenderweise nicht Maurizio Merli, sondern Claudio Cassinelli, der zuvor in „Killer Cop“ unter der Regie Luciano Ercolis voll überzeugte, neben Milian aber leider etwas verblasst. Gerüchten zufolge wollte Milian nach „Die Viper“ nicht mehr mit Merli zusammenspielen, da letzterer seine Rollen anscheinend etwas zu ernst nahm. Doch auch Cassinellis Kommissar Sarti ist kein Kind von Traurigkeit und darf fleißig prügeln und foltern.

Wie auch immer, mit der Rolle des afrotragenden, harten aber herzlichen Tunichtguts Maccaroni schafft „Das Schlitzohr und der Bulle“ eine Identifikationsfigur außerhalb des Law-&-Order-Bullen-Machismo und versieht die Handlung neben frechen Sprüchen mit anarchischem Charme. Zunächst wähnt sich der Zuschauer kurioserweise jedoch in einem Italo-Western, der sich nach kurzer Irritation indes als Film und Film entpuppt, der von den Gefängnisinsassen angeschaut wird. Weitere Verweise auf die heimische Filmkultur bietet das städtische Kino, in dem offensichtlich „Vier im roten Kreis“ und „Salon Kitty“ laufen. Sarti und Maccaroni bilden eine ungleiche Zweckgemeinschaft, die sich gegen zahlreiche Gefahren behaupten muss, von gegenseitigem Respekt geprägt ist, der sich mit zunehmenden Verlauf stärker ausbildet, jedoch nie Gefahr läuft, in Buddy-Movie-Kitsch aufzugehen. Im Verlauf der recht stringent und spannend inszenierten Handlung stellt Lenzi seine Landsleute vornehmlich quasi als verbrecherische, geldgierige, illoyale Typen dar, die zudem gern mit Waffen herumhantieren. Daraus resultieren einmal mehr Verfolgungsjagden, Schießereien und viele Tote – für reichlich Action ist gesorgt. Als genial empfinde ich die Idee, Eisengesicht Silvas Rolle eine Gesichtsoperation zu unterstellen; herrlich bizarr fiel der Überfall des Erschießungskommandos in einer quietschbunten Bude aus, die der Villa Kunterbunt locker Konkurrenz machen dürfte. Milian schlüpft in verschiedenste Kostüme und sorgt für Kurzweil und großen Unterhaltungswert, der Film steht und fällt letztlich mit ihm. Seine Rolle, die eine Art Leichtigkeit ins schwergewichtige Poliziesco-Genre brachte, stand folgerichtig Pate für Filme wie „Die Kröte“ (ebenfalls unter Lenzi) oder die „Tony Maroni“-Reihe, für die Milian die Seiten wechselte.

Untermalt wird das muntere tödliche Treiben Italo-üblich mit toller Musik, für die in diesem Falle Bruno Canfora verantwortlich zeichnet. Tempo, Action, Witz und nicht zuletzt die gezeigte Option des sympathischen kleinkriminellen Außenseiters als Gegenentwurf zum Prügelprollbullen machen unter der gekonnten Regie Umberto Lenzis aus „Das Schlitzohr und der Bulle“ einen hervorstechenden Polizeifilm, der gleichermaßen inhaltlich gereift wie juvenil frech und verspielt wirkt und sich seine 7,5 von 10 Afro-Perücken redlich verdient hat.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Die Gewalt bin ich
Zwischen den Leuten des "Chinesen" (Tomas Milian) und den Mannen von Di Maggio (John Saxon) braut sich ein Sturm zusammen. Die beiden Gangsterbosse trauen sich nicht über den Weg und gehen sadistisch gegen jeden vor, der nicht zahlt oder sich ihnen in den Weg stellt. Auch gegen Commissario Leonardo Tanzi (Maurizio Merli), der nach einem Mordanschlag des "Chinesen" offiziell als tot gilt. Als sein alter Onkel bei einem Schusswechsel umkommt, gibt Tanzi seine Tarnung auf und spielt die Rivalen gegeneinander aus, bis sich alle drei in einem blutigen und bleihaltigen Finale gegenüberstehen...
„Ich hab' auf Gangster geschossen und ich werd' es auch wieder tun, wenn es sein muss! Willst du mich deswegen verhaften?“

1976 drehte Italo-Regisseur Umberto Lenzi den Poliziesco „Die Viper“ mit Maurizio Merli in der Hauptrolle. Die deutsche Bearbeitung machte aus Merlis Rolle Kommissar Ferro, eigentlich hörte er aber auf Tanzi – wie auch im 1977 erschienenen weiteren Poliziesco „Die Gewalt bin ich“, der daher als Fortsetzung der „Viper“ betrachtet werden kann.

Rom: Die konkurrierenden Gangsterbanden des „Chinesen“ (Tomas Milian, „Lauf um dein Leben“) und Di Maggios (John Saxon, „Black Christmas“) vereinbaren eine Geschäftsbeziehung, von der beide profitieren sollen. Es handelt sich jedoch um eine reine Zweckbeziehung, denn die Banden, die ganz Rom mit ihren Schutzgelderpessungen und Morden in Atem halten, trauen sich gegenseitig nicht über den Weg. Kommissar Tanzi gerät ins Visier des „Chinesen“ und fällt beinahe einem Mordanschlag zum Opfer. Kurzerhand wird er für tot erklärt und fürs Erste aus dem Verkehr gezogen, damit er nicht täglich um sein Leben fürchten muss. Doch als sein Onkel Opfer von Verbrechern wird, reicht es Tanzi und er stürzt sich wieder ins Getümmel, versucht dabei, beide Banden gegeneinander auszuspielen...

„Geht's dir gut?“ - „Ich bin zufrieden.“ - BÄM! - „Und wie geht’s dir jetzt?“ - „Besser! Du hast Recht gehabt!“ (Tanzi weiß, was Frauen brauchen...)

Manch Poliziesco war noch unverkennbar mit dem Italo-Western verwandt, woran Lenzi mit seinem überzeichneten „Die Gewalt bin ich“ offensichtlich ein Stück weit wieder anzuknüpfen versuchte: Der Originaltitel „Il cinico, l'infame, il violento“ lässt Erinnerungen an Sergio Leones Premium-Western „The Good, the Bad and the Ugly“ wach werden und die Handlung der zwei konkurrierenden Gangsterbanden, die man gegeneinander auszuspielen versucht, erinnert natürlich an Leones Auftakt seiner Dollar-Trilogie „Für eine Handvoll Dollar“ (der wiederum inspiriert war vom Samurai-Eastern „Yojimbo - Der Leibwächter“). Tomas Milian, der Gerüchten zufolge nach „Die Viper“ eigentlich nicht mehr mit Maurizio Merli zusammenarbeiten wollte, stand nun doch wieder mit ihm vor der Kamera – jedoch wurden laut Lenzi die unterschiedlichen Handlungsstränge jeweils getrennt voneinander gedreht, so dass beide erst zum Finale aufeinandertrafen. Möglicherweise war dies der Grund, weshalb sich Milian bereiterklärte, doch noch einmal mit dem blondgescheitelten Schnauzbart- und Goldkettchenträger Merli zu drehen, dem man nachsagt, er habe seine Rollen etwas sehr ernst genommen, sich eventuell selbst für eine Art Prügel-Cop gehalten, der im Eifer des Gefechts auch mal etwas fester auf Milian einprügelte und zudem so selbstverliebt gewesen sein soll, dass er von sich in der dritten Person sprach. Beide Hauptdarsteller sollen laut Lenzi in der Tat zerstritten gewesen sein und versucht haben, ihrem jeweiligen Part im Film höhere Priorität einzuräumen. Zudem wurde das Drehbuch gleich viermal neu geschrieben, mit Ernesto Gastaldi, Umberto Lenzi, Dardano Sacchetti und Sauro Scavolini waren ebenso viele Autoren beteiligt. Lenzi sagt rückblickend, er habe diese Probleme professionell überwunden, jedoch merkt man sie dem Film durchaus an. Er wirkt bisweilen etwas zerfahren und wild zusammengestückelt, dafür drehen beide Hauptdarsteller voll auf: Milian, indem er seine Rolle gewohnt fein säuberlich ausarbeitete und ihr zu Aura, Ausstrahlung und Tiefgang verhalft und Merli, indem er es noch mehr übertrieb.

Bekannte Zutaten in „Die Gewalt bin ich“ sind die brutalen Schutzgelderpressungen seitens skrupelloser Gangster, die über Leichen gehen, die völlige Ignoranz jeglicher Vorschriften seitens des ermittelnden Kommissars, zu dessen alltäglichen Arbeitsinstrumenten Prügel und Folter gehören und der schneller das Schießeisen zückt, als ein Delinquent seine Unschuld beteuern kann sowie die aus dieser Konstellation resultierenden Actioneinlagen und Leichenberge. Eigenartig aber mutet die irgendwie umständlich erzählte Handlung an, wenn man von Tanzis Schussverletzung nicht viel merkt und Merli fidel wie eh und je durch die Kulissen kickboxt. Gar unpassend erscheint auch die ausgedehnte Einbruchs-Einlage, in der Tanzi infrarotbebrillt mit einem „Professor“ in ein Hochsicherheitsgebäude eindringt – das erinnert an Heist-Movies oder Eurospy, evtl. gar an Genrekomödien, irritiert aber in einem Poliziesco wie diesem. Hammerhart fiel Tanzis Überfall auf ein Modelstudio aus, auch schreckt er (s. obiges Zitat) überhaupt nicht mehr davor zurück, grundlos Frauen schallend ins Gesicht zu schlagen. Mit seinem ehemaligen Vorgesetzten prügelt er sich auch schon mal zur Begrüßung einfach so. Während Merli das vermutlich alles furchtbar ernst nahm und sich irre abgebrüht in seiner Machoproll-Rolle vorkam, fasst sich manch Zuschauer an den Kopf oder kann sich ob der unfreiwilligen Komik ein Schmunzeln nicht verkneifen. John Saxon zeigt als Di Maggio, dass man beim Golf besser Helm und Mundschutz trägt und ergänzt dadurch Lenzis mahnende Haltung zum Bowling-Sport aus „Camorra – Ein Bulle räumt auf“. Er und Milian reißen viel heraus und verleihen dem trotz aller Action für Lenzi-Verhältnisse fast schon geschwätzigen Film neben schauspielerischer Finesse seinen grimmigen Ton.

Insgesamt ist „Die Gewalt bin ich“ ein leider noch weniger als die Vorgänger ernstzunehmendes Potpourri aus Genrezutaten und gleichzeitig der Versuch, einzelne davon noch weiter auf die Spitze zu treiben und mit neu entliehenen Versatzstücken innovativ zu wirken, was jedoch nicht so recht funktionieren will. Doch auch, wenn mich selbst Franco Micalizzis Soundtrack diesmal nicht so recht überzeugen will, verfügt „Die Gewalt bin ich“ über einen gewohnt hohen Unterhaltungswert und zelebriert insbesondere seinen Milian, aber auch Saxon sowie bekannte Nebendarsteller-Gesichter wie Renzo Palmer („Racket“) oder Claudio Undari („Das Schlitzohr und der Bulle“) auf eine Weise, dass es für Genre-Fans die reinste Freude ist – wozu natürlich auch Merlis Schnauzbartzucken zu zählen ist. Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass sich mit „Die Gewalt bin ich“ entweder diese Form des Selbstjustiz-Poliziescos langsam totzurennen drohte oder schlicht zu viele Köche sowie künstlerische Eifersüchteleien den Brei zwar nicht verdarben, aber etwas anbrennen ließen. Und wem das jetzt alles nicht passt, kann mir mal das Architekturbuch rauslegen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Wenn du krepierst – lebe ich
Ahnungslos nehmen der Reporter Walter Mancini und seine Frau Eva einen Anhalter mit, der eine Wagenpanne vortäuscht. In Wahrheit ist er jedoch der psychisch kranke Gewaltverbrecher Adam Konitz, der mithilfe der beiden die Beute eines Überfalls über die mexikanische Grenze schmuggeln will. Bald kommt es zu Streitereien und Konitz offenbart seine sadistische Natur...
„Ich hab‘ noch nie ‘nen Italiener getroffen, der was vertragen kann!“

Der italienische Filmemacher Pasquale Festa Campanile („Als die Frauen noch Schwänze hatten“) war in erster Linie als Komödien-Regisseur bekannt, drehte im Jahre 1977 mit „Wenn du krepierst – lebe ich“ jedoch eine überraschend harte Mischung aus Road-Movie und sleazigem Gangster-Thriller. Dem Drehbuch liegt ein (mir unbekannter) Roman aus der Feder Peter Kanes zugrunde.

Der italienische Journalist Walter Mancini (Franco Nero, „Ein schwarzer Tag für den Widder“) und seine Frau Eve (Corinne Cléry, „Die Geschichte der O“) unternehmen mit ihrem Auto samt Wohnwagen eine Camping-Tour durch die Berge Nordkaliforniens. In ihrer Ehe scheint es zu kriseln, lautstarke Wortgefechte sind ebenso an der Tagesordnung wie Walters übermäßiger Alkoholkonsum, der aus ihm einen prolligen, machohaften Streithammel macht. Als sie den jungen Anhalter Adam Konitz mitnehmen (David Hess, „The Last House on the Left“), entpuppt sich dieser jedoch nach kurzer Zeit nicht nur als Bankräuber auf der Flucht, sondern auch als sadistischer Soziopath sondergleichen. Fortan befinden sich die Mancinis in akuter Lebensgefahr…

Für „Wenn du krepierst – lebe ich“ zog Campanile bereits bei der Besetzung das große Los: Von Franco Nero ist dies einer der besten Auftritte, die ich bisher von ihm gesehen habe, David Hess beweist einmal mehr, weshalb er gern für psychopathische Bösewichte gebucht wird und Corinne Cléry als scheinbar zerbrechliche Frau und Opfer versieht den Film dank ihr Zeigefreudigkeit nicht nur mit einer erotischen Note, sondern ist auch eine talentierte Schauspielerin. Die vordergründige Thriller-Handlung wurde hochspannend und gespickt mit einigen überraschenden Wendungen inszeniert und offenbart bei genauerer Betrachtung einen Geschlechterkampf, den die Mancinis stellvertretend für andere Paare ausfechten, in denen der männliche Part sich in Zeiten aufweichender, durchlässig werdender Rollenzuordnungen in seiner Eigenschaft als Ernährer durch selbstbewusste und/oder unabhängige Frauen gefährdet sieht. Finanziell nicht von Walter abhängig ist nämlich Eve, Tochter eines vermögenden Verlegers, bei dem Walter zu allem Überfluss auch noch angestellt ist – was sichtlich an Walters Stolz kratzt. Dennoch lässt sie sich von Walter vieles gefallen, was dieser auszunutzen versteht. Möglicherweise liegt hierin indes ein den S/M-Bereich streifender besonderer Reiz für Eve, doch das ist nicht Thema des Films. Dieser liefert vielmehr nervenkitzelnde Psycho-Duelle zwischen dem ungleichen Trio und skizziert anhand jener drei Personen eine moralisch aus den Fugen geratene Gesellschaft, die von Geldgier und Geltungssucht bestimmt ist. „Wenn du krepierst – lebe ich“ zeigt eindrucksvoll, was die Aussicht auf schnellen Reichtum aus Menschen machen kann – die dafür nicht einmal offensichtlich wahnsinnige Killer wie Konitz sein müssen.

Nero wird als Unsympath in die Handlung eingeführt, avanciert jedoch, nachdem Konitz das Paar als Geiseln genommen hat, zur Identifikationsfigur für den Zuschauer, was die psychologische Wirkung des Films eine perfide Taktik wählen lässt, die das Publikum spätestens in der Schlusspointe eiskalt erwischt. Mit seinen den Zuschauer immer wieder vor den Kopf stoßenden Überraschungen beginnt „Wenn du krepierst – lebe ich“ früh in Form einer deftigen, weil aus dem Nichts kommenden Erschießung zweier Polizisten – ein Zeitpunkt, ab man weiß, ständig mit allem rechnen zu müssen, was die eigene Nervosität erhöht und die der Mancinis umso verständlicher macht. Eines der „Herzstücke“ des mit seinen wüstenartigen, staubig trockenen Landschaftsaufnahmen hoch atmosphärisch gefilmten Films ist eine Vergewaltigung am beinahe idyllischen, knisternden Lagerfeuer, die, ohne geschmacklos-explizit zu werden, derart eindringlich inszeniert wird, dass sie unangenehm distanzlos und plastisch wirkt. In Neros Augen sieht man derweil das Feuer des Hasses lodern, denn zum Zusehen gezwungen bedeutet dieses Verbrechen die absolute Demütigung seiner Person, seiner Männlichkeit.

Die Dialoge des sich die meiste Zeit auf sein Trio beschränkenden Werks sind scharfzüngig, frech, pointiert, nicht ohne Tiefgang. Der Film ist alles andere als geschwätzig, doch legt er Gewicht auf das gesprochene Wort, zwischen dessen Zeilen sich vieles lesen lässt. Von besonderer Bedeutung ist auch die musikalische Untermalung von Maestro Ennio Morricone, der mit Zupfinstrumenten nicht nur stark zur Stimmung des Films beiträgt, sondern mit Hippie-Liedern das Geschehen auf der Leinwand kontrastiert und ihre Inhalte ad absurdum führt und entlarvt, wie es im Jahr der Veröffentlichung auch die britische Punk-Explosion tat. Derart pessimistisch, düster und zynisch erinnert „Wenn du krepierst – lebe ich“ in Bezug auf Aussage und Pointe etwas an Mario Bavas „Wild Dogs“ und wirkt angesichts seines Ambientes beinahe wie ein moderner Italo-Western. Ein fieser Film, der nachhaltig an die Nieren geht und dessen reißerischer deutscher Titel diesmal alles andere als daneben liegt.
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Ich habe Angst
Als die Ehefrau auf den Balkon tritt, ist das das Zeichen für die Killer. Gleich wird ihr Mann, ein verantwortlicher Richter, aus dem Hausflur treten. Die Männer gehen kaltblütig vor und töten auf offener Strasse zuerst den Polizisten, der zum Schutz abkommandiert wurde, dann den Richter. Auch Ludovico Graziano (Gian Maria Volontè), der mit seinem Partner den Fluchtwagen aufhalten kann, hat keine Chance gegen die schwere Bewaffnung der Terroristen. Die Polizisten reagieren entsprechend empört angesichts des neuerlichen Todesopfers, weil sie sich von den Verantwortlichen im Stich gelassen fühlen. Auch Graziano hat keine Lust auf einen solch gefährlichen Job und erhält die Aufgabe, einen kleinen Untersuchungsrichter zu begleiten. Richter Cancedda (Erland Josephson) ist zuerst wenig erfreut darüber, weil er das nicht für notwendig hält. Aber als er auf eine neofaschistische Verschwörung in einflussreichen Kreisen stösst, ändert sich die Situation für Beide erheblich...
„Wir haben es satt, getötet zu werden!“

Der italienische Regisseur Damiano Damiani hatte sich mit Filmen wie „Das Verfahren ist eingestellt: Vergessen Sie’s!“ oder „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ einen Namen als gesellschafts-, polit- und systemkritischer Filmemacher gemacht, der sich in seinen Werken immer wieder mit der Mafia anlegte und ihre Verstrickungen mit hohem Politik- und Justizkreisen aufzeigte und anprangerte. Im Jahre 1977 folgte mit „Ich habe Angst“ ein Film, der in die gleiche Kerbe schlägt. Sie bedeutete Damianis zweite Zusammenarbeit mit dem italienischen Ausnahmeschauspieler Gian Maria Volonté nach dem Italo-Western „Töte Amigo“.

Der Terror hält das öffentliche Leben Italiens in Atem: Auf offener Straße findet wieder einmal eine Hinrichtung statt. Man ermordet einen unliebsamen Richter und den zu dessen Schutze abgestellten Polizisten gleich mit. Die Polizisten Ludovico Graziano (Gian Maria Volonté, „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“) und sein Partner müssen tatenlos zusehen, wie die schwerbewaffneten Attentäter entkommen. Die einfachen Straßenpolizisten revoltieren gegen die zunehmende Lebensgefahr, die ihr Beruf mit sich bringt, und begehren auch gegen ihre Vorgesetzten auf. Auch Graziano ist das alles zu gefährlich geworden. Infolge dessen erhält er den Auftrag, einen einfachen Untersuchungsrichter als Leibwächter zu begleiten, der angeblich kein potentielles Anschlagsopfer darstellen soll. Dies ändert sich, als er zusammen mit Graziano einer Verschwörung auf die Schliche kommt.

„Ein Richter braucht nicht beschützt zu werden!“

„Ich habe Angst“ wird aus der Sicht eines einfachen Polizisten erzählt, der kein politisch denkender Mensch ist, sich nirgends einzumischen drängt und in erster Linie etwas Ruhe und Sicherheit anstrebt – jedoch lernen muss, dass dies in einem korrupten System nicht möglich ist, da es einen früher oder später zwangsinvolviert. Eine noch naivere Sichtweise wird jedoch Richter Cancedda (Erland Josephson, „Der gelbe Teppich“) zuteil, der sich zunächst mit allerlei markigen Sprüchen gegen die Beschützung durch Graziano wehrt und einen unheimlichen Idealismus erkennen lässt, der die Möglichkeit, dass man auf ihn schießen wollen könnte, kategorisch ausschließt. Nach einer harschen, blutigen Eröffnungssequenz, in denen sich die Toten mit Stimmen aus dem Off vorstellen („Ich bin…“), ist „Ich habe Angst“ lange Zeit sehr theoretisch und konzentriert sich viel auf die Dialoge zwischen Graziano und Cancedda, die sich langsam einander annähern. Mit seiner Erfahrung und seiner nichtrichterlichen Perspektive kann ihm Graziano wichtige Hinweise geben, denn auch, wenn er sich aus dem meisten herauszuhalten versucht, ist er weder dumm, noch weltfremd, interessanterweise sogar mit einer Revoluzzerin liiert. Plötzlich überaschlagen sich die Ereignisse, die den Zuschauer dadurch umso härter treffen. Es beginnt mit einem unfassbar kaltschnäuzigen Mord durch einen sprichwörtlichen Hinauswurf aus dem Fenster; kurz darauf spitzen sich die Ereignisse derart zu, dass Graziano einem anderen Richter, Richter Moser (Mario Adorf, „Milano Kaliber 9“), zugeteilt wird – welcher einen wesentlich offenherzigeren Eindruck macht. Doch je weiter Graziano einem Komplott auf die Spur kommt, desto mehr gerät er in Lebensgefahr, so intelligent und verschlagen er sich auch lange Zeit zu erwehren weiß.

Visionär wie eh und je greift Diamiani mittlerweile längst bestätigte Überlegungen hinsichtlich durch faschistische Gruppen begangener Terrorakte auf, die in Zeiten der „Roten Brigaden“ erfolgreich „den Linken“ untergeschoben werden sollten, um deren Reputation nachhaltig zu schaden. Dafür arbeiteten rechte politische und behördliche Kreise, Faschisten und mafiöse kriminelle Strukturen zeitweise Hand in Hand zusammen. Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, benennt Diamini zumindest diese Thesen und arbeitet mit Anspielungen auf tatsächliche Terrorakte in Italien, stellt zudem eine Verbindung zwischen Justiz und organisierter Drogenkriminalität her. Opfer derartiger Verflechtungen und Machenschaften ist einmal mehr „der kleine Mann“, in diesem Falle Graziano als unterer Beamter, der von Damiani wie ein Angehöriger der Arbeiterklasse skizziert und als Leidtragender dargestellt wird. Damit widerspricht Damiani in diesem Falle der Argumentation, dass Polizisten grundsätzlich staatstragende Elemente seien, die „oben“ begangenes Unrecht nach „unten“ durchzuknüppeln hätten und deshalb ebenso bekämpft werden müssten. Damianis bzw. Volontés hervorragend gespielter Graziano ist kein aggressiver Prügelbulle, sondern ein normaler Mann mit Ängsten wie ich und du. Riz Ortolani ist für die musikalische Untermalung des hochkarätig besetzten Films zuständig und tut das, was er mit am besten kann, indem er ihn mit einem beunruhigenden, subtilen, leicht dissonanten Soundtrack versieht, der Grazianos Gefühl der ständigen Bedrohung gekonnt vertont. Wie gewohnt ist Damianis Stil spannend und kämpferisch, letztlich jedoch pessimistisch und ernüchternd und damit nah an einer Realität und Aktualität, die auch in hiesigen Gefilden mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen hat. Wem hat der R.A.F.-Terror am meisten genutzt? Wer verübte wirklich den Bombenanschlag auf Alfred Herrhausen? Wie viel Vertrauen kann man in deutsche Geheimdienste haben, die von alten Nazi-Schergen gegründet wurden? Wie konnte eine „NSU“ derart lange unerkannt und unbehelligt feige morden? „Ich habe Angst“ sensibilisiert für Themen wie diese, erteilt jeder Obrigkeitshörigkeit eine klare Absage und ist ein weiterer Stein im Mosaik, das Damianis Filme zum Besten zählen lässt, was das europäische Kino zu bieten hatte.

„Es gibt aber auch eine höhere Gerechtigkeit!“ – „Ja, am Arsch!“
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Die Klette
Der Kommissar der Fremdenpolizei Stefano Belli (Franco Nero) lässt sich von dem Rechtsanwalt Fontana (Adolfo Celi) gut dafür bezahlen, das britische Fotomodell Sandy Bronson (Delia Boccardo) möglichst schnell abzuschieben. Sie hat sich bei Fontana unbeliebt gemacht, weil sie sich an dessen Sohn Mino (Maurizio Bonuglia) heran gemacht hatte, der sie zu heiraten beabsichtigt - für Fontana nur aus dem Grund, um an sein Geld heranzukommen. Zudem soll Belli noch den Musikproduzenten Romanis überprüfen, in dessen Geschäfte Fontanas Frau Vera (Florinda Bolkan) eine größere Summe investieren will. Die Angelegenheit mit dem englischen Model erweist sich als leichter Auftrag, auch wenn Sandy ihre Verführungskünste einzusetzen versucht, um ihn umzustimmen. Doch bei dem Produzenten erwartet ihn eine böse Überraschung, denn er findet ihn tot in seiner Wohnung liegend vor. Offensichtlich schon längere Zeit, denn sein Kollege von der Mordkommission, Commissario Baldo (Renzo Palmer), ist nicht weit und wundert sich über Bellis Anwesenheit. Diese kann er noch leicht erklären, indem er auf Fontanas Bitte, Romanis zu überprüfen, verweist, aber damit fangen seine Schwierigkeiten erst an...
„Seit wann sind Weiber nicht neugierig?“

„Die Klette“ ist ein Kriminalfilm nach Whodunit?-Prinzip des italienischen Regisseurs Romolo Guerrieri aus dem Jahre 1969, der sich stilistisch irgendwo zwischen Poliziesco, Film noir und Giallo bewegt. Ihm zugrunde liegt der (mir unbekannte) Roman „Macchie di belletto“ von Ludovico Dentice. Romolo Guerrieri ist der Onkel des etwas umtriebigeren italienischen Filmemachers Enzo G. Castellaris und trat zuvor als Regisseur von diversen Western sowie des Giallos „Der schöne Körper der Deborah“ in Erscheinung.

Stefano Belli (Franco Nero, „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“) ist mit seiner Tätigkeit als Kommissar der Fremdenpolizei nicht ganz ausgelastet, weshalb er privat weitere Aufträge entgegennimmt. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Er ist ein bestechliches Aas. Der vermögende Rechtsanwalt Fontana (Adolfo Celi, „Der Mafiaboss – Sie töten wie Schakale“) beauftragt Belli, möglichst schnell für die Abschiebung des britischen Fotomodells Sandy Bronson (Delia Boccardo, „Das wilde Auge‘“) zu sorgen, da diese sich zu seinem Leidwesen an seinen Sohn Mino (Maurizio Bonuglia, „Sklaven ihrer Triebe“) herangemacht und ihm kräftig den Kopf verdreht hätte. Außerdem soll Belli die Integrität des Musikproduzenten Romanis überprüfen, da Fontanes Frau Vera (Florinda Bolkan, „Spuren auf dem Mond“) vorhätte, mit diesem geschäftliche Beziehungen einzugehen. Doch zur Überraschung Bellis findet er Romanis tot in dessen Wohnung. Er ahnt, dass hinter der Sache viel mehr steckt, wittert noch mehr Geld und ermittelt auf eigene Faust – wodurch er in einen Strudel aus einer Vielzahl von Verdächtigungen und Motiven gerät, deren Spuren immer wieder zu Sandy und zu den Fontanas führen…

Die von Franco Nero souverän, aber unspektakulär gespielte Hauptrolle nimmt bereits vieles vorweg, was im darauffolgenden Jahrzehnt Usus in einem bestimmten Typus italienischer Polizieschi werden sollte: Die brutale, sich über sämtliche Vorschriften hinwegsetzende Selbstjustiz eines Maurizio Merli in seinen Rollen beispielsweise, die Misshandlung Verdächtiger, die Prügel, die Folter. Jedoch dient Kommissar Belli in „Die Klette“ nicht als Sympathieträger und Identifikationsfigur für den Zuschauer, im Prinzip ist der Film völlig frei von derartigen Charakteren. Noir ist „Die Klette“ nicht nur mit dem bestechlichen, egoistischen, prügelfreudigen und frauenfeindlichen Belli, sondern auch mit dem vermittelten Frauenbild. Sämtliche zum Tragen kommende Mädels sind auf ihre Weise Luder und Femme fatales, zwischen naiv und berechnend, zwischen drogensüchtig und moralisch verkommen. Die gewisse erotische Note, die manch zeigefreudigeres Exemplar dem Film beschert und die in der wohlhabenderen Gesellschaftsschicht und dem oberflächlichen Showgeschäft u.ä. angesiedelte Handlung wiederum versieht „Die Klette“ ebenso mit seinen gialloesken Elementen wie die elegante Ästhetik einer kunstvollen, teilweise verspielten Kameraarbeit mit speziellem Blick fürs Ambiente und für Gesichter sowie manch stilistisch auffälligem Swinging-Sixties-Interieur.

Übergeordnet ist indes eine Krimi-Handlung, die ganz nach dem Motto der zu Beginn erklungenen James-Brown-Textzeile „It’s a man’s world“ einen betont männlich-rauen Charakter entwickelt und etabliert und zu jazziger musikalischer Untermalung eine derart verworrene Geschichte voll falscher Fährten erzählt, dass sie trotz gemächlichem Tempo die volle Konzentration des Zuschauers verlangt. Doch selbst, wenn man diese aufzubringen vermag, dürfte es schwerfallen, bis zum Schluss mitzukommen und nicht irgendwann aufzugeben und schlicht die Bilder und Melancholie des Films zu genießen, die neben Bellis Gewalteruptionen beispielsweise durch ein halsbrecherisches Russisch Roulette auf vier Rädern als Action-Einsprengsel konterkariert werden. Für bemerkenswerte Details sorgt z. B. die Polizei um Kommissar Baldo (Renzo Palmer, „Racket“), die ganz selbstverständlich Zigarettenkippen auf den Krankenhausboden wirft und Kaffee bei den Schwestern bestellt. Allen männlichen Habitus indes ironisiert der Schluss auf geniale Weise, wenn erneut jene James-Brown-Zeile, diesmal bewusst wesentlich weniger zu den Bildern passend bzw. die darauffolgende Verszeile unterstreichend, erklingt. Das Ende überrascht trotz oder gerade wegen seiner Konsequenz.

„Die Klette“ ist ästhetisch wertvoll, gut besetzt und handwerklich versiert inszeniert worden, narrativ jedoch etwas langatmig ausgefallen und zu viele Haken schlagend. Dennoch zweifelsohne ein besonderes Erlebnis des italienischen Kinos für den Zeit und Zugang findenden Kenner und Genießer.

P.S.: Diese Kritik bezieht sich auf die deutsche Kinofassung, die ich im Rahmen der „Bizarre Cinema“-Reihe im Dezember 2013 in Hamburg sehen durfte. Die Heimkino-Veröffentlichungen scheinen in ihrem Ende abzuweichen.
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Psycho
Die Angestellte Marion Crane (Janet Leigh) unterschlägt 40.000 $ und flüchtet im Auto in Richtung Kalifornien. Wetterbedingt steigt Marion in Bates Motel ab. Wenig später wird sie unter der Dusche erstochen. Als Marions Schwester und Marions Verlobter aus Sorge bei Norman Bates (Anthony Perkins), dem Besitzer von Bates Motel eintreffen, kommen sie dem grausigen Geheimnis auf die Spur.
„Der beste Freund für einen Mann ist seine Mutter!“

Der britische Regisseur Alfred Hitchcock galt als Meister der Spannung – ein Ruf, den er insbesondere mit seinem 1960 veröffentlichten, komplett in Schwarzweiß und in US-Produktion gedrehten Psycho-Thriller „Psycho“ verfestigte. Der Film gilt bis heute als Meisterwerk und wurde zu einem unzählige Filmemacher inspirierenden Genrewerk sowie Prototypen des Slasher-Films. Er basiert auf dem (mir unbekannten) gleichnamigen Roman Robert Blochs, der von den wahren Ereignissen um den Serienmörder Ed Gein inspiriert wurde.

Die Büroangestellte Marion Crane (Janet Leigh, „The Fog – Neben des Grauens“) unterhält eine heimliche voreheliche Beziehung zu ihrem Liebhaber Sam Loomis (John Gavin, „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“), der über finanzielle Sorgen klagt und sie deshalb nicht heiraten könne. Eines Tages wittert sie die Chance, zu schnellem Geld zu kommen, und unterschlägt 40.000 $ in bar eines reichen Texaners. Sie setzt sich in Richtung Kalifornien ab und sucht schließlich in Bates Motel für eine Nacht Zuflucht vor dem Wetter. Dort wird sie unter der Dusche erstochen. Motel-Besitzer Norman Bates (Anthony Perkins) lässt die Leiche und Marions Auto verschwinden und verwischt sämtliche Spuren. Marions Schwester Lila (Vera Miles, „Blutweihe“) und Sam betreiben Nachforschungen und engagieren den Privatdetektiv Milton Arbogast (Martin Balsam, „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“). Sie kommen einem düsteren Geheimnis auf die Spur…

„Gegen das Pech im Leben gibt’s bekanntlich keine Pillen!“

Für „Psycho“ tat Hitchcock gut daran, im Vorfeld weitestmöglich dafür Sorge zu tragen, dass niemand seinem Publikum zu viel verriet, denn dass der bis dahin als Hauptrolle etablierte Charakter bereits ca. zur Hälfte aus der Handlung herausgemordet wird, sollte eine genauso überraschende Wendung bleiben wie die finale Auflösung der Ereignisse, der entscheidende Aha-Effekt der Geschichte. Beides sind herausragende Schockmomente der Kinohistorie geworden, die sich tief ins kollektive Bewusstsein eingebrannt haben und seither unaufhörlich zitiert werden. Doch damit der Film auch sowohl bei Kenntnis seiner Twists als auch bei erneuten Sichtungen funktioniert, arbeitete Hitchcock zwar gezielt auf seine Überraschungen hin, ließ jedoch auch bei allem sie Umhüllenden äußerste Sorgfalt walten und wandte all sein inszenatorisches Geschick dafür auf, „Psycho“ zu einem wunderbar gealterten, monumentalen Filmereignis zu machen.

Mittels neugieriger Kamerafahrten und -perspektiven sowie eines Weltruhm erlangten Streicher-Soundtracks rückt er an der Sitte und Moral der auslaufenden 1950er rüttelnde Motive von vorehelichem Sex über Unterschlagung/Diebstahl und aus dem Alltag auszubrechender junger Frauen bis hin zu Unterwäscheszenen, dem sprichwörtlichen nackten Entsetzen eines Mords unter der Dusche sowie der Konfrontation mit psychopathologischen, ödipalen Komplexen innerhalb der einfachen Landbevölkerung ins Licht der Leinwand. Die Mordszene unter der Dusche ist ein Paradebeispiel für die Kraft von Andeutungen und versierter Schnitttechnik, denn entblößte Geschlechtsorgane oder blutige Einstiche bekommt man in der nur scheinbar expliziten Sequenz nicht zu sehen, dafür geht die staccatoartige Musik wahrlich durch Mark und Bein. In Kombination mit klassischen Stilelementen wie prasselndem, unwetterartigem Regen beim Begeben in Gefahrsituationen oder der geheimnisvoll-düsteren Ausleuchtung des Bates-Wohnhauses, die aus ihm einen wenig einladenden, schattenhaften, unheimlichen Ort macht, gelingt es Hitchcock, eine Atmosphäre des Grusels, der inneren Anspannung und des nahenden Unheils selbst in scheinbar unspektakuläre Momente zu projizieren. Entscheidend dazu bei tragen die Schauspieler: Janet Leigh spielt ihre Nervosität als unerfahrene Diebin sehr gut und mitleidserregend, vor allem nachvollziehbar. Hitchcock unterstützte sie zusätzlich, indem er sie sich hörbar für den Zuschauer die Dialoge ausmalen ließ, die erfolgen würden, nachdem der Diebstahl bemerkt werden würde. Größter Glücksgriff für die männliche Hauptrolle war natürlich der unscheinbare Anthony Perkins für die Rolle eines der bekanntesten Muttersöhnchen der Kinogeschichte. Zunächst ein freundlicher, zuvorkommender, schüchterner junger Mann, beginnt die Stimmung umzuschlagen, sobald man den Gesprächen mit seiner „Mutter“ unfreiwillig beiwohnt und ist sie nahezu im Eimer, wenn er im gleichen Atemzug über Frauen zu philosophieren beginnt, wie er seiner Leidenschaft fürs Ausstopfen von Tieren zum Ausdruck bringt. Allen Charakteren gemein ist, dass sie etwas zu verbergen haben, was zu beim einen mehr, beim anderen weniger Nervosität führt und subtil zur beunruhigenden Stimmung des Films beiträgt. Auf ein Gut/Böse-Schema wird weitestgehend verzichtet, Marions kriminelle Handlung ist verständlich und selbst Bates wirkt mehr erbarmungswürdig als alles andere, ihn zu hassen scheint nicht möglich. Diese differenzierte Charakterzeichnung fordert den Zuschauer heraus, statt an seine niedere Instinkte zu appellieren. Sein Händchen für grandiosen Spannungsaufbau beweist Hitchcock beim Mord an Arbogast – Szenen wie diese versetzen auch Jahrzehnte später noch jeden Filmfreund in Verzückung. Gegen Ende offen zu Tage tretende morbide Masken und Tricktechniken sind schaurig-schön und verdeutlichen den Horroraspekt des Films.

Hitchcocks Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild einer gespaltenen Persönlichkeit und dessen Ausarbeitung zu einem stil- und genreprägenden Psycho-Thriller ist ein Meilenstein der Filmgeschichte, lässt sich alle Jahre wieder wie ein guter Wein genießen und ob seiner enorm würdevollen Alterung bestaunen. „Psycho“ stand Pate für einige der unterhaltsamsten Filme, Filmreihen und Subgenres der Filmgeschichte. Als frühes Beispiel sei unbedingt William Castles „Mörderisch“, mit dem dieser noch einen draufzusetzen versuchte, genannt, über zahlreiche Prä-Slasher bis hin zu den in Serie gehenden Psycho-Killern, die mit Michael Myers in John Carpenters „Halloween“ ihren Anfang nahmen – ein Film, in dem Janet Leighs Tochter Jamie Lee Curtis die weibliche Hauptrolle bekleidet und als unmissverständliche Verneigung vor Hitchcocks Klassiker Myers‘ Gegenspieler Sam Loomis getauft wurde. Ganz zu schweigen von „Freitag der 13.“, der die Mutter-Sohn-Beziehung aus „Psycho“ kurzerhand umkehrte. Danke, Mr. Hitchcock!
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Bay of Blood
In einer idyllisch gelegenen Bucht geschehen scheinbar willkürliche, zusammenhangslose Morde, die außergewöhnlich blutig und grausam erscheinen. Nach und nach stellt sich heraus, daß durchaus ein Zusammenhang besteht und es den Beteiligten um Geld, Eifersucht und Rache geht. Ein Blutrausch greift um sich, dem immer mehr Menschen zum Opfer fallen. Scheinbar will nun jeder alle anderen umbringen. Als am Schluß zwei übrigbleiben, geschieht etwas unerwartetes...
„Wenn einer aus reiner Lust tötet, ist er ein Monster!“

Der im Jahre 1971 veröffentlichte Giallo eines der italienischen Meister-Regisseure schlechthin, „Bay of Blood“ von Mario Bava, ist zweifelsohne zu den Prä-Slashern zu zählen, jenen Filmen, die nach Alfred Hitchcocks „Psycho“ den Weg bereiteten für in Serie gehende Massenmörder à la Michael Myers oder Jason Voorhees. Den irreführenden deutschen Titel „Im Blutrausch des Satans“ verwende ich absichtlich nicht, denn mit Okkult-Horror oder Übersinnlichem hat „Bay of Blood“ nichts zu tun.

Der Inhalt lässt sich im Prinzip in einem Satz zusammenfassen: In einer idyllisch gelegenen Bucht geschieht ein grausamer blutiger Mord nach dem anderen. Wer der oder die Mörder sind und welche Motive es gibt, ist nomineller Gegenstand der Handlung, der es jedoch in erster Linie darum geht, ihre schrägen Charaktere in exploitativer Weise möglichst fies um die Ecke zu bringen. Im Grunde genommen kein unehrenhaftes Unterfangen für Freunde der härteren Gangart, doch ist ausgerechnet „Bay of Blood“ einer dieser in Kennerkreisen allgemein anerkannten und reputierlichen Filme, mit denen ich mich trotz meiner Italophilie schwertue, mit dem ich nicht so recht warm werde. Dabei fängt alles so vielversprechend an: Bereits zu Beginn fährt Bava Achterbahn mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, indem er „Bay of Blood“ mit einem Mord eröffnet, den Mörder jedoch gleich zu erkennen gibt. Überraschend wird jedoch auch dieser unmittelbar zur Strecke gebracht, diesmal von einer unerkannten Person. Was dann passiert, dürfte manch Slasher-Freund bekannt vorkommen, gehörte 1971 jedoch noch nicht zum Kino-Alltag: Junge Menschen fahren an den See, um sich zu amüsieren, Nackedeis springen durchs Bild, Teenies werden u.a. beim Sex brutal ermordet, viele Verdächtige kommen infrage, darunter groteske Gestalten wie ein in einen rohen Oktopus beißender Fischer oder das bizarre Paar bestehend aus einer Wahrsagerin und einem Insektenfreund. Die Kamera bedient sich immer mal wieder der subjektiven POV-Perspektive des Täters und man sieht ständig jemanden andere beobachten. Soweit, so gut, und es kommt noch besser, denn die Morde, gern ausgeführt mit Hieb- und Stichwaffen, wurden grafisch überaus explizit in Szene gesetzt (zwei Einstellungen wurden gar 1:1 für „Freitag der 13, Part II“ kopiert) und sehen dank versierter Tricktechnik auch klasse aus. Idyllische Bilder der Bucht konterkarieren die blutigen Ereignisse, ein glitschiger Tintenfisch kriecht über eine Leiche... Was also missfällt mir an „Bay of Blood“?

Ich finde ihn ehrlich gesagt etwas langweilig. Die Handlung ist vollends verworren, soll vermutlich satirische Züge aufweisen, wirkt jedoch willkürlich und mit dem Holzhammer zurechtkonstruiert. Sympathieträger und Identifikationsfiguren fehlen komplett, doch anstatt daraus eine düstere Stimmung zu erzeugen, wird „Bay of Blood“ spätestens nach 40 Minuten albern-komödiantisch und die Darsteller (Claudine Auger, Luigi Pistilli, Claudio Camaso, Anna Maria Rosati u.a.) chargieren in ihren erschreckend eindimensionalen Rollen um die Wette. Spannung aufzubauen gelingt Bava dadurch leider nicht; eine Hauptrolle definiert „Bay of Blood“ gar nicht erst. Nach einiger Zeit bekommt der Film dann doch wieder seinen ernsten Ton – Stimmungsschwankungen, die die Atmosphäre des Films empfindlich stören. Ganz Giallo ist „Bay of Blood“ mit seinem Whodunit? in Kreisen durchtriebener, geldgieriger, über Leichen gehender Menschen aus der Mittel- und Oberschicht, doch nach rund 55 Minuten stehen die Täter bereits fest. Gegen Ende arbeitet Bava mit erklärenden Rückblenden, die schwer an klassische Kriminalfilme erinnern, nimmt aber zwischendurch unverständlicherweise immer wieder das Tempo heraus und leistet sich dramaturgische Durchhänger. Bavas berüchtigte Farbspielereien und kameratechnischen Kniffe sind (nicht nur) im Ansatz vorhanden, wirken aber auf sich allein gestellt. Der Clou des Films, dass sich letztlich alle gegenseitig umbringen, wäre prinzipiell nicht verkehrt, zumindest vermutlich das Beste, was man aus der platten Geschichte hätte herausholen können - hätte man es nicht mit einer lachhaften Schlusspointe übertrieben.

Somit ist „Bay of Blood“ mutmaßlich Bavas grafisch explizitester Film und zweifelsohne ein Meilenstein für die Entwicklung einer Slasher-Reihe wie „Freitag der 13.“, dem es jedoch leider an jeglichem Tiefgang mangelt, sei es in Hinblick auf seine Charaktere oder auf seine Geschichte. Zudem holpert es erzählerisch doch beträchtlich und man kann es meines Erachtens drehen und wenden, wie man will: Letztlich waren es die ersten „Freitag der 13.“-Filme, die dem scheinbar pittoresken Ferien-am-See-Ambiente seine gruselige Stimmung und beunruhigende, unheilschwangere Atmosphäre verleihen. Dass bis dahin satte neun Jahre ins Land gingen, spricht natürlich einmal mehr für Bavas visionäres Wirken, das ich ihm trotz meiner evtl. harschen Kritik keinesfalls aberkennen möchte.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Freitag der 13.
Eine Gruppe Jugendlicher verbringt ihre Ferien im "Camp Crystal Lake", einem Feriencamp, in dem vor Jahren der kleine Jason Vorhees ertrunken ist. Nach einiger Zeit beginnt eine grausige Mordserie unter den Jugendlichen. Der Täter ist ihnen dabei näher als sie denken...
„Das Blutcamp? Wird das etwa wieder eröffnet?“

Nach einer genrefremden Zusammenarbeit mit Wes Craven („A Nightmare on Elm Street“) bewies der US-Amerikaner Sean S. Cunningham bereits 1972 einen guten Riecher für provokante Low-Budget-Produktionen und finanzierte Craven den Rape’n’Revenge-Prototypen „Last House on the Left“. Nachdem John Carpenter mit der ebenfalls sehr kostengünstigen Produktion „Halloween“ aus diversen Psycho- und Horror-Thrillern, allen voran „Black Christmas“, Elementares herausfilterte und einen ebenso minimalistischen wie furchterregenden und vor allem finanziell einträchtigen Film erschuf, der das Subgenre des Slasher-Films begründen sollte, kratzte Cunningham ebenfalls läppische rund 500.000 Dollar zusammen, ließ Drehbuchautor Victor Miller Charakteristika aus „Psycho“, „Halloween“ und manch Prä-Slasher zwischen beiden, allen voran Mario Bavas Giallo „Bay of Blood“, zusammenwürfeln, nahm selbst auf dem Regiestuhl platz und ließ im Jahre 1980 mit „Freitag der 13.“ den Archetypus des Camp-Slashers auf ein begeistertes Publikum los, das einen feuchten Kehricht auf die vernichtenden Kritiken gab, den Film zu einem riesigen Erfolg machte und derart viele Fortsetzungen provozierte, dass die „Freitag der 13.“-Reihe die langlebigste der Horrorfilmgeschichte überhaupt geworden ist.

„Ihr seid verdammt! Ihr seid alle verdammt!“

Auf dem idyllischen Camp Crystal Lake scheint ein Fluch zu lasten: Erst ertrank dort 1957 ein Junge, dann wurden 1958 zwei Camp-Aufseher ermordet, der Täter nie gefasst. Seither besitzt das Camp den Kosenamen „Blutcamp“ und wird gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Doch 20 Jahre später will ein neuer Betreiber mithilfe einiger Jugendlicher allen Unkenrufen zum Trotz das Camp neu eröffnen. Man schlägt alle Warnungen in den Wind und beginnt mit den Arbeiten, doch nach und nach wird die Gruppe von einem unbekannten Mörder dezimiert...

„Wir wollen hier keine Ausflipperei!“

Mit „Black Christmas“ begann die Tradition, die Handlungen von Slasher-Filmen gern zu besonderen Anlässen spielen zu lassen. Statt Weihnachten wählte Carpenter die Halloween-Nacht und Cunningham suchte sich den als Unglückstag verschrieenen 13. eines Monats, der auf einen Freitag fällt. Der Beginn mit einer Rückblende wurde dabei von „Halloween“ entlehnt, die aufgedrehten Streicherklänge des Soundtracks erinnern nicht von ungefähr an „Psycho“, das pittoreske See-Ambiente kennt man aus „Bay of Blood“, den kauzigen, warnenden Einheimischen, den niemand ernst nimmt, aus Backwood-Terror-Filmen, die subjektive Point-of-View-Wackelkamera aus „Halloween“ und manch früherem Vorreiter-Werk. Doch „Freitag der 13.“ versteht es nicht nur, all diese Versatzstücke nahezu perfekt zusammenzufügen, sondern wählt geschickterweise im Gegensatz zu „Halloween“ (für den Michael Myers von vornherein als Mörder feststand) das Whodunit?-Prinzip aus „Psycho“ und Konsorten, was ihn zu einem kongenialen Plottwist befähigt. Außerdem nahm man die Möglichkeit wahr, mit Tom Savini einen echten Experten für Spezialeffekte zur Zusammenarbeit zu bewegen, dank dessen SFX-Kunst die blutigen Morde besonders gelungen umgesetzt werden konnten. Komponist Harry Manfredini drückte zudem der ganzen Filmreihe seinen Stempel auf und sorgte für ein Alleinstellungsmerkmal, indem er infolge eines Geistesblitzes das charakteristische „Kikiki... Mamama...“-Sample aus dem Imperativ „Kill her, Mommy!“ formte, selbst einsprach und dadurch eine bedrohliche Klangkulisse schuf. Das zeitweilige Banjo-Spiel wiederum – spätestens seit „Beim Sterben ist jeder der Erste“ mit einer unheimlichen Aura versehen – unterstreicht den Backwood-Charakter des Films. Musik findet indes nur dann Verwendung, wenn der Mörder in unmittelbarer Nähe ist, ansonsten herrscht Stille im Off.

„Wir spielen Strip-Monopoly!“

Dem kargen Budget geschuldet ist das Ensemble junger, unerfahrener Schauspieler, lediglich Betsy Palmer („Ehe in Fesseln“) sowie aus heutiger Sicht der damals noch am Karriereanfang stehende Kevin Bacon („Im Land der Raketenwürmer“) stechen aus der „namenlosen“ Besetzung hervor. Doch „Freitag der 13.“ beweist, dass für das Erzeugen einer Sommer-Camp-Stimmung mit leichtbekleideten Jugendlichen herausragendes schauspielerisches Talent zweitrangig ist. Vielmehr gilt es, eine Atmosphäre der juvenilen Sorglosigkeit und Unbedarftheit, des Übermuts, des pubertären Geltungs- und Balzdrangs zu schaffen, die ebenso albern wie erfrischend wirkt. Die (vermeintliche) Leichtigkeit des Seins schlägt sich in oberflächlichen Ritualen und Dialogen wieder, lädt ein zum entspannten bis voyeuristischen Beobachten und Verweilen, doch erweist sich – wie auch in der Realität – als nur allzu trügerisch, wenn einer nach dem anderen dafür mit seinem Leben bezahlt (wie hoffentlich weniger häufig in der Realität). Folgerichtig wird die Sommerstimmung alsbald durch den genretypischen Prasselregen in all seiner Unwirtlichkeit ersetzt und zwischen dem mit dramatisierenden Zeitlupen arbeitenden Beginn und Ende des Films manch Mord in Hitchcock'scher Spannungsmanier vorbereitet und ausgeführt. Dass es dabei vornehmlich diejenigen trifft, die sich gern dem Drogen- und/oder Sexualrausch hingeben, wird Filmen dieser Art oft als erzkonservativer Moralismus vorgeworfen, erfüllt jedoch einen anderen Zweck, in „Freitag der 13.“ gar in doppeltem Sinne: Zum einen erschreckt sich der die Szenerie kritisch Beäugende, der das Treiben der Jünglinge tatsächlich für amoralisch und prinzipiell bestrafenswürdig hält, vor der blutigen Konsequenz, mit der die Opfer ihre „Züchtigung“ erfahren, die sie nie wieder an derartige Flausen denken lässt, da sie schlichtweg aus dem Leben scheiden. Dem vorehelichem Sex, Drogenkonsum etc. ablehnend gegenüberstehendem Teil des Publikums halten diese Szenen einen hässlichen Zerrspiegel vor, der dessen Vorstellungen von Erziehung zu „Sitte“ und „Moral“ gnadenlos überzeichnet und dadurch auf abstoßende Weise parodiert. Bei genauerer Betrachtung erschließt sich dem offengeistigen Genrefreund indes, dass diese Szenen gar nicht so hässlich und abstoßend sind, sondern einer morbiden und makabren Ästhetik des kreativen, originellen Mordens folgen, die mutmaßlich ihren Anfang im italienischen Giallo nahm. Zum anderen erfährt der Zuschauer hier im Finale, was tatsächlich 1957 im Camp geschah (Achtung, ab jetzt Spoiler!) und erkennt endlich das Motiv: Sorglosigkeit, Geilheit und juveniler Egoismus waren es nämlich, die damals einem Außenseiter, dem unter dem Down-Syndrom leidenden Kind Jason Voorhees, das Leben kosteten, als sich die Camp-Aufseher lieber einem Schäferstündchen hingaben, statt ihre Verantwortung für die Schwachen unter ihnen wahrzunehmen: Jason war ein schlechter Schwimmer und ertrank. Und nun ist es seine einsame Mutter, die darüber den Verstand verlor und sich auf einem andauernden Rachefeldzug befindet – wie die für alle Genre-Neulinge, die bereits in „Freitag der 13.“ Jason als Mörder wähnten, überraschende Auflösung im überaus spannend inszenierten Finale erzählt, das Betsy Palmer als Pamela Voorhees schnell eine unheimliche Leinwandpräsenz entwickeln lässt. Sie wurde eins mit ihrem Sohn wie Norman Bates aus „Psycho“ mit seiner Mutter – ein ebenso einfacher wie genialer Schachzug, der die Vorzeichen des Genre-Seniors kurzerhand umdreht und damit auch die psychopathologischen Hintergründe der Slasher-Täter weiter manifestierte. Das Finale definiert darüber hinaus den Freitag, 13., als Jasons Geburtstag und Adrienne King („Nur Samstag Nacht“) als Final Girl nach Vorbild Jamie Lee Curtis' in „Halloween“. Das Etablieren einer starken weiblichen Rolle als letzte, meist wehrhafte Überlebende im Subgenre spricht ebenso gegen einen reaktionären Machismo wie das Meucheln sexuell aktiver Jugendlicher eben kein Plädoyer für religiös motivierte Enthaltsamkeit ist, sondern die Rache aus der Gesellschaft attraktiver, sportlicher, in mancherlei Hinsicht erfolgreicher Jugendlicher Ausgestoßener, Außenseiter, Kranker, unangenehm an die Schattenseiten des Lebens Erinnernder darstellt, die nur allzu oft und gerne vergessen werden, über die manch einer froh ist, sie nicht in seiner Nähe zu haben, die nur beim fröhlichen Balzen und Pimpern stören. Manch Slasher veranschaulichte dies mehr, mancher weniger, der eine todernst, der andere mit selbstironischem Augenzwinkern. Der Tonfall in „Freitag der 13.“ ist grundsätzlich ernst, wird jedoch durch einige kleinere Streckszenen und jugendliche Alberei immer mal wieder durchbrochen.

Es dürfte unschwer zu erkennen sein: Ich bin bekennender Freund des Subgenres im Allgemeinen und dieses Films im Speziellen, halte ihn gar für eine fast perfekte Symbiose aus „Psycho“, „Bay of Blood“ und „Halloween“, für einen Überraschungserfolg, der etwas lostrat, wovon Cunningham in seinen kühnsten Träumen nicht ausgehen konnte, der durch solide Handarbeit aller Beteiligter mehr wurde als die Summe seiner Einzelteile. Doch auch, wenn Kritiker sicherlich nicht zu Unrecht konstatieren mögen, dass das doch alles zusammengeklaut wurde, ein kommerzieller Rip-Off wäre, um sich an Carpenters Erfolg heranzuhängen, gefällt mir diese Idee; sie hat etwas Verwegen-Verschlagenes, irgendwie Böses an sich, das zum Film und seinem ihm vorauseilenden Ruf passt, seinen Teil zum Gesamtkunstwerk beiträgt. Böse fiel im Übrigen auch der einmal mehr die Crystal-Lake-Idylle zerstörende Superschockeffekt am Schluss aus, der erst durch Savinis Wirken derart sinister ausfiel und Jason nicht nur sein erstes Gesicht gab, sondern auch ideale Voraussetzungen für eine Fortsetzung schuf. Gut so, denn Slasher machen mit ihrer übersichtlichen Rezeptur, mit ihrer ebenso blutigen wie simplen Formel süchtig – wer empfänglich ist für ihren ganz bestimmten Thrill, will ihn immer und immer wieder erleben.
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Freitag der 13. Teil 2
Mehrere Jugendliche machen Urlaub in dem berüchtigten Camp Crystal Lake, in dem vor kurzem ein wahnsinniger Killer sein Unwesen getrieben hat, der allerdings bereits gestellt und getötet werden konnte. Doch auch diesmal lassen die ersten Morde nicht lange auf sich warten. Ein Mörder mit einem Jutesack über dem Kopf macht sich daran, die Urlaubsgruppe zu dezimieren...
„Ihr seid alle verloren!“

Der nach dem überragenden Erfolg von John Carpenters genrebegründenden Slasher „Halloween“ von Sean S. Cunningham finanzierte und gedrehte Camp-Slasher „Freitag der 13.“ war ebenfalls ein solcher Erfolg, dass man nicht lange fackelte und eine Fortsetzung nachschob, die Monate vor „Halloween II“ ihren Weg in die Lichtspielhäuser nahm, sogar den meisten weiteren Subgenre-Beiträgen, die ebenfalls die Erfolgsformel gerochen hatten und etwas vom Kuchen abbekommen wollten wie „Brennende Rache“, „Antropophagus II”, „Small Town Massacre”, „Bloodparty” und wie sie alle heißen, zuvorkam und letztlich am 1. Mai 1981 zeitgleich mit „Graduation Day” ins Ziel einlief – nachdem es beispielsweise mit dem in den USA sehr populären „Prom Night” sowie manch anderem Titel bereits zu einer wie Pilze aus dem Boden schießenden Slasher-Population gekommen war. Das bedeutet zusammengefasst, dass „Freitag der 13. Teil 2” die erste Fortsetzung ihrer Art war, die zudem erstmals einen der berühmtesten Serienkiller der Filmgeschichte (und Populärkultur) etablierte (ich hoffe, damit nicht zu spoilern, denn erneut bedient man sich des Whodunit?-Prinzips): Jason Voorhees, den fälschlicherweise totgeglauben Sohn von Pamela Voorhees, der psychisch kranken und hasserfüllten Mörderin aus „Freitag der 13.”, die schließlich vom Final Girl enthauptet wurde. Produzent Sean S. Cunningham hielt diese Idee für völlig abwegig, musste jedoch bald einsehen, dass es sich dabei um einen seiner größten Irrtümer handeln sollte. Auf dem Regiestuhl nahm diesmal sein Koproduzent von „Freitag der 13.“ platz: Steve Miner, der damit sein Regiedebüt ablegte. Das Drehbuch stammte diesmal von Ron Kurz.

Fünf Jahre ist es her, dass Pamela Voorhees (Betsy Palmer, „Ehe in Fesseln“) am Camp Crystal Lake ihr Leben ließ, nachdem sie vorher zahlreiche Jugendliche brutal ermordet hatte. Doch Alice (Adrienne King, „Nur Samstag Nacht“), die letzte Überlebende, verschwindet spurlos und als Paul (John Furey, „Die Wölfe“) und Ginny (Amy Steel, „Die Horror-Party“) eine Neueröffnung des Camps planen und zu diesem Zwecke einige jugendliche Helfer vor Ort anlernen, beginnt erneut eine blutige Mordserie...

Man beginnt die Fortsetzung zunächst mit einer recht ausgedehnten Rückblende mit Originalszenen aus dem Vorgänger, die Final Girl Alice träumt, bevor sie jäh aus der Filmreihe herausgemordet wird. Nach diesem Prolog stellt Miner das neue Futter für diesmal Jasons Blutdurst vor und lässt erneut – allerdings zum letzten Mal – „Crazy Ralph“ (Walt Gorney, „Die Glücksritter“) seine obligatorische Warnung ausstoßen (s. oben). Man setzt verstärkt auf den Sexappeal der Teenies, indem man diese teilweise in Hot Pants zwängte und gern mal voyeuristisch mit der Kamera draufhält. Erstmals bedient sich ein „Freitag der 13.“ auch des Genre-Obligatoriums der unheimlichen Geschichte am Lagerfeuer (ganz wie der fast zeitgleich veröffentlichte „Freitag der 13.“-Rip-Off „Brennende Rache“), während der der Zuschauer erfährt, dass mittlerweile fünf Jahre seit dem ersten Teil vergangen sind. Bevor nun der Terror losbricht, werden die Charaktere grob skizziert, als wirklich erinnerungswürdig wird sich jedoch kaum jemand herausstellen, da diese schlichte, austauschbare Stereotypen darstellen, wenn auch längst nicht derart überzeichnet wie in diversen späteren Slashern. Ferner wird mit False Scares gearbeitet – auf eine hier tatsächlich spannungssteigernde Weise statt als bald ermüdendem Running Gag. Man baut erfolgreich eine unheimliche nächtliche Camp-Atmosphäre auf, die zum wohligen Gruseln einlädt. Die subjektive Point-of-View-Perspektive findet erneut Verwendung; jemand beobachtet das Treiben, man sieht jedoch nicht, wer. Etwas später sieht man Beine, folgt Schritten – sind es die des Mörders? Oder die des Sheriffs? Mit Ungewissheiten wie dieser spielt der Film geschickt, Miner beweist ein sicheres Gespür für klassische Dramaturgie und spannende Inszenierung. Erst nach einer knappen Dreiviertelstunde kommt das Publikum in den Genuss einer Nacktbadeszene; der Erotik-Faktor bleibt fortan leicht erhöht und bietet voyeuristische Einblicke in die Beischlafplanungen knapp bekleideter Teenager. Bis man Jason endlich in voller „Pracht“ bewundern darf – bzw. mit einem alten Stoffsack über dem Kopf, denn sein Gesicht verbarg er bereits hier, wenn auch noch nicht mit seinem Markenzeichen, der Eishockeymaske, welche er erst im dritten Teil finden wird –, vergeht über eine Stunde. Er ist eine düstere, kreuzgefährliche Gestalt, ein tumbes Landei und zugleich entstellter, grobschlächtiger Killer, jedoch noch nicht der Super-Zombie späterer Teile. Gespielt wird er hier noch von Warrington Gillette („Time Walker“) sowie einem Stuntman.

Während Miners Fortsetzung also die Rachegeschichte aus Teil 1 unter ganz ähnlichen Vorzeichen weiterspinnt, wird Gebrauch gemacht von einigen Genre-Klischees, angefangen beim bereits erwähnten „Crazy Ralph“ und Lagerfeuer über die vergnügungssüchtigen Jugendlichen, dem plötzlich zu toben beginnenden Jahrhundertunwetter und „Ich komm' gleich wieder“-Sprüchen ohne Wiederkehr bis hin zum nicht anspringen wollenden Automobil und der typischen clownesken Nebenrolle, die sich hier Ted nennt und von Stuart Charno („Christine“) verkörpert wird. Harry Manfredinis aus dem ersten Teil stammendes, charakteristisches und zu einem weiteren Markenzeichen der Reihe werden sollendes „Kikiki... Mamama...“-Sample wird derweil recht inflationär eingesetzt, verfehlt seine Wirkung in Bezug auf die Stimmung des Films jedoch nicht. Als traditionell erweist sich auch die von „Psycho“ inspirierte musikalische Untermalung in Form aufpeitschender Streicherklänge, die das tonale Äquivalent zu scharfen Messerschnitten zu bilden scheinen. Herzstück sind neben der spannenden Atmosphäre natürlich die Morde, für deren Spezialeffekte diesmal Steven Krishof verantwortlich zeichnete und die äußerst brutal, originell und prinzipiell auch sehr blutig ausfielen, jedoch leider bereits von vornherein, quasi in Selbstzensur, gekürzt und entschärft wurden, um eine Jugendfreigabe zu erhalten. Dieser Umstand wird gern bemängelt, ist mir jedoch ehrlich gesagt während meiner ersten Sichtungen gar nicht sonderlich aufgefallen, da mir die 100%ig konsequente Explizität eines Mordes dem stimmigen Gesamtkonzept untergeordnet erscheint und nicht meine Priorität beim Ansehen eines Films wie diesem genießt. Filmkenner werden übrigens zwei Morde aus Mario Bavas Giallo „Bay of Blood“, der einer der Haupteinflüsse für „Freitag der 13.“ gewesen sein dürfte, wiedererkennen, denn sie wurden quasi 1:1 kopiert. Das Konzept des Antagonisten entspricht mittlerweile weitestgehend dem des „schwarzen Manns“ (womit man sich noch stärker an das Vorbild „Halloween“ annäherte), der zudem eine weitere Ur-Angst bedient: der des eng in seiner unmittelbaren Umgebung verwurzelten, unheimlichen Wesens im unübersichtlichen Wald-Ambiente, das den Menschen, vor allem den Zugereisten, nach dem Leben trachtet – womit man auch in diesem Teil ein gutes Stück weit dem Backwood-Terror-Genre verhaftet bleibt. (Achtung, es wird wieder heftig gespoilert!) In der finalen Konfrontation Jasons mit dem Final Girl Ginny zieht man dann sämtliche Register und lässt beide einen nervenzerreißenden Überlebenskampf ausfechten, für den die Spannungsschraube noch einmal angezogen und die Axt aus Teil 1 kurzerhand durch eine Kettensäge ersetzt wird – bis zum Ende eine trügerische Sicherheit ähnlich wie unter Cunninghams Regie durch den nun endlich unmaskierten Jason durchbrochen wird, der in Zeitlupe über Ginny herfallen und sein Publikum noch einmal so richtig erschrecken darf. Eine herrlich morbide Idee ist auch der Mutterkopf-Altar, den Jason zu Ehren seiner Frau Mamá in seiner schäbigen Waldhütte errichtet hat. Und wer nun meint, dass der ganze Filme komplett vorhersehbar wäre und von vornherein feststünde, wer auf jeden Fall den Löffel abgibt, wird durch Komiker Teds Überleben Lügen gestraft, der lieber in der Bar einen hebt, statt sich ins Camp zurückzubegeben – womit „Freitag der 13. Teil 2“ seine eigenen Klischees und ungeschriebenen Regeln zumindest ein Stück weit augenzwinkernd unterhöhlt.

Fazit: Mit „Freitag der 13. Teil 2“ ging der Slasher endgültig in Serie, er zeigte, wie eine überaus gelungene Fortsetzung auszusehen hat und begann, aus Jason Voorhees einen perfekten Teenie-Schreck und Serienmörder zu formen. Dass dabei das Erfolgsrezept aus Teil 1, der bereits kein Quell der Originalität war, weitestgehend kopiert wurde, wird Fans des Subgenres nicht im Geringsten stören, sie dürften sich im Gegenteil an der weitestgehend düsteren Atmosphäre, überwiegend bedrohlichen Stimmung und vorrangig ernsten Tonlage erfreuen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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