bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Vergewaltigt

„Wohin fährst du?“ – „In die Hölle!“

Den tschechischen Regisseur Jindrich Polák verbindet man zwar in erster Linie mit seinen Kinderfilmen und -serien wie „Clown Ferdinand“, „Pan Tau“ oder „Luzie, der Schrecken der Straße“, jedoch hat er sich auch als Filmemacher für Erwachsene verdingt, beispielsweise mit seinem Science-Fiction-Film „Ikarie XB 1“ oder eben dem vorliegenden Krimi „Per Anhalter in den Tod“ alias „Vergewaltigt“ aus dem Jahre 1979.

Charvát (Marek Perepeczko, „Janosik“) hat nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis eine Anstellung als LKW-Fahrer gefunden. Er lebt zur Untermiete bei einer alleinerziehenden Mutter mit ihrem Jungen, mit der jedoch zu seinem Bedauern nichts läuft. Bei seinem Arbeitgeber fühlt er sich aufgrund seiner Vergangenheit diskriminiert. Ist er allein mit seinem LKW unterwegs, werden seine unbefriedigten Triebe jedoch so stark, dass er Anhalterinnen mitnimmt, um sie zu vergewaltigen. Eines Tages lädt er zwei Schülerinnen zur Mitfahrt ein, vergewaltigt eine von ihnen und bringt beide um, entledigt sich ihrer Leichen auf einer Mülldeponie. Dabei wird er jedoch von einem älteren Herrn beobachtet. Die Polizei nimmt seine Fährte auf...

„Vergewaltigt“ beginnt aus Tätersicht. Nach einer tollen Titelmelodie wird Charvát als keinen unsympathischen Eindruck machender Typ charakterisiert, in dessen Privatleben es derzeit jedoch nicht sonderlich gut läuft und der in Konflikt mit seinem Chef gerät. Er wird aber auch bei einer seiner Touren gezeigt, während der er eine Anhalterin mitnimmt. Zunächst ist nicht eindeutig, ob sich die folgende Vergewaltigung lediglich in seiner Phantasie abspielt; der Film macht dies aufgrund der Reaktion der Dame bei der Verabschiedung zunächst glauben. Zweifelsohne in der filmischen Realität spielt sich jedoch schließlich die Tat mit tödlichem Ausgang ab, die letztlich die Polizei auf die Spur bringt. Spätestens hier zeigt sich auch, dass „Vergewaltigt“ mitnichten ein Exploitation-Film ist. Die Übergriffe werden nicht übermäßig ausgeschlachtet, jedoch derart inszeniert, dass sie berühren und nicht unrealistisch erscheinen. Ca. ab der Hälfte des Films beginnen die Ermittlungsarbeiten der Polizei, auf die Polák nun verstärkt sein Augenmerk richtet. Vorerst schaut sich Charvát noch Louis-de-Funes-Filme im Kino an; zunehmend in die Enge getrieben wird er jedoch immer brutaler und skrupelloser, nimmt sogar ein Kind als Geisel und trägt dazu bei, die Situation vollends eskalieren zu lassen. Der Zuschauer erfährt unterdessen, dass es sich bei den eingangs gezeigten Szenen durchaus nicht lediglich um eine Phantasterei, einen sexuellen Tagtraum, handelte, sondern dass dem Opfer der Sex halbwegs gefallen hat und es abgeklärt genug ist, um Charvát nicht anzuzeigen.

„Vergewaltigt“ scheint einerseits für die Gefahr sexueller Übergriffe sensibilisieren und aufzeigen zu wollen, dass Vergewaltiger zunächst ganz unscheinbar und freundlich anmutende Menschen sein können, bedient sich andererseits dann aber doch gewisser Klischees und Vorurteile wie Charváts Knast-Vergangenheit und daraus resultierende soziale Probleme. Diese wiederum bringt Polák beinahe psychogrammatisch ins Spiel, als suche er nach Erklärungen für Charváts Verhalten. Aus heutiger Sicht erscheint das alles ein wenig überholt, die Zusammenhänge unkausal, das suggerierte Ursache-Wirkungs-Prinzip bestimmt gut gemeint, jedoch trivial und ebenso fragwürdig wie die Rolle der sich mehr oder weniger gern vergewaltigt lassen habenden Frau. In erster Linie jedoch funktioniert „Vergewaltigt“ gut als Krimi auf gehobenem TV-Niveau, der einwandfrei geschauspielert wurde, über einen hörenswerten funkigen Soundtrack mit pumpendem Bass verfügt und interessantes Zeit- und Lokalkolorit der sozialistischen Tschechoslowakei bietet. Angesichts bundesdeutscher TV-Krimi-Überflutung wirkt „Vergewaltigt“ zwar anno 2014 reichlich unspektakulär, pendelt sich bei mir dennoch vorerst bei 6,5/10 Punkten ein.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Sharknado
Katastrophen-Stimmung in Los Angeles: Ein heftiges Unwetter zieht über die kalifornische Küstenstadt hinweg und mit dem steigenden Wasser und den Flutwellen kommen auch tausende Haie, die die Bewohner aus allen Richtungen attackieren. Zuerst am Strand, danach in Häusern, durch Gulli-Deckel oder auch Swimming-Pools. Strandbarbesitzer Fin Shepard (Ian Ziering "Beverly Hills 90210"), Dauergast George (John Heard), sein bester Freund Baz Hogan (Jaason Simmons) und die Kellnerin Nova (Cassie Scerbo) gelingt die Flucht in das höher gelegene Zentrum von L.A. , wo Fin´s Ex-Frau April (Tara Reid) mit den beiden Kindern lebt. Das Trio wird noch eingepackt, bevor es in höhere Gefilde geht. Doch der Wasserpegel steigt weiter dramatisch an und aus dem Unwetter entsteht ein Tornado, der sämtliche Haie mitreißt und durch die Luft wirbelt. Die kleine Gruppe patriotischer Amerikaner zieht schwer bewaffnet mit Pump Guns, Kettensägen und Bomben in den Kampf, um den gefräßigen Viechern den Garaus zu machen...
„Mörderische maritime Monster-Mutationen“ (Oliver Kalkofe)

Die US-Filmproduktion „Asylum“ hat sich ihren berüchtigten Namen mit sog. Mockbustern gemacht; Filmen, die sich an erfolgreiche Blockbuster-Produktionen heranhängen und mit billigen, trashigen Plagiaten, Pseudo-Fortsetzungen etc. Kasse machen sollen. Der US-TV-Sender SyFy gibt gern TV-Produktionen in Auftrag, so auch 2013 den Fishploitater „Sharknado“, den „Asylum“ von Anthony C. Ferrante („Scream & Run“) drehen ließ. Die Idee eines Hai-Tornados erschien so gleichsam abwegig wie neugierig machend und die filmische Umsetzung geriet so dermaßen daneben, dass sich „Sharknado“ zu einem vielkolportierten viralen Phänomen entwickelte, zum inhaltlichen Gegenstand vieler Tweets und anderer sozialer Online-Mechanismen und sogar den Sprung ins Kino nach seiner TV-Ausstrahlung schaffte – „Asylum“ schien endgültig im Mainstream angelangt zu sein.

„Diese Haie haben wirklich keine Manieren!“ – „Manieren? Ich dachte, du wärst Australier und kein Engländer!“

Ein Jahrhundertunwetter bedroht Los Angeles. Als es ausbricht, schwemmt es Hunderte von Haien ans Land, die in der überfluteten Stadt die Menschen bedrohen. Fin Shepard (Ian Ziering, „Beverly Hills 90210“), Betreiber einer Strandbar, sein Dauergast George (John Heard, „C.H.U.D. - Panik in Manhattan“), sein bester Freund Baz Hogan (Jaason Simmons, „Baywatch“) sowie seine Kellnerin Nova (Cassie Scerbo, „Teen Spirit“) fliehen ins etwas höher gelegene Gebiet und holen dort Fins Ex-Frau April (Tara Reid, „The Big Lebowski“) mit beiden Kindern ab. Doch an Sicherheit ist nicht zu denken, denn das Wasser steigt und steigt und schließlich entsteht ein Wirbelwind, der die Haie mitreißt und über der Stadt niederregnen lässt...

„Hat dir 'n Känguru ins Gehirn gepullert?“

Fishploitation und kein Ende – mutmaßlich mit Alexandre Ajas „Piranhas“-Remake losgetreten, erfreut sich das seinerzeit von Steven Spielberg mit „Der weiße Hai“ begründete Subgenre wieder ungebrochener Beliebtheit, vornehmlich mit Haien in allen Variationen. „Sharknado“ steht dabei stellvertretend für immer absurder werdende Ideen à la „Sand Sharks“ oder „Two-Headed Shark Attack“, die aus ihrem zu erwartenden Trash-Gehalt kein Geheimnis machen und die Neugierde der potentiellen Zuschauer wecken sollen. „Asylum“-Produktionen scheinen mir dabei ein Konzept zu verfolgen, die Filme durchaus scheinbar ernsthaft zu inszenieren und damit hinterm Berg zu halten, dass man sich des Unfugs, den man da treibt, vollends bewusst ist, statt alles unzweideutig ironisch zu brechen, komödiantisch zu überzeichnen und plakativ mit dem Trash-Banner zu wedeln. Dabei könnten also durchaus krude Kracher in berüchtigter Exploitation-Manier herauskommen, sollte man meinen – nicht jedoch in diesem Falle.

Das liegt vor allem daran, dass sich auch „Sharknado“ zwar einen ernsten Anstrich gibt, leider gelegentlich unterbrochen von US-Hollywood-Kino-typischen pseudowitzigen Sprüchen, man sich aber kaum Mühe gab, einen über seine absurde Grundidee hinausgehenden Film zu realisieren. Man verlässt sich ausschließlich auf die Sogwirkung des Namens, dem man zwar im Finale halbwegs gerecht wird, vernachlässigt aber fast alles andere – zugegeben: außer der Besetzung. „Asylum“-typisch gelang es einmal wieder, für anscheinend nicht allzu viel Geld echte Schauspieler zusammenzutrommeln, die sich nicht zu schade sind, mit ernster Miene gegen CGI-Fische zu kämpfen – die Hai Society sozusagen. Ex-„Beverly Hills 90210“-Lockenkopf Ian Ziering ist mit einem überraschenden Enthusiasmus bei der Sache, Simmons dank „Baywatch“ bereits küstenerfahren, John Heard schnell weg vom Fenster und Tara Reid 'ne Perle vor die Haie. Ansonsten sieht's eher düster aus: Erzählerisch ist „Sharknado“ arg misslungen. Der gesamte Prolog erweist sich als praktisch komplett redundant für den Film. Mit unsympathischen Charakteren soll man mitfiebern. Ein krampfhaft eingeflochtenes Beziehungsdrama interessiert nicht die Bohne, schindet aber Spielzeit. Gnadenlos uninteressante und langweilige Streckszenen voll Familiendramasülze ziehen sich ab einem gewissen Punkt durch den gesamten Film. Empathie zu den Charakteren entwickelt sich so nicht, stattdessen wünscht sich ihr schnelles Ableben, damit sie endlich die Klappe halten. Damit stochert „Sharknado“ vielmehr im abgestandenen Katastrophenfilm-Sumpf bzw. darin, was dort gerne falsch gemacht wurde, statt grätenharten Tierhorror feilzubieten.

Zudem sieht „Sharknado“ total künstlich aus: Die computergenerierten Spezialeffekte scheinen heutzutage derart kostengünstig zu bekommen zu sein, dass ein Großteil des Spektakels computeranimiert wurde – und das einfach schlecht und unter dem Niveau heutiger Computerspiele. Doch nicht nur die Hai-Attacken stammen aus der Konserve, offensichtlich auch das Wetter und was es mit sich bringt. Weshalb Wetter und Helligkeit dann von Bild zu Bild schwanken, muss man ebenso fragen dürfen wie nach dem starren Wolkenpanorama trotz angeblich starken Sturms. Vieles ist dem grottenschlechten Schnitt zuzuschreiben, der aus „Sharknado“ einen hektischen, sprunghaften, zusammenhanglosen Film macht, der wirkt wie ein zappelnder Fisch auf dem Trockenen statt wie ein furchterregendes Raubtier im Haifischbecken der Filmindustrie. Na gut, wenigstens die Riesenradszene ist meines Erachtens ganz gut gelungen, sie ist zumindest actionreich und nicht allzu mies gemacht.

Auf seine magere Punkteausbeute kommt der weitestgehend zahnlose „Sharknado“ durch seine Ideen, für die die meisten Gesetze der Biologie und Physik kurzerhand gebrochen werden: Da wuseln Flachwasserhaie durch die Straßen, andere beißen Autos auf wie Fischkonserven, springen durch Fenster oder klettern Seile hoch (!). Auf den titelgebenden Wirbelsturm muss man lange warten, im Finale ist's dann aber endlich soweit und mit ihm hält sogar etwas Gesplatter Einzug. Der absolute Höhepunkt ist die Kettensägenszene, die die eigentliche Pointe des Films darstellt und für manches entschädigt. Auf die von mir sehnsüchtig erwartete Szene einer Windhose voller Haie, die über Menschen hinwegfegt und lediglich abgenagte Skelette zurücklässt, musste ich aber leider verzichten (evtl. eine Idee für „Piranhanado“?).

All das kann natürlich ebenso wenig ernstgemeint gewesen sein wie die Spitzenidee, Bomben in einen Wirbelsturm zu werfen, ein Auto detonieren zu lassen, nur weil Benzin ausläuft und mit einem explodierenden Swimmingpool (!) noch einen draufzusetzen. Nicht unerwähnt bleiben darf auch die symbolschwangere Szene, die den Hollywood-Schriftzug auf den Hügeln demontiert. Insofern hat „Sharknado“ also durchaus ein gewisses Unterhaltungspotential, das jedoch über weite Strecken einfach nicht zünden will in einem größtenteils anorganisch wirkenden Film, der zur Hälfte aus dem Computer kommt und allein schon deshalb zu keinem Zeitpunkt den Charme gern auch trashiger Monster- und sonstiger Horrorfilme der sensationslüsternen Low-Budget-Sorte atmet. Mit seinen technischen und inszenatorischen Unzulänglichkeiten mag er einmalig unfreiwillige Komik zu entwickeln, eigentlich ist er aber ärgerlich dahingeschludert worden und schafft es nicht, den Zuschauer zu fesseln, der sich zwischen den o.g. Ideen vornehmlich langweilt. Regisseur Ferrante sollte evtl. besser seine Musikkarriere weiterverfolgen, immerhin stammt der Rock-Soundtrack zu Beginn des Films anscheinend von seiner eigenen Band. „Asylum“ indes darf sich ob des in dieser Form sicherlich unerwarteten Erfolgs die Hände reiben und das popkulturelle Trendpublikum solange melken, bis es sich entnervt dem nächsten kurzweiligen Phänomen widmet.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Gebissen wird nur nachts
Betty Williams, ein Hollywoodstar bereist das ferne Transylvanien um ihr Erbe als Baroness anzutreten, wodurch sie auch die glückliche Besitzerin einer grossen Burg mit Folterkammer mitsamt vertrotteltem Diener Josef wird. Doch eines Tages öffnet sie verbotenerweise das Grab ihrer Urgroßmutter Clarimonde, die als Hexenvampiristin Geschichte gemacht haben soll. Obwohl sie seit Jahrhunderten tot ist, hat keinerlei Verwesung bei ihr eingesetzt und dummerweise geht sie seit der Öffnung wieder als Blutsaugerin im Schloss umher.
„Ich bitte um Verzweiflung!“

Der britische Genrefilmer Freddie Francis („Geschichten aus der Gruft“), der sich einen Namen mit Arbeiten für die vornehmlich für ihre Horrorfilme populären Produktionsschmieden „Hammer“, „Amicus“ und „Tyburn“ machte, drehte mit „Gebissen wird nur nachts“ alias „Happening der Vampire“ in deutscher Produktion eine leichtfüßige Horror-/Erotik-Komödie, die 1970 erschien.

Hollywood-Sternchen Betty Williams (Pia Degermark, „Krieg im Spiegel“) wird nach dem Dahinscheiden ihres ihr unbekannten Onkels nicht nur unverhofft Erbin eines transsilvanischen Schlosses, sondern als letzte lebende Verwandte zudem zur Baroness, der Nachfolgerin ihrer Urgroßmutter Clarimonde (Pia Degermark). Dieser sagte man vampiristische Umtriebe nach, weshalb sich der mitgeerbte Diener Josef (Yvor Murillo, „Marie“) verbittet, dass Clarimondes Sarg in den düsteren Gewölben geöffnet wird. Betty schlägt die Warnungen in den Wind und muss zu ihrer Überraschung feststellen, dass Clarimondes Leiche verdammt gut erhalten ist und ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Es kommt, wie es kommen muss: Clarimonde erwacht zu neuem Tatendrang und beißt sich nächtens durch die Landbevölkerung. Betty verliebt sich derweil in den jungen Lehrer Jens Larsen (Thomas Hunter, „Die Killer der Apocalypse“), an dem auch Clarimonde ein gewisses Interesse hegt – es liegt eben in der Familie. Clarimonde schmeißt schließlich eine rauschende orgiastische Party, zu der sogar Graf Dracula (Ferdy Mayne, „Tanz der Vampire“) persönlich erscheint, während Betty noch immer nichts vom Vampirfluch ahnt. Gibt es eine Rettung für sie?

„Vernascht euch, bevor’s jemand and’rer tut!“

Unschwer von Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ inspiriert (sogar Ferdy Mayne ist mit von der Partie), entpuppt sich „ Gebissen wird nur nachts“ als hübsch im Gothic-Schick ausgestattete, bunte, vergnügte und unbeschwerte Komödie, die neben der bekannten Vampir-Thematik auf Verwechslungskomik, reichlich schlüpfrige Sprüche, etwas Wortwitz und ein wenig Slapstick sowie auf einen hohen Erotikfaktor setzt. Die Dänin Pia Degermark ist in ihrer Doppelrolle nicht nur zeigefreudig, sondern in ihrer naiven Art auch verdammt niedlich anzuschauen und der Vampir-Gothic-Look steht ihr ebenfalls ausgezeichnet. Der Weg zur finalen Party ist gespickt mit den Fetischbereich streifenden Visionen Bettys von nackten Mädels in der schlosseigenen Folterkammer, spielerischer Kritik am verklemmten doppelmoralistischen Klerus, der durch notgeile Mönche und ständige freud’sche Versprecher auffällt, und einem jazzigen Bläser-Score, der prima zum beschwingten Treiben passt. Auf der großangelegten Party, die sich immer mehr in Richtung Orgie entwickelt, gibt’s dann auch reichlich nackte Haut anderer Darstellerinnen zu sehen; die damals noch relativ neue Freizügigkeit im Filmwesen wird voll ausgekostet. Eine Art Running Gag ist der ständige Wechsel der Haarfarben sowohl Bettys als auch Clarimondes, der in Bezug auf die Ähnlichkeit beider Charaktere zusätzliche Verwirrung stiftet und von mir als spaßiger Seitenhieb auf Frauen und ihren Frisurtick aufgefasst wurde.

Natürlich ist „Gebissen wird nur nachts“ reichlich albern und arm an Spannung, verfügt jedoch über einen nicht zu unterschätzenden Wohlfühlfaktor nicht nur aufgrund manch gelungener Gags und der attraktiven, sympathischen Hauptdarstellerin, sondern gerade auch wegen der wunderbar unbekümmerten und damit entwaffnenden Verquickung von Vampirhorror und Sex-Klamotte, die Regisseur Francis aus dem Effeff beherrscht. Schade, dass Degermark danach keine Filme mehr drehte.
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Sand Sharks
Gerade zu der Zeit als ein Haufen College Kids nach White Sands pilgern um dort das alljährliche Sandman Festival zu feiern, kommt es in der Nähe des kleinen Kaffs zu einem Unterwasserbeben. Dadurch werden einige prähistorische Monster befreit, die nun ihren mächtigen Hunger stillen müssen. Schon bald nachdem erste zerfetzte Körper am Strand auftauchen wird den Bewohnern von White Sands klar, dass Irgendetwas nicht nur das anstehende Festival bedroht...
„Es ist ein Sandhai – und er schwimmt durch den Sand!“

Der im Zuge der grassierenden Fishploitation von US-Regisseur Mark Atkins („Battle of Los Angeles“) gedrehte und im Jahre 2011 veröffentlichte weitere Beitrag zu absurden Hai-Trash-Filmen „Sand Sharks“ ist eine direkt für den Heimkinomarkt gedrehte Farce im Gewand eines Öko-/Tier-/Monsterhorror-Filmchens, wie so oft angelehnt an den Urvater fragwürdiger Fischfilme, Steven Spielbergs „Der weiße Hai“.

Just als Bürgerneister-Söhnchen Jimmy Green (Corin Nemec, House of Bones“) nach einigen Jahren nach White Sands und damit in jenes Küstennest zurückkehrt, in dem ein von ihm organisiertes Festival in einer Katastrophe endete, befreit ein Unterwasserbeben prähistorische Sandtigerhaie, die nicht nur im Wasser Jagd auf Beute machen, sondern sich auch prima im Strandsand bewegen können. Einige daraus resultierende Todesfälle stellen Greens Pläne einer Spring-Break-Strandparty infrage, doch er denkt nicht daran, seine Pläne über den Haufen zu werfen…

„Sie können hier nicht einfach bewaffnet durch die Gegend laufen, um einen Fisch zu jagen!“

Bei unheimlich viel Gelaber zu Beginn des Films fällt das Zuhören schwer, weil es in dieser gestelzten, unnatürlichen, komödiantisch überzeichneten Weise kein Stück weit interessiert. Essenz des Ganzen jedenfalls ist ein bisschen Hintergrundgeschichte und eben, dass eine Spring-Break-Strandparty stattfinden solle. Getragen von Klischeecharakteren und stellenweise 1:1 aus Spielbergs Schauermär kopierten Ideen entwickelt sich ein Öko-Horror-typischer Interessenkonflikt zwischen Sicherheit und Profit. Corin Nemec nervt dabei als permanent overactender Mr. Green unheimlich und Wrestler-Tochter und Blondine Brooke Hogan („2-Headed Shark Attack“) ist als Wissenschaftlerin Sandy Powers in ihrem Strandnixen-Outfit in etwa so glaubwürdig wie Uwe Barschel, wenn er sein Ehrenwort gibt – immerhin ging dieser auch baden. Was den grafischen Horroranteil betrifft, bekommt man zwar abgetrennte Gliedmaßen, auch abgetrennte Köpfe zu sehen, zumeist kommen jedoch erwartungsgemäß schlechte computergenerierte Effekte zum Einsatz, deren Tiefpunkt sicherlich der durch einen Stromschlag zerfetzende Hai ist. CGI killed the monster movie! Zugegeben, recht gelungen ist die Szene, in der Green das Mädel namens Brenda vom Strand schleift, plötzlich aber nur noch ihren Oberkörper hinter sich herzieht, aus dem die Gedärme quillen. Ansonsten regiert aber der Computerspiel-Look, der ungefähr so viel Nährwert hat wie ein unter der Panade erstickendes Discounter-Fischstäbchen.

„Aber sagen Sie jetzt nicht gleich Roger Corman Bescheid!“

„Sand Sharks“ macht nie einen Hehl aus seinem freiwilligen Bekenntnis zum Trash und gibt sich selbstironisch, um jedweder möglichen Kritik sogleich den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das macht den zusätzlich mit pseudowissenschaftlichem Gesabbel gestreckten Film letztlich so begehrenswert wie einen pappigen Fischmehlburger von McDonalds und ganz sicher nicht zu einem Filetstück, höchstens goutierbar für Trash-Allesgucker oder diejenigen, die das alles immer noch furchtbar witzig finden oder meinen, dass es hip wäre, es witzig zu finden. Dass es trotz Strandparty dann nicht einmal Titten zu sehen gibt, ist der endgültige Todesstoß dieses unlustigen, uncharmanten, biederen Verrats am guten alten Exploitation-/Low-Budget-Horror.
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Dressed to Kill
Kate Miller (Angie Dickinson) ist eine sexuell frustrierte Ehefrau, der selbst ihr engagierter Psychiater Dr. Elliot (Michael Caine) nicht recht helfen kann, da sie aus Verzweiflung sogar ihn verführen will. Eines Tages trifft sie nach einer Sitzung im Museum einen Fremden und läßt sich auf ein Liebesabenteuer ein, muß danach jedoch feststellen, daß ihr Liebhaber an einer Geschlechtskrankheit leidet. Als sie fluchtartig sein Apartment verläßt, wird sie im Fahrstuhl von einer Blondine mit einem Rasiermesser niedergemetzelt. Zeugin dieses Mordes wird die Edelprostituierte Liz (Nancy Allen), die die Blondine sogar noch sieht. Trotzdem bleibt sie für die unwillige Polizei wegen ihres Standes die Hauptverdächtige. Da schaltet sich Kate Millers minderjähriger Sohn Peter in das Geschehen ein. Der bastelfreudige Junge vermutet nämlich den Killer unter Dr. Elliots Patienten, was er auch beweisen kann. Jetzt wird Liz zum Lockvogel...
Mit seinem 1980 erschienenen Psycho-Thriller „Dressed to Kill“ wandelte US-Regisseur Brian De Palma („Phantom im Paradies“) – obwohl in der Regel als Hitchcock-Hommage betrachtet – vor allem auch auf den Pfaden des italienischen Giallos argentoesker Prägung.

Kate Miller (Angie Dickinson, „Der Tod eines Killers“) ist mir ihrer Ehe unzufrieden, insbesondere auch mit ihrem Sexualleben, was in fremdgängerischen Obsessionen mündet. Nach einer Therapiesitzung bei ihrem Psychiater Dr. Elliot (Michael Caine, „Der tödliche Schwarm“) lässt sie sich auf ein solches Abenteuer mit einem Fremden ein, wird jedoch beim Verlassen des Hotels im Fahrstuhl brutal von einer unbekannten Person mit einem Rasiermesser ermordet. Die Prostituierte Liz (Nancy Allen, „Das letzte Kommando“) wird Zeugin der Tat und dadurch für die Polizei zur Hauptverdächtigen. Kates Sohn Peter (Keith Gordon, „Christine“) schaltet sich in die Ermittlungen ein, vermutet einen Patienten Dr. Elliots als Täter. Er setzt Liz als Lockvogel ein, um seine Mutmaßungen zu beweisen und den Täter zu identifizieren…

Hitchcock trifft auf Argento in Brian De Palmas sexualisiertem Whodunit?-Psycho-Thriller, der neben klassischen aus „Psycho“ entlehnten Motiven reichlich aus dem Fundus des exaltierten Italo-Films schöpft, wenn schwarzbehandschuhte Mörderhände mit Schneidwerkzeugen blutiges Unheil anrichten und erst außerpolizeiliche Ermittlungen einer Privatperson die psychopathologischen Hintergründe aufdecken. „Dressed to Kill“ beginnt ohne Umschweife mit einer erotischen Masturbationsszene Kates unter der Dusche, die sich als Traum entpuppt, jedoch nahtlos in eine Sexszene in der filmischen Realität übergeht. Die zunächst vermutete Hauptrolle fällt früh einem Mord zum Opfer und wird abgelöst von der Zeugin Liz, die nun ihrerseits zur Verfolgten wird. All das kommt bekannt vor, wurde jedoch spannend und technisch wie künstlerisch ansprechend umgesetzt, überzeugt grundsätzlich auch im Aufbau einer unheilschwangeren Atmosphäre, verlässt sich mitunter indes recht stark auf den nicht zu verachtenden Erotikfaktor. Die sich in der finalen Retrospektive nach Enthüllung des Mörders als bisweilen etwas arg konstruiert herausstellende Handlung mag ebenfalls eine Ehrerbietung an unsere Lieblingsitaliener sein, wirkt auf mich in Ermangelung des europäischen Charmes der Vorbilder aber wie ein Schwachpunkt des Films. Seine Hausaufgeben vollkommen zweifelsohne gemacht hat De Palma in jedem Falle beim langsamen Aufbau von Spannungsszenen, zu denen der schwelgerische Klassik-Soundtrack Pino Donaggios dramatische Züge annimmt.

Gegen Ende verwickelt sich „Dressed to Kill“ in zwar an Hitchcock gemahnend, im Jahre 1980 jedoch irgendwie anachronistisch und überholt wirkende Erklärungen, die zudem nicht frei sind von etwas naiv wirkenden Thesen zur Transsexualität. Dass es sich um einen (Achtung, Spoiler!) männlichen Täter handelt, war dem halbwegs aufmerksamen Zuschauer eigentlich schon zu einem frühen Zeitpunkt bewusst; um wen es sich genau handelte, blieb dennoch im Dunkeln – Miträtseln ist zumindest in einem gewissen Rahmen über weite Strecken möglich. Stilistisch ist das mehr oder weniger überraschend eingeleitete Finale schon fast dem Slasher-Horror-Subgenre zuzurechnen, De Palma zieht noch einmal in Sachen Härte an. Durch eine erneute Duschszene referenziert er noch einmal zum Beginn des Films und das sich als Traum entpuppende Horror-Ende wird zum perfekten Brückenschlag zur Einstiegssequenz.

Hauptdarstellerin Nancy Allen macht ihre Sache passabel, kann jedoch nie an den naiven Charme Janet Leighs aus „Psycho“ anknüpfen (was vermutlich auch nicht gewünscht war) und schon gar nicht diversen liebgewonnenen Giallo-Königinnen den Prosecco reichen, was angesichts der fiebrigen, fast schon klebrigen, voyeuristischen Inszenierung De Palmas etwas irritiert. Davon einmal abgesehen, ist „Dressed to Kill“ ein gelungener Psycho-Thriller für ein erwachsenes Publikum und ein interessanter, nicht unsympathischer Streifzug über diverse Eckpfeiler des Genres, der Filmkennern zahlreiche Wiedererkennungseffekte beschert.
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Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren
Der Film-Toningenieur Jack (John Travolta) nimmt eines Nachts O-Töne in der freien Natur auf, als er Zeuge eines Autounfalls wird. Mittels seines Tonmaterials stellt er bald fest, daß es sich dabei nicht um einen Unfall, sondern um Mord handelt. Als er der Sache nachgeht, gerät er mitten in eine Verschwörung, bei der er bald nicht mehr weiß, wem er trauen soll.
Ein Jahr nach „Dressed to Kill“ drehte US-Regisseur Brian De Palma („Carrie“) mit „Blow Out“ einen weiteren Thriller, erneut mit italienischen Zügen. Der Titel suggeriert bereits die Verwandtschaft mit dem 1966 veröffentlichten „Blow Up“ von Michelangelo Antonioni, zudem werden bisweilen vorsichtig Erinnerungen an Dario Argentos „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ wach.

Jack Terry (John Travolta, „Carrie“) ist Toningenieur und arbeitet gerade an den Klängen eines Horrorfilms im Auftrage einer Filmproduktion, konkret sucht er einen passenden weiblichen Schrei für eine Mordszene. Abends nimmt er Naturgeräusche auf und wird dabei Zeuge, wie ein Auto von der Straße abkommt und in einen Fluss stürzt. Jack springt geistesgegenwärtig hinterher und rettet die Prostituierte Sally (Nancy Allen, „Dressed to Kill“), für den Fahrer – den Präsidentschaftskandidaten McRyan – kommt jede Hilfe zu spät. Jack wird gebeten, die Anwesenheit der käuflichen Dame für sich zu behalten und generell wenig über den Unfall zu sprechen. Doch beim Abhören der Tonbandaufnahmen ist ein Schuss zu hören, Jack kommt einem Mordkomplott auf die Spur. Allerdings will ihm niemand Glauben schenken und der kaltblütige Auftragsmörder (John Lithgow, „Unheimliche Schattenlichter“) ist ihm und Sally bereits auf den Fersen, um alle Spuren zu beseitigen…

Der noch junge Travolta in einem Film, der zum Glück nicht das Geringste mit Tanzen zu tun hat, in dem er im Gegenteil jemanden spielen darf, dem nicht sonderlich nach Tanz zumute ist. Sein in „Blow Out“ gespielter Charakter symbolisiert in gewisser Weise den Übergang zum endgültigen Erwachsenwerden, hin zum mitunter ermüdenden Ernst des Lebens, weshalb er überraschend gut in die Rolle passt. Der Film, für den er als Tontechniker arbeitet, stellt als Film im Film den Beginn von „Blow Out“ dar, der mit dieser fast schon parodistischen Aneinanderreihung von Slasher-Klischees den Zuschauer zunächst auf eine falsche Fährte führt. Die eigentliche Handlung offenbart dann schnell ihre Parallelen zu „Blow Up“: War es in „Blow Up“ eine zufällig auf Foto eingefangene Leiche, die auf einen Mord hinwies, ist es in „Blow Out“ ein Geräusch, das zufällig auf Jacks Tonband gelangte. Doch während sich „Blow Up“ in indifferenter Gleichgültigkeit auflöst, macht De Palma aus seinem Film einen spannenden Thriller. Dieser weist eine verschwörungspolitische Dimension auf, die nicht von ungefähr an die Ungereimtheiten rund um das Attentat auf John F. Kennedy erinnert und Jack gegen eine Mauer des Schweigens und scheinbaren Desinteresses anstrampeln lässt. Eine seltsame Rolle nimmt zudem die Prostituierte Sally ein, die trotz ihres naiv-kindlichen Gemüts auch nicht ganz ohne ist.

Jack liefert sich hitzige Wortgefechte mit dem Polizeichef, doch letztlich ist er auf sich allein gestellt bzw. kann nur noch auf Sallys Mithilfe hoffen. Zwischen anspruchsvollerem Polit-Thriller und gewohnter Genre-Kost pendelt De Palma immer ein wenig hin und her; wenn er den Auftragskiller von der Leine lässt, tritt der politische Aspekt eindeutig in den Hintergrund – was indes schade ist. Nichtsdestotrotz steuert „Blow Out“ auf ein nervenaufreibend inszeniertes Finale zu, das mit einer zynischen Pointe eine Brücke zum Beginn schlägt. Erzählerisch wie inhaltlich erscheint mir „Blow Out“ bisweilen etwas eigenartig. So erzählt Jack immer wieder von zwei Knallen, obwohl nur einer zu hören ist. Gemeint ist, dass sowohl ein Schuss, als auch der dadurch platzende Reifen zu hören sein sollen – für den Zuschauer entsprechend aufbereitet wurde das aber nicht. Sallys Rolle erscheint mir etwas zu sehr konstruiert, um „Blow Out“ mit größerem Realismus zu versehen. Generell vermengt De Palma hier Realismus oder zumindest Glaubwürdigkeit mit Unwahrscheinlichkeiten und bleibt oberflächlich, wo Tiefgang interessant gewesen wäre.

Stilistisch arbeitet De Palma neben einem Klassik-Soundtrack thematisch passend mit einer Klangkulisse, die dazu übergeht, Geräusche überzubetonen. Die ernst, doch leicht konsumierbar erzählte Handlung wird aufgelockert durch wenige humoristische Einsprengsel wie z.B. den Schreierinnen auf dem Sofa des Filmmachers. Filmplakate an den Wänden, beispielsweise von „Boogey Man“, liefern Referenzen an manch Genre-Kleinod. Visuell fiel mir zudem eine irgendwie anheimelnde Farbgebung auf, die ich jedoch nicht so richtig einordnen konnte. Einen entscheidenden Hinweis liefert der Kollege Gregor Torinus von Filmtipps.at, der auf die subtile, doch allgegenwärtige Verwendung der Farben rot, blau und weiß, den US-amerikanischen Nationalfarben also, hinwies – was wiederum genial ist und zeigt, wozu Brian De Palma in der Lage ist. Unterm Strich ist „Blow Out“ ein guter, uneingeschränkt sehenswerter Film, der jedoch sowohl hinter wirklichen Polit-Thriller-Monumenten wie „I wie Ikarus“ als auch manch Genre-Thriller dann doch die zweite Geige spielt.
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Ein Mann auf den Knien
Dem ehemaligen Autodieb Nino Peralta (Giuliano Gemma) geht es gut: Er betreibt einen netten kleinen Kiosk an einer Straßenecke in Palermo der zusammen mit den Resten seiner letzten Beute, die er vor einer zweijährigen Gefängnisstrafe zurücklegte, genug abwirft um seiner Frau Lucia (Eleonora Giorgi) und seinen beiden Kindern ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Doch Ninos kriminelle Vergangenheit wirft ihre Schatten und bietet der aufmerksamen Mafia die perfekte Grundlage, um Nino in ein perfides Komplott zu verstricken: Als unschuldiger Sündenbock für einen Mord steht er bald auf der Abschussliste von Palermos Unterwelt und gerät in Teufels Küche…
„Und wenn sie Papa umbringen, was sollen wir denn dann machen? Es wäre besser, wenn sie ihn im Gefängnis behalten hätten!“

Nach „Ich habe Angst“, den der italienische Autorenfilmer Damiano Damiani aus Sicht eines einfachen Polizisten erzählte, ließ er für „Ein Mann auf den Knien“ aus dem Jahre 1979 den Zuschauer sich mit einem ehemaligen Kleinkriminellen identifizieren, der unbeabsichtigt auf der Todesliste der Mafia landet. Der Film bedeutete nach zahlreichen Nero-Damiano-Kollaborationen die erste Zusammenarbeit Damianis mit Italo-Western-Veteran Giuliano Gemma („Der Tod ritt dienstags“).

Der ehemalige Autodieb Nino Peralta (Giuliano Gemma) möchte nach seiner Haftentlassung nichts mehr von kriminellen Umtrieben wissen und sich als Betreiber eines Kiosks in Palermo einem bescheidenen, doch glücklichen Leben mit seiner Frau Lucia (Eleonora Giorgi, „Inferno“) und seinen beiden Kindern hingeben. Doch was Nino nicht ahnte: Mit seinem Frühstückslieferservice versorgte er eine nach der Macht greifende Mafiaorganisation, die eine vermögende Frau entführt hatte, in ihrem Versteck mit Lebensmitteln und landete dadurch auf der Abschussliste des Mafiapaten Vincenzo Fabricante (Ettore Manni, „Tödlicher Hass“), der der unliebsamen Konkurrenz den Garaus machte. Ninos alter Knastkollege Colicchia (Tano Cimarosa, „Das Grauen kommt nachts“) macht ihn drauf aufmerksam, dass der sich zunächst unauffällig gebende und alles abstreitende Antonio Platamonte (Michele Placido, „Blutiger Zahltag“) hinter ihm her ist. Nino stellt Platamonte zur Rede und ein perfides Spiel beginnt, aus dem Nino keinen rechten Ausweg sieht…

Wieder einmal ist es die Ohnmacht des einfachen Bürgers gegenüber der sämtliche staatlichen Institutionen und nahezu die gesamte italienische Gesellschaft durchsetzenden Mafia , die Gegenstand Damianis kritischer Betrachtung wird. Neu ist die Perspektive des ungewollt hineingeratenen Kleinkriminellen, der fortan um sein Leben fürchten muss und dessen Familie und Existenz konkret bedroht sind. Mit viel italienischem Temperament lässt Damiani die unterschiedlichen Charaktere Ninos, Colicchias und Platamontes aufeinandertreffen und charakterisiert drei gleichsam um ihr Leben kämpfende Männer, die unter der Allmacht der organisierten Kriminalität ächzen. Dabei entwickelt sich eine interessante, ambivalente Beziehung zwischen Nino und Platamonte, denn letzterer ist Täter und Opfer zugleich. Aus dem aalglatten Auftragsmörder und der rückgratlosen Nervensäge wird ein Mensch aus Fleisch und Blut; Damiani zeigt, dass sich die beiden gar nicht so fremd sind und viele Parallelen aufweisen, was als Aufruf zur Solidarität der Unterschicht verstanden werden kann – wenngleich Damiani nicht so weit geht, sondern vornehmlich das Katz-und-Maus-Spiel und die von Misstrauen geprägte Beziehung beider zeigt. Damiani schafft ein sogar leicht komödiantisches Klima der Paranoia, das die Absurdität der Situation unterstreicht – absurd deshalb, weil nicht nur Recht und Gesetz, sondern auch Moral und „Ehre“ de facto außer Kraft gesetzt und Hinrichtungen als Normalität empfundener Alltag geworden sind, auch Jahre nach offizieller Beendigung des Faschismus. In seiner Verzweiflung lässt sich Nino zu nonverbalen Auseinandersetzungen hinreißen und sich zwangsläufig erneut in die Kriminalität treiben, muss er sich ausnehmen lassen wie die sprichwörtliche Weihnachtsgans, bis seine Wut derart mit ihm durchgeht, dass er in seinem Fatalismus zum Äußersten greift – gleichwohl vollkommen konträr zu üblichen Rachethrillern inszeniert, von Coolness, Überlegenheit oder Befriedigung keine Spur, höchstens kurzzeitige Genugtuung und ein trügerisches Aufatmen, ein Luftholen, bevor sich alles wieder zusammenzieht, sind zu verspüren.

Trotz oder gerade wegen seiner Dialoglastigkeit – „Ein Mann auf den Knien“ ist keinesfalls mit einem Actionfilm zu verwechseln – ist Damiani ein hochemotionales Stück gleichwohl anspruchsvolles und unterhaltsames Kino gelungen, das in ein fulminantes, an den Italo-Western erinnerndes Finale gipfelt, dessen Mangel an wirklichen Gewinnern die fast schon postapokalyptisch anmutende Landschaft symbolträchtig visualisiert. Damiani stellt die persönliche Freiheit als glückliche Option dar, ihren Verlust als Normalzustand und die Mafia als willkürliche handelnde falsche Autorität, die die einfachen Leute mit Füßen tritt und ihnen vorlebt, dass Anstand und Ehrlichkeit zu nichts führen, ja geradezu verabscheuungswürdig sind. „Ein Mann auf den Knien“ zeigt keine Lösungen, sondern klagt den Zynismus an und kommentiert bissig, wütend, traurig, letztlich ohnmächtig, lässt den Zuschauer an allem teilhaben. Ein toller Film, der mögliche erzählerische Schwächen, resultierend aus der etwas verkomplizierten Handlung und dem Wirrwarr aus etlichen Namen, mit denen munter umhergeworfen wird, mit überragenden schauspielerischen Leistungen insbesondere Gemmas und Placidos wettmacht. (Die Möglichkeit, Luciano Catenacci einmal auf Seiten des Gesetzes zu sehen, bietet sich übrigens auch nicht so oft.) Südeuropäische Lebensfreude endet in Bitterkeit und hinterlässt einen ebenso beeindruckten wie nachdenklichen Zuschauer. Ein echter Damiani eben.
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Mama
Jeffrey Desange (Nikolaj Coster-Waldau) brennen eines Tages alle Sicherungen durch: er ermordet seine Frau und flieht per Auto mit seinen kleinen Töchtern Victoria und Lilly in die Wildnis der Wälder. Dort allerdings baut er einen Unfall, der das Trio im Nirgendwo stranden läßt - um bald darauf Unterschlupf in einer entlegenen Waldhütte zu finden. Doch die Hütte ist längst nicht ganz so leer, wie sie auf den ersten Blick scheint. Fünf Jahre später haben die Verwandten dieses Dramas die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben: Jeffreys jüngerer Bruder Lucas (Nikolaj Coster-Waldau) hat Ermittler beauftragt, nach den Flüchtigen zu fahnden und auch die Mutter der toten Gattin, Jean Podolski (Jane Moffat), hat ein veritables Interesse an ihren Enkeln. Die wiederum sind in überraschend akzeptablem Zustand, als sie in der Waldhütte aufgefunden werden. Victoria (Megan Charpentier) ist zwar enorm verwildert und Lilly (Isabelle Nélisse) geht wie ein Tier auf allen Vieren, aber genau dieser Zustand reizt den Psychologen Dr.Dreyfuss (Daniel Kash), sich um die Wiederherstellung der Mädchen intensiv zu kümmern. Weil Schwiegermutter und Onkel sich aber über das Sorgerecht streiten, bietet er ein Haus in einem Vorort an, wo sich Lucas, seine Freundin Annabel (Jessica Chastain), die Mädchen und Dreyfuss der Therapie widmen können. Doch so schön das alles klingt: was immer außer den Mädchen in der Hütte existierte, es ist den Mädchen nach Washington gefolgt und Annabel, die sich einer mütterlichen Rolle stets verweigerte, hat Kinder und Anhang bald am Hals...
„Alle Familien sind voll kaputt!“

Nachdem Guillermo del Toro auf den Kurzfilm „Mama“ des gebürtigen Argentiniers Andrés Muschietti aus dem Jahre 2008 aufmerksam wurde, stellte er ihm als Produzent ein Budget von 15 Millionen US-Dollar für eine spielfilmlange Adaption des Kurzfilms zur Verfügung. Diese(r) „Mama“ wurde 2012 in spanisch-kanadischer Koproduktion gedreht und fand im Januar 2013 in die Lichtspielhäuser.

Jeffrey Desange (Nikolaj Coster-Waldau, „Nightwatch – Nachtwache“) hat seine Frau umgebracht, ist mit seinen kleinen Töchtern Victoria (Megan Charpentier, „Jennifer's Body“) und Lilly (Isabelle Nélisse, „Whitewash“) in die Wälder geflohen, verunfallt und in einer verlassenen Waldhütte gestrandet – wo irgendetwas ihn davon abhalten kann, auch seine Kinder zu erschießen und ihn anstelle ihrer tötet. Nach fünf Jahren finden die von Jeffreys Bruder Lucas (ebenfalls Nikolaj Coster-Waldau) beauftragten Detektive die beiden seit diesen Vorfällen verschollenen Kindern in eben jener Hütte, wo sie unabhängig von Erwachsenen aufwuchsen. Lucas und seine Freundin Annabel (Jessica Chastain, „Stolen Lives - Tödliche Augenblicke“) nehmen die Kinder bei sich zuhause auf, Psychologe Dr. Dreyfuss (Daniel Kash, „Jack Brooks: Monster Slayer“) kümmert sich zusätzlich um die Mädchen und bietet dem Paar an, gemeinsam mit den Kindern in ein Haus zu ziehen. Doch Annabel tut sich schwer mit ihrer neuen Mutterrolle – und außerdem scheinen die Mädchen ein düsteres Geheimnis mitgebracht zu haben…

In die eigentliche Handlung steigt „Mama“ nach seinem Prolog und dem folgenden Zeitsprung ein, porträtiert dafür kurz das Paar Annabel und Lucas, wobei sich erstere interessanter-, weil emanzipatorischerweise als Musikerin in einer Punk-Band verdingt. Der Geisterfilm über Mutterliebe setzt fortan auf wohldosierte Schockmomente, die bereits mit dem Fund der Mädchen zum Einsatz kommen und selbst dann ordentlich sitzen, wenn sie vorhersehbar sind. Diese dienen jedoch nicht dem Selbstzweck und sind einem klassischen Spannungsaufbau untergeordnet, der das Unheil zunächst im seltsamen Verhalten der faszinierenden „wilden“ Mädchen andeutet, das sich in unnatürlichen Bewegungsabläufen der Jüngeren, ungewöhnlichen kulinarischen Vorlieben (Nachtfalter) und ihrem Getuschel über eine „Mama“ äußert. Jene „Mama“ taucht zunächst von den erwachsenen Protagonisten unbemerkt als schwarzer Schatten in ihrem Rücken auf, zeigt mit voranschreitender Spielzeit aber immer mehr von sich und offenbart ein tolles Creature Design in einer Mischung aus menschlichem Darsteller (der vom Marfan-Syndrom gezeichnete Javier Botet), gelungenen Masken- und Make-up-Arbeiten sowie einigen Computeranimationen, vorrangig der Haare des Wesens, mit denen es im Zusammenhang mit seinen Kriechbewegungen bisweilen an Asia-Grusler à la „The Ring“ erinnert.

Die psychologische Ebene wird verstärkt angesprochen von unheimlichen Visionen auf dem Krankenbett, einer bösen, stilistisch interessant verfremdeten und auf beunruhigende Weise unwirklich wirkenden Alptraumsequenz aus Point-of-View-Perspektive und einem an Urängste appellierenden Traum im Traum. Das übergeordnete Thema der Mutterliebe bzw. -rolle wird stets beibehalten und setzt zwei Charaktere konträr zueinander in Szene: die mit ihr hadernde Annabel und die sie ruhe- und rastlos ausfüllende, ambivalente Geistererscheinung, die wiederum gewisse Parallelen zu Jeffrey Desange aufweist. Durch diesen Überbau läuft „Mama“ nie Gefahr, als oberflächliche, effekthascherische Schauermär missverstanden zu werden. Die erdfarbene Bildgestaltung passt stilistisch prima, wenn ihr auch manchmal zu sehr der Graublau-Filter übergestülpt wurde. Am Schluss sieht sich der Zuschauer mit einem dramatischen Semi-Happy-End konfrontiert – phantastisch, gruselig, schön und traurig zugleich. Für ein Regie-Debüt ist „Mama“ richtig gut geworden, kann nicht zuletzt auch mit zwei anscheinend wirklich talentierten Jungschauspielerinnen glänzen und ringt mir 7,5 von 10 Punkten und den Hinweis ab, dass „Mama“ unverkennbar auch die Handschrift des iberischen Grusels jüngerer Jahrzehnte trägt, weshalb gerade Freude moderneren Euro-Grusels sich von ihm/ihr in die lang- und dünngliedrigen Arme schließen lassen sollten.
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2LDK – Zickenterror Deluxe
Zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche junge Frauen – die aber letztendlich doch eine Menge Gemeinsamkeiten aufweisen – haben sich um die Hauptrolle eines Yakuzafilms beworben. Sie teilen sich ein luxuriöses Appartement mitten in Tokio, das ihnen vom Filmproduzenten vorübergehend zur Verfügung gestellt wird. Sie kommen beide in die engste Wahl; und zu Beginn des Films wird dann klar, daß eine von ihnen die Rolle bekommen wird. Beide würden alles dafür geben – denn für die eine wäre dies der Einstieg ins Filmgeschäft, für die andere die letzte Chance, ihre Filmkarriere zu retten. Und sie WERDEN alles dafür geben, ohne Mitleid miteinander zu zeigen – wie wir in den folgenden 70 Minuten erleben...
„Wenn du erfolgreich sein willst, solltest du dich mit Filmen beschäftigen!“ (Ich bezweifle die Allgemeingültigkeit dieser Aussage…)

Überlieferungen zufolge lieferten sich die japanischen Regisseure Yukihiko Tsutsumi („Keizoku - Ungelöste Morde“) und Ryuhei Kitamura eine Art filmisches Duell, indem sie jeweils einen Film mit dem festgezurrten Sujet drehten, ihrerseits ein Duell zwischen zwei Personen zum Inhalt zu haben, das in nur einer Nacht und auf eng abgestecktem Terrain ausgetragen werden solle. Ergebnis dieses Projekts, über dessen Sieger das Publikum entscheiden sollte, ist Kitamuras Samurai-Drama „Aragami“ einer- und Tsutsumis schwarze Tragikomödie „2LDK – Zickenterror Deluxe“ aus dem dem Jahre 2002 andererseits, der mir im Gegensatz zu seinem Pendant vorliegt.

Die letzten übriggebliebenen Teilnehmerinnen eines Castings für eine Filmproduktion, die extrovertierte (Möchtegern-)Lebefrau Rana (Maho Nonami, „Platonic Sex“) und die zurückhaltende Studentin Nozomi (Eiko Koike, „Mohô-han“) aus der Provinz, warten in einer gemeinsamen Wohnung gespannt auf den entscheidenden Telefonanruf, wer von beiden die Rolle bekommt. Die geheuchelte Freundlichkeit schlägt nach einiger Zeit in einen offenen Schlagabtausch um – zunächst verbal, anschließend körperlich und schließlich blutig…

Das als klassisches Kammerspiel inszenierte Drama gibt sich nicht nur im Verzicht auf Filmmusik und weitere Darsteller minimalistisch, sondern konzentriert sich voll und ganz auf die zwei Streithühner. Dabei geht es derart überzogen zur Sache, dass sich schwarzer Humor mit satirischen Elementen in Bezug auf die Egomanie streitsüchtiger junger Frauen, die ins vermeintlich lukrative Filmgeschäft drängen, zu einer blutroten Melange vermengt. Der tragische Aspekt kommt ebenfalls nicht zu kurz, wenn man nach und nach mehr über die persönlichen Hintergründe der beiden erfährt und z.B. eine Rückblende die zuvor eingestreuten Visionen Ranas erklärt, die mitverantwortlich ist, dass sich die Ehefrau mitsamt Kind einer ihrer Affären umgebracht hat. Zu Beginn hört der Zuschauer die abfälligen Gedanken der Mädchen über ihr jeweiliges Gegenüber, die jedoch bald offen ausgesprochen werden. Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Eskalation arbeitet Tsutsumi mit Zeitlupen und hall-/echolastiger Geräuschkulisse sowie mit Wackelkamera und hektischen Schnitten während der nonverbalen Auseinandersetzungen. Spannung erzeugt „2LDK“ (was im Japanischen so viel bedeutet wie „Zwei Zimmer, Küche Bad“) in erster Linie dadurch, dass auch der Zuschauer nicht weiß, wer denn nun das Casting gewinnen – und wer am Ende überhaupt noch übrig sein wird. Zum Finale hin übertrumpfen sich beide gegenseitig in Härte und integrieren allerlei Haushaltsgegenstände in ihre zunehmend blutiger werdenden Kämpfe, bis man sich offen gegenseitig nach dem Leben trachtet. Wie Nozomi letztlich die Stromattacke und ihr augenscheinliches Ertrinken in der Badewanne überlebt hat, blieb mir zwar unklar, doch Tsutsumi bleibt konsequent bis zum blutigen, zynischen, blutigen Ende.

Das Schöne an „2LDK“ ist, dass der Zuschauer trotz der exaltierten Entrücktheit des Stoffs manch Wiedererkennungseffekt erleben dürfte in Bezug auf trügerische Freundschaften, eigene WG-Erfahrungen oder den ganz „normalen“ alltäglichen Konkurrenzkampf in einer entsolidarisierten Gesellschaft. Damit ist der Film auch über seinen exploitativen Unterhaltungscharakter hinaus durchaus relevant, in erster Linie aber zweifelsohne ein (auch aufgrund der knappen Spielzeit) kurzweiliges Brutalo-Vergnügen, bei dem das Lachen auch schon einmal im Halse stecken bleiben kann, das nach einem möglicherweise etwas langwierigen Auftakt jedoch alle Register zieht. Und wer nach diesem Film noch immer eine Wohngemeinschaft mit hübschen jungen angehenden Schauspielerinnen plant, dem ist nicht mehr zu helfen und schließt am besten schon mal den Chlorreiniger weg.
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Die tödliche Warnung
Commissario Baresi (Giuliano Gemma) entdeckt auf seinen Kontoauszügen eine große Summe, deren Herkunft er sich nicht erklären kann. Auf Nachfrage bei seiner Bank, ob es sich um einen Fehler handelt, wird ihm die ordnungsgemäße Überweisung auf sein Konto bestätigt. Als er wenig später in seinem Büro im römischen Polizeihauptquartier einen anonymen Anruf erhält, der eine Gegenleistung für diese Bezahlung einfordert, beschließt er spontan, seinen Dienst zu quittieren, um nicht erpressbar zu sein. Doch ein schrecklicher Vorfall macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Sein Kollege Vincenzo Laganà (Franco Odoardi) wird gemeinsam mit dem Anwalt Milanesi (Giordano Falzoni) im Poizeigebäude von drei Männern ermordet, die sich als Polizisten verkleidet hatten. Laganà hatte gegen die Mafia ermittelt, aber seine Kontoauszüge lassen den Verdacht zu, dass er selbst in die Sache verwickelt war - eine Verdächtigung, gegen die sich seine Witwe Silvia (Laura Trotter) vehement wehrt. Baresi, der gemeinsam mit dem Polizeipräsidenten Martorana (Martin Balsam) den Fall aufklären soll, vermutet, dass sie mehr weiß, als sie zugibt. Als sie erpresst wird, scheint sich eine erste Spur zu ergeben...
„Leute, die morgens bumsen, sind eigenartige Leute – denen ist nicht zu trauen!“

„Die tödliche Warnung“ aus dem Jahre 1980 bedeutete nicht nur Italo-Regisseur Damiano Damianis nach „Ein Mann auf den Knien“ zweite Zusammenarbeit mit Giuliano Gemma („Eine Pistole für Ringo“), sondern nach meinem derzeitigen Kenntnisstand auch seine letzte Arbeit innerhalb seines 1968 mit „Der Tag der Eule“ begonnenen Poliziesco-/Mafia-/Polit-Thriller-Kanons für das Kino.

Commissario Baresi (Giuliano Gemma) wird unfreiwillig direkter Zeuge einer perfiden Methode der einflussreichen Mafia, sowohl Angst und Schrecken zu verbreiten, als auch zu bestechen: Er bekommt eine hohe Geldsumme unbekannter Herkunft auf sein Bankkonto überwiesen. Kurze Zeit später meldet sich ein anonymer Anrufer und fordert eine Gegenleistung für die Summe. Zunächst lässt sich Baresi nicht darauf ein. Nachdem jedoch Chefkommissar Vincenzo Laganà (Franco Odoardi, „Sacco und Vanzetti“), der Anwalt Milanesi (Giordano Falzoni, „Der Name der Rose“) und zwei weitere Menschen in der Polizeistation von drei als Polizisten verkleideten Mördern erschossen werden, wird Baresi Laganàs Nachfolger, geht zum Schein auf das Geschäft ein und vertieft sich in die Ermittlungen. Laganà hatte gegen die Mafia ermittelt und war ebenfalls Empfänger derartiger Zahlungen. Wie sehr war er mit der Mafia verstrickt? Und was weiß seine Witwe Silvia (Laura Trotter, „Ich habe Angst“), die sich weitestgehend bedeckt hält? Und ist Polizeipräsident Martorana (Martin Balsam, „Mordanklage gegen einen Studenten“) überhaupt zu trauen?

1980 schien Damiani, zuvor Garant für hochspannendes anspruchsvolles Kino im o.g. Bereich, etwas die Puste auszugehen. Zwar packt der mit einem stimmigen Riz-Ortolani-Soundtrack untermalte Film einmal mehr ein verdammt heißes Eisen an und ist von großer inhaltliche Schwere mit politischer und gesellschaftlicher Relevanz, beschäftigt er sich doch erneut mit Damianis bevorzugtem Thema der von der Mafia unterwanderten bzw. gekauften Gesellschaft bis in höchste staatliche Kreise hinein, doch litten diesmal durchaus wahrnehmbar die Kreativität und das Erzählerische. Das gilt selbstverständlich noch nicht für den schockierenden Moment zu Beginn, wenn ein Erschießungskommando mit Schalldämpfern skrupellos und konsequent seine blutige Tat verrichtet und der unnatürliche Klang des gedämpften Schüsse lange in den Ohren nachhallt. Doch nachdem Baresi mit der Untersuchung betraut wurde, wird mit einer Vielzahl von Namen um sich geworfen, wie man es zwar von Damiani durchaus gewohnt ist, hier aber Überhand nimmt und die Konzentration arg erschwert. Bringt man diese auf, wird man mit interessanten Mafia-Methoden wie dem Bringen von Strohmännern, an deren tatsächlicher Täterschaft gezweifelt werden darf, ebenso belohnt wie mit dramatischen Szenen, wenn die Laganà-Witwe einen emotionalen Ausbruch erleidet und sich auf Baresis Verdächtigungen hin die Pulsadern aufschneidet.

Ansonsten aber konzentriert sich „Die tödliche Warnung“ auf sein Klima des zermürbenden Misstrauens, insbesondere zwischen Baresi und Martorana, die sich lange Zeit gegenseitig verdächtigen – eingebettet in eine komplexe Handlung, die nicht ohne eine Vielzahl von Personalien auskommen will und in ihrer Dialoglastigkeit oft spröde und trocken wirkt, was im eigenartigen Widerspruch zum temperamentvollen Vorgänger „Ein Mann auf den Knien“ steht. Das äußerst starke Ende indes stimmt wieder versöhnlich und zeigt, dass sich die Aufmerksamkeit lohnte. Somit ist „Die tödliche Warnung“ trotz seiner erzählerischen Schwächen ein mit verdienten Schauspielern besetzter, würdiger Abschluss dieser gewichtigen Phase Damianis Schaffens, die er 1984 mit seiner TV-Serie „Allein gegen die Mafia“ wieder aufgreifen sollte.
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