bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Das Haus der langen Schatten
Ein Buchautor schließt eine Wetter um viel Geld ab. Innerhalb von 24 Stunden will er seinem Verleger ein fertig geschriebenes Manuskript eines Buches übergeben. Zu diesem Zweck zieht er sich in ein abgelegenes Haus zurück in dem sehr mysteriöse Dinge vorgehen.
„Dieser Ort ist verflucht!“

„Das Haus der langen Schatten“ aus dem Jahre 1983 ist die bis dato letzte Regiearbeit des Briten Pete Walker („Frightmare – Alptraum“). Der auf der mehrfach verfilmten Geschichte „Seven Keys to Baldpate“ basierende Horrorfilm mit komödiantischer Schlagseite schaffte es erst- und letztmals, die Genre-Ikonen Vincent Price („Die Verfluchten“), Peter Cushing („Frankensteins Fluch“), Christopher Lee („Dracula“) und John Carradine („Hexensabbat“) vor der Kamera zu vereinen. Obgleich die Handlung in Wales spielt, wurde in Hampshire, England gedreht.

Der sehr von sich überzeugte Schriftsteller Kenneth Magee (Desi Arnaz Jr., „Begrabt die Wölfe in der Schlucht“) wettet mit seinem Verleger Allyson (Richard Todd, „Asylum“) um 20.000 Dollar, dass er einen Klassiker à la „Sturmhöhe“ problemlos innerhalb von 24 Stunden schreiben könne. Allyson nimmt die Wette an und bittet Magee dafür in ein vermeintlich leerstehendes Herrenhaus in Baldpate, Wales…

„Das Haus steht seit 40 Jahren leer, aber ein Betrieb ist hier wie auf dem Time Square!“

Auf dem Weg nach Baldpate sieht sich Magee mit Warnungen vor dem angeblich verfluchten Gemäuer konfrontiert, die er in seiner Rationalität kurzerhand er in den Wind schlägt. Im Ort tobt ein Unwetter, am Bahnhof begegnet Magee seltsamen Menschen. Und das Haus entpuppt sich als keinesfalls leerstehend: Mr. und Mrs. Quimby (John Carradine und Sheila Keith, „Haus der Peitschen“), Vater und Tochter, stellen sich als Haushälter des Anwesens vor. Die bereits am Bahnhof erblickte alte Frau treibt dort ebenfalls ihr Unwesen, entpuppt sich jedoch als Sekretärin Allysons in Maskerade, die damit beauftragt wurde, Magee einen gehörigen Schrecken einzujagen. Mit Sebastian Rand (Peter Cuhsing) kommt ein weiterer Besucher, der Magee am Schreiben hindert. Angeblich hätte dieser einen Autounfall in Nähe des Hauses gehabt, hat aber seltsamerweise auch einen Schlüssel für das Haus. Es dauert nicht lange und der Reigen wird von Lionel Grisbane (Vincent Price) erweitert, der nach langer Zeit seinem Elternhaus einen Besuch abstattet und das Familienerbe beansprucht. Damit noch längst nicht genug, stößt auch noch ein Mr. Corrigan (Christopher Lee) hinzu, der das Haus gekauft haben will. Zu guter Letzt taucht das junge Paar (Louise English, „Bugsy Malone“ und Richard Hunter, „Der Elefantenmensch“) vom Bahnhof auf und liefert sich einen Beziehungsstreit, der sich gewaschen hat. Anhand der aushängenden Ahnengalerie ahnt Magee bereits, dass nicht jeder derjenige ist, der er zu sein vorgibt. Schließlich kommt er hinter das düstere Grisbane’sche Familiengeheimnis, das die Mitglieder vor 40 Jahren dazu veranlasste, den 14-jährigen Familienspross Roderick bei lebendigem Leibe in ein Zimmer zu sperren und es zu versiegeln – und in dieser Nacht möchte man ihn befreien… Doch so schnell wie sich das Haus mit Menschen füllte, so schnell werden die Anwesenden nach und nach durch grausame Todesfälle dezimiert. Vollzieht Roderick seine Rache? Und wann bitteschön soll Magee in Ruhe sein Buch schreiben?

„Schicksal und Vergeltung sind oft miteinander verwandt!“

Genüsslich suhlt sich Walker in allen Klischees, angefangen beim Unwetter über das unheimliche alte Gemäuer mit geheimen Gängen, Zimmern etc. bis hin zur lange Jahre zurückliegenden Familientragödie. „Das Haus der langen Schatten“ ist nämlich in erster Linie eine Hommage an das klassische britische und US-amerikanische Gruselkino, an Produktionen aus dem Hause „Hammer“ ebenso wie an Roger Cormans Poe-Adaptionen etc. Umso faszinierender ist es, die Protagonisten vieler dieser Filme hier versammelt zu sehen, denen allesamt und quasi gleichberechtigt ihre größeren Auftritte zugestanden werden. Klar sind sie alle gealtert, am ältesten sieht jedoch der ehrwürdige Peter Cushing aus, dürrer denn je und schon recht erbarmenswert, was jedoch nichts an seinen einwandfreien Leistungen ändert, zumal sein Äußeres zu seiner Rolle passt. Alle vier interagieren prima miteinander und machen „Das Haus der langen Schatten“ zu einem besonderen Aufeinandertreffen der Alte-Schule-Gentleman des Genre-Kinos, die dem Film seine gewisse Erhabenheit verleihen. Ironischerweise liegen die Darsteller des Familienclans altersmäßig weit weniger auseinander, als das suggerierte Vater-Kinder-Geflecht erahnen lässt. Doch ist „Das Haus der langen Schatten“ keinesfalls ein pathetischer Altherrenfilm, der trocken einen vergangenen Stil kopiert, sondern eine sympathisch augenzwinkernde, mit unaufdringlicher Selbstironie versehene Angelegenheit ohne Netz, dafür mit doppeltem Boden, die gleich mehrere mehr oder wenige überraschende Wendungen bereithält, die letztlich liebevoll den leicht karikierenden Ehrerbietungscharakter besiegeln. Die große atmosphärische Intensität der Gruselhaus- und Gothic-Horror-Klassiker erreicht der Film dadurch indes natürlich nicht.

Was den Horror-Aspekt betrifft, bekommt man einiges geboten: Über einen Ekelfaktor verfügende Szenen mit einem erhängten Leichnam und Maden, einer Erdrosselung mit einer Klaviersaite, Fallen wie Säure- und Giftattacken etc. Dabei geht Walker ungeachtet seiner eigenen Filmographie nie sonderlich explizit vor und zeigt bisweilen nur die Ergebnisse statt den Tatvorgang. Auch dies passt zum Stil des Films und dessen bewusst altmodischer Ausrichtung. Sogar expressionistische Schattenspiele fanden ihren Weg ins Walkers Werk und am Ende steht nicht nur die Auflösung vieler eventueller Logiklücken, sondern auch die Aussage, dass die klassischen Dramen eben doch die besten sind. Dass man dabei im Kontext der Films auf die früheren Arbeiten der beteiligten Schauspieler verweist, ist nicht schwer zu erraten und setzt den Schlusspunkt unter diese schöne Respektsbekundung vor der alten Schule des Horrorkinos und seinen menschlichen Aushängeschildern. 7,5 von 10 Haustürschlüsseln verteile ich dafür unter den interessierten Freunden und Kennern einer großen, charakteristischen Zeit der Horrorfilmgeschichte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Grizzly
Ein überdimensionaler Grizzly erweist einem US-Nationalpark einen Bärendienst. Nachdem er ein Dutzend Camper verspeist hat, ist guter Rat teuer. Ranger Kelly stellt sich dem Tier entgegen, doch dann mischen sich betrunkene Jäger ein...
„Jaws with Claws“

1975 machte US-Regisseur Steven Spielberg das Tierhorror-Subgenre mit „Der weiße Hai“ für den Mainstream populär und erschuf eine Blaupause für zahlreiche Nachahmer, die Inhalte und Struktur des Films kopierten oder sich zumindest unzweideutig inspirieren ließen. Einer der ersten Trittbrettfahrer war die US-Produktion „Grizzly“ von Regisseur William Girdler („Three on a Meathook“), der 1976 die Bedrohung vom Meer in die Wälder verlegte und einen wilden Grizzlybären auf seine menschliche Opfer losließ.

In einem US-Nationalpark treibt ein riesiger Grizzlybär sein Unwesen und zerfleischt arglose Camper. Da das Tier zunächst noch niemand gesehen hat, schenkt Parkbetreiber und Politiker Charley Kittridge (Joe Dorsey, „Die Kampfmaschine“) den Ausführungen des engagierten Rangers Michael Kelly (Christopher George, „Graduation Day“) und dessen Kumpels Arthur Scott (Richard Jaeckel, „Black Moon“) keinerlei Glauben und will den Park partout nicht für Besucher schließen. Doch die Todesfälle häufen sich, bis sich schließlich einige Männer aufmachen, die Bestie zu erlegen. Werden Sie erfolgreich sein und die Idylle des Parks wiederherstellen können?

„Bären fressen doch keine Menschen!“ – „Der hat’s getan!“

Ein Hubschrauberflug über weitestgehend unberührte Natur liefert wunderschöne Aufnahmen prachtvoller Landschaft, die fröhliche und unbeschwerte Titelmusik versetzt in gute Stimmung. Doch der Schein trügt, denn nach wenigen Minuten bereits darf man einer Grizzly-Attacke in Point-of-View-Perspektive des Bären beiwohnen. Man bekommt Tatzen und blutige Opfer zu sehen, ein Arm fliegt ab bzw. wird ins Bild geworfen. Auch der nächste Angriff erinnert interessanterweise an Slasher-Filme, wenn eine unvorsichtige Rangerin die Gefahr ignoriert und erst einmal in aller Seelenruhe baden geht, was der Bär als willkommene Einladung zum Gaumenschmaus dankbar annimmt. Schließlich greift dieser sogar ein Zeltlager an und die Situation eskaliert vollends. Der typische Interessenskonflikt des Subgenres findet hier zwischen Kelly und Kittridge statt. Sich selbst überschätzende Freizeitjäger scheitern und erst nachdem der Grizzly in einer kruden Szene einem Kind den Unterschenkel abgebissen und dessen Mutter aufgefressen hat, sieht man sich gezwungen, professionell einzuschreiten und zu versuchen, dem Untier den Garaus zu machen.

Das Tier in voller Pracht bekommt man erst nach rund 50 Minuten erstmals zu sehen. Für diese Bilder wurde mit einem echten Bären gearbeitet, während die Angriffe natürlich getrickst wurden – mal mehr und mal weniger gelungen, für einen B-Movie wie diesen mitunter jedoch durchaus ansehnlich, wenn auch stets arg durchschaubar. Die ganz große Schlachtplatte wird indes nicht aufgefahren, von einem Splatterfilm ist „Grizzly“ weit entfernt. Auf amüsante Weise richtiggehend trashig wird es, wenn der Bär einem Pferd den Kopf abschlägt. Trotz allem lahmt „Grizzly“ mit Beginn des letzten Drittels, bremst den Erzähl- und Actionfluss durch Nebensächlichkeiten aus – zu einem Zeitpunkt, als er eigentlich noch einmal so richtig in Fahrt hätte kommen müssen. Beim Showdown mit der Bazooka splattert es dann doch noch einmal heftig, doch weshalb diese Waffe einen Rückstoß, und dann auch einen derart heftigen, hat, ist genauso wenig zu erklären wie die angebliche Mordlust des Grizzlybären, die der Film ihm wortwörtlich andichtet und damit Angst vor einer in ihrer Population bedrohten Rasse schürt, ihr damit einen Bärendienst erweist. Das ist dann auch mein größter Kritikpunkt an Filmen wie diesem, weshalb das Subgenre nicht unbedingt zu meinen bevorzugten zählt. Denn wenn der Mensch vor etwas Angst bekommt, versucht er, es zu zerstören und auszurotten – wie seinerzeit beim weißen Hai geschehen. Tatsächlich kam es allerdings in den 1970ern im Yellowstone-Nationalpark zu zahlreichen Unfällen zwischen Menschen und Grizzlybären. Der Grund war die Fütterung durch die Besucher, die ihnen Abfälle und sogar Süßigkeiten zu fressen gaben und sie dadurch auf kontraproduktive Weise an den Menschen gewöhnten, die naturgegebene Distanz aufhoben. Aber statt auf solche Themen einzugehen, verklärt Girdler die Tiere zu wahren Monstren für einen exploitativen, klischeehaften Rip-Off eines ebenfalls fragwürdigen Erfolgsfilms, der ansonsten weder schauspielerisch noch technisch oder ästhetisch in seinem hemdsärmeligen Abenteuersujet sonderlich viel zu bieten hat.
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The Lost Boys
Aus finanziellen Gründen übersiedelt eine geschiedene Mutter mit ihren Söhnen Sam und Mike in ein kalifornisches Küstenstädtchen, daß von Bikern und Feriengästen nur so wimmelt. Zahlreiche Personen sind in der Stadt spurlos verschwunden, was zwei jugendliche Inhaber eines Comicbuchladens, deren Bekanntschaft Sam macht, zu dem Schluß führt, daß die Stadt von Vampiren regiert wird. Dazu paßt, daß Michael nach einem Treffen mit einer unbekannten Schönen auf einmal schwach und anämisch wirkt und kein Tageslicht mehr mag. Auch die Rockerclique, der er sich anschließen soll, wirkt nicht ganz koscher. Sam hakt mit seinen neuen Freunden nach und sticht in ein Wespennest...
„In letzter Zeit bist du echt nicht gut drauf! Hast du vielleicht zu viel ‚Denver Clan‘ gesehen?“

Für „The Lost Boys“ portierten US-Regisseur Joel Schumacher („St. Elmo’s Fire“) und sein dreiköpfiges Autorenteam die klassische Vampirthematik in ein modernes ‘80er-Ambiente, verjüngten die Pro- und Antagonisten gewaltig und schufen so eine aberwitzige Melange aus Vampir-Horror, dessen Gothic-Aspekte durch Pop-Kultur ersetzt wurden, und Teenage-Horror mit Coming-of-Age-Inhalten im Gewand einer Horrorkomödie, die ab ihrem Erscheinungsjahr 1987 zu einem kleinen Kultfilm avancierte.

„Ich hab Vampirwitze noch nie gemocht!“

Nach ihrer Scheidung zieht Lucy Emerson (Dianne Wiest, „Edward mit den Scherenhänden“) mit ihren Söhnen Sam (Corey Haim, „Stephen King's Werwolf von Tarker Mills“) und Michael (Jason Patric, „Sleepers“) zu ihrem kauzigen Vater (Barnard Hughes, „Tron“) ins kalifornische Küstenstädtchen Santa Carla, das im Sommer viele vergnügungssichtige Touristen beherbergt, aber auch eine vampiristische Biker-Clique, die mit dafür verantwortlich ist, dass der Ort den zweifelhaften Ruf als Mord-Hauptstadt weg hat. Tatsächlich verschwinden immer wieder Menschen spurlos und als Michael die geheimnisvolle Star (Jami Gertz, „Zwei Frauen“) kennenlernt, lernt er auch die Bande junger Blutsauger besser kennen, als ihm lieb ist. Während diese aus Michael einen der ihren zu machen versuchen, erkennt sein kleiner Bruder als erster die Gefahr und sucht zusammen mit den Frog-Brüdern (Corey Feldman, „Meine teuflischen Nachbarn“ und Jamison Newlander, „Der Blob“) aus dem Comicladen, einen Weg, um die Vampire zu bekämpfen und Michael zu retten. Mutter Lucy lässt sich derweil auf Rendezvous mit Max (Edward Herrmann, „Down“) ein, die ihre Kinder empfindlich stören…

„Gefährliche Jungs!“ – „Ach, die sind noch so jung. Wir waren früher genauso, hatten nur nicht soviel Geld, uns so schicke Sachen zu kaufen!“

Für „The Lost Boys“ versammelt Schumacher zahlreiche aufstrebende Jungschauspieler vor der Kamera, mit der er die Illusion kunterbunter 1980er voller Pop- und Subkultur erzeugt, vom kauzigen Alt-Hippie in Person des Großvaters über Rocker/Biker bis hin zu ganz selbstverständlich in den Straßen flanierenden Punks, über den Auftritt einer Poser-Rockband mit Saxophon und einem generell zeitgenössischen Pop-Rock-/Synth-Rock-Soundtrack, riesigen Comic-Läden und die Betonung der neunten Kunst bis hin zu den gefürchteten Frisuren jener Dekade. Schumacher verfilmte den ‘80er-Traum einer immerwährenden Strandparty, bietet ihn als Idealbild einer individualisierten, bunt durchmischten Gesellschaft an. Zum Alptraum wird all das für Michael, als er zu den die Szenerie bereits im Prolog per schönem Point-of-View-Flug überblickenden Vampiren stößt und die Handlung zu einem Paradebeispiel für juvenilen Gruppenzwang wird, für den Drang nach Zugehörigkeit und was man dafür in Kauf zu nehmen bereit ist, welche Gefahren drohen. Jedoch erscheint der Rückzugsort der Vampire zunächst weniger wie eine konkrete Bedrohung und Gegenentwurf zur Party-Promenade, sondern wie ein weiterer, zur Vielfalt beitragender subkultureller Aspekt im Gothic-Schick.

Nach seinem überaus starken ersten Drittel dominiert jedoch der komödiantische Teil. Erst nach über einer Stunde zeigt die Gruppe in Form ihres maskenbildnerisch sehr gelungenen Vampir-Antlitzes ihr wahres Gesicht und grafische Morde nehmen ihren Lauf, „The Lost Boys“ gewinnt an Härte. Parallel dazu entwickelt sich die kleine Schauerromanze zwischen Michael und Star weiter. Die wie Fledermäuse kopfüber an der Höhlendecke hängenden Vampire rücken nach Michaels voranschreitender Verwandlung wieder stark in den Fokus und ist die Jagd auf sie mithilfe der ihr Wissen aus Comics beziehenden Frog-Brüder erst einmal eröffnet, wird der Film reichlich garstig für eine Komödie. Wunderschöne Panoramen der Stadt, des Sonnenuntergangs etc. kontrastieren mit deftigen Spezialeffekten wie dem Vampirtod in einer Weihwasserbadewanne, der zu einem wahren Blutbad gerät. Ebenfalls nicht unkreativ ist die Explosion eines Blutsaugers an einer Stereoanlage. Humoristisch platt konterkariert wird diese Härte durch die Frog-Brüder in Militärkleidung und ebenfalls etwas sehr albern ist die aus einem Zufall resultierende Pfählung des Obervampirs geraten.

Tatsächlich empfinde ich den Humor des Films als seine größte Schwäche, ein durchgehend zumindest vordergründig ernsthafter Tonfall wäre mir lieber gewesen. Das Komödiantische jedoch dürfte entscheidend mitverantwortlich dafür gewesen sein, dass „The Lost Boys“ seine große Breitenwirkung erzielte. Und selten sahen die 1980er derart großartig aus wie unter Schumacher, der ein Bild davon transportiert, wie sich die Jugend sie damals gewünscht hätte und einen starken Eindruck ihres Lebensgefühls vermittelt.
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Tarzan, der Affenmensch
Jane reist mit ihrem Vater nach Afrika, um einen Elefantenfriedhof zu suchen. Dort trifft sie den Urwaldmenschen Tarzan, der sie in sein Baumhaus entführt...
„Von jetzt an ist Schluss mit der Zivilisation!“

Nach einigen Stummfilm-Adaptionen startete die US-Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Meyer 1932 unter Regie W. S. Van Dykes die erfolgreiche Tonfilmreihe um den auf Edgar Rice Burroughs' Abenteuerroman basierenden Dschungelhelden Tarzan, die zwölf Filme lang den ehemaligen Olympia-Sieger im Schwimmen, in Österreich-Ungarn geborenen Johnny Weissmüller in der Rolle des „Affenmenschen“ präsentieren und der Figur zu weiterer Popularität verhelfen sollte.

Großwildjäger James Parker (C. Aubrey Smith, „Sexbombe“) begibt sich im afrikanischen Urwald auf die Suche nach dem geheimen Elefantenfriedhof hinter dem „Berg des Schweigens“, um dort das Elfenbein zu plündern. Das Wiedersehen nach langer Zeit mit seiner Tochter Jane (Maureen O’Sullivan, „Stolz und Vorurteil“), die ihn begleiten wird, rührt beide zu Tränen. James' Partner Harry (Neil Hamilton, „Batman hält die Welt in Atem“) wirft ein Auge auf die attraktive Jane und gesteht ihr sein Interesse. Tatsächlich wird der Berg gefunden, doch der Aufstieg erweist sich als beschwerlich und ausgerechnet der Träger mit den Medikamenten stürzt in die Tiefe. Nach einiger Zeit trifft die Gruppe auf einen seltsamen, im Urwald lebenden Wilden, nur mit einem Lendenschurz bekleidet und keiner Sprache mächtig. Er liefert sich atemberaubende Kämpfe mit Raubtieren, aus denen er stets als Sieger hervorgeht, und lebt mit Affen zusammen. Jane stellt er sich als Tarzan vor...

Das erste Augenmerk der Zuschauer richtet Van Dyke neben den exotischen Kulissen auf die Irin Maureen O’Sullivan als Jane Parker, die nicht nur blendend aussieht, sondern auch selbstbewusst und auf sympathische Weise frech ist, wodurch sie etwas Humor in die Handlung einbringt. Dem damaligen Zeitgeist geschuldet ist indes sicherlich der Umgang mit den Schwarzafrikanern, die als Stammesangehörige vorgeführt und begafft werden wie Attraktionen. Der Film arbeitet hierbei offensichtlich mit Archivaufnahmen, vor die Jane & Co. geschnitten werden. Nach gut 20 Minuten kündigt sich dann Tarzan in Form seines gellenden Urwaldjodlers an, der seinen Ursprung in eben dieser ersten Tonverfilmung haben dürfte und zu der charakteristischen Eigenart Tarzans wurde. Bevor er jedoch auf der Bildfläche erscheint, zeigt Van Dyke den respektlosen Umgang der Expedition mit der Fauna: So wird ohne Grund auf harmlose Flusspferde geschossen, sowohl vom ohnehin rüpelhaften, in erster Linie auf seinen eigenen Vorteil bedachten Vater, als auch von Jane, die zwar die Harmlosigkeit der Tiere betont, jedoch trotzdem mir nichts, dir nichts auf sie zu feuern beginnt. Als ein Flusspferd unter das Floß der Schießwütigen schwimmt und es zerstört, ist man geneigt, der „Besatzung“ inklusive Jane den Tod zu wünschen, damit die Tiere wieder in Frieden leben können. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit dieser Effekt beabsichtigt und evtl. schlicht der Vorlage geschuldet ist oder aber aus den vorausgegangen Szenen eine generelle Tierverachtung spricht und das Verhalten der Parkers und ihrer Handlanger als Normalität empfunden und dargestellt wurde.

Nach 30 Minuten sieht man erstmals Tarzan durch die Bäume springen. Johnny Weissmüller ist zweifelsohne ein großer Athlet und ein ebensolcher Schauspieler muss er hier als fast dialogloser Tarzan gar nicht sein, sieht jedoch in seiner Rolle mit seinem gepflegten, rasierten Körper kein bisschen wie ein Wilder aus. Das muss man ebenso hinnehmen wie seine grausame Tötung eines Leoparden, nur um vor Jane anzugeben. Ein Wechselbad der Gefühle, denn herzallerliebst ist wiederum, wie Tarzan ein Elefantenbaby aus einer Falle rettet. Der Film scheint generell die Tierwelt in „Gut“ und „Böse“ zu unterteilen, wobei Raubtiere und Karnivoren schlechte Karten haben und i.d.R. in der zweiten Kategorie landen. Nicht von der Hand zu weisen aber sind beeindruckende Szenen zwischen Tarzan und unterschiedlichen Tieren, aus denen vor allem die Kampfszenen hervorstechen, die sich jedoch nicht darauf beschränken; auch seine Freundschaft mit den Elefanten bringt immer wieder faszinierende Bilder hervor. Manche Aktionen Tarzans werden jedoch beschleunigt wiedergegeben, was albern, wie aus Stummfilm-Sketchen entlehnt, aussieht. Einen Keil zwischen Jane und ihrer Gruppe und damit ihren Vater treibt schließlich der Umstand, dass ihr Vater „Wilden“ wie Tarzan jegliche Menschlichkeit und Gefühle abspricht und Tarzans Affe er- und Tarzan angeschossen wird. Jane denkt nun um und positioniert sich gegen das Töten, womit die Charaktere des Films nun ihre zumindest zeitweilige eindeutige Unterscheidung in Sympa- und Antipathieträger erfahren. Obwohl Tarzan anscheinend erstmals in seinem Leben Weiße wie er einer ist sieht, sind es die Tiere, die sich rührend um ihn im verletzten Zustand kümmern, bis die Affen Jane zu ihm führen, die ihn verarztet. Recht schnell spult Van Dyke jetzt die sich entwickelnde Romanze zwischen beiden inkl. erster sprachlicher Gehversuche ab. Nichtsdestotrotz strotzt der weitere Verlauf natürlich nur so vor Zivilisationskritik, wenn sich Jane zurück bei ihrer Gruppe einsam und traurig fühlt.

Diese Gruppe wiederum wird nun von Pygmäen gefangengenommen, womit die Stunde im Grunde genommen vollends überflüssigen Schwachsinns schlägt. Die Zwergwüchsigen bringen einem großen Gorilla Menschenopfer (!), doch Tarzan kann das Untier im Kampf töten und Jane retten. Im Anschluss ruft er die Elefanten herbei, die die Pygmäen bekämpfen! Das war es dann aber auch mit der regen Phantasie, denn „Tarzan, der Affenmensch“ schaltet plötzlich um auf Tragik, wenn James einem verletzten Elefanten zum Friedhof folgt, der endlich gefunden, aber auch zu James' Grab wird. Ironie des Schicksals und eine symbolträchtige Parabel, die jedoch Jane nicht daran hindert, ihr Happy End mit ihrem Tarzan im Dschungel zu feiern.

Dieser erste Tarzan ist ein schönes Beispiel für einen Film, der in seiner filmhistorischen Bedeutung und Funktion relevanter ist als in seinen Inhalten, die gerade in diesem Debüt mitunter noch äußerst fragwürdig erscheinen und zumeist sehr durchschaubar auf schnelle, damals spektakuläre Unterhaltungswerte hin konzipiert wurden, widersprüchlich wirken und reflektierten erzählerischen Tiefgang vermissen lassen. Ein Unterhaltungsfilm also, der gerade in seiner eher unbedarften Herangehensweise viel über seine Zeit verrät, in einem Punkt jedoch eine besondere Wirkung entfachte: Die Darstellung einer knapp bekleideten, im Rahmen der damaligen Möglichkeiten nicht unerotisch in Szene gesetzten Jane, die sich mit einem fast gänzlich nackten „Wilden“ einlässt, dürfte besonders ein Publikum ab der Pubertät aufwärts angesprochen und eine Möglichkeit aufgezeigt haben, die Prüderie ein Stück weit, scheinbar zufällig, zu unterwandern. In der ersten Fortsetzung „Tarzans Vergeltung“ trieb man dieses Spiel noch weiter und zu Zeiten des Hays-Codes wurden Dschungelabenteuer zu einer guten Möglichkeit, die Zensur von Nacktszenen zu umgehen – weshalb ich diesen Film als Auftakt für meine Auseinandersetzung mit dem erotischen Film auswählte.
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Tarzans Vergeltung
Die skrupellosen Abenteurer Martin Arlington (Paul Cavanagh) und Harry Holt (Neil Hamilton) bringen Unruhe in das Dschungelidyll von Tarzan (Johnny Weissmuller) und Jane (Maureen O'Sullivan). Sie wollen die Elfenbeinschätze eines Elefantenfriedhofs plündern und Jane zurück nach England holen. Doch Tarzan, der Herr des Urwalds, stellt sich ihnen in den Weg...
„Wirkliche Menschen – das gibt’s? Das glaub‘ ich nicht!“ – „Sagen wir richtige Zivilisierte!“

1934, zwei Jahre nach der recht durchschnittlichen, an den Kinokassen jedoch erfolgreichen ersten Tonfilm-Adaption des Abenteuerromans Edgar Rice Burroughs‘ durch die US-Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Meyer unter Regie W. S. Van Dykes beauftragte MGM das Regie-Trio Cedric Gibbons (die einzige Regiearbeit des Filmausstatters), Jack Conway („Schrei der Gehetzten“, drehte wegen Zeitproblemen Gibbons‘ zu Ende), und James C. McKay (war auch am dritten Teil „Tarzans Rache“ beteiligt) mit der ersten Fortsetzung „Tarzans Vergeltung“, die sicherlich nicht zu unrecht als bester Film der langlebigen Tarzan-Reihe gilt. Die grundlegende Geschichte ist der vorausgegangenen Verfilmung nicht unähnlich:

Ein Jahr nach der letzten Expedition, in deren Anschluss Jane (Maureen O’Sullivan, „Stolz und Vorurteil“) kurzerhand bei Tarzan (Johnny Weissmüller, „Tarzan, der Affenmensch“), dem „Affenmenschen“, respektive „Herrn des Urwalds“ geblieben ist, zieht es Harry Holt (Neil Hamilton, „Batman hält die Welt in Atem“) wieder in den afrikanischen Dschungel. Mit dabei hat er seinen Partner Martin Arlington (Paul Cavanagh, „Das Kabinett des Professor Bondi“). Scharf ist er nicht nur auf das Elfenbein des Elefantenfriedhofs, sondern noch immer auf Jane, die er nach London zurückzulocken versucht – doch Tarzan ist dagegen…

Beim schwierigen Erklimmen des schicksalhaften Bergs sterben viele der „Boys“ genannten afrikanischen Träger, als Gorillas Felsbrocken auf sie werfen. Doch Tarzan pfeift die Affen zurück und bereitet zusammen mit seiner Jane den Männern einen freundlichen Empfang. Jane hat gar nicht unbedingt etwas gegen die Expedition einzuwenden. Tarzan spricht mittlerweile, wenn auch grammatikalisch nicht ganz korrekt. Jane wiederum schwingt sich nun ebenfalls behände an Lianen durch den Urwald und hat einen Schrei ähnlich wie Tarzan entwickelt. Sie vollführt artistische Kunststückchen mit Cheetah, Tarzans Affendame, die hier erstmals in die Handlung eingeführt wird und für einen zusätzlichen Unterhaltungsfaktor sorgt, traurigerweise aber auch eine Affenfreundin verliert, die bei Tarzans Kampf mit einem Nashorn tödlich verletzt wurde.

„Tarzans Vergeltung“ zeichnet den Urwald, den Tarzan und Jane als ihr Zuhause auserkoren haben, keinesfalls als verklärte Idylle, sondern als einen Ort, der immer wieder neu gegen zahlreiche Gefahren in erster Linie der Fauna verteidigt werden muss. Das weitestgehende Ausklammern anderer Unwirtlichkeiten erscheint zwar reichlich naiv, doch richtet die Handlung ihr Augenmerk im Gegensatz zum vorsichtigen und halbgaren ersten Teil konkreter auf den Kampf der Lebensentwürfe, des Archaischen versus Zivilisation, und zeigt das Eindringen des raffgierigen Menschen der Ersten Welt als größere Gefahr verglichen mit Raubtieren und Eingeborenen. Seine Zivilisationskritik äußerst „Tarzans Vergeltung“ unverhohlen, wenn die Männer mit allerlei List und Tricks Jane ihrem Tarzan abspenstig zu machen versuchen und darüber erzürnt sind, dass Tarzan nicht bei der Bergung des Elfenbeins behilflich sein will. Kurzentschlossen schießt Martin einen Elefanten an, damit dieser zum Sterben zum Friedhof trottet und man ihm folgen kann. Der Plan scheint aufzugehen, bis Tarzan spektakulär mit einer Elefantenhorde angeritten kommt und beweist, dass ihm die Tiere näherstehen als die weißen Männer mit ihren Plünderungsplänen. Martins Gier geht gar so weit, dass er seine Einsicht vorgaukelt, nur um schließlich auf Tarzan zu schießen, welcher jedoch von einem Flusspferd gerettet wird. Elfenbein von einem Elefantenfriedhof entwenden zu wollen, ist in „Tarzans Vergeltung“ keine moralisch vertretbare Option mehr und wird entsprechend bestraft. Dem Streben nach Reichtum und materiellem Besitz, in dem Jane lediglich wie eine weitere Trophäe wirkt, stellt die Handlung Tarzans und Janes bescheidenes Glück zu zweit ohne jeglichen Besitz gegenüber. Während Tarzan kein anderes Leben kennt, hat sich Jane bewusst für diese Variante entschieden und wird als selbstbewusste, intelligente Frau charakterisiert, die sich zwar immer mal wieder von Tarzan aus der Bredouille befreien lassen muss, aber ihren eigenen Kopf behauptet. Interessant ist dabei, dass man Jane sich für männliche Urwüchsigkeit entscheiden lässt, an deren Seite sie jedoch wesentlich gleichberechtigter wirkt, als sie es innerhalb einer zivilisierten Gesellschaft, in der sie allein schon aufgrund ihrer körperlichen Attraktivität gewiss hohes Ansehen genießen würde, vermutlich jemals werden könnte. Jane emanzipiert sich von der westlichen Leistungsgesellschaft und fällt der Faszination des Ursprünglichen anheim, ohne jemals ihre Weiblichkeit aufzugeben oder infrage zu stellen. Dort, wo sie viel mehr Frau ist und sein muss, fühlt sie sich freier und geborgener als dort, wo sie ihre Sozialisation erfuhr.

Diese Art der Emanzipation ist gerade für die Entstehungszeit frech und direkt, insbesondere in Zusammenhang mit der nicht von der Hand zu weisenden erotischen Konnotation vieler Szenen. In der Hitze des Dschungels angemessen knapper Bekleidung zeigt O’Sullivan vermutlich das Maximum dessen, was man damals zeigen durfte. Dass ihre Jane mit Tarzan in wilder Ehe lebt, die auch körperlichen Ausdruck findet, ist nicht lediglich zu erahnen, sondern offensichtlich. Einer der ästhetischen Höhepunkte des Films ist gar eine Badeszene, die Jane splitternackt unter Wasser zeigt (wenn auch gedoubelt von Weissmüllers ehemaliger Schwimmkollegin Josephine McKim). Nicht die Nacktheit war Sünde, sondern dass die Zensur diese prächtige Szene herausschnitt. Doch auch ohne McKim ist „Tarzans Vergeltung“ mehr noch als der Vorgänger ein Paradebeispiel für das Ausloten erotischer Grenzen im frühen Unterhaltungsfilm im Sujet eines Abenteuerfilms. Die für die Filmindustrie verpflichtende Einführung des unsäglichen Hays-Codes datiert übrigens auf das Erscheinungsjahr dieses Films. Dass Janes selbstgewähltes Schicksal nicht nur in diesem Kontext aus heutiger Sicht durchaus provokant auf weibliche Emanzipation anders auslegende Feministinnen wirken und als haltlose Männerphantasie abgetan werden könnte, macht sie zum potentiellen Gegenstand lebensphilosophischer Diskussionen. Und nicht nur einmal stellt der Film die Frage, wer hier eigentlich primitiv ist…?

Neben O’Sullivan hat „Tarzans Vergeltung“ selbstverständliche viele andere Schauwerte zu bieten. Tarzans (auch hier teilweise schneller wiedergegebene) Szenen mit der Tierwelt fielen noch aufsehenerregender als zuvor aus. Tarzan kämpft gegen Raubkatzen und Alligatoren, reitet auf Elefanten, lässt sich (sehr niedlich) von Schimpansen versorgen. Teilweise sind diese Szenen untrennbar mit der Handlung verbunden, teilweise sind sie bloßes Streckwerk oder dienen ebenso dem Selbstzweck wie Weissmüllers akrobatische Einlagen etc. Nichtsdestotrotz wurde „Tarzans Vergeltung“ unschwer zu erkennen sehr aufwändig inszeniert und schickt gegen Ende dann auch noch den obligatorischen Eingeborenenstamm ins Rennen, der mit dazu beiträgt, den weißen Eindringligen den Garaus zu machen. Somit ist „Tarzans Vergeltung“ das, was „Tarzan, der Affenmensch“ bereits hätte sein können: Ein offen zivilisationskritischer Abenteuerfilm voll faszinierender, exotischer Bilder, spektakulärer Mensch/Tier-Aktionen, emanzipatorischer Note und fein eingesponnenen Eros, technisch sauber bis beeindruckend und schauspielerisch getragen von O’Sullivans kecker Ausstrahlung sowie Weissmüllers Stunts (bzw. denen seiner Doubles) und Athletik. Dass viele Ungereimtheiten, viele Fragen nach der Bewältigung des Dschungellebens fernab der Zivilisation nicht gestellt, geschweige denn beantwortet werden und man nach wie vor mit reichlich Naivität an das Story-Geflecht herantreten muss, um es ernstnehmen zu können, wird da schon fast schneller verzeihbar als die etwas sehr inflationäre Verwendung des Tarzan-Jodlers – Tonfilm-Frühzeit hin oder her.
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Bitterer Reis
Walter (Vittorio Gassmann) ist auf der Flucht vor der Polizei, die ihn wegen des Diebstahls einer wertvollen Halskette sucht. Nachdem er knapp entkommen war, übergibt er den Schmuck seiner Freundin Francesca (Doris Dowling), mit der er am Bahnhof verabredet war. Um in der Menge zu verschwinden, schließt sie sich spontan den Arbeiterinnen für die Reis-Anpflanzungen an, die in großer Zahl auf dem Weg in die Po-Ebene sind. Als sie im Zug Silvana (Silvana Mangano) begegnet, wird ihr erst klar, worauf sie sich eingelassen hat. Da sie keinen Vertrag mit den Arbeitgebern an den Reisfeldern hat, droht ihr am Ziel die Zurückweisung. Silvana beruhigt sie, aber damit verfolgt sie eigene Ziele, denn sie hatte bemerkt, dass Francesca etwas in einem Tuch versteckt hielt. An den Reisfeldern angekommen, erfährt Francesca schnell, dass sie hier keineswegs willkommen ist, und als sie dann noch bemerkt, dass ihr Silvana den Schmuck gestohlen hat, bleibt ihr nur noch eine Möglichkeit, bevor sie von dort wieder verschwinden muss. Gemeinsam mit anderen Arbeiterinnen, die keinen Vertrag haben, erzwingt sie den Zugang zu den Reisfeldern...
„Nur Frauen sind für diese Arbeit geeignet. Zarte und flinke Hände braucht man, Hände, die gewohnt sind, mit Babys umzugehen oder die Nadel einzufädeln.“ (außerdem kommen sie beim Putzen besser in die Ecken…)

Puristen des italienischen Neorealismus mögen angesichts des stark auf Unterhaltungs- und Schauwerte ausgerichteten „Bitterer Reis“ aus dem Jahre 1949 die Nase rümpfen, Genießer des anspruchsvolleren Unterhaltungsfilms jedoch dürften das eine oder andere Auge für den nach einer Geschichte von Giuseppe De Santis und Carlo Lizzani entstandenen Film, bei dem De Santis („Tragische Jagd“) persönlich Regie führte, gern riskieren.

Am Bahnhof steckt Juwelendieb Walter (Vittorio Gassmann, „Sleepers“) auf der Flucht vor der Polizei seiner Freundin Francesca (Doris Dowling, „Die blaue Dahlie“) die jüngst gestohlene Halskette zu. Francesca taucht in der Menge der Arbeiterinnen unter, die zur Reissaat in die Po-Ebene reisen, und gibt sich als eine von ihnen aus. Sie freundet sich mit Silvana (Silvana Mangano, „Die Fahrten des Odysseus“) an, die ihr jedoch bei erstbester Gelegenheit das vermeintlich wertvolle Schmuckstück mopst. Francesca sieht sich gezwungen, ebenfalls zur Aussaat anzutreten, um die Kette zurückzubekommen. Ohne Arbeitsvertrag droht ihr jedoch der Ausschluss, woraufhin sie mit anderen Vertragslosen für ihr Recht auf Arbeit kämpft. So lernt Francesca den harten Alltag der Arbeiterinnen am eigenen Leibe kennen.

Zu Bildern der Arbeit in den Reisfeldern, für die die Kamera unverhohlen auf die Hintern der Arbeiterinnen zielt, erklärt ein Radioreporter, dass auch in Italien seit Jahrhunderten Reis angebaut wird. Der Reportage-Stil endet abrupt, als De Santis seine Charaktere einzuführen beginnt. Walter verschwindet recht schnell wieder aus der Handlung, die verstärkt ihr Augenmerk auf die Beziehung zwischen Francesca und Silvana richtet. Parallel dazu entwickelt „Bitterer Reis“ seinen neorealistischen, sozialkritischen Anspruch, indem er zeigt, welch Kampf um die Arbeitsplätze selbst für diesen schlecht bezahlten Knochenjob entbrennt, als die Frauen ohne Vertrag in Konkurrenz zu denen mit treten und ausgenutzt und ausgebootet werden sollen, und wie die Quasi-Zuhälter der Frauen vom Konkurrenzkampf profitieren. Im Kleinen wird hier die kapitalistische Arbeitslogik veranschaulicht, die auf die Ausbeutung des Arbeiters/der Arbeiterin ausgerichtet ist und sich um Entsolidarisierung der Unterschicht bemüht, von der sie letztlich profitiert. Wie Sklaven werden die Arbeiterinnen von den Männern angetrieben. Sprechen ist während der Arbeit verboten, weshalb man singend untereinander kommuniziert. Ein offener Konflikt bricht aus, die Frauen gehen aufeinander los. In der Konsequenz jedoch entwickeln sich Solidarität und Arbeitskampf, was auf den interessanten historischen Fakt verweist, dass die Reisarbeiterinnen zu den Vorreitern der italienischen Arbeiterbewegung zählten, die sich früh gewerkschaftlich organisierten.

Mit Unteroffizier Marco (Raf Vallone, „Der Pate – Teil 3“) wird ein weiterer Charakter eingeführt, der moderierend eingreift und zwischen den Frauen vermittelt, zudem Gefängnisse als Instrument der Justiz kritisiert. Marco entwickelt Interesse an Silvana und umgarnt sie. Dies bedeutet den Ausgangspunkt für den melodramatischen Aspekt des Films mit seiner unheilvollen Vierecks-Beziehung zwischen Francesca, Marco, Silvana und dem hinzustoßenden Walter, der ausgerechnet dann wieder die Szenerie betritt, als Silvana das Corpus Delicti am Körper trägt und tanzt. Die Ereignisse überschlagen sich, Walter und Marco lassen die Fäuste fliegen und das begehrte Diebesgut entpuppt sich zu allem Überfluss als billige Fälschung. Während die Arbeiterinnen knietief in den Reisfeldern stecken, begibt sich „Bitterer Reis“ nun zusätzlich zur „Beziehungskiste“ ebenso tief ins Kriminalmilieu: Reisdiebe schleichen sich ein, werden vom selbstgefälligen Walter jedoch nur verlacht. Stattdessen schmiedet er mit ihnen einen perfiden Plan, eine viel größere Menge zu stehlen und die Arbeiterinnen, die in Reis bezahlt werden (!), damit unmittelbar um ihren verdienten Mindestlohnt zu bringen. Parallel dazu wird Silvana ihres Lebens überdrüssig, fürchtet ewiges Darben in Armut und wird damit zur leichten Beute für Blender Walter, mit dem sie hoffnungsvoll anbändelt, jedoch von ihm geschlagen und erniedrigt wird. Die Charaktere entwickeln und verändern sich, ihre Vorzeichen werden umgekehrt: Aus der lebenslustigen, doch verträumten Silvana wird eine egoistische Kriminelle, Francesca hingegen bekundet den Arbeiterinnen ihren Respekt, sagt sich von Walter und der Kriminalität los und versucht erfolglos, auf Silvana einzuwirken. Francesca wird zudem von Walter erpresst, was ihre Handlungsfähigkeit weiter einschränkt. Fortan schraubt sich „Bitterer Reis“ in seinem Verlauf von einer dramatischen Szene zur anderen hoch; als Komplizin Walters überschwemmt Silvana die Felder und gefährdet die Ernte, es kommt zu Schusswechseln, in deren Zusammenhang Walter all seiner Niedertracht freien Lauf lässt. Menschen sterben und während ein Ableben hart, aber gerecht erscheint, ist ein anderes überaus tragisch. Ergreifend schließt der Film und sollte keinen Zuschauer unberührt zurücklassen.

„Bitterer Reis“ vermengt auf angenehm leichtfüßige Weise anspruchsvolle neorealistische Aspekte mit Kriminalfilm- und Liebesmelodram-Elementen, öffnet sich damit einem großen Publikum und ist in seiner Zusammensetzung, der Gegenüberstellung scheinbarer Gegensätze wie Knochenarbeit und Lebensfreude und der Verquickung von Kapitalismuskritik mit nur scheinbar profanen zwischenmenschlichen Dramen näher am Proletariat, als es manch Kritiker erahnen dürfte. Er widmet sich nicht nur dem großen Ganzen, das er anhand der Massen auf den Reisfeldern porträtiert, kritisiert und zum Anlassen nimmt, seinen Respekt gegenüber den schwer arbeitenden Frauen auszudrücken, sondern auch dem Individuum, an dessen Beispiel er die Sehnsucht nach dem Entfliehen aus der Armut und die damit verbundenen Gefahren verdeutlicht, er die Destruktivität egoistischer, gegen die Arbeiter gerichteter Kriminalität aufzeigt und letztlich die von Abhängigkeiten, materiellen Zwängen und Existenzängsten erschwerte Suche nach Liebe und Geborgenheit skizziert, die auch unter denkbaren ungünstigen Umständen sich ihren Weg bahnt, jedoch erhöhte Gefahr läuft, irregeführt zu werden. Den Film-noir-Fatalismus seines Jahrzehnts lässt der Film derweil hinter sich.

Nicht unterschlagen darf ich natürlich eines der offensichtlichsten Merkmale des Films: den aus heutiger Sicht subtilen, für die damalige Zeit jedoch skandalösen Erotikfaktor. Die attraktive Silvana Mangano steckte man in einen knallengen Pullover oder in Blusen, die ihre Oberweite betonen, womit sie wie ein Pin-Up-Modell aussieht. Dass die Arbeiterinnen in den nassen Reisfeldern ihre Röcke so hoch rafften, dass man ihre Oberschenkel sieht, wird dankbar von der gern voyeuristischen Kamera aufgenommen, die zudem auch den Blick auf manch Unterwäsche gewährt und Manganos unbekleidete Beine gern einmal noch länger aussehen lässt, als sie ohnehin wirkten. Gewiss hatte De Santis damit Vorbildwirkung für nachfolgende Filme, bis schließlich auch die italienische Filmindustrie bei Erotik- und Sex-Filmen federführend mit von der Partie war und dabei half, Begriffe wie Sexploitation mitzuprägen. Davon ist „Bitterer Reis“ indes noch meilenweit entfernt, wenngleich zu den im vorherigen Absatz genannten Vorzügen eine gewisse Sinnlichkeit hinzukommt, die den Filmgenuss zusätzlich erhöht. Ein hochinteressanter, kaum angestaubter Klassiker, der inhaltlichen Anspruch mit hohem Unterhaltungsfaktor und mal stilsicherer, mal frech-provokanter Ästhetik miteinander verbindet.
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The Witch
Vor zwei Jahrhunderten wurde Elondra der Hexerei beschuldigt und zum Tode verurteilt. Damals schon glaubte man, daß nur ihr Körper aber nicht ihr satanischer Geist vernichtet wurde. Gegenwärtig sorgen seltsame Morde am gleichen Ort für Aufruhr. Mehrere sind der Überzeugung Elondras Geist ist auf der Suche nach Vergeltung...
„Es ist dieses Haus!“

Der kanadische Horrorbeitrag „The Witch“ ist der zweite von nur drei Spielfilmen des Regisseurs James W. Roberson („Der Riese aus den Donnerbergen“). Interessanter lesen sich da schon die Namen der Produzenten, bei denen es sich um Mario Kassar und Andrew G. Vajna handelt, die wenig später mit der Produktion der „Rambo“- und der „Terminator“-Reihe sowie weiteren großen Namen zu einem der erfolgreichsten unabhängigen Produktions-Team avancierten und immer stärker gen Blockbuster steuerten. Mit „The Witch“ alias „Superstition“ versuchten sie sich 1982 an einer eigenwilligen Mischung aus Okkult-, Haunted-House-Horror und Splatter – eine Mischkalkulation, die nicht recht aufgehen sollte.

Die örtliche Kirche möchte ein verlassenes Haus wieder herrichten, damit ein alkoholkranker Geistlicher mit seiner Familie dort einziehen kann. Doch das an einem See gelegene Gebäude hat eine blutige Geschichte und kaum, dass es renoviert werden soll, kommt es zu weiteren Todesfällen, die mit einem jahrhundertealten Hexenfluch in Zusammenhang zu stehen scheinen…

„Sie müssen anders denken!“

Im Auto knutschende Jugendliche werden das Opfer zweier gleichaltriger Streichespieler. Als diese besagtes Haus betreten, werden sich all jene bestätigt sehen, die bis heute der Mikrowellentechnik nicht ganz trauen und sich schwertun, sich ein solches Hexengerät in die Küche zu stellen: Der eine Jungspund wird von einer offenen (!) Mikrowelle an die Decke geschleudert, sein Kumpel findet (nach einer langen Suspense-Szene) schließlich dessen Kopf im Gerät, der zerplatzt wie eine reife Melone. Doch dazu, daraus seine Schlüsse für die eigene Haushaltsausstattung zu ziehen, bekommt er nur kurz Gelegenheit, denn bei seinem Fluchtversuch wird er vom Fenster halbiert und es splattert noch einmal ordentlich. Ein gelungener Einstieg aus Sicht des an expliziten Schauwerten interessierten Genrefreunds, der im Anschluss erfährt, dass bisher alle Hausverwalter ein böses Ende genommen hätten. Die beiden jüngsten Todesfälle rufen Inspector Sturgess (Albert Salmi, „Flucht vom Planet der Affen“) auf den Plan, der sich wiederum an die Kirche in Person des neuen Reverends David Thompson (James Houghton, „Purple People Eater - Der kleine Lila Menschenfresser“) wendet, welcher noch von Reverend Maier (Stacy Keach Sr., „Lies – Lügen“) eingearbeitet wird, den er in seinem Amt beerben soll. Was die Morde betrifft, verdächtigt Sturgess Arlen (Joshua Cadman, „Der Volltreffer“), den behinderten Sohn der Hausverwalterin (Carole Goldman), die er seine „Gebieterin“ nennt. Sturgess Assistent Hollister wiederum wird von irgendetwas in den See gerissen und seitdem nicht mehr gesehen, was Sturgess ebenfalls Arlen in die Schuhe schieben will. Doch erneut gelingt Arlen die Flucht vor dem Zugriff der Exekutive. Thompson eröffnet derweil Arlens Mutter, dass der alkoholkranke Reverend Leahy (Larry Pennell, „Bubba Ho-tep“) mit seiner Familie und einem Sack voll eigener Probleme in das leerstehende Spukhaus einziehen soll. Während der Renovierung des Gebäudes schließlich trifft Thompson auf ein mysteriöses kleines Mädchen, das sich als Mary (Kim Marie) vorstellt.

Diese Entwicklung der Handlung verdeutlicht bereits eines der Probleme des Drehbuchs: Mit einem Mal wird eine Vielzahl Charaktere eingeführt, die jedoch zum Teil gleich wieder um die Ecke gebracht werden. Das verwirrt alles mehr, als dass es erschreckt, doch noch ist man als Zuschauer motiviert, den Überblick zu bewahren – was manch irritierender, merkwürdiger Dialog nicht zwingend erleichtert. Zum Subgenre-Mischmasch gesellt sich in diesen Momenten auch noch so etwas wie der zarte Anflug eines Whodunit?, denn dem Zuschauer ist zwar klar, dass der tumbe, doch eigentlich friedvolle Arlen nichts mit den Toden zu tun hat, doch scheint „The Witch“ gerade auch vor dem Hintergrund dieses Filmtitels den Verdacht auf Arlens ebenfalls etwas verschrobene Mutter lenken zu wollen, die ihr Verhalten betreffend in die Nähe einer Hexe gerückt wird. Dieser Aspekt wird jedoch recht schnell wieder fallengelassen. Reverend Maier indes wird bald von einem sich verselbständigen Sägeblätt durchsägt und Leahy zieht mit Frau und gleich drei Kindern ein. Dass „The Witch“ die Konzentration des Zuschauers nicht belohnt, dürfte diesem nach und nach schmerzlich bewusst werden, denn fortan pfeift das Drehbuch auf sämtliche Logik, konstruiert eine fragwürdige Idee nach der anderen und wirkt schludrig, als wolle es irgendwie von einem gern relativ blutig inszenierten mysteriösen Todesfall zum anderen gelangen, ohne allzu viel Hirnschmalz auf das Dazwischen aufwenden zu müssen. Ein paar False Scares werden mehr schlecht als recht unterzubringen versucht; Hexenbewegungen aus Point-of-View-Perspektive erinnern an das Slasher-Subgenre, in dessen Bodycount-Regionen sich „The Witch“ auch bewegt, eine gruselige Hand, die nach den Menschen greift, kommt immer wieder zum Vorschein, doch viele nichtssagende, den Erzählfluss empfindlich hemmende, langatmige Szenen lassen den in seinem Tempo inkohärent erscheinenden Film immer wieder stocken und atmosphärisch sehr dröge wirken.

Dennoch entbehrt es nicht einer gewissen Komik, wenn in ein zweistöckiges Haus ein Fahrstuhl eingebaut werden soll oder eine Tür mittels einer Petroleumlampe weggesprengt wird. Ärgerlicher sind all die nicht weiter verfolgten Handlungselemente, die dümmlichen Dialoge und das strunzdoofe Verhalten der Protagonisten. Milde gestimmt wird man zwischenzeitlich immer wieder mit den Brutalitäten des Films; für Abwechslung sorgt außerdem die Rückblende zur Inquisition des Jahres 1692, als die „Scheußlichkeiten“ durch die Hinrichtung einer Hexe ihren Anfang nahmen. Am Ende bekommt man dann nach all den POVs und unmanikürten Händen zumindest den kompletten Umriss des Hexenmonsters zu sehen und die konsequent böse Pointe sollte nun auch nicht unbedingt auf ihren Logikgehalt hin abgeklopft werden, gefällt mir jedoch gar nicht schlecht. Aus einer gewissen Sympathie heraus würde ich „The Witch“ gern zur zumindest leicht überdurchschnittlichen Genre-Ware verklären, doch will ich ehrlich bleiben, muss ich konstatieren, dass Robersons Film mindestens genauso viel falsch wie richtig macht und damit in der Summe sowie in Disziplinen wie Schauspiel und Technik fast so etwas wie die Definition der Durchschnittlichkeit ist.
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Monster des Grauens greifen an
Eine Raumkapsel mit einer außerirdischen Lebensform an Bord stürzt ins Meer. Zur selben Zeit will ein japanischer Konzern eine nahegelegene Insel für den Tourismus erschließen. Plötzlich werden Expeditionsmitglieder und Eingeborene vom Riesenkraken Gezora angegriffen. Während man ums Überleben kämpft, schaffen die Außerirdischen mit dem Riesenkrebs Ganime und der Riesenschildkröte Kameba weitere Ungeheuer. Und auch von dem ersten Menschen hat man bereits Besitz ergriffen...
„Ein unfassbarer, in die Ecke gepisster Scheißdreck!“ (Oliver Kalkofe)

„Monster des Grauens greifen an“ alias „Gezora • Ganime • Kameba: Kessen! Nankai no daikaijû“ aus dem Jahre 1970 ist japanischer Kaiju-Trash oberster Kajüte und entstand unter der Regie niemand Geringeres als Ishirô Honda, dem Erfinder von Godzilla und damit Vater aller ostasiatischen Riesenmonster.

„Ich muss alle warnen vor dieser Insel!“ (Und vor diesem Film!)

Im Weltall schwirrt die unbemannte Helios-7-Raumkapsel vor sich hin, bis eine außerirdische Lebensform von ihr Besitz ergreift und sie ins Meer stürzen lässt. Reporter Taro Kudo (Akira Kubo, „Ufos zerstören die Erde“) beobachtet den Absturz, doch bei der Redaktionskonferenz schenkt man ihm keinen Glauben. Nur kurze Zeit später reist er mit einem Ehepaar auf eine einsame Insel in Absturznähe voll unentdeckter Fauna, wo es ein Ferienparadies errichten möchte und deshalb Promotion-Fotos benötigt. Der Gruppe schließt sich ferner ein Forscher für ausgestorbene Tierarten an. Doch damit, dort einen Gezora genannten Riesenoktopus anzutreffen, der sich einen arglosen Fischer schnappt, hätte auch er nicht gerechnet. Die Kreatur wird von den Eingeborenen als Götze verehrt und dürstet ständig nach neuen Opfern. Besteht ein Zusammenhang zwischen der abgestürzten Raumkapsel und diesen furchtbaren Ereignissen?

„Wir haben nicht nur die Bestien gegen uns, sondern auch noch die Eingeborenen!“ (ganz zu schweigen von der Filmkritik)

Ganz so weit wie Kalkofe in seiner harschen Verurteilung würde ich zwar nicht gehen, aber dieser außerhalb der „Godzilla“-, „Mothra“- und wie sie alle heißen -Reihen gedrehte Film Hondas ist schon ein unfassbarer Kaiju-Klopper mit völlig verunglücktem Space-Sci-Fi-Crossover-Versuch. Dabei sieht für meinen schrägen Geschmack als Creature-Feature-Liebhaber (aber Kaiju-Skeptiker) der/die/das gute Gezora zwar reichlich panne, aber eigentlich gar nicht so schlecht, in jedem Falle reichlich bizarr und damit irgendwie faszinierend aus. Zwar hat er starre Pupillen und es scheint, als würde er eine Bischofsmütze tragen, verfügt aber über Frost-Saugnäpfe (!) und wandelt auf seinen wabernden Tentakeln munter über die Insel. Die Spezialeffekte allerdings sind teilweise gemalt, arbeiten mit miesen Miniaturen, statt Menschen werden sehr offensichtlich Puppen durch die Gegend geschleudert… doch das ist noch nicht einmal das Schlimmste, sondern im Gegenteil durchaus unter unterhaltsamem Trash zu verbuchen. Dass die Expeditionsgeschichte stark an „King Kong“ erinnert – geschenkt. Dass das alberne Puppentheater eine atmosphärische Nullnummer ist und ebenso wie die sehr, ähm, einfach gestrickten Dialoge zu keiner Sekunde auch nur ansatzweise ernstgenommen werden kann, war durchaus zu erwarten. Dass sich irgendjemand als Spion für irgendeine Konkurrenz entpuppt, ist für die Handlung völlig egal und so uninteressant, dass es schnell in Vergessenheit gerät.

„Meine ganzen Biologie-Kenntnisse sind mit einem Schlag über den Haufen geworfen!“

Doch damit, Gezora in Brand zu setzen und dadurch zu vernichten, lässt man es bei Weitem nicht bewenden; stattdessen holen Honda & Co. zum Rundumschlag aus: Nun taucht die erste Riesenkrabbe auf, der man erst die Augen wegschießt und sie anschließend sprengt. Ebenfalls auf den Plan gerufen wird nun wieder die blaue Substanz aus dem Weltall-Prolog, die Expeditionsmitglied Obata überzieht. Die außerirdische Macht beginnt zu ihm zu sprechen, natürlich wollen sie die Welt erobern und haben zu diesem Zwecke die Kreaturen vergrößert. Aha! Eine Riesenschildkröte kommt ins Spiel und greift ebenfalls an. Fledermäuse (!) sollen gegen die Monster helfen, doch die Außerirdischen töten sie. Währenddessen kämpft der besessene Obata gegen den extraterrestrischen Einfluss an (Volltrash zum Fremdschämen), kämpft Schildi gegen Krabbi und gibt es den für Kaijus so obligatorischen Kampf der Kreaturen, an den sich das Happy End anschließt.

Ich möchte Honda zugute halten, dass er auf den ganz fiesen Kaiju-Kitsch mit lieben Monstern, die den Kindern zuwinken, verzichtete und ihm für die für mich als Kopffüßler-Affinen herrlich skurrile Kreatur danken. Ansonsten ist „Monster des Grauens greifen an“ aber unfassbar naiver und technisch steinzeitlicher Schwachsinn hoch zehn, dem quasi sämtliche weitergehenden Qualitäten abgehen, dem es vor allem an Selbstironie mangelt, was ihn zeitweise richtiggehend peinlich macht, der jedoch über einen nicht von der Hand zu weisenden Unterhaltungsfaktor verfügt, der sich in etwa zu einem Drittel aus tatsächlicher Kreaturen-Action und zwei Dritteln aus unfreiwilligem Humor zusammensetzt – zumindest bei denjenigen, die bei Filmen wie diesem Charme statt Scham empfinden.
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Tanz der Teufel
Ash (Bruce Campbell) und seine Freunde möchten ein paar Tage in einer einsamen Hütte verbringen, um etwas auszuspannen. Doch bereits die Hinfahrt stellt sich als nicht so einfach heraus. Nach einer langen Irrfahrt kreuz und quer durch den Wald, erreichen sie ihr Ziel schließlich und müssen feststellen, dass mit der ziemlich marode aussehenden Hütte einiges nicht zu stimmen scheint. Bereits auf dem Hinweg hatte sich der Wagen selbstständig gemacht, dann bleiben alle Uhren stehen und eine Schaukel schlägt gegen die Wand, obwohl kein Lüftchen weht. Die Freunde lassen sich nicht beirren und richten sich in der Hütte ein - und da beginnt auch schon die Klappe zum Keller zu schlagen...
„Alles hält uns hier fest!“

Als US-Regisseur Sam Raimi („Spider-Man“) nach einigen Kurzfilmen – darunter der Horror-Demonstration „Within the Woods“ – im Jahre 1981 mit seinen Langfilm-Debüt „Tanz der Teufel“ an eben jenen anknüpfte, gelang ihm zusammen mit einigen Freunden und einem kargen Budget einer der bis heute berüchtigsten Splatter-Horror-Streifen schlechthin, dem hierzulande eine unrühmliche Zensurgeschichte widerfuhr, die dem Film seither vorauseilt.

Eine Gruppe junger Erwachsener möchte ein paar Tage in einer einsam gelegenen Waldhütte in Tennessee ausspannen. Im Keller der maroden Behausung finden sie ein uraltes Buch, das „Necronomicon Ex-Mortis“, und ein Tonbandgerät inkl. Bändern, auf denen ein Forscher seine schlimmen Erfahrungen bei der Beschäftigung mit den Buchinhalten dokumentiert und eine Beschwörungsformel aufsagt, die beim Abspielen dämonische Kräfte wiedererweckt. Diese sorgen dafür, dass die Freunde nicht entkommen können und ergreifen nach und nach Besitz von ihnen. Man kann sich der Dämonen nur durch totale Zerstörung der Körper erwehren, was Ash (Bruce Campbell) fortan versucht. Ein wahres Blutbad nimmt beim Kampf um Leben und Tod seinen Lauf…

Parallel zur Ankunft der Gruppe junger Menschen per Automobil wartet „Tanz der Teufel“ bereits mit einer seiner irrsinnigen Kamerafahrten durch den sumpfigen Wald auf, die von Raimi & Co. mittels abgewandelter Steadycam-Technik realisiert wurden. Schnell nehmen die mysteriösen Ereignisse ihren Lauf, Gegenstände scheinen ein Eigenleben zu entwickeln, die Uhren bleiben stehen, eine der jungen Frauen, Cheryl (Ellen Sandweiss), beginnt, wie besessen herumzukritzeln. Ein Unwetter zieht unvermittelt auf und tobt über dem Waldstück. Direkt von Beginn an etabliert Raimi eine berechtigte Stimmung der Paranoia, die besiegelt wird durch eine die Gruppe beobachtende Point-of-View-Perspektive. Raimi bekundet seinem Kollegen Wes Craven Respekt, indem er ein „The Hills Have Eyes“-Plakat in die Kulissen des Kellers hing, welcher Schauplatz eines nach allen Regeln der Spannungserzeugung umgesetzten Erkundungsgangs Ashs wird. Die diversen Zooms auf die Augenpartien der Protagonisten erinnern an das italienische Kino, ein paar False Scares spielen Katz und Maus mit der Erwartungshaltung des Zuschauers. Die kontrovers aufgefasste, doch mittels origineller Kameratechnik formidabel gefilmte Vergewaltigung Cheryls durch einen Baum sorgt nicht nur für einen nachvollziehbaren Grad an Hysterie seitens des Opfers, sondern bedeutet auch den Startschuss für den extrem grafischen Gewaltanteil des Films, der ihm seinen „guten“ Ruf bescherte.

Zunächst avanciert Cheryl zum Dämon, was sich rein äußerlich durch eine Verzerrung des Gesichts zu einer furchterregenden Fratze bemerkbar macht. Irgendwie schafft man es, sie mit vereinten Kräften in den Keller zu sperren, woraufhin sie jedoch immer wieder durch die Luke lugt und die Geschehnisse hämisch kommentiert. Das hat etwas beängstigend Clowneskes, einem bösartigen Harlekin gleich ist ihr fremdes Leid Freud. Die Dämonen-Sause nimmt endgültig ihren Lauf, als auch weitere Freunde zu ebensolchen mutieren und der Film zunehmend fieser wird: Die hervorragende Maskenarbeit präsentiert eine schaurige Fratze nach der anderen, die Klangkulisse wird immer enervierender von den Geräuschen der Dämonen bestimmt und wenn ein Bleistift in einem Knöchel versenkt wird, darf man schon einmal zusammenzucken oder heimlich weggucken. Den Übergang zum reinrassigen Splatterfilm läutet Dämonen-Shelly (Theresa Tilly) ein, die per Axt zerhackt wird. Die Kameralinse verfärbt sich blutrot, Shellys Einzelteile zucken noch munter vor sich hin, „Tanz der Teufel“ serviert eine ordentliche Schlachtplatte und wird selbst dann noch immer wilder, als der unbedarfte Erstseher sich bzw. den bedauernswerten Ash längst in Sicherheit wähnt. Tolle Effekte des Zerfalls im Zeitraffer stellen eine weitere Variation der Spezialeffekte dar, die sich auf einem angesichts der Produktions-Parameter beachtlichen Niveau befinden und vom kreativen Geist junger Wilder zeugen, die das Maximum aus dem, was sie zur Verfügung haben, herausholen möchten.

Darüber vergisst man jedoch etwas ganz Entscheidendes nie: die atmosphärische Ausgestaltung des Films. Beständig wabernder Nebel, bläulich ausgeleuchtet, umhüllt die Kulissen, derer es ganze zwei gibt: den Wald und die Hütte. Letztere atmet organisch Moder und – einmal mehr – Zerfall und wirkt von der ersten Sekunde an morbide. Die zeitweise dramatisch eingesetzte Musik verstummt immer wieder für unheilschwanger ruhige Szenen komplett, zu hören sind lediglich die Klänge der Natur. Und zum Finale hin erinnert man sich anfänglicher Details wie beispielsweise der Uhren und lässt diese wild rattern. Die bereits erwähnte Kameraarbeit hat neben Raimis Shakycam manch weitere überraschende Perspektive und spannenden Schwenk zu bieten. Das ist allen spektakulären Splattereien zum Trotz sorgfältige Regie mit Liebe zum Detail, in den richtigen Momenten nahezu unaufgeregt und mit dem unbestechlichen Gefühl für Timing und Dosierung.

In seiner Reduzierung auf eine verhältnismäßig einfach gestrickte Story und hinter Ambiente, dem Okkulten und dem Stil inklusive seiner expliziten Eruptionen zurückstehenden Charakteren beweist „Tanz der Teufel“, dass Appelle an menschliche Urängste und ihre entsprechende Umsetzung für einen packenden Horrorfilm meist ausreichen, sofern man sein Handwerk beherrscht. Raimi bedient sich diverser Horror-Genre-Charakteristika inkl. einiger Klischees, setzt diese spektakulär neu zusammen und versieht den grimmigen Ton seines Films mit einem subtilen schwarzen Humor, an dem sich in der individuellen Auffassung die Geister scheiden. Das überzeichnete, comichaft Makabre gefährdet beim einen Zuschauer evtl. bereits den Gruselfaktor, während der andere fingernägelknabbernd auf dem Sofa kauert und eben jene offensive Lautmalerei als terrorähnlichen Wahnsinn empfindet. Tatsächlich schwächt die Unwahrscheinlichkeit und Selbstzweckheit des Films die diffuse Furcht vor fremden, dunklen Wäldern, einsamen Hütten und jahrhundertealtem, verborgenem Geheimwissen doch stark ab und nährt sich die aufwühlende Wirkung auf manch Zuschauer aus der speziellen Form klaustrophobischer Ausgeliefertheit, dem Zerbröckeln jeglichen Halts der Realität und dem derben, körperlichen Horror, der seinerzeit noch nicht alltäglicher Genre-Standard war. In Verbindung mit seinem für erfahrenere Zuschauer immer unschwerer zu erkennenden, dann und wann durchschimmernden Augenzwinkern dürfte insbesondere letztgenannter Punkt immensen Einfluss auf die Entwicklung des Horrorgenres in den 1980ern ausgeübt haben, der auch bis heute noch spürbar ist und gern zitiert wird.

Die Schlusspointe mit ihrer erneut rasanten Kamerafahrt suggeriert gar den Tod des charismatischsten Darstellers in einem ansonsten zugegebenermaßen eher austauschbaren Ensemble, dessen langes Überleben des Teufelstanzes jedoch entscheidend mit dazu beigetragen haben dürfte, dass er den Zuschauern nachhaltig im Gedächtnis blieb. Für Bruce Campbell war „Tanz der Teufel“ ein Karrieresprungbrett und er wurde zum gefragten Genre-Darsteller, auf ewig verbunden mit seiner Rolle als Ash, die er in beiden Fortsetzungen Raimis erneut verkörperte und ihr zusätzliches Profil verlieh.

Um es in nur einem Satz auf den Punkt zu bringen: „Tanz der Teufel“ ist zurecht eines der Aushängeschilder für ambitionierten Low-Budget-Horror.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

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Tanz der Teufel II
Ash fährt mit seiner Freundin wieder zur aus "Tanz der Teufel" bekannten Blockhütte. Dort spielt er erneut das Tonband mit den Beschwörungs-Worten des Forschers ab und lässt so das Böse erwachen. Doch diesmal ist er nicht allein im Kampf gegen die Dämonen: Sarah Knowby, Tochter des Wissenschaftlers, der zuvor mit seiner Frau die Hütte bewohnt hatte, um das Buch der Toten zu studieren, reist mit drei anderen Leuten im Schlepptau an. Zunächst misstrauisch gegenüber dem völlig verängstigten Ash, unterstützen ihn die Drei schließlich im Kampf gegen das Böse aus dem Wald…
„Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“

Nach seinem Untergrund-Erfolg mit der Dämonen-Splatter-Sause „Tanz der Teufel“ aus dem Jahre 1981 vergingen vier Jahre, bis US-Amerikaner Sam Raimi seinen zweiten Beitrag in Spielfilmlänge in Form einer Kriminalkomödie vorlegte. Für sein Drittwerk besann er sich auf seinen Ruf als Horror-Regisseur und schuf im Jahre 1987 mit dem Zehnfachen des Budgets des Erstlings das Mittelstück der Trilogie, zu der die „Tanz der Teufel“-Reihe avancieren sollte.

Ash (Bruce Campbell) hat überlebt, doch kann er der dämonisch kontaminierten Waldhütte einfach nicht entkommen – doch ist er nicht länger allein, als Annie Knowby (Sarah Barry), die Tochter des Forschers, der die verhängnisvollen Tonbänder aufnahm, mit ihrem Freund und zwei Einheimischen hinzustößt. Dumm nur, dass er sie zunächst ebenfalls für Dämonen hält und auf sie schießt, woraufhin sie ihn überwältigen und in den finsteren Keller sperren…

In der Regel ist dem Zuschauer zunächst nicht ganz klar, ob es sich bei „Tanz der Teufel II“ wirklich um eine Fortsetzung oder vielmehr ein Remake handelt. Mittels neu gedrehter Szenen beginnt Raimi seinen Film mit einer Rückblende, während der ein Sprecher aus dem Off vom Necronomicon berichtet und Ash gezeigt wird, wie er mit seiner Freundin Linda (Denise Bixler, „Die letzten Tage der Sowjetunion“) in jenes Haus fährt, das Tonband abspielt, damit die dämonischen Kräfte auf den Plan ruft, schließlich seine besessene Freundin köpft und sie im Wald begräbt. Das Schöne an dieser Rückblende ist die in sie eingewobene weitere Rückblende, die Professor Knowby (John Peakes) beim Fund des Buches zeigt. Das Miese an der Rückblende ist indes, dass man sie kaum als eine erkennt und es wirkt, als würde Ash an schwerem Gedächtnisverlust oder totaler Vertrottelung leiden, dass er erneut mit einer Freundin jene Hütte aufsucht und fremde Tonbänder abspielt. Dieser Eindruck kommt auch dadurch zustande, dass Linda von einer anderen Schauspielerin gespielt wird und keiner der übrigen Charaktere aus Teil 1 zu erkennen ist. Ein denkbar schlechter Einstieg.

Naheliegender erscheint da vielen die Idee eines Remakes unter neuer Gewichtung der verwendeten Stile, denn über weite Strecken erscheint „Tanz der Teufel II“ wie eine Neuverfilmung als unschwer als solche erkennbare Horror-/Splatterkomödie. Der subtile schwarze Humor des Originals rückt hier in den Vordergrund und Bruce Campbell darf sein komödiantisches Talent in vielen Slapstick-Nummern unter Beweis stellen sowie seine Rolle selbstironisch aufgreifen, indem er zum lässig-coolen, aber auch immer etwas schusseligen Dämonenjäger wird. Mit dieser Rolle erlangte er endgültig Kultstatus, wozu auch die vielen sich im Drehbuch findenden aberwitzigen Ideen ihren Teil beitrugen: So wird Ash selbst zwischenzeitlich immer wieder dämonisiert, sieht sich Angriffen seines eigenen Spiegelbilds und schließlich seiner Hand ausgesetzt, was ihn dazu veranlasst, kurzerhand zur Kettensäge zu greifen und sich selbst der Extremität zu entledigen. Die Hand jedoch lebt munter weiter und treibt Ash fortwährend in den Wahnsinn, dem Campbell durch herrliches Overacting Ausdruck verleiht. Und wenn er mit seiner abgesägten Doppellläufigen und der Kettensäge als Handersatz den finalen Kampf antritt, gibt es kein Halten mehr.

Die Überzeichnungen und Übertreibungen treibt „Tanz der Teufel II“ zeitweise auf die Spitze und bezieht auch dadurch einen beträchtlichen Anteil seines komisches Potentials. Da zersägt sich Lindas kopflose Leiche selbst, nachdem sie in bester Stop-Motion-Manier aus dem Grab stieg, fröhlich tanzte und ihren Kopf auf Ash hetzte. Das Zersägen des Kopfes schließlich wird lediglich als Schatten visualisiert; allzu sehr über die Stränge schlagen wollte Raimi im Hinblick auf die Filmfreigaben dann evtl. doch nicht. Ein Dämon vergießt sein Blut dann auch lieber grün statt rot, als er zerhackt wird und wird ebenfalls zur „Schattengestalt“. Dafür spritzen aber wahre Blutfontänen aus Einschusslöchern in den Wänden, erwacht eine Hirschtrophäe zum Leben und lernt der Zuschauer Henrietta, die Frau Professor Knowbys und Mutter Sarahs, kennen, die zunächst als Zombie und schließlich als großartiger Latex-Dämon auftritt, fortan Cheryls Platz unter der Kellerluke einnimmt und die erneut exzellente Maskenarbeit unter Beweis stellt. Opfer der Bäume wird indes diesmal keine Dame, stattdessen muss ein Mann dran glauben, womit die Ausgeglichenheit zwischen den Geschlechtern wiederhergestellt sein dürfte. Das 1981 noch dem Zuschauer nie wirklich gezeigte durch den Wald Huschende ist hier nun zumindest als Nebelschwaden zu erkennen und gibt erneut Anlass für rasante Kamerafahrten; die originelle Kameraarbeit äußert sich zudem auch in Innenszenen. Ungewöhnlich erscheint der zwischenzeitliche Ortswechsel, der die Professorentochter noch vor Ankunft im Wald bei ihrer Arbeit an der Übersetzung des Buches zeigt. Vorher bekommt man lediglich Ashs Suche nach der nicht mehr existenten Brücke zu sehen, was wiederum vielmehr ein Hinweis auf einen nicht zu erwartenden Wechsel der Lokalität ist. Zu Zeiten von Ashs Einsamkeit – also zwischen Vergraben seiner Linda und Tanz derselben – führt er Selbstgespräche und lässt den Zuschauer somit an seinen Gedanken teilhaben.

Das Hommagen-Ping-Pong-Spiel zwischen Sam Raimi und Wes Craven findet ebenfalls seine Fortsetzung: Nachdem Raimi ein „The Hills Have Eyes“-Plakat in „Tanz der Teufel“ platzierte, ließ Craven seine Schauspieler in „A Nightmare on Elm Street“ Raimis Splatterfilm gucken. Hier bedankt sich Raimi, indem er Freddy Kruegers Schlitzerhandschuh in den Keller nagelt. Und unterm Strich ist auch „Tanz der Teufel II“ ein überaus gelungener Film, dem es Respekt zu zollen gilt, handelt es sich doch um eine weitere Parade prächtiger handgemachter Spezialeffekte und nicht weniger als eine der besten Splatter-Komödien, der sogar das Kunststück gelingt, den Kultstatus der Reihe trotz des einen oder anderes Zugeständnisses an das Massenpublikum (bzw. die Zensur) weiter auszubauen. Dem Erfolgsrezept des Originals blieb man über weite Strecken treu und gab lediglich weitaus mehr köstlichen Humor hinzu. Das wesentlich höhere Budget macht sich durchaus bemerkbar, wenn auch in keinem Ausmaße, dass es seinen Vorgänger billig oder schmuddelig wirken lassen würde – der eher im Gegenteil umso erstaunlicher erscheint, wenn man sich die Spanne zwischen beiden Budgets vor Augen führt. Die Pointe von „Tanz der Teufel II“ verweist bereits auf den seinerzeit anscheinend bereits geplanten dritten Teil, für den man den hier charakterisierten Ash weiter ausarbeitete. Ein „Tanz der Teufel“ ohne Bruce Campbell in seiner Paraderolle schien lange Zeit nicht mehr vorstellbar.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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