
Das Haus der langen Schatten
„Dieser Ort ist verflucht!“Ein Buchautor schließt eine Wetter um viel Geld ab. Innerhalb von 24 Stunden will er seinem Verleger ein fertig geschriebenes Manuskript eines Buches übergeben. Zu diesem Zweck zieht er sich in ein abgelegenes Haus zurück in dem sehr mysteriöse Dinge vorgehen.
„Das Haus der langen Schatten“ aus dem Jahre 1983 ist die bis dato letzte Regiearbeit des Briten Pete Walker („Frightmare – Alptraum“). Der auf der mehrfach verfilmten Geschichte „Seven Keys to Baldpate“ basierende Horrorfilm mit komödiantischer Schlagseite schaffte es erst- und letztmals, die Genre-Ikonen Vincent Price („Die Verfluchten“), Peter Cushing („Frankensteins Fluch“), Christopher Lee („Dracula“) und John Carradine („Hexensabbat“) vor der Kamera zu vereinen. Obgleich die Handlung in Wales spielt, wurde in Hampshire, England gedreht.
Der sehr von sich überzeugte Schriftsteller Kenneth Magee (Desi Arnaz Jr., „Begrabt die Wölfe in der Schlucht“) wettet mit seinem Verleger Allyson (Richard Todd, „Asylum“) um 20.000 Dollar, dass er einen Klassiker à la „Sturmhöhe“ problemlos innerhalb von 24 Stunden schreiben könne. Allyson nimmt die Wette an und bittet Magee dafür in ein vermeintlich leerstehendes Herrenhaus in Baldpate, Wales…
„Das Haus steht seit 40 Jahren leer, aber ein Betrieb ist hier wie auf dem Time Square!“
Auf dem Weg nach Baldpate sieht sich Magee mit Warnungen vor dem angeblich verfluchten Gemäuer konfrontiert, die er in seiner Rationalität kurzerhand er in den Wind schlägt. Im Ort tobt ein Unwetter, am Bahnhof begegnet Magee seltsamen Menschen. Und das Haus entpuppt sich als keinesfalls leerstehend: Mr. und Mrs. Quimby (John Carradine und Sheila Keith, „Haus der Peitschen“), Vater und Tochter, stellen sich als Haushälter des Anwesens vor. Die bereits am Bahnhof erblickte alte Frau treibt dort ebenfalls ihr Unwesen, entpuppt sich jedoch als Sekretärin Allysons in Maskerade, die damit beauftragt wurde, Magee einen gehörigen Schrecken einzujagen. Mit Sebastian Rand (Peter Cuhsing) kommt ein weiterer Besucher, der Magee am Schreiben hindert. Angeblich hätte dieser einen Autounfall in Nähe des Hauses gehabt, hat aber seltsamerweise auch einen Schlüssel für das Haus. Es dauert nicht lange und der Reigen wird von Lionel Grisbane (Vincent Price) erweitert, der nach langer Zeit seinem Elternhaus einen Besuch abstattet und das Familienerbe beansprucht. Damit noch längst nicht genug, stößt auch noch ein Mr. Corrigan (Christopher Lee) hinzu, der das Haus gekauft haben will. Zu guter Letzt taucht das junge Paar (Louise English, „Bugsy Malone“ und Richard Hunter, „Der Elefantenmensch“) vom Bahnhof auf und liefert sich einen Beziehungsstreit, der sich gewaschen hat. Anhand der aushängenden Ahnengalerie ahnt Magee bereits, dass nicht jeder derjenige ist, der er zu sein vorgibt. Schließlich kommt er hinter das düstere Grisbane’sche Familiengeheimnis, das die Mitglieder vor 40 Jahren dazu veranlasste, den 14-jährigen Familienspross Roderick bei lebendigem Leibe in ein Zimmer zu sperren und es zu versiegeln – und in dieser Nacht möchte man ihn befreien… Doch so schnell wie sich das Haus mit Menschen füllte, so schnell werden die Anwesenden nach und nach durch grausame Todesfälle dezimiert. Vollzieht Roderick seine Rache? Und wann bitteschön soll Magee in Ruhe sein Buch schreiben?
„Schicksal und Vergeltung sind oft miteinander verwandt!“
Genüsslich suhlt sich Walker in allen Klischees, angefangen beim Unwetter über das unheimliche alte Gemäuer mit geheimen Gängen, Zimmern etc. bis hin zur lange Jahre zurückliegenden Familientragödie. „Das Haus der langen Schatten“ ist nämlich in erster Linie eine Hommage an das klassische britische und US-amerikanische Gruselkino, an Produktionen aus dem Hause „Hammer“ ebenso wie an Roger Cormans Poe-Adaptionen etc. Umso faszinierender ist es, die Protagonisten vieler dieser Filme hier versammelt zu sehen, denen allesamt und quasi gleichberechtigt ihre größeren Auftritte zugestanden werden. Klar sind sie alle gealtert, am ältesten sieht jedoch der ehrwürdige Peter Cushing aus, dürrer denn je und schon recht erbarmenswert, was jedoch nichts an seinen einwandfreien Leistungen ändert, zumal sein Äußeres zu seiner Rolle passt. Alle vier interagieren prima miteinander und machen „Das Haus der langen Schatten“ zu einem besonderen Aufeinandertreffen der Alte-Schule-Gentleman des Genre-Kinos, die dem Film seine gewisse Erhabenheit verleihen. Ironischerweise liegen die Darsteller des Familienclans altersmäßig weit weniger auseinander, als das suggerierte Vater-Kinder-Geflecht erahnen lässt. Doch ist „Das Haus der langen Schatten“ keinesfalls ein pathetischer Altherrenfilm, der trocken einen vergangenen Stil kopiert, sondern eine sympathisch augenzwinkernde, mit unaufdringlicher Selbstironie versehene Angelegenheit ohne Netz, dafür mit doppeltem Boden, die gleich mehrere mehr oder wenige überraschende Wendungen bereithält, die letztlich liebevoll den leicht karikierenden Ehrerbietungscharakter besiegeln. Die große atmosphärische Intensität der Gruselhaus- und Gothic-Horror-Klassiker erreicht der Film dadurch indes natürlich nicht.
Was den Horror-Aspekt betrifft, bekommt man einiges geboten: Über einen Ekelfaktor verfügende Szenen mit einem erhängten Leichnam und Maden, einer Erdrosselung mit einer Klaviersaite, Fallen wie Säure- und Giftattacken etc. Dabei geht Walker ungeachtet seiner eigenen Filmographie nie sonderlich explizit vor und zeigt bisweilen nur die Ergebnisse statt den Tatvorgang. Auch dies passt zum Stil des Films und dessen bewusst altmodischer Ausrichtung. Sogar expressionistische Schattenspiele fanden ihren Weg ins Walkers Werk und am Ende steht nicht nur die Auflösung vieler eventueller Logiklücken, sondern auch die Aussage, dass die klassischen Dramen eben doch die besten sind. Dass man dabei im Kontext der Films auf die früheren Arbeiten der beteiligten Schauspieler verweist, ist nicht schwer zu erraten und setzt den Schlusspunkt unter diese schöne Respektsbekundung vor der alten Schule des Horrorkinos und seinen menschlichen Aushängeschildern. 7,5 von 10 Haustürschlüsseln verteile ich dafür unter den interessierten Freunden und Kennern einer großen, charakteristischen Zeit der Horrorfilmgeschichte.