Man-Eater
Ein Mann und seine Familie erleiden Schiffbruch. Sie treiben tagelang ohne Nahrung auf dem Meer, bis der immer stärker werdende Hunger kannibalistiche Neigungen bei dem Vater auslösen. Schließlich wird er zum Menschenfresser und hält sich mit dem Fleisch seiner Familie am Leben. Er erreicht eine Insel und taucht dort unter. Als eine Gruppe junger Leute eines Tages einen Ausflug auf die Insel machen, müssen sie feststellen, daß alle Einwohner verschwunden sind und ihr Dorf völlig ausgestorben ist. Die Urlauber ahnen nichts von dem Schrecken, das sie erwartet...
Italo-Schundregisseur Joe D’Amatos 1980er Horrorschinken zählt zu dessen besten Filmen (was nicht unbedingt für sein Gesamtwerk spricht) und genießt bei mir Kult-Status – schließlich habe ich bereits im zarten Kindesalter von diesem „schlimmen“ Film erzählt bekommen; seither war er für mich ein Mythos. Bis ich ihn endlich einmal sah...
Mittlerweile habe ich „Man-Eater“ schon ein paar Mal öfter gesehen und noch immer bereitet es mir Freude, mir diesen in Deutschland nach wie vor beschlagnahmten „Video Nastie“ zu Gemüte zu führen. Denn hat man erst einmal die kruden Splatterszenen, auf die man als „Man-Eater-Newbie“ i. d. R. recht lange sehnsuchtsvoll wartet, gesehen und verdaut, kann man sich bei zukünftigen Sichtungen auf die Feinheiten des Films konzentrieren, wie die gelungene unheilvolle Atmosphäre und bedeutungsschwangere Einzelszenen, wenn z. B. eines der späteren Opfer in Erwartung des kommenden Unglücks seine Tarot-Karten ins Meer gleiten lässt. Das Motiv der (fast) menschenleeren Insel, die ein schreckliches Geheimnis birgt, in das unbedarfte Touristen unglücklich hineinstolpern, funktioniert hier trotz der billigen Machart des Films ziemlich gut. Sicherlich, bis zum eindrucksvollen ersten Auftauchen des „Menschenfressers“ in Form des hünenhaften George Eastmans mit Pizza-Make-Up vergeht einige Zeit und nicht jeder Dialog ist von Bedeutung. Ich verstehe diesen Umstand aber mittlerweile als Einladung zum Zurücklehnen und Genießen der morbiden Stimmung einerseits, der Vorfreude auf das, was da noch kommen mag, andererseits, der ich gerne nachkomme. Eines muss man D’Amato nämlich lassen: Wie sich die erschreckenden Hintergründe der Geschehnisse nach und nach dem Zuschauer offenbaren, ist zwar dramaturgisch nicht unbedingt die große Schule, aber immer noch souveräner quasi aus dem Handgelenk geschüttelt als in vielen zeitgenössischen Produktionen, bei denen ganz gerne mal mehr oder minder vollständig auf eine interessante Geschichte verzichtet wird. D’Amatos Konsequenz, auf Softsex-Einlagen oder ähnlich geartete Streckmittel, die den Zuschauer bei der Stange halten sollen, zu verzichten, hätte ihm in dieser Form sicherlich nicht jeder zugetraut und trägt angenehm dazu bei, die Handlung nicht zu verwässern. Auch der sehr gut passende Soundtrack reiht sich in die Armada der hörenswerten musikalischen Untermalung italienischer Genrefilme nahtlos ein und verfehlt nicht seine Wirkung. Bis auf den bereits erwähnten George Eastman sind die Schauspieler recht austauschbar, machen ihre Sache aber über weite Strecken vernünftig und stehlen dem „Man-Eater“ wenigstens nicht die Show. Doch genug der Lobhudelei: Neben von mir bereits angesprochenen Längen und dem Umstand, dass man dem Film sein geringes Budget permanent ansieht, muss ich auch den herrlich dämlichen, trashigen Prolog erwähnen, der mit seinem debilen Urlaubspärchen, deren Dialogen (auf deutsch! Unbedingt im O-Ton gucken!) und letztendlich der unfassbar grausamen Musik in den überdimensionalen Kopfhörern des männlichen Parts ein echter Lacher ist. Außerdem bleibt bei aller gelungenen Atmosphäre die Charakterisierung unserer tapferen Reisegruppe doch arg auf der Strecke, was sie ungewollt zu mehr oder weniger reinem Kanonen- bzw. Man-Eater-Futter macht. Eine stärker mögliche Identifikation mit ihr hätte die Wirkung des Films sicherlich verstärkt. Und dann wäre da noch die Erwartungshaltung des uninformierten Zuschauers, der sich unter einem „Man-Eater“ sicherlich Kannibalenszenen der härteren Gangart vorstellt, während tatsächlich das Pulver in zwar sehr herben und selbstzweckhaften, aber eben auch rar gestreuten Splatterszenen verschossen wird, was insbesondere Erstseher irritieren dürfte. Allerdings gibt es darüber hinaus eine handvoll effektiver Schockszenen, die auch heute noch gut funktionieren.
Fazit: „Man-Eater“ ist weder die Splatterorgie, zu der er von überambitionierten Sittenwächtern gemacht wurde, noch der öde Langweiler, zu dem ihn manch mit einer überzogenen Erartungshaltung herangegangenen Zuschauer nach der Erstsichtung enttäuscht erklären vermag. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen und entfaltet sich bei wiederholtem Ansehen dem italo- und horrorphilen Zuschauer nach und nach, hat es aber schwer, sich gegen den eigenen Mythos, an dessen Erschaffung D’Amato mit seiner Spekulativität nicht unschuldig ist, zu behaupten.