Der Mann, der zweimal lebte (USA 1966, John Frankenheimer, 8/10)
Nachdem der kürzlich auf arte lief (auf deutsch!), und ich den verpaßt habe, mußte
zeitnah meine Eureka!-Blu eingeworfen werden.
Arthur Hamilton (John Randolph) ist Bankdirektor und nennt ein großes Anwesen sein eigen,
das er zusammen mit seiner Frau bewohnt. Irgendwie scheint Hamilton jedoch mit seinem
bisherigen Leben unzufrieden zu sein. Und so wendet er sich an eine Organisation, die gegen
ein stattliches Entgelt ihren Kunden ein neues Leben verspricht. Inklusive neuer Identität,
neuem Wohnort und neuer Vita, geändertem Aussehen und anderen Fingerabdrücken und
natürlich einem gefakten Abgang aus diesem Leben.
Anfangs noch unsicher, läßt sich Hamilton auf das verlockende Angebot ein. Er wird zu
Toni Wilson (Rock Hudson), einem Künstler und Lebemann, der ein Appartment am
pazifischen Ozean sein eigen nennt.
Doch es dauert nicht lange, bis Toni auch mit seinem neuen Leben unzufrieden ist.....
Der dritte Teil der inoffiziellen Paranoia-Trilogie John Frankenheimers (ich kannte bislang
nur den ersten), ist wohl auch deren experimentellster. Das Intro ist von Saul Bass gestaltet.
Die Musik stammt von Jerry Goldsmith.
Die Anfangssequenz spricht für sich:
Hamilton läuft mit an ihm befestigter Kamera durch die Gegend und erzeugt so einen
Verfremdungseffekt, der einen glauben läßt, er stehe unter Drogen oder er sei diesem
Leben komplett entrückt (zweiteres trifft wohl eher zu, wie wir später erfahren).
Ein ähnlicher Effekt, wie ihn Steven Soderbergh in seinem Werk "Unsane" per I-Phone erzeugt.
Frankenheimer, der sonst oft durch rasante Action und kriminelle Plots besticht, gelingt hier
weniger ein Genrewerk, denn eine Psychostudie, die für viel Stoff zum Nachdenken
sorgt. Dabei bleiben seine Charaktere (auch Hamilton/Wilson) recht unnahbar; sind beileibe
keine Sympathieträger. Dies vereinfacht womöglich dem Betrachter, sich selbst mit den
aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen, statt sich mit Empathie für die Akteure herumzuschlagen.
In der Mitte des Films bekommen wir eine ellenlange Hippieszene in Kalifornien präsentiert
(mit erstaunlich viel unverblümter Nacktheit für das Jahr 1966!), die etwas schwer einzuordnen ist.
Jedenfalls propagiert Frankenheimer keinesfalls das Hippietum als alternativen Lebensentwurf,
dafür wirken diese Szenen viel zu indifferenziert, ja kalt. Jedenfalls findet Wilson keinen Zugang
zu diesem Lebensstil, aber auch zu keinem anderen. Dies zeigt, daß Wilson nicht einfach seine
Art zu Leben ändern kann.
Auch wenn er das gerne möchte; er aber wohl doch in seinem alten Ich gefangen ist.
Und so ist das Ende des Films nur konsequent.
8/10
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In mir brannte schon von Anbeginn die Frage: Woher nimmt die Organisation den verbrannten Leichnam,
der Hamiltons Körper sein soll?! Diese Frage wird mit der Schlußsequenz beantwortet.