Auf die Schnelle.
26. Internationales Filmfest Oldenburg
Cuck - Sehr guter Film über einen us-amerikanischen Incel, dessen Selbsthass von ihm auf Ausländer, Frauen und einheitlich alle, die besser als er gestellt sind projiziert wird. Im Netz findet er dann mit seinen Hasstiraden endlich die Anerkennung, die er so verzweifelt sucht. Sehr eindringlich und gut gespielt. Ein starkes Stück Kino, welches einen mit Gewalt in eine Welt stößt, die man so eigentlich nicht sehen will. Das keinen moralischen Zeigefinger hochhält und sich auf keine Seite schlägt. Ein, zwei Dinge hätte ich auszusetzen (so einen Subplot über eine Porno-filmendes Ehepaar, wo es sich der Film meiner Meinung nach zu einfach macht), trotzdem eine dicke Empfehlung. In der IMDb hat „Cuck“ derzeit übrigens eine Wertung von 2,8/10 – bei 47 10er Votes und 65 1er Votes. Wobei die vernichtenden Bewertungen fast ausschließlich von Männern stammt. Ich lasse das mal zur Interpretation offen…
The Steed - Mongolischer Film um einen Jungen und sein geliebtes Pferd. Versucht etwas zu sehr auf Hollywood-Pathos zu machen. Sonst ein netter Einblick in eine fremde Kultur.
Patrick - Belgischer Film, der als Komödie angekündigt wurde, aber im Grunde seines Herzens ein tieftrauriger, nachdenklicher Film ist, über den Tod und die Unfähigkeit der Hauptfigur damit umzugehen. Den ganzen Film durchweht eine leise Melancholie. Dass er in dem Nudistencamp spielt und deshalb alle nackt sind (und Patrick aufgrund seiner Frisur und seines stoischen, einfache Wesens irgendwie an eine Bjarne-Mädel-Figur erinnert), gibt dem Ganzen eine seltsame Stimmung, die auch mal ins Absurde kippt. Besonders wenn die nackten Menschen intrigieren und sich als ganz schlimme Spießer herausstellen. Doch trotz vereinzelnder heiteren oder bizarren Szenen, verrät der Film niemals seine Figuren oder gibt sie vollends der Lächerlichkeit preis. Besonders Patrick wird mit viel Würde behandelt und sein tiefsitzender Schmerz ist körperlich fühlbar. Eine wunderbarer Film.
Depraved - Eine moderne Frankenstein-Variante, welche Mary Shelleys Geschichte in das heutige New York verpflanzt, dabei aber überraschend treu gegenüber der Quelle bleibt. Gut.
Tito - Grace Glowickis Regiedebüt ist eine Geschichte darüber, wie jemand schleichend und immer unter dem Vorwand, doch nur das beste für den anderen zu wollen, die Kontrolle übernimmt. Wie er den Gegenüber ausnutzt und – psychisch – missbraucht. Die junge und ausgesprochen sympathische Regisseurin Grace Glowicki erzählte in der sehr gut moderierten Q&A, das sie selber in solch einer toxischen Beziehung gelebt hatte, was zu Drogenproblemen und seelischen Verletzungen führte. Dies habe sie mit „Tito“ aufgearbeitet. Daher hat sie in der Rolle des Tito mit viel Mut zur Hässlichkeit auch gleich selber übernommen. Teilweise recht bizarr und experimentell. Hat mir gut gefallen.
In Full Bloom - Boxerfilm um den Kampf des japanischen Meisters mit einem us-amerikanischen Herausforderer kurz nach WKII. Für mich der schwächste Film, den ich dieses Jahr in Oldenburg sah. Dass dann ausgerechnet „In Full Bloom“ sowohl den Publikumspreis als auch den für das beste Regiedebüt erhielt ist mir ein ewiges Rätsel. Nicht, dass „In Full Bloom“ ein totaler Ausfall war. Er hat seine Momente. Eine solide Inszenierung durch das Regie-Dou Reza Ghassemi und Adam VillaSenor mit dem Blick für schöne Bilder und ein toll choreographierter Schlusskampf. Doch der Rest? Völlig belanglos und vor allem strotzend vor Pathos und Klischee.
Blood & Flesh: The Reel Life & Ghastly Death of Al Adamson - 2/3 sehr amüsante und informative Doku über den die unglaublichen Produktionsbedingungen des B-/C-Film der 60er und 70er Jahre. 1/3 True-Crime-Doku. Etwas heterogen, aber gut anzuschauen.
Donnybrook - Jarhead Earl will bei einem illegalen Boxkampf ohne Regeln soviel Geld gewinnen, dass er seiner Trailer-Trash-Familie eine neue Zukunft finanzieren kann. Earl ist dann auch die einzige positive Figur in diesem düsteren Film, der einem mehr als einmal mit vollem Anlauf in die Weichteile tritt. Anatagonist Frank Grillo als Chainsaw Angus ist die vielleicht hassenswerteste und furchterregendste Figur, die ich in den letzten Jahr auf der Leinwand gesehen habe. Skrupellos, brutal, ohne den Funken von menschlichem Mitgefühl mordet sich dieser Todesengel aus der Hölle durch den Film. Auf dem Donnybrook dann führt Sutton seine Geschichte mit einer erstaunlichen und grausamen Konsequenz zum Ende. Am Ende verließ ich erschüttert und mit einer Träne im Auge den Kinosaal, um an der frischen Luft erst einmal ganz tief durchzuatmen. Ein Film, der noch sehr lange nachhallt und mir jetzt, da ich diese Zeilen tippe, noch einmal eine Welle von blanker Wut und Trauer durch den Körper jagt. Ein Höhepunkt.
The Gasoline Thives -Der intensive „The Gasoline Thieves“ führt den Zuschauer nach Mexiko. Aber nicht in die Großstadt, sondern in eine kleine Stadt irgendwo in der Ödnis. Erzählt wird die Geschichte des 14-jährigen Lalo. Dieser geht vormittags in die Schule und verkauft nachmittags gestohlenes Benzin. Dieses stammt aus den endlosen Pipelines, die durch Mexikos Erde laufen und nachts von den „Gasoline Thieves“ angebohrt werden. Dass dies Geschäft ein sehr gefährliches ist, in dem tödliche Konkurrenz herrscht und man sein Leben riskiert, erfährt man beim brutalen Auftakt gleich am Anfang. „The Gasoline Thieves“ nimmt sich viel Zeit seine Geschichte aufzubauen. Man folgt Lalo und lernt ihn so gut kennen, dass man sich um ihn sorgt und einem sein Schicksal nicht egal ist. Nachdem man Lalo liebgewonnen hat, geht es dann steil bergab und ein Schock folgt auf den anderen. Der Schluss ist dann von einer unerträglichen Spannung und ein gemeiner Schlag in die Magengrube. Für mich der stärkste Film des Festivals.
Greener Grass - Die Handlung von „Greener Gras“ wiederzugeben fällt schwer, da der Film eine satirische Nummern-Revue ist, die immer wieder Haken schlägt und zwischen subtiler Übertreibung und schriller Farce pendelt. Irgendwie fühlt man sich wie in einen wilden Mix aus John Waters und Quentin Dupieux geworfen. Gefiel mir recht gut, auch wenn der nicht durch die Bank ein Niveau hält.
Initials S.G. - „Intitials S.G.“ wanderte nur als Verlegenheitslösung in mein Programm, da mich die Alternativen auf der entsprechenden Zeitschiene nicht ansprachen. Doch eine Geschichte über einen Kleindarsteller, Porno-Darsteller, Frauenheld und Gainsbourg -Fan, der schon bessere Zeiten gesehen hat, klang ganz vielversprechend. Wie „Patrick“ wurde der Film als Komödie angekündigt und entpuppte sich als zutiefst pessimistischer Blick auf das Argentinien von heute, welches immer noch glaubt, die alte, unwiderstehliche Größe zu besitzen. Und als Portrait eines liebesunfähigen Mannes, der sich und sein Leben nicht im Griff hat. Der nicht realisiert, dass seine große Zeit vorbei ist. Das gemischte Regie-Duo Rania Attieh und Daniel Garcia schafft es den ganzen Film über einen sowohl locker-heiteren Ton zu halten, der auf einer sehr dunkel-pessimistischen Grundierung aufgebracht wurde. Ein guter Film mit einem tollen Soundtrack, der vor allem aus ins spanische übersetzte Songs von Serge Gainsbourg besteht, welche vom großartigen Hauptdarsteller Diego Peretti (der wirkt wie eine Mischung aus Rolf Zacher, Al Pachino und Herbert Fux) höchst selbst interpretiert werden.
Jesus Shows You the Way to the Highway - Estländisch-äthiopische Co-Produktion. Oh, was wollte ich diesen Film doch lieben. Und tatsächlich zauberte er mir hier und dort ein breites Lächeln ins Gesicht. Doch dann verlor er mich immer wieder. „Jesus“ handelt von amerikanischen Agenten, die sich matrix-mäßig in eine virtuelle Welt begeben können, in der alle Fotos als Masken vor dem Gesicht tragen. Unsere beiden Helden haben dann die Fotos von Robert Redford und Richard Pryor vor dem Gesicht, während der Bösewicht das von Stalin trägt. Etwas geht schief, einer der Agenten bleibt zurück und stirbt scheinbar in der realen Welt. Der andere hat eine Affäre mit der Freundin seines Kollegen. Ein weiterer Schurke im billigen Batman-Kostüm taucht auf. Es gibt böse Russen und Verräter. Liebe und Hass, Jesus, Transvestiten-Superagenten, Menschen in tragbaren Fernsehern. Ach, alles mögliche. Der Film zerbirst fast vor Einfällen. Davon sind wie erwähnt einige großartig, wie beispielsweise die Szenen in der „Matrix“, welche stark an die surrealen Bilderwelten Jan Svankmajers erinnern. Andere wirken nicht verstörend, sondern eher albern. Und gerade dann, wenn so etwas wie eine Handlung etabliert werden soll, zieht sich das ganze etwas.Mit fast zwei Stunden ist der Film auch deutlich zu lang.
Mehr zu allen Filmen plus Fotos gibt es hier:
http://www.filmforum-bremen.de/tag/inte ... oldenburg/
10. Deliria-Italiano-Forentreffen
Das Geheimnis des gelben Grabes - Ich mochte den in seiner freidrehenden Wildheit, seiner bewusst herausgestellten Ignoranz, was eine kohärente Story und Logik angeht. Ich fand Alex Cord als ungewöhnlicher "Held" super, Nadja Tiller hätte ich gerne länger gesehen. Kein guter Film im klassischen Sinne, aber ziemlich unfassbar und schwer unterhaltsam.
Der New York Ripper - Endlich auf der großen Leinwand gesehen. Wird nie mein Lieblings-Fulci werden und mir fehlte etwas der große Aha-Effekt, den Fulcis Horrorfilme auf der großen Leinwand auslösen. Aber das hysterische Gequake bei den Morden war schon Terrorkino pur und der Dreck und Schmier des Filmes ist schon sehr beachtlich und zeichnet ein ganz, ganz finsteres Menschenbild. Welches die Realität leider oft bestätigt. Eine intensive Erfahrung.
Nachtschwester müsste man sein - Der perfekte Samstagnachmittag-Film. Gloria ist schön wie die Sünde. Ihr Musiknummer kannte ich schon und genoss sie auf der großen Leinwand in vollen Zügen. Lange nicht so albern wie befürchtet und Lino Banfri gefiel mir richtig gut. Gerne wieder.
Ein achtbarer Mann - Ein sich langsam, aber unaufhaltsam aufbauender Heist-Film (eigentlich auch ein klassischer Film Noir), der die Spannungschraube immer weiter drehte, durch tolle Hamburg-Locations perfekt passte (einige Szenen spielten nur wenige Meter von meinem Arbeitsplatz entfernt) und eine der tollsten Autoverfolgungsjagden überhaupt enthielt. Toll.
Sonst so
Five Fingers for Marseilles - Ein Film aus Südafrika, der gleichzeitig den Geist des amerikanischen, wie des italienischen Western atmet und dies nutzt, um ein bitteres Statement über den Zustand des Landes zu geben. Guter Film mit kleinen Mängeln.
Bewaffnet & Gefährlich - Grandioser Italo-Thriller um drei Jungs aus gutem Hause, die in Mailand eine Spur der Gewalt und Leichenberge zurücklassen. Schnell, gnadenlos und phantastisch gespielt. Tipp! Mehr demnächst.
Ice Age 5: Kollision voraus! - Naja, nach fünf Teilen ist die Luft etwas raus. Vieles kommt einem bekannt vor und wird nur weiter überdreht. Kann man sich gut angucken, muss man aber nicht. Interessant fand ich, wie nahe die neue Stimme von Mannie an Arne Elsholz (RIP!) dran ist.
Uninvited - Noch einmal naja. Das ist schon Trash reinster Kajüte. Und ich benutze dieses Wort nicht gerne. Immerhin gab es ein Wiedersehen mit Alex Cord aus den "Gelben Grab", der hier auch alles gibt. Dazu Kennedy und Galagher.. die alle kein großen Bock haben. Unfreiwillig (?) komisch ist die Sause aber schon. sollte man in größerer, gut aufgelegter Runde gucken.
Der Junge muss mal an die frische Luft - Sehr schöner, erfrischend unsentimentaler Film. Julius Weckauf als junger Hape ist eine Wucht. Auch die restliche Besetzung weiß zu überzeugen, der Lokalkolorit ist klasse und danach sieht man Hape mit anderen Augen. Große Liebe, auch wenn der von der Inszenierung her "nur" sehr routiniertes Handwerk ohne große Überraschungen ist. Dafür merkt man der Regisseurin ihre Zuneigung zu den Figuren an.
Graf Zaroff - Genie des Bösen - Klassiker, den eh jeder kennen sollte. Schreibe ich irgendwann anders mal was zu.