BELTRACCHI-DIE KUNST DER FÄLSCHUNG (D 2014)
(Netflix) Regie: Arne Birkenstock.
Doku über Wolfgang Beltracchi, der 40 Jahre lang unentdeckt Bilder fälschte.
Basierend auf unserem aktuellen ... Zwist(?) darüber, dass viel Kommunikation auf Facebook abwandert, setze ich eine Kommentierung, die ich gerade dort tätigen wollte, lieber trotzig hier fort. Nicht ohne zuvor zu erwähnen, dass ich als Lehrer ja einen Finger am Puls der Zeit habe und darum dezent darauf verweisen kann, dass Facebook unter den jungen Menschen "alte-Leute-Social-Media" ist und wohl auch langsam an Zulauf verliert
Jedenfalls: Unabhängig von den interessanten Einblicken dieser Doku in eine extrem begnadete handwerkliche Arbeit des Herrn Beltracchi (besonders in den dokumentierten Arbeitsprozessen ist viel ansteckende Leidenschaft zu erleben - schön) stieß mir an der Figur Beltracchi die himmelschreiende Ignoranz sehr sauer auf. Der Schaden, der durch sein Treiben für den Kunstmarkt entstand, sei mal süffisant zur Seite geschoben. Dass kann man als gezielte Manipulation deuten, also tatsächlich auch als einen künstlerischen Eingriff. Banksy macht das auch oft - allerdings mit wirklichen und eigenen Ideen. Dem Markt, der hier überhaupt nicht wollte, dass eine Arbeit theoretisch auch gefälscht sein könnte, dem kann man auch mal den Spiegel vorhalten. Das sehe ich in einer ähnlichen Liga wie das, was aktuell mit den GameStop-Aktien gemacht wird. Da werden milliardenschwere Anleger eben mal fix von kleinen Leuten vorgeführt - da heule ich doch keine Träne nach!
Aber der Schaden, den Herr Beltracchi für die Kunstgeschichte angerichtet hat und dann belustigt mit "mir doch egal" drüberweglächelt, der ist ja wohl unerhört! Wie ignorant kann man bitte sein? Die Doku schneidet beispielsweise immer wieder an, wie unglaublich belesen der Herr Fälscher ist. In dieser Tiefe hat man das nicht mit einem Büchlein oder Wiki-Artikel erreicht. Das erfordert mehr - viel mehr! Da gehört irgendwann also Leidenschaft dazu. Und ich persönlich finde, dass Herr Beltracchi diese Leidenschaft für die Kunst nun für sich beansprucht und durch sein ignorantes Tun für viele Generationen verfälscht hat. Welche Künstlerbiographie und welches Werkverzeichnis kann denn jetzt noch mit Genuss und vertrauensvoller Verlässlichkeit gelesen werden, wenn der Kerl die Menge und Art seiner Fälschungen für sich behält und darüber nur albern kichern kann? Ich finde vor allem auch, dass er damit Frust kompensiert. Niemand kann mehr ungetrübt genießen, was er sein ganzes Leben lang genießen konnte (ein Genuss immerhin, auf dem Beltracchi sein Lebenswerk aufgebaut hat). Was für ein Arschloch kann man bitte sein?
Das gefährliche seines Tuns war ja eben, dass er in biographische Lücken malte. Er erzeugte keine Kopien und brachte sie in Umlauf, sondern er erzeugte neue Arbeiten im Stil und tat, als seien sie vom Künstler. Damit verfälscht er die Biographien. Und das Wissen darüber beansprucht er für sich - ausschließlich für sich! "Mir doch egal!"
Und gleichzeitig zeigt uns die Doku einen Mann, dessen Immitationen - nichts anderes sind seine Bilder - zweifellos bewundernswert sind, der aber andererseits überhaupt nichts Überzeugendes alleine schafft - aus sich heraus. Beltracchi ist der Bob Ross der Fälschung. Ein begnadeter Handwerker aber niemals - NIE-MALS!!! - ein anerkannter Künstler. Das scheint er auch zu wissen und das frustiert ihn ungemein. Also amüsiert er sich eben darüber, dass er auf lange Zeit den ungetrübten Kunstgenuss für viele andere mit Füßen treten konnte. Was für ein Arschloch!
Und all das wird in der Doku dann noch mit einer weiteren Dimension der Ignoranz aufgestockt. Das Kleinreden des Handwerks. Wie er sich darüber lustig macht, wie gut er ist. Und wie süffisant egal ihm das gleichzeitig ist (oder zumindest soll es so wirken - dass er mit dieser Fähigkeit Jahrzehnte seine Familie ernähren und beglücken konnte, kann man ja schon noch würdigen, oder?). Keine große Sache! Schon als Kind hätten seine Kopien den begeistert malenden Vater in monatelangen Arbeitsfrust getrieben. Haha - wie witzig. Da Vinci? Keine große Malerei! Fast infantil möchte man meinen... macht Beltracchi in ein paar Tagen und tausendfach besser. Sagt Beltracchi. Da ist mir als auch studierten Kunsthistoriker schon echt übel geworden. Muss der Kerl nun echt seine Geheimnisse mit ins Grab nehmen und so dauerhaften Schaden für Liebhaber (Achtung - nicht millionenschwere Sammler! Nein, Liebhaber!) anrichten? Muss das ernsthaft sein? Nur, weil er eben keine eigene Kunst sondern nur die der anderen leisten kann? Arschloch!