bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Clouzot – Meister des psychologischen Thrillers

„Er inszeniert menschliche Neurosen als packendes Schauspiel!“

Henri-Georges Clouzot gilt nicht wenigen Cinephilen als französisches Pendant zu Alfred Hitchcock, wenngleich Clouzots Œuvre als Regisseur weit weniger umfangreich ausfällt. Nachdem er sein Jurastudium abgebrochen hatte und nach einem kurzen Stelldichein als Journalist wechselte er 1931 ins Filmfach, zunächst als Editor. In Neubabelsberg erstellte er französische Fassungen deutscher Filme und arbeite während der Zeit der Besatzung Frankreichs durch die Nazis für die deutsche Produktionsfirma Continental, bevor eine Lungenkrankheit seine Karriere vier Jahre lang unterbrach. 1942 debütierte er als Regisseur der Fortsetzung des französischen Thrillers „Sie waren sechs“, „Der Mörder wohnt in Nr. 21“. Ein Jahr später erschien „Der Rabe“, nach dem er von der Continental gefeuert wurde. Nach Kriegsende erhielt er wegen seiner Arbeit für diese zunächst Berufsverbot, das jedoch nach zwei Jahren aufgehoben wurde. Dafür wurde ausgerechnet „Der Rabe“ verboten und erst 1969 rehabilitiert. Zu seinen populärsten Werken zählen die Spielfilme „Unter falschem Verdacht“ (1947), „Lohn der Angst“ (1953), und „Die Teuflischen“ (1955), die nachhaltige Wirkung bei nachrückenden Filmemachern erzielten (so drehte beispielsweise William Friedkin 1977 mit „Atemlos vor Angst“ ein packendes „Lohn der Angst“-Remake).

„Ein gefährlicher Typ!“

In seinem rund einstündigen, für den französisch-deutschen TV-Sender Arte produzierten Dokumentarfilm „Clouzot - Meister des psychologischen Thrillers“ aus dem Jahre 2017 zeichnet der französische Regisseur Pierre-Henri Gibert ein Porträt des sperrigen Filmemachers, geht Mythen auf den Grund, führt zahlreiche Interviews mit Weggefährt(inn)en und Expert(inn)en, reiht Filmausschnitte und zahlreiche historische (Archiv-)Aufnahmen aneinander und beleuchtet nicht nur Clouzots Arbeitsweise, sondern auch den Menschen Clouzot mit seinem Privatleben. Ein Sprecher aus dem Off führt durch die Dokumentation, die in Clouzots Kindheit ansetzt – bereits mit fünf Jahren habe er seine ersten Thriller geschrieben! – und seine frühe Karriere abdeckt. Sein Bruder Jean kommt zu Wort, der seine Erinnerungen mit dem Publikum teilt. Man erfährt, dass Clouzot alptraumgeplagt war und unter Schlafstörungen litt sowie von seiner schweren Lungenerkrankung, die sich bereits in jungen Jahren bemerkbar machte – ein persönliches Trauma, das er in „Der Mörder wohnt in Nr. 21“ verarbeitete. Filmemacher Xavier Giannoli stellt die Verbindungen zwischen Clouzots Filmen und dessen Biografie her.

„Sie sind glücklich? Sie interessieren mich nicht mehr.“

Schriftsteller Pierre Assouline erzählt von der Zeit der nazideutschen Besatzung und hebelt einige der Vorwürfe, die Clouzot bezüglich seiner Arbeit für die Continental entgegenschlugen, aus: Clouzot habe sich an keine der von Goebbels auferlegten Regeln gehalten. Die Filmemacher Bernard Stora und Bertrand Blier wissen ebenfalls über jene Phase zu berichten, die „Der Rabe“ wie eine Parabel auf die Denunziantenbriefe aus der Besatzungszeit erscheinen lässt. Suzy Delair, Clouzots ehemalige Lebensgefährtin, kommt schließlich ebenso zu Wort wie Schauspieler Bernard Blier, ergänzt um einige ältere Archivaufnahmen ehemaliger Weggefährtinnen und -gefährten in Interview-Situationen. Chronologisch geht es weiter durch Clouzots Schaffen: Zu „Unter falschem Verdacht“ äußern sich Filmemacher Dominik Moll und Zeichner Jacques Tardi und weisen auf die expressionistischen Einflüsse hin, die der Film verarbeitet. Mit dem unvollendeten „Le voyage en Brésil“ habe Clouzot sich neu erfunden, sein Meisterwerk jedoch wurde „Lohn der Angst“, der, für die damalige Zeit ungewöhnlich und aufwändig, nicht im Studio gedreht worden war. Der Dreh musste unterbrochen werden, konnte aber zu einem späteren Zeitpunkt fortgeführt werden. Das sind spannende Produktionsnotizen, die die Doku hier vermittelt, ferner richtet sie die Aufmerksamkeit auf bemerkenswerte Details des Films wie die Geräuschkulisse, die einen klassischen Soundtrack ersetzt, und die sadomasochistisch anmutende Beziehung zwischen den Hauptrollen. Neben Moll kommen dessen asiatischer Kollege Bong Joon Ho und Clouzot-Mitarbeiterin und -Freundin Michèle Ressi zu Wort.

„Die Teuflischen“ wird als Zusammenspiel einer schwachen (Clouzots Ehefrau Véra) mit einer starken Schauspielerin (Simone Signoret) charakterisiert. Clouzot thematisierte in diesem Film die Herzkrankheit seiner Frau, die dann leider tatsächlich sehr früh verstarb. Clouzot ließ seine eigene Ehefrau also schauspielerisch ihre eigene Krankheit noch einmal durchleiden. Generell galt er nicht nur als Pessimist, der partout nicht allein arbeiten konnte, sondern auch als gnadenlos am Set, seine Schauspielerinnen und Schauspieler habe er sogar körperlich gezüchtigt. Archivaufnahmen vom Dreh erlauben einen Blick hinter die Kulissen des Films. Nachdem „Die Wahrheit“ und seine Zusammenarbeit mit Brigitte Bardot aufgegriffen wurden, geht es hinsichtlich seiner Beziehung zu seiner Frau Véra noch etwas in die Tiefe, bevor man sich Clouzots letzten Experimentalfilmen und seiner Arbeit an mehreren Filmsets parallel widmet und auf seine immer stärker werdenden gesundheitlichen Probleme eingeht, ungeachtet derer er bis zur Erschöpfung arbeitete.

Dass „Clouzot - Meister des psychologischen Thrillers“ nicht Clouzots gesamtes filmisches Werk abdeckt, ist schade, wäre in nur einer knappen Stunde Spielzeit aber auch nur schwer möglich gewesen bzw. zu Ungunsten des jeweiligen Informationsgehalts gegangen. Die diversen Spoiler der Filmenden/-Pointen wären jedoch verzichtbar bzw. wären entsprechende Warnungen angebracht gewesen. Dafür gelingt es Pierre-Henri Gibert aber, ein Bild eines einflussreichen, profilierten Filmemachers als leidenschaftlichen, regelrecht obsessiven, von Krankheit und inneren Dämonen geplagten und geleiteten, sich mit seinen vielen Ecken und Kanten behauptet habenden Künstlers zu zeichnen. Dies erleichtert den Zugang zu seinen Filmen mit ihrer düsteren Weltsicht und ihrer spannenden Inszenierung menschlicher Abgründe sowie ihrer expressiven Ästhetik als europäische Vertreter des Film noir, die sich zu entdecken oder wiederzuentdecken lohnen.
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Die Schule am See

Staffel 2

School's out for summer,
school's out forever


Im Herbst 1999 ging’s mit der zweiten Staffel weiter:

Kaum hat Vera Herzog in der ersten Episode ihre neue Stelle als Schulleiterin des Internats angetreten, stellt sie ein neuer Schüler vor Probleme: Georg Brückner (Jan Andres, „Laura und Luis“), Spitzname: Grobi, ist impulsiv und gewalttätig und gerät direkt nonverbal mit Mario aneinander. Grobi fliegt gleich wieder vom Internat und ist daraufhin so verzweifelt, dass er einen Selbstmordversuch unternimmt. Als Vera Grobis Hintergrundgeschichte erfährt (er stammt aus einem zerrütteten Elternhaus und hat einen ebenfalls gewalttätigen, alkoholabhängigen Stiefvater), gibt sie ihm noch eine Chance, er kann also doch auf dem Internat bleiben. Weniger überlegt handelt Vera jedoch ihr Privatleben betreffend: Aus nichtigen Gründen trennt sie sich von Fritz Bülow. Diese Folge versucht die häufig traurigen Hintergründe gewalttätigen Verhaltens aufzuzeigen und empfiehlt pädagogische Ansätze statt Sanktionen. Die Beziehung zwischen Vera und Fritz mutet immer bizarrer an und ist für Außenstehende kaum noch nachvollziehbar. In einer Nebenrolle: „Großstadtrevier“ und „Neues aus Büttenwarder“-Star Peter Heinrich Brix.

In Episode 2 kommt Lolle zum Zuge: Zusammen mit ihrer Freundin Rosa (Bernadette Heerwagen, „Die Nacht der Engel“) trainiert sie für die Aufnahmeprüfung an der Hamburger Musicalschule. Daraus entbrennt jedoch ein Konkurrenzkampf untereinander, der erst endet, als beide von der Schule abgelehnt werden. Lolle-Darstellerin Dorina Maltschewa kann damit endlich einmal zeigen, wie gut sie singen und tanzen kann. Kein Wunder, ist sie doch eine ausgebildete Musicaldarstellerin, die, 1973 geboren, wesentlich älter als ihre Rolle war. Bisweilen enervierend wirkt jedoch das Gezicke zwischen Lolle und Rosa, wenngleich die daraus letztlich abgeleitete Aussage, Freundschaft sei wichtiger als eine etwaige Karriere, wiederum stimmt. Im Nebenstrang streiten sich Vera und Dr. Blüm um Lieblingsschüler Alf, an dem beide einen Narren gefressen haben. Gut gelungene, in sich abgeschlossene Folge, die auch den Umgang mit Niederlagen thematisiert.

Eine weitere neue Mitschülerin und damit ein weiterer Konflikt in der dritten Episode: Passend zum Thema „Gewalt zweier rivalisierender Gruppen“ wird im Unterricht „Clockwork Orange“ behandelt. Laras Freund Magga (Matthias Koeberlin, „Schimanski: Rattennest“) hat nämlich Streit mit den Prinzenhäuslern und fordert ein Duell. Neuling und Boxsportler „Prince“ alias Grobi wird auserkoren, sich mit ihm zu messen, will aber eigentlich nicht – schließlich hat er seine Lektion aus der vorausgegangenen Folge gelernt. Andererseits will er aber auch nicht als feiger, kneifender Verräter dastehen. Er sucht den Dialog und lässt sich sogar erniedrigen, nur um dem Kampf zu entgehen. Maggas Clique misshandelt jedoch Alf, womit das Fass zum Überlaufen gebracht wird. Die übrigen Prinzenhäusler trainieren nun ebenfalls Boxen. Stefan soll’s an Grobis Stelle richten, Grobi wird geschnitten. Und Ex-Boxer Fritz Bülow mischt sich auch noch ein… Der sekundäre Erzählstrang hat diesmal die Krise zwischen Hausmeister Zierlich und Sekretärin Ehrchen zum Thema, denn Zierlich hat eine Rendezvous mit einer Amateurfunkbekanntschaft, das vom hereinplatzenden Ehrchen unwirsch beendet wird. Zeit für die beiden, sich einmal auszusprechen. Insgesamt handelt es sich um eine spannende Folge um Konfliktbewältigung, die dankens- und auch ein bisschen überraschenderweise nicht in die hippiepädagogische Litanei von der absoluten Gewaltlosigkeit verfällt, sondern verdeutlicht, dass man nicht umhinkommt, sich manchen Konflikten konfrontativ zu stellen – und dass manche Soziopathen einfach mal ein paar aufs Maul brauchen.

In Episode 4 steht Alf im Mittelpunkt: Seine Eltern wollen sich trennen, was ihn wie der Schlag trifft. Er versucht, sie wieder zusammenzubringen, doch als zur Debatte steht, dass er aus diesem Grunde das Internat verlässt, entscheidet er sich letztlich für seine Freunde und die Schule. Außerdem lernt er in Anna (Katharina Eckerfeld, „Härtetest“) ein Mädchen kennen, in das er sich verguckt und die ihm ihrerseits Interesse suggeriert, ihn jedoch auch für dumm verkauft und sich vor einer festen Beziehung ziert. Eine Folge also über die Abkapselung von den Eltern und das Einschlagen eigener Wege, in der Alf zudem lernen muss, dass er ein Mädchen nicht ohne Weiteres an sich binden kann.

Das war jedoch noch verhältnismäßig harmlos gegenüber dem, was die fünfte Episode an Beziehungskonflikten bereithält: Lolle hat Geburtstag. Obwohl sie mit Carla liiert ist, ist sie eigentlich noch immer mit Hans (Oliver Broumis, „Stalingrad“) zusammen, der nichts von Carla weiß, ihr aber seinerseits einen längeren Auslandsaufenthalt als ursprünglich geplant vorschwindelt. Der Grund dafür ist, dass er als Überraschungsgast auf ihrer Party auftaucht. Lolle gesteht ihm ihre Beziehung zu Carla, die wiederum verständlicherweise genervt auf Hans‘ Anwesenheit reagiert, zumal Lolle Carla gegenüber ihrer Mutter verschweigt. Tatsächlich lässt sich Lolle dazu hinreißen, noch einmal mit Hans herumzumachen, was jedoch nicht lang andauert, da sie herausfindet, dass er eine Affäre in den USA hatte. Und was macht eigentlich Antonia? Die hat ihre Matheklausur versemmelt, woraufhin sich Dr. Blüm arrogant über sie auslässt und ihr ein Durchfallen durchs Abitur prognostiziert. Der Konflikt zwischen beiden Parteien droht zu eskalieren, doch Antonia büffelt für die Nachprüfung – und reagiert eifersüchtig, als ihr Freund Stefan derweil mit Lara einen trinken geht. Anstatt die Nachprüfung anzutreten, dreht sie durch und will abhauen. Du liebe Güte, geht’s hier hoch her! Es ist schön, dass sich die Serie wieder mehr Antonia widmet, und es weiß auch zu gefallen, wie Lolles und Carlas Beziehung noch einmal aufgegriffen wird – gleichzeitig ist man angesichts all dieser Verunsicherungen, gekränkter Eitelkeiten und Zankereien jedoch froh, selbst kein Teenager mehr zu sein. Obwohl, sind die Erwachsenen so viel besser…?

Fritz' jüngerer Bruder Leo (Oliver Böttcher, „Black Jack“) kommt in Episode 6 zu Besuch und versucht, ihn für seine Segelschule an der Côte d'Azur abzuwerben. Eigentlich keine schlechte Option, denn im Prinzenhaus geht’s mal wieder drunter und drüber und er scheint an Autorität einzubüßen, während Grobi seine Probleme im Alkohol zu ertränken versucht. Vera liegt derweil mit einer Blinddarmentzündung im Krankenhaus, Dr. Blüm vertritt sie als Betreuer im Prinzenhaus. Es wird sich leidenschaftlich um den leidigen Abwasch gestritten und die Situation eskaliert, als es zu einem Küchenbrand kommt. Als Fritz auch noch regelrecht verarscht wird, hat er die Schnauze voll und kündigt, macht jedoch einen Rückzieher, als sich Grobi wieder fängt. Ehrchen feiert ihr Jubiläum, das Dr. Blüm glatt vergisst, woraufhin sie in Tränen ausbricht. Und Antonia? Hat sich eine neue Frisur zugelegt und trägt passend zum allgemeinen Chaos einen stacheligen Punk-Look auf dem Haupt. Eine recht unterhaltsame Folge, in der es sich einmal mehr um Konfliktbewältigung dreht, aber auch um berufliche Leistungen, die andere mitunter erst zu schätzen wissen, wenn sie zu entfallen drohen oder bereits ausfallen und halbherzig oder improvisiert ersetzt werden. Oder kurz: Vera und Fritz sind wichtig und müssen bleiben.

Eine der inhaltlich deftigsten der ganzen Serie ist die siebte Episode: Stefan hadert mit seinem Zivildienst-Job im Internat, durch den er aber immerhin der Schule (und damit der Serie) erhalten bleibt. Als die Schülerinnen und Schüler auf die Idee kommen, einen alten Kahn als Clubraum herzurichten, ist er wieder Feuer und Flamme und plant das Projekt mit Lara. Gegenseitig baut man eine engere Bindung auf, was Antonia und ihre Eifersucht wieder befeuert. Und tatsächlich: Lara hat sich in Stefan verknallt. Nach Antonias Streit mit Stefan knutschen Lara und Stefan miteinander und steigen sogar miteinander ins Bett. Antonia erwischt die beiden am nächsten Morgen und macht mit Stefan Schluss. Dann bescheidet die Schulverwaltung die Kahnpläne der Schülerschaft auch noch ablehnend. Was keiner ahnen konnte: Derweil bringt sich Lara um! Ein auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer echter Schock, der in dieser Konsequenz nicht vorhersehbar war. Antonia und Stefan nähern sich zwar wieder einander an, doch Antonia entscheidet sich gegen eine Wiederaufnahme der Beziehung. Eine echte Scheißsituation, in der einem beide leidtun. Zu allem Überfluss verprügelt Grobi auch noch Stefan wegen Laras Tod – er war in sie verknallt. Stefan trägt jedoch keine Schuld, Lara hatte ihren Suizid schon lange geplant – was noch mal ein ganz anderes Licht auf ihre Nacht mit Stefan wirft – und der Grund ist in einem alten unverarbeiteten Trauma zu suchen. Dass sich Vera angesichts einer bevorstehenden Schulinspektion um ihren Job sorgt, gerät da zur Nebensache. Dennoch andere Probleme hat Alf: Seine Quasifreundin Anna glaubt schwanger zu sein. Er steigert sich voll in diese Vorstellung hinein und programmiert sogar eine Babysimulation zu Übungszwecken auf seinem Computer. Seine Welt bricht zusammen, als er erfährt, dass Anne gar nicht schwanger und zu allem Überfluss parallel auch noch immer mit ihrem Arno (Stefan Hornung) zusammen ist. Anna will eine Dreierbeziehung mit beiden, doch Alf lässt sich nicht darauf ein und verliert damit seine erste große Liebe. Was sich in Episode 4 der zweiten Staffel bereits andeutete, wird hier Gewissheit: Alf-Mime Philipp Niedersens schauspielerische Leistungen haben sich deutlich verbessert. „Schwarze Tage“ ist eine todtraurige Folge, die ans Eingemachte geht. Als habe Antonia die düsteren Ereignisse vorausgeahnt, tendiert sie nun mehr in Richtung Gothic, ihr Zimmer ist mit The-Cure-Devotionalien geschmückt. Das Ende jagt einem weiteren Gänsehautschauer über den Rücken und besiegelt eine Folge, die die ganze Staffel aufwertet und unerbittlich klarstellt: Es gibt nicht immer ein Happy End.

Über weite Strecken fröhlicher und versöhnlicher geht es dann wieder in Episode 8 zu: Mario und Grobi leihen sich Zierlichs Oldtimer, um auf eine Party zu fahren, verunfallen jedoch am Weidezaun der attraktiven Jungbäuerin Rieke. Mit ihr treffen sie eine Abmachung: Als gelernte Kfz-Mechanikerin repariert sie das Auto, das rechtzeitig zum Vespatreffen fertig sein muss, dafür packen sie auf ihrem Hof kräftig mit an. Damit Zierlich tatsächlich zusammen mit Ehrchen zum Treffen brausen kann, muss er aber doch noch selbst Hand mitanlegen. Georg verknallt sich in Rieke, muss jedoch gegen Mario um ihre Gunst buhlen. Die gibt ihrem untreuen Mann den Laufpass und steigt zu Marios Überraschung mit Grobi in die Kiste. Im Internat tritt derweil der neue Schularzt Dr. Björn Bente (Dietrich Adam, „Tatort: Buntes Wasser“) seinen Dienst an und verguckt sich schnell in die Schulleiterin. Über die Sprechanlage teilt er versehentlich in alle Räume mit, dass er sich in Vera verliebt habe. Nach einem erfolgreichen Rendezvous kommen sie sich näher und küssen sich. Stefan versucht unterdessen, Antonia zurückzuerobern, doch die will ihre Ruhe vor ihm haben. Seine Geburtstagsüberraschung für Antonia geht in die Hose, aber immerhin können beide kurz miteinander reden. Somit handelt es sich um eine Folge sowohl über erfolgreiche Beziehungsanbahnungen als auch über die möglichen fatalen Folgen des Fremdgehens. Insbesondere die Handlung um Rieke und ihren unverbindlichen Sex mit Grobi gefällt, die genau wie alles andere hier ohne jegliches Moralisieren auskommt.

In der neunten Episode steht Weihnachten vor der Tür – und scheint’s im Internatsarchiv zu spuken: Irgendetwas erschreckt immer wieder Sekretärin Ehrchen. Alf kommt dem Spuk auf die Spur: Zierlich rächt sich damit an Ehrchen dafür, dass sie ihn bei einer Einladung zum Essen versetzt hat. Auch Fritz‘ Liebesleben ist nach Längerem wieder Thema, signalisiert die attraktive Silke Schloßmacher (Chris Hohenester, „Charley's Tante“-Neuverfilmung), die in einem Ladengeschäft auf ihn aufmerksam wurde, doch unmissverständlich ihr Interesse. Zunächst will Fritz nichts von ihr wissen, ändert im weiteren Verlauf jedoch seine Meinung. Und Dr. Blüm freundet sich immer stärker mit einer Kollegin an. Nur Ehrchen und Zierlich finden einfach nicht zueinander, sondern setzen einander zu. Insgesamt eine etwas alberne Folge, die viele lose Enden zurücklässt und sich enttäuschend wenig den Schülerinnen und Schülern widmet.

Episode 10 thematisiert eines der beschämendsten Ereignisse der jüngeren europäischen Geschichte: den Balkankrieg. Fritz‘ Freund Milosz kommt mit seiner Tochter Svetlana (Jacqueline Svilarov, „Lindenstraße“) aus dem Kosovo zu Besuch und reist alsbald allein wieder zurück, um seinen Sohn nachzuholen. Svetlana ist in tiefer Sorge, dass ihr Vater dort verhaftet wird. Die ganze Familie ist vom Krieg gebeutelt, Svetlanas Mutter und Schwester fielen ihm bereits zum Opfer. Seit ihrer Trennung von Stefan ist Antonia extrem unausgeglichen und gerät auch giftig mit Svetlana aneinander – bis sie deren Tagebuch findet und darin liest. Zusammen mit Lolle nimmt sie sich ihrer an, nachdem Milosz tatsächlich verhaftet wurde. Und als habe das eine gewisse therapeutische Wirkung gehabt, freundet sie sich auch mit Stefan wieder an. Im Nebenstrang lernt Vera den Sohn ihres neuen Partners Dr. Bente kennen, woraufhin es etwas kriselt. Die Probleme können jedoch noch innerhalb dieser Folge aus der Welt geschafft werden: Der Sohnemann freut sich, wenn Vater eine neue Flamme hat, braucht aber keine neue Mutter. Neben dieser Handhabungsempfehlung für sog. Patchwork-Familien vermittelt man einen Eindruck davon, wie unbedeutend eigene Sorgen angesichts des Leids, das andere ertragen müssen, sein können, und stellt die Wehwehchen des Stammensembles hintenan. Zudem verschließt man den Augen nicht vor der bitteren Realität des Krieges.

Dafür geht’s in Sachen Liebe, Lust und Frust bereits in der elften Episode wieder drunter und drüber: Zwischen Fritz uns Silke kriselt’s direkt, sie scheint eifersüchtig auf Vera zu sein. Mario wiederum hat einen HIV-Test durchführen lassen und will bei negativem Ergebnis der Promiskuität abschwören. Tja, er fällt tatsächlich negativ aus – von nun an geht Mario allen mit seiner Sexfeindlichkeit auf die Nerven, scheint bei den sexy Zwillingen, die neu im Internat sind und allen Jungs den Kopf verdrehen, damit aber gut anzukommen… Antonia indes reagiert immer noch eifersüchtig, wenn sie Stefan mit anderen Mädels sieht, lässt sich aber vom Herumtreiber und Hallodri Tom (Jens Eulenberger, „Der Landarzt“) aufreißen, worauf wiederum Stefan gar nicht klarkommt. Tom verdreht Antonia ihr hübsches Köpfchen, meint es aber keineswegs ernst mit ihr. Als Lolle dahinterkommt und ihre Freundin warnt, ist diese zu verblendet, um ihr zu glauben, und gibt die Freundschaft zu ihr auf. Fritz und Silke trennen sich, kaum dass ihre Beziehung begonnen hatte, schließlich schon wieder, treiben es aber spontan noch einmal miteinander. Und Antonia muss schmerzlich erfahren, dass sie einen Fehler gemacht hat. Zu schönen Bildern des Plöner Sees bei Sonnenuntergang warnt diese Folge naive Mädchen vor unehrlichen Don Juans und Gigolos und entlarvt passenderweise gleichzeitig Marios neue Keuschheit als perfide Masche. Männer sind eben Schweine, außer Stefan, und wie Antonia und er sich gegenseitig wehtun, wird für ein empathisches Publikum langsam aber sicher unerträglich. So möge Antonia ihm doch endlich verzeihen und einen Neuanfang mit ihm wagen, verdammt noch mal!

Eher seltsam mutet Episode 12 an: Die Schulklasse besucht die Bundeswehr, bei der sich Grobi insbesondere für die Fliegerei interessiert. Wie Mario hat auch er seine Einberufung zur Musterung bekommen, doch im Gegensatz zu ihm hat Mario überhaupt keinen Bock aufs Militär – wenn auch weniger aus pazifistischen Gründen als vielmehr wegen seines geplanten Auslandsaufenthalts. Grobi legt sich so sehr für ein Spitzenzeugnis, das ihn für eine Pilotenausbildung qualifizieren soll, ins Zeug, dass er einen Hörsturz erleidet. Mario will unbedingt ausgemustert werden, Grobi unbedingt bestehen – beide tun jeweils alles dafür und kommen schließlich auf die Idee, ihre ärztlichen Atteste zu tauschen. Doch als er bei der Musterung körperlich attackiert wird, erleidet Grobi einen zweiten Hörsturz, und Mario kommt mit seinen Schwindeleien nicht durch. Fritz und Silke sind eigenartigerweise doch noch ein Paar, aber bei einem gemeinsamen Abendessen mit Vera und Dr. Bente entdeckt Vera, dass sie wieder zärtliche Gefühle für Fritz empfindet. Doch, oh Schreck: Fritz und Silke wollen heiraten! Veras Gefühlsleben mutet hiermit endgültig chaotisch an und erfüllt jedes Klischee wankelmütiger Frauen, die kein Mann dieser Welt verstehen kann. Für meinen Geschmack eine Drehbuchkapriole zu viel. Fragwürdig ist es auch, dass die Bundeswehr mit ihren sich vor sozialer Verantwortung drückenden und lieber ihrem Wehrsport frönenden Soldaten so sehr im Fokus steht, während der Zivildienst keinerlei Thema ist – als existiere diese Option gar nicht. Unterm Strich keine sonderlich gelungene Folge.

Dies war symptomatisch für den weiteren Verlauf der Staffel, in dem die Gäule mit den Autorinnen und Autoren endgültig durchgehen: Das Abitur ist durch, die meisten haben bestanden, manche Wege werden sich trennen – und das nicht nur unter den Schülerinnen und Schülern: Vera gesteht Dr. Bente, dass sie Fritz noch immer liebt, und trennt sich von ihm. Fritz und Silke stecken jedoch bereits mitten in ihren Hochzeitvorbereitungen, die Eheschließung soll offenbar übers Knie gebrochen werden. Vera reagiert schwer genervt, dass man sie darin involviert, und lädt Fritz noch einmal zum Essen ein. Dr. Bente platz herein und verplappert sich wutentbrannt. Fritz und Vera sprechen sich daraufhin aus. Fritz hat unter der damaligen Trennung von Vera sehr gelitten und will nicht das Gleiche noch einmal durchmachen müssen. Aufgedonnert erscheint Vera auf dem Polterabend – und knutscht wieder mit Fritz, der sie trotzdem nicht zurücknimmt. In der Kirche jedoch verweigert er das Ja-Wort und schnappt sich Vera! Auch andere ehemalige Antipoden finden überraschend zusammen: Chauvi Mario gesteht Goth-Punkerin Antonia aus heiterem Himmel seine Liebe, die sich daraufhin tatsächlich Mario öffnet und mit ihm ins Bett geht – ausgerechnet kurz vor Marios Abschied vom Internat. In dieser Folge explodiert der Soap-Overkill, nicht nur Vera und Fritz erweisen sich als vollkommen unzurechnungsfähig und eigentlich dringend therapiebedürftig. Anstatt endlich reinen Tisch mit Stefan zu machen und ihre einstige innige Beziehung wieder aufzugreifen, stürzt sich Antonia ins nächste Unglück mit einem eitlen, selbstgerechten Gockel und Womanizer, und nach dem Eklat in der Kirche wird ausgelassen gefeiert, als sei Fritz‘ gegenüber Silke ultrafiese Nummer die einzig richtige Entscheidung gewesen. Manch Zuschauer dürfte sich gefreut haben, Antonia mal wieder oben ohne zu sehen, ansonsten bereitet dieser Auftakt zum Staffelfinale aber mehr Stirnrunzeln und Kopfzerbrechen als gute Unterhaltung. Doch es ging noch schlimmer:

In der vierzehnten und letzten Episode der zweiten Staffel befinden wir uns in den Sommerferien. Grobi ist vorzeitig von zu Hause ins Internat zurückgekehrt, auch Antonia ist schon wieder da. Vera und Fritz renovieren ein altes Bauernhaus, das sie gemeinsam beziehen wollen. Doch als Fritz Vera während einer Autofahrt überraschend einen Heiratsantrag macht, scheint sie in eine Schockstarre zu verfallen. Der Vorfall resultiert in einem leichten Unfall, bei dem sich Vera den Knöchel bricht. Fritz‘ kleine Nichte Maike (Gesche Blume-Werry, „Doppelter Einsatz – Missbraucht“) kommt zu Besuch bzw. übernimmt er für längere Zeit die Verantwortung für sie, da ihre Mutter in einer Klinik behandelt werden muss. Dies muss auch Vera, die am Esstisch erneut mit einem Krampfanfall zusammenbricht, Diagnose: Hirntumor! Diese verschweigt sie Fritz jedoch – und verstirbt plötzlich und unerwartet noch in dieser Folge, die sich damit für das schlimmstmögliche Staffelende entscheidet, das für Entsetzen sorgt nicht nur wegen Veras Tod, sondern vor allem aufgrund der überhasteten Herangehensweise, mit der sie anscheinend aus den Drehbüchern geschrieben werden musste. Das ist nicht nur schade für die Serie, sondern auch ärgerlich und unbefriedigend fürs Publikum. „Die Schule am See“ tat sich keinen Gefallen damit, sich gegen Ende dieser zweiten Staffel zu einem seifigen, unglaubwürdigen Melodram zu entwickeln. Das einzige, das dieser Folge positiv zu entnehmen ist, ist Antonias schwarze Goth-Punk-Garderobe – der Hammer und sicherlich feuchter Traum manch pubertierenden Zuschauers. Veras Serientod ist jedoch umso tragischer vor dem Hintergrund, dass Schauspielerin Mareike Carrière 2014 tatsächlich einem Krebsleiden erlag. Ob unter diesen geränderten Voraussetzungen eine dritte Staffel überhaupt funktionieren kann?
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Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Das Haus im Wald

„Vögel, die morgens singen, frisst abends die Katz.“

Der elfte Duisburger „Tatort“ um die Kommissare Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) wurde im Sommer 1985 erstausgestrahlt. Das Drehbuch stammt von Peter Adam, der auch Regie führte und damit seinen vierten und letzten Beitrag zu diesem Ermittlerduo leistete.

„Sagen Sie Schimanski, dass er ein Arschloch sei!“

Eine ihm unbekannte Frau namens Ulla (Christiane Lemm, „Bambule“) bittet Schimanski nach Feierabend um ein konspiratives Treffen in der „Bumerang“-Bar. Schimanski lässt sich darauf ein. Sie berichtet ihm, dass ihr Freund Michael „Mungo“ Mangold (Nicolas Brieger, „Die Reise nach Wien“), ein investigativer Journalist, plötzlich verschwunden sei, nachdem er einer heißen Sache auf der Spur gewesen sei. Entsprechende Beweismittel horte sie im gemeinsamen Zuhause, weshalb sie Schimanski zum abgelegenen Haus in Bruckhausen mitnimmt. Ulla macht jedoch einen etwas konfusen Eindruck, findet die Beweismittel zunächst nicht und Telefon und Auto versagen auch noch den Dienst, sodass Schimanski am nächsten Morgen nicht wegkommt – dabei hat er einen wichtigen Gerichtstermin. Plötzlich wird auf Ulla und Schimanski geschossen, woraufhin sich beide im Haus verschanzen müssen. Mit Eiermann Franz (Dominic Raacke, „Die Rache der Kannibalen“) stößt ein Dritter hinzu, der verletzt wird und im Haus um sein Leben bangen muss. Will man Ullas Freund Mungo ans Leder? Oder möchte jemand verhindern, dass Schimanski vor Gericht als Hauptbelastungszeuge in einem Mordfall aussagt?

„Wenn du ‘n Bulle bist, bin ich Ronald Reagan!“

Amüsanterweise wirkt es in der Kneipe auf die anderen Anwesenden so, als wolle Ulla Schimanski abschleppen. Schimmi holt erst mal ein paar Dosen Bier am Büdchen und fährt skeptisch bleibend mit Ulla mit. Als er schließlich bei ihr in Bruckhausen festsitzt, darf man Spekulationen anstellen, ob sich das Szenario womöglich in Richtung „Misery“ verschiebt oder Ulla ihn schlicht in eine Falle gelockt hat. Das einsetzende Belagerungsszenario mit einem bzw. mehreren lange Zeit nahezu unsichtbaren Gegnern lässt wiederum Erinnerungen an Carpenters „Assault – Anschlag bei Nacht“ aufkommen, den Peter Adam ganz bestimmt gesehen hatte. Das ist recht spannend inszeniert und bleibt es auch, als mit Franz, kurioserweise vom späteren Berliner „Tatort“-Ermittler Dominic Raacke gespielt, eine weitere Figur hinzustößt und sich angesichts der Situation mittels scharfer Schusswaffen zur Wehr setzen muss. Solche Schusswechsel sorgen ebenso für Action-Spitzen wie die spektakuläre Stuntszenze, in der Schimmi mit einem Motorrad verunfallt und angeschossen wird.

Bei der Polizei, bei der niemand von Schimanskis prekärer Lage weiß, übt man sich derweil in Kompetenzgerangel, an dem sich federführend Nasig (Rolf Zacher, „Der Formel Eins Film“) beteiligt, der sich nicht in die eigenen Ermittlungen im Fall Mangold pfuschen lassen will. Thanner jedoch versucht beharrlich, seinen Kollegen ausfindig zu machen und ermittelt im Umfeld der „Bumerang“-Bar. Mit dem Auftauchen des Gangsters Sonnys (András Fricsay, „Der Rekord“) auf Ullas Grundstück erhält die Bedrohung schließlich ein Gesicht und ein Motiv. Dem ungesund verrückt und gefährlich gewaltbereit anmutenden, mit Lust zur Überzeichnung von András Fricsay gemimten Blondling ist zu entnehmen, worum es wirklich geht, sodass sich die Geschichte nach und nach entspinnt. Schimanski nennt er stets einen „Kaffer“ und nimmt ihm zunächst gar nicht ab, dass es sich bei ihm um einen Bullen handelt…

Das Ambiente eines abgeschieden an einem Waldgebiet liegenden, ein Gefühl von Isolation und Ausgeliefertsein vermittelnden Hauses geht zu Ungunsten des urbanen Ruhrpott-Lokalkolorits, das so viele andere Duisburger „Tatorte“ ausmacht, stellt aber zugleich eine reizvolle Abwechslung dar, aus der Peter Adam einiges an unbehaglicher Stimmung herauskitzelt. Das Verhältnis zwischen Schimanski, Ulla und auch Franz bleibt stets ambivalent, ein gewisses Maß an Misstrauen untereinander bleibt bestehen und macht aus der Situation des ungleichen Trios eine Art Kammerspiel mit psychologischer Komponente. Schade ist, dass man über Mungo und seine Beweggründe kaum etwas erfährt – er lebt quasi nur in den Erzählungen anderer, die alle ein unterschiedliches Bild von ihm haben und weitertragen. Dieses Ungreifbare, Diffuse, das ihm dadurch anhaftet, passt aber wiederum zu diesem stilistisch aus der Reihe fallenden „Tatort“.

Trivium: Es gibt zwei Querverbindungen zu Thomas Gottschalk: András Fricsay hatte ein Jahr zuvor in „Zwei Nasen tanken Super“ mitgespielt und das Waldhaus befindet sich eigentlich im bayrischen Inning, wo es einst von Gottschalk bewohnt wurde. (Quelle: Wikipedia)
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Tatort: National feminin

„Dieser Fall ist extrem heikel.“

Der dritte „Tatort“ des Göttinger Ermittlungsduos Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) führt ins neurechte Milieu. Das Drehbuch Daniela Baumgärtls und Florian Oellers verfilmte Franziska Buch, die zuvor bereits mit der Inszenierung des ersten Lindholm/Schmitz-Falls „Das verschwundene Kind“ in der öffentlich-rechtlichen Krimireihe debütiert hatte. Am 26. April 2020 erfolgte die Erstausstrahlung in der ARD.

„Sie sind eine verachtenswerte Frau!“

Juristin und Uni-Dozentin Sophie Behrens (Jenny Schily, „Die Stille nach dem Schuss“) hat sich in den 1980ern und ‘90ern selbst an der feministischen Bewegung beteiligt, schleudert jetzt jedoch Standardwerke feministischer Literatur verächtlich ins Auditorium. Längst ist die offen lesbisch lebende Frau mit ihren mittlerweile reaktionären bis rechtsextremistischen Ansichten zum Vorbild für die Neue Rechte geworden, die Behrens‘ Karrieresprung zur Bundesverfassungsrichterin auch als politischen Teilerfolg feiert. Mit Unbehagen verfolgt deren politischer Gegner diese Entwicklung, während Behrens‘ Auftritt an der Universität versucht ein junger Mann einen Farbbeutelanschlag auf sie. Gestoppt wird er jedoch von Behrens‘ studentischer Hilfskraft Marie Jäger (Emilia Schüle, „Simpel“), Mitglied der rechtsextremen „Jungen Bewegung“ und hippe, attraktive Videobloggerin, die pseudofeministische Standpunkte mit ausländer- und islamfeindlicher Propaganda vermischt. Am Abend wird Marie in einem Waldstück getötet, jemand schlitzt ihr die Kehle auf. Die Ermittlungen ergeben, dass Behrens eine Affäre mit Marie hatte und Marie zugleich von einem Stalker verfolgt worden war, eine entsprechende Anzeige gegen Unbekannt liegt der Polizei vor. Für die rechte Szene ist klar: Der Stalker ist der Mörder und die Polizei vertuscht dessen Migrationshintergrund. Während der nationalistische Pöbel das Internet mit Lügen und Hetze überzieht, ermitteln die Kommissarinnen Charlotte Lindholm und Anaïs Schmitz in verschiedene Richtungen und schauen sich die Mitglieder „Jungen Bewegung“ ebenso genauer an wie Maries Privatleben und ihre Beziehung zu Behrens…

Uralte Ressentiments, ein antiquiertes Menschenbild und Rückwärtsgewandtheit bis ins dunkelste Kapitel deutscher Geschichte hinein – verdorbener Wein in neuen Schläuchen ist das, was sog. neurechte Aktivistinnen und Aktivisten populistisch verbreiten und damit den Nährboden für Hass und Gewalt gegen Minderheiten sowie eine vergiftete gesellschaftliche Diskussionskultur schaffen. Dabei geben sich sie sich im krassen Widerspruch dazu demonstrativ modern, hip und jugendlich, führen spektakuläre, aufsehenerregende und medienwirksame Aktionen durch und versuchen, sich als eine Alternative zu präsentieren, die lediglich mit „politisch korrekten Denkverboten“ breche. Tatsächlich findet sich diese Klientel zunehmend auch im bildungsbürgerlichen und studentischen Milieu, wo sie ihrem Wirken einen intellektuellen Anstrich zu geben versucht. In dieses unappetitliche Wespennest sticht dieser „Tatort“. Er integriert nicht nur private Handyvideos des Mordopfers in die audiovisuelle narrative Gestaltung, sondern auch Auszüge aus seinem Videoblog, in dem Marie über Gewaltverbrechen von Immigranten gegen deutsche Frauen schwadroniert, aber geflissentlich verschweigt, wie viele Deutsche in unschöner Regelmäßigkeit Gewalt gegen Frauen ausüben.

Die neurechte Argumentation wird sehr realitätsnah aufgegriffen und verarbeitet, ihre Folgen wie Hass- und Hetzkommentare in sozialen Internet-Netzwerken werden über die Kamerabilder gelegt. Moderne Medien und ebensolche Technik spielen generell entscheidende Rollen in diesem Fall: So flucht die Polizei über den von Marie verwendeten Krypto-Messenger und – und das ist einer der größten Schwachpunkte dieses „Tatorts“ – kann den Fall letztlich nur lösen, indem sie diesen geknackt bekommt. Nein, verehrte Drehbuchautor(inn)en, Polizeiarbeit muss auch ohne solche Maßnahmen funktionieren und es ist gut und sinnvoll, dass es verschlüsselte Kommunikationsmittel gibt – auch wenn sie mitunter von Verbrecher(inne)n missbraucht werden.

Vieles verlagert dieser „Tatort“ auf die persönliche Ebene. So stellt sich heraus, dass nicht nur Maries Beziehung zu Behrens eine Rolle spielt, sondern dass auch zu zwei männlichen Personen bedeutsame persönliche Beziehungen existierten, die im weiteren Verlauf aneinandergeraten werden. Auch Lindholm und Behrens kennen sich schon länger, sehr lange, von früher. Behrens stellt Lindholms Lebensentwurf infrage und analysiert deren momentane Lage recht genau, um sie anschließend mit den ihr immanenten Widersprüchen zu konfrontieren. Nein, als voll berufstätige Frau ist die Situation als alleinerziehende Mutter eines Kinds alles andere als einfach und weit entfernt vom Idealbild einer sowohl beruflich Karriere machenden als auch ihrer Familie vollauf gerecht werdenden Frau. Die Lösung solcher und ähnlicher Dilemmata ist indes natürlich nicht in antiemanzipatorischen Rückwärtsrollen, sondern im sozialen Bereich zu suchen, um den Status alleinerziehender Frauen zu verbessern – unabhängig ihrer Herkunft. Angesichts bisweilen etwas wie aufgesagte Kurzvorträge wirkender Argumentationen Lindholms gegen das krude Geschlechter-, Gesellschafts- und Weltbild der Jungfaschos erscheint das Schweigen des Dialogbuchs an dieser Stelle etwas befremdlich. Lindholm soll sich ertappt und ein Stück weit verstanden fühlen, aber weshalb ist sie plötzlich so auf den Mund gefallen? Vielleicht ist sie in dieser von der Melancholie und auch Wut Behrens‘ geprägten Szene auch einfach nur müde.

Auf rein persönlicher Ebene spielt sich auch die sich offenbar anbahnende Dreiecksbeziehung zwischen Rechtsmediziner Nick (Daniel Donskoy) und Anaïs Schmitz und Lindholm ab: Dass Nick und Anaïs Schmitz ihren Hochzeitstag feiern, hält Nick und Lindholm nicht davon ab, miteinander zu schäkern und zu flirten. Es lässt sich unschwer erahnen, worauf man die Zuschauerschaft damit vorbereiten möchte. Bitte nicht!

So gar keine persönliche Ebene will sich hingegen zwischen den Mitgliedern der „Jungen Bewegung“ und Kommissarin Schmitz einstellen. Das kann man ihr nicht verübeln, denn so abgeklärt sich das ihr gegenübersitzende Trio zunächst auch geben mag – bei Sven Ulbrich (Leonard Proxauf, „Der Kommissar und das Meer“) fällt alsbald die Maske und er beleidigt Schmitz offen rassistisch, die wiederum nicht zulässt, dass sie dessen Ausfälle berühren, zumindest zeigt sie dies nicht offen. Schmitz‘ und Lindholms Vorgesetzten jedoch gefällt die Entwicklung der Falls gar nicht, weshalb er den Beamtinnen entzogen und dem LKA überantwortet wird – was Lindholm und Schmitz indes nicht davon abhält, auf eigene Faust weiter zu ermitteln. Die sich daraus ergebenden Erkenntnisse bringen nicht nur einen weiteren Videoblog ins Spiel, sondern nivellieren scheinbare Unvereinbarkeiten und lassen sich als Plädoyer für den Abbau ideologischer Scheuklappen verstehen. Der damit einhergehende Aufruf an politische Gegenpole, miteinander die Diskussion zu suchen, mutet jedoch reichlich naiv an. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass sich dies hier lediglich in einem amourösen Mikrokosmos abspielt und kein Anspruch auf Allgemeingültig erhoben wird.

Jedoch wird eben jener personifizierte politische Gegenpol zu Marie lediglich derart grob skizziert, dass letztlich einige Fragen offenbleiben und sein Handeln nicht immer vollumfänglich nachvollziehbar ist. „Neurechter“ Argumentation hingegen wird recht viel Platz eingeräumt und, wie bereits angerissen, nicht immer direkt widersprochen. Derartige politische Themen bis hin zur Täterfrage im Mordfall auf persönliche Beziehungsebenen herunterzubrechen, ist beinahe charakteristisch für viele Beiträge zur „Tatort“-Reihe und sicherlich streitbar. In diesem Falle bietet es jedoch die durchaus überzeugend genutzte Möglichkeit, das gesellschaftlich beschämenderweise noch immer hochgradig relevante Thema des Femizids aufzugreifen, womit sich der Kreis zu Maries Videoblog-Beitrag schließt. Ferner lässt sich zumindest zeitweise eine Verbindung reaktionärer bis rechtsextremistischer Einstellungen mit persönlichem Frust und Realitätsverlust/-verweigerung erahnen – und die Chance ihrer Überwindung durch stärkere, verbindende Kräfte. Die Kitsch-, Klischee- und Krawallarmut, mit der dieser im Vorfeld gut recherchierte „Tatort“ dabei vorgeht, fällt ebenso positiv auf wie die starken (und stark gespielten!) weiblichen Rollen, die mit ihren Paradoxien zum Nachdenken anzuregen, ohne sie vorzuführen. Dennoch handelt es sich bei „National feminin“ um eine gewagte Gratwanderung, die vielleicht nicht immer die richtige Balance findet. Denn wer hier eigentlich eine Verfassungsrichterin wird und was das für die Bundesrepublik Deutschland bedeuten könnte, gerät am Ende ziemlich in Vergessenheit.
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jerks.

Definiere Fremdscham

Die deutsche SitCom „jerks.“ wurde von der Produktionsfirma „Talpa Germany“ für den Video-on-Demand-Anbieter maxdome produziert, wo die erste, zehn Epsioden à 21 bis 27 Minuten umfassende Staffel ab 2017 zu sehen war. Kurz darauf strahlte sie der Privatsender Pro7 aus. 2018 und 2019 folgten Staffel 2 und 3 mit jeweils zehn weiteren Episoden. Die Regie übernahm mit Christian Ulmen einer der Hauptdarsteller, die Drehbücher stammen von verschiedenen Autorinnen und Autoren, u.a. Johannes Boss und Murmel Clausen. Es handelt sich um eine Adaption der dänischen Serie „Klovn“, die von 2005 bis 2018 produziert wurde. Diese wiederum war inspiriert von der US-Serie „Curb Your Enthusiasm“, die wiederum Pate für „Pastewka“ stand, sodass sich einige Parallelen ergeben:

Die Entertainer/Schauspieler Christian Ulmen („Herr Lehmann“) und Fahri Yardım („Kebab Connection“) leben mit ihren Freundinnen Emily Cox („Dutschke“) und Pheline Roggan („Russendisko“) in Potsdam und sind eng miteinander befreundet. Beide geraten von einem Schlamassel in den anderen und lassen kein Fettnäpfchen aus, streiten sich, vertragen sich und versuchen immer wieder, mit ihrer egoistischen, auf den eigenen Vorteil bedachten Lebenseinstellung und ihren vielen Notlügen durchzukommen. Neben ihren Lebensgefährtinnen sind oftmals Freundinnen und Freunde sowie Kolleginnen und Kollegen aus der Unterhaltungsbranche oder Familienangehörige die Leidtragenden…

Was Bastian Pastewka mit „Pastewka” in Deutschland vorgemacht hatte, führen Ulmen, Yardim & Co. fort: Sie geben vor, sich selbst zu spielen, spielen jedoch Alter Egos, die ihr Publikum von einem Fremdschammoment in den nächsten jagen. „jerks.“ ist dabei wesentlich krawalliger, aber auch bewusst peinlicher als der meist subtilere „Pastewka“ und geht in schöner Regelmäßigkeit dahin, wo’s richtig wehtut. Ulmen und Yardim kennen keine Tabus, „jerks.“ ist sexualisiert und vulgär. Ständig verstricken sie sich in absurde Lügenkonstrukte, plaudern intimste Details aus – auch gegenüber völlig Fremden – und reden sich um Kopf und Kragen, hauen sich aber stets gegenseitig in die Pfanne, sobald es auch nur ansatzweise eng wird, sodass ihre Freundschaft oft auf eine harte Probe gestellt wird. Bei Ulmen und Yardim treffen soziale Inkompetenz auf soziale Inkompetenz, einmal in seiner verpeilt-trotteligen und einmal in seiner schnoddrig-prolligen Erscheinungsform. In „jerks.“ sind sie sich wirklich für nichts zu schade. Je pikierender und ehrrührender etwas anmutet, desto geeigneter scheint es für diese Serie.

Besonderheiten der SitCom sind darüber hinaus zum einen die meist improvisierten Dialoge, die hier vorzüglich gelungen sind und den einzelnen Episoden trotz ihrer oftmals arg konstruierten Drehbücher einen Anstrich von Authentizität verleihen und in ihrer Trockenheit begeistern. Zum anderen sind es die Gastauftritte zahlreicher Kolleginnen und Kollegen: Während Ulmens tatsächliche Ehefrau Collien Ulmen-Fernandes zur Stammbesetzung als seine Ex-Frau (!) zählt, geben sich Personalien wie Sido, Charlotte Würdig, Nora Tschirner, Andreas Bourani, Palina Rojinski, Joko & Klaas oder Marcel Reif die Klinke in die Hand und lassen sich ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste durch den Kakao ziehen. Jedoch schreckte man auch nicht vor der Verpflichtung solcher Ekelpakete wie Möchtegern-Rapper und Schnullerbacke Kenneth Glöckler oder des rechtspopulistischen Sat.1-Pseudojournalisten Claus Strunz zurück.

Die Figurenkonstellation ändert sich, als Christian Ulmen in Staffel 2 mit der sich ebenfalls selbst spielenden „Gefühlsspastikerin“ Jasna Fritzi Bauer („Bornholmer Straße“) zusammenkommt. In Staffel 3 kehrt er jedoch – natürlich nicht konfliktfrei – zur bezaubernden Emily Cox zurück, die in „jerks.“ irritierenderweise mehrfach als korpulent konnotiert wird. Da dies sehr offensichtlich in keiner Weise auf sie zutrifft, habe ich diesbezüglich entweder den Witz nicht verstanden oder die Autoren haben etwas verbaselt. Der „jerks.“-Humor beherrscht durchaus auch hintersinnige Komik und etwas leisere Töne, sensibilisiert z.B. für die Tücken des Smalltalks, lässt seine Protagonisten vor allem aber jedes Fettnäpfchen mit Anlauf nehmen – und geht sogar darüber hinaus: Im ersten Staffelfinale bleibt einem das Lachen sehr wahrscheinlich im Halse stecken, wenn einer der beiden Vollidioten den Tod der Wachkomapatientin Muriel (Gisa Flake, „Little Thirteen“) zu verantworten hat – und damit durchkommt. Eher entsetzlich als witzig mutet es an, wenn ein ohnehin schon immer etwas eigenartig wirkender Freund (Nils Dörgeloh, „Coming In“) Christians und Emilys von seinem Sex mit ihr berichtet, während man als Zuschauerin oder Zuschauer weiß, dass sie sich kurz vor ihrer Erkrankung eigentlich von ihm trennen wollte. Und auch über das Thema Krebserkrankungen kann sicherlich nicht nur ich ebenso wenig lachen. „jerks.“ scheint diese Nadelstiche jedoch bewusst zu setzen und will an persönliche Humorgrenzen seines Publikums führen, das sich plötzlich damit konfrontiert sieht, sich mit Behindertenfeindlichkeit, Sexismus und ähnlichen unappetitlichen Themen auseinandersetzen zu müssen.

Einige Episoden entsprechen originalgetreuen Neuverfilmungen von „Klovn“-Episoden, deren Hauptdarsteller Frank Hvam und Casper Christensen auch einen „jerks.“-Gastauftritt absolvieren. Andere Folgen wiederum stammen aus eigener Autor(inn)enfeder. Bei beiden Varianten wirkt es häufig, als habe man aus einem Pool peinlichster Situationen, die anderen wiederfahren sind und die auf einen Aufruf o.ä. hin eingesandt wurden, auswählen können und diese auf Ulmen und Yardim reduziert bzw. in dieser Serienform verdichtet. Inkohärent ist dabei leider die Kontinuität, denn obwohl die einzelnen Episoden aufeinander aufbauen und horizontale Erzählstränge aufweisen, scheinen manche eigentlich folgenreichen Ereignisse der einen Episode in der nächsten bereits vergessen, als hätten sie nie stattgefunden. Dass man es nötig hat, eine einzelne Folge (S3E3) von einem Keksriegelhersteller sponsern zu lassen, mutet ebenfalls etwas befremdlich an.

Nichtsdestotrotz ist der Dampframmenhumor der Serie in seiner Radikalität erstaunlich und bemerkenswert, nicht selten an der Grenze zur Unerträglichkeit und manchmal auch so sehr darüber, dass man kaum noch hinschauen kann und sich das Lachen stärker aus dem ungläubigen Staunen über das, was man hört und sieht, heraus generiert als aus der eigentlichen Komik der Pointen. Eine vierte Staffel ist bereits avisiert.
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Mädchen Mädchen

Kurz vor Ausbruch der sexuellen Revolution debütierte der in Mannheim geborene Regisseur Roger Fritz, der dem Neuen Deutschen Film zugerechnet werden kann, mit dem Liebesdrama „Mädchen Mädchen“ nach einem Drehbuch Eckhart Schmidts, das im Januar 1967 in die westdeutschen Kinos kam.

Der minderjährige Backfisch Andrea (Helga Anders, „Das Rasthaus der grausamen Puppen“) hatte eine Affäre mit ihrem Chef (Hellmut Lange, „Im Nest der gelben Viper“), einem Fabrikbesitzer, woraufhin sie ins Erziehungsheim und er ins Gefängnis gesteckt wurde. Einige Tage vor dessen Entlassung befindet sich Andrea bereits wieder auf freiem Fuß und lernt alsbald den Sohn (Jürgen Jung, „Bübchen“) ihres Liebhabers kennen. Beide verlieben sich ineinander…

Nach einer den Film eröffnenden Texteinblendung des sexuellen Missbrauchsparagraphen wird man Zeuge der Annäherungen zwischen den jungen Menschen und ihren daraus resultierenden Versuchen, so etwas wie eine Beziehung miteinander aufzubauen. Fritz und Schmidt wählten dafür solch kontrastreiche Handlungsorte wie graue Fabrikanlagen, Naturidylle und eine Münchener Discothek. Andrea erweckt dabei den Eindruck eines orientierungslosen, jedoch charakterlich weitestgehend unverdorbenen Findelkinds aus prekären familiären Verhältnissen, während ihr Freund aufgrund ihrer Affäre mit seinem Vater von innerer Wut und Zweifeln geplagt ist.

Die Liebesszenen sind mitnichten aufreizend oder gar sexploitativ umgesetzt worden, sondern mit einem ausgeprägten Sinn für geschmackvolle Bildästhetik. Mehrmals lässt sich der Film Zeit für schwelgerische Szenen jugendlicher Unbekümmertheit in malerischem Ambiente. Ein gutes Ende nimmt die Geschichte jedoch nicht, denn nach der Haftentlassung des Fabrikchefs fügt sich sein Sohn seiner Autorität und ordnet sich ihm wieder unter. Unter diesen Umständen hat die Beziehung zwischen Andrea und dem Junior keine Zukunft. Die Haushälterin (Renate Grosser, „Eine hübscher als die andere“), die das „Eindringen“ Andreas in die Familie von vornherein argwöhnisch betrachtet hatte und ihre Rolle als Frau des Hauses in allen erdenklichen Rollen für beide Männer gefährdet sah, freut sich über die Wiederherstellung des Status quo, über dessen Hüterin sie zu werden scheint, wenn sie grinsend am Ende die Türe schließt.

Der vollkommen unaufgeregt erzählte „Mädchen Mädchen“ ist aus heutiger Sicht langatmig und unspektakulär inszeniert, zudem noch in Schwarzweiß, seine Spannungsversprechen bzw. vielmehr dramaturgischen Suggestionen hinsichtlich einer expressiven Eskalation bleiben uneingelöst. Er entwirft aber ein Sittenbild der damaligen konservativen Gesellschaft, deutet einen Generationskonflikt an bzw. kritisiert dessen Ausbleiben und thematisiert familiäre, patriarchale Zwänge. Ferner wirkt sein Inhalt wie eine Parabel auf die Klassengesellschaft, wenn die vermögende obere Mittel- oder Oberschicht in Person des Vaters die unterprivilegierte Unterschicht in Person Andreas ausnutzt und deren sich in der Entwicklung begriffenes Aufstreben und die damit einhergehende Einflussnahme auf den eigenen Herrschaftsbereich unterbindet. Die angestellte Haushälterin wird dabei zur Klassenverräterin, da sie mit dafür sorgt, dass alles so bleibt und sich in ihre Rolle einfügt, sich mit ihr zufrieden gibt, statt sich mit Andrea und dem, was sie verkörpert oder symbolisiert, zu solidarisieren. Fritz und Schmidt zeichnen damit ein Gesellschaftsbild, das zurecht kurz darauf erschüttert und kräftig durchgerüttelt wurde.
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(Tatort:) Zahn um Zahn

Deutsch-französischer Kulturaustausch

„Faust auf Faust – hart, ganz hart, alles das kannst du verdauen, doch gib zu: zart, ganz zart, hat ihre Hand dich umgehauen. Und das ist hart für Schimmi – dein ganz privater Krimi.“

Im Oktober 1985 war es soweit: Götz George und Eberhard Feik feierten in ihren Rollen als Duisburger „Tatort“-Ermittler Horst Schimanski und Christian Thanner Kinopremiere! Ihr zwölfter gemeinsamer Fall war zugleich der 200. „Tatort“ – und wurde unter der Regie des Duisburg-„Tatort“-Routiniers Hajo Gies nach einem Drehbuch Horst Vocks und Thomas Wittenburgs zu einem dem Zeitgeist entsprechenden Action-Krimi, der tatsächlich Kinoformat aufwies.

„Ich hab‘ nicht mehr geschlafen, seit ich dich zur Polizei geholt habe!“

In Duisburg geht es hoch her: Grassmann (Charles Brauer, „Neonstadt“), Inhaber von Industriewerken, lässt Wohnsiedlung abreißen. Erbitterter Widerstand formiert sich, Häuser werden besetzt, Molotow-Cocktails geworfen und sich Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Schimanski sitzt relativ ungerührt in einer Kneipe, bis Thanner dazustößt und man sich gemeinsam auf den Weg zu einem Einsatz macht: Alf Krüger, ehemaliger Buchhalter der Grassmann-Werke, und seine Familie werden tot in ihrer Wohnung aufgefunden, lediglich die jüngste Tochter hat sich unterm Bett versteckt und dadurch überlebt. Die Polizei geht von einem erweiterten Selbstmord aus, doch Schimmi hegt Zweifel. Mithilfe einer Motorradgang verschafft er sich Zugang zu Grassmanns Villa, wird nach seinem rüpelhaften Auftritt dort jedoch suspendiert. Als er zum Tatort zurückkehrt, trifft er auf die attraktive Journalistin Ulli (Renan Demirkan, „Super“) und fordert sie auf, sich aus den Ermittlungen herauszuhalten. Dennoch fühlt er sich zu ihr hingezogen und verbringt eine Nacht mit der eigentlich verheirateten Frau. Zugute kommt ihm, dass sie einige Unterlagen aus der Wohnung der Krügers entwendet hat, die nun auch er auswerten kann. Schimanski fliegt gegen alle Widerstände nach Marseille, denn eine Spur führt zu einem Komplott von Veteranen der Fremdenlegion. Auch Ulli hat sich auf den Weg nach Südfrankreich gemacht…

„Kein Schwanz ist so hart wie das Leben!“

Zu Bildern einer Haussprengung ertönt Klaus Lages fantastisches Titelstück „Faust auf Faust“, Rocker auf Motorrädern werfen Mollies, Randale und Straßenschlachten, Explosionen und brennende Barrikaden – vergesst die Bronx, this is Duisburg! Tatsächlich haben diese Szenen im damaligen Arbeitskampf aufgrund zahlreicher Werksschließungen und dem mit ihnen einhergehenden Leerstand ehemaliger Arbeitersiedlungen einen ganz realen Hintergrund, womit auch dieser Kino-„Tatort“ sein ausgeprägtes Bewusstsein für gesellschaftliche und soziale Themen unter Beweis stellt. Dieser fulminante Auftakt liefert perfekt choreographierte und gewiss zahlreichen Komparsen viel Spaß bereit habende Szenen, wenngleich etwas befremdlich wirkt, weshalb die Rocker sogar mit Granaten werfen und unklar bleibt, auf wessen Seite sie eigentlich stehen. Womöglich ging es Gies aber auch schlicht um eine möglichst eindrucksvolle Darstellung von Chaos und Anomie. Eine solche Motorrad-Gang dirigiert Schimanski im weiteren Verlauf, als wäre er ihr Präsi, und zeigt den ersten von mehreren eindrucksvollen Stunts. Zusammenschlagen lassen muss sich der harte Horst jedoch ausgerechnet von der zartgliedrigen Ulli, deren Mann er nach einer gemeinsamen Nacht mit ihr kennenlernt…

„Reblaus? Ich kenn‘ nur Filzlaus!“

Auch Schimmis geplante Marseille-Reise verläuft nicht zwischenfallfrei: Thanner verhaftet den suspendierten Kollegen am Flughafen, doch Schimmi schlägt ihn k.o. und kann den Flug trotzdem antreten. In seinem Zimmer erwarten ihn jedoch ein toter Mittelsmann und die französische Kripo. Und diese ist genauso wenig von der Stippvisite des Duisburger Kollegen begeistert wie Fremdenlegionär Pierre Hacker (Rufus, „Der Mieter“). Während die Kamera malerische, Fernweh weckende Bilder der französischen Mittelmeerküste präsentiert, illustriert die Handlung die Hassliebe zwischen Schimmi und Ulli, die mal mit- und mal gegeneinander arbeiten, in jedem Falle aber einer großangelegten Verschwörung auf der Spur sind. Als subtiler Running Gag hält her, dass der bedauernswerte Deutsche einfach kein Bier bekommt.

„Monsieur Schimanski de Duisburg!“

Actionreiche, schöne Kampfchoreographien und coole Schimmi-Moves gehen mit einer prächtigen, sonnigen ‘80er-Atmosphäre einher. Sowohl Schimanski als auch Ulli werden oberkörperfrei ins Bild gerückt, Klaus Lages (Hard-)Rock untermalt zahlreiche Szenen und setzt sich im Ohr fest. Da Schimanski nicht nur den eigentlichen kreuzgefährlichen Feind sondern auch sowohl die französische als auch die deutsche Polizei gegen sich hat, wäre er auf sich allein gestellt, wäre da nicht Ulli – in der Konsequenz fast so etwas wie eine „Zu zweit gegen den Rest der Welt“-Außenseiterromanze, würde man die Mithilfe Alf Krügers Vaters (Herbert Steinmetz, „Berlin Alexanderplatz“) unterschlagen. Und in der Tat: Selbst zurück in Deutschland kann Schimmi den ehemaligen Kollegen nicht mehr vertrauen und muss Hilfe in der Unterwelt suchen. Was genau es mit den Immobilienkonflikten auf sich hat, geht jedoch leider etwas in Nebendialogen unter; markiger, schnoddriger oder aggressiver Meinungsaustausch genießt Priorität.

„Ihr Kollege Thanner hat wirklich recht: Sie sind ein Arschloch!“

Inklusive seines an Western gemahnenden finalen Duells ist „Zahn um Zahn“ über weite Strecken eine äußerst gelungene Mischung aus europäischen und US-amerikanischen Action-Vorbildern mit der deutschen Realität und dem bis dahin elf Episoden lang aufgebauten Duisburger „Tatort“-Universum, das sowohl jeglichen reaktionären politischen Unterton ausspart als auch auf den Ein-Mann-Armee-Quatsch der Amis verzichtet. So, also nicht auf die dumme Tour kommend, macht Actionkino wirklich Spaß. Diesen Spaß jedoch wollte man dem Publikum dann doch noch ein Stück weit nehmen und schloss mit für meinen Geschmack einer Explosion zu viel den Kreis zum ja bereits bedrückenden Beginn mit einer beinahe komplett ausgelöschten Familie und einem traumatisierten Kind. Andererseits wird „Zahn um Zahn“ damit zum Ende noch um eine tragische Note reicher und mündet in einer Pointe mit durchaus nachdenklicher Komponente, die die Polizei infragestellt und Fragen um Selbstjustiz aufwirft.

„Schimanski ist zurück, die erste Leiche haben wir schon!“

In Sachen Action war „Zahn um Zahn“ der vorläufige Höhepunkt der kultgewordenen Duisburger „Tatort“-Reihe, der aber auch über Blechschäden, Schusswechsel, Prügeleien und Pyrotechnik hinaus sehr viel richtig gemacht hat – etwas, wovon ein „Nick Tschiller“ heute nur träumen kann. Der Konflikt zwischen Schimanski und der Polizei sowie seine Zusammenarbeit mit einer Journalistin gingen jedoch zu Ungunsten Eberhard Feiks, dessen Figur Thanner hier auf die undankbareren Plätze verwiesen wird. Als aalglatter Schurke seine Leinwandwirkung unter Beweis stellen durfte hingegen Charles Brauer, der ebenso wie Nebendarsteller Martin Lüttge später selbst zum „Tatort“-Kommissar avancieren sollte.

„Sie will wie du auch zu viel wissen, auch ihr ist keine Spur zu heiß. Hinter Kohlenpottkulissen wäscht Kohle manche Weste weiß. Und die Kohle fällt nach oben; an solchen Herren hat sich allein schon mancher einen Bruch gehoben, doch ihr beide wart schon zwei…“
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Die Schule am See

Staffel 3

Nie mehr Schule

Ohne Pause, also im direkten Anschluss ans Finale der zweiten Staffel, folgte ab Februar 2000 die dritte und letzte Staffel:

In deren erster Episode sind die Sommerferien vorbei, Vera tot und viele Figuren aufgrund bestandenen Abiturs verschwunden. Dafür kommen neue: Max‘ (Patriq Pinheiro, „Gegen Ende der Nacht“) Eltern sind bei einem Botschafter angestellt, der von Deutschland nach Togo wechselt. Sie folgen ihm und stecken ihren Sohn ins Internat, wo er dem Prinzenhaus zugewiesen wird, dort gern etwas „Besseres“ wäre und sich deshalb als Diplomatensohn ausgibt. Ein weiterer neuer Mitschüler ist ein vollends unsympathischer neureicher Snob, der ins Seehaus zieht. Max würde auch gern in diese Wohngruppe wechseln, weil dort anscheinend zwei Mädels auf ihn stehen und er die Nähe zum Snob sucht. Freundschaftlich steht er zwischen jenem Snob und dem unprivilegierten Grobi. Zusammen mit den beiden Mädchen seines Interesses und dem Snob besucht er eine Hamburger Nobel-Disco, was er sich eigentlich nicht leisten kann – doch er will „dazugehören“ und macht auf dicke Hose. Am nächsten Abend beteiligt er sich an einem Pokerspiel mit echten monetären Einsätzen, wofür er sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen 500 Mark von Grobis Ersparnissen leiht. Natürlich verliert er das Spiel. Um irgendwie an Geld zu kommen tritt er einen Aushilfsjob im Supermarkt an, den er jedoch alsbald wieder schmeißt. Es kommt, wie es kommen muss: Max‘ Lügenkonstrukt fliegt auf, als seine Mutter zu Besuch kommt und sich verplappert. Doch er boxt sich selbst aus der Scheiße und macht alles wieder gut. Auch im Kollegium gibt es Umwälzungen: Mit Eva Hausmann (Christina Große, „Girlfriends - Freundschaft mit Herz“) kommt eine neue Referendarin für Sport und Englisch ans Internat. Sie hat nicht nur eine ähnlich prominente Nase wie Vera, sondern weckt auch sofort Fritz‘ Interesse – Vera ist gerade wenige Wochen unter der Erde, da trifft sich Fritz schon mit der Neuen (vom Drehbuch nicht problematisiert). Und Dr. Blüm wurde erneut bei der Wahl des Schulleiters übergangen, sehr zu seinem Unmut besetzt mit Herrn Münch (Ulrich Wiggers, „Fieber – Ärzte für das Leben“) ein Mann aus der freien Wirtschaft den Posten. Mario kommt aus den USA zurück und tritt als Stephans Nachfolger die Zivildienststelle am Internat an. Dadurch ist er immer in Antonias Nähe, die ihr Abitur vergeigt hat und deshalb noch ein Schuljahr dranhängt. Doch sie zeigt ihm die kalte Schulter: Er habe sich während seiner Auslandsferien kein einziges Mal bei ihr gemeldet. Dabei hat er einen Liebesbrief geschrieben, den sie anscheinend nicht erhalten hat. Als dieser mit reichlich Verspätung doch noch ankommt, kommen Antonia und Mario wieder zusammen, doch nach der ersten gemeinsamen Nacht fällt ihm plötzlich ein, dass er eigentliche gar keine feste Beziehung will – dieses verachtenswerte Subjekt! Nun treibt es Mario mit der Kassiererin, was der Inszenierung Anlass für ein wenig Erotik gibt: Sie stellt ein Bein auf einen Stuhl, sodass man ihren Slip sieht, und zeigt sich in sexy Dessous. Dafür plappert sie jedoch nur Bockmist, weshalb Mario schnell genervt ist. Als er abhauen will, tritt sie ihm auch noch in die Weichteile. Wir wissen: Er hat‘s nicht anders verdient. Reumütig kommt er wieder bei Antonia angekrochen. An dieser Stelle zitierte ich einfach meine Originalnotiz: „Hoffentlich kommt er nicht damit durch… Er gesteht ihr seine Liebe, sie umarmt ihn – Drehbuchautor, fuck off!“ Die fragwürdige Moral dieses mit drei Erzählsträngen und einigen neuen Gesichtern etwas überfrachtet wirkenden Staffeleinstiegs: Sei du selbst, außer du kannst bei Antonia landen – dann sei wie Mario.

Episode 2 führt eine weitere neue Schülerin ein: Jule (Anke Kortemeier, „Kinderärztin Dr. Leha“) erscheint fünf Tage zu spät und legt sich direkt mit den Autoritäten des Internats an: „Das ist wie 'ne Militärkaserne hier!“ Überraschend kommt ihr Freund Hans (Oliver Broumis, „Stalingrad“) sie besuchen; doch damit nicht genug, denn Jule hat es faustdick hinter den Ohren: Auch Luigi erscheint unvermittelt auf der Bildfläche – ihr zweiter Freund! Luigi und Hans wissen nichts voneinander, doch Jule hält sich zunächst beide warm. Luigi will mit ihr nach Italien, doch das geht ihr zu schnell. Hans hingegen würde gern eine Weltreise mit Jule unternehmen. Als sie vom jeweiligen Nebenbuhler erfahren, machen beide mit Jule Schluss, wollen sie jedoch schnell wieder zurück. Jule muss über besondere Qualitäten verfügen… Letzten Endes entscheidet sie sich gegen beide und damit deren Pläne mit ihr – und beschließt, ernsthaft ihr Abitur am Internat zu versuchen. In der Nebenhandlung streiten sich die neue Sekretärin und Hausmeister Zierlich um Zivi Mario. Das Abschneiden alter Zöpfe, um sich auf einen neuen Lebensabschnitt zu konzentrieren bzw. etwas – die Schule – zu Ende zu bringen, geht hier eine Kombination mit einer ungewöhnlichen Figurenzeichnung ein: Jule erscheint rebellisch und egoistisch zugleich, aber auch selbstbewusst und mutig, wenn auch reichlich schamlos. Man darf gespannt sein, welche Impulse sie der Serie geben wird.

So richtig in Wallung kommt die Staffel aber erst mit der dritten Episode: Grobi verguckt sich in seine Mitschülerin Doro (Anja Knauer, „Die Inselärztin“) und kommt mir ihr zusammen. Seine überbordende Zuneigung äußert sich jedoch auch negativ in übertriebener Eifersucht, insbesondere auf ihren besten Freund Michi (Götz Behrendt, „Krücke“), mit dem sie viel Zeit verbringt. Er spioniert ihr nach und reagiert immer irrationaler und übergriffiger, doch noch verzeiht sie ihm. Als er jedoch jemanden zusammenschlägt, weil er glaubt, derjenige mache mit Doro rum, hat sie die Nase von seinem einengenden Verhalten voll und beendet die sich gerade erst angebahnt habende Beziehung. Der hier zunächst als Nebenhandlung eingeführte Erzählstrang dreht sich um Mario und seine bevorstehende Pianisten-Aufnahmeprüfung am Konservatorium. Er zeigt Nerven und droht, am Erfolgsdruck zu verzweifeln. Sein Griff zum Alkohol begräbt den „alten“ selbstbewussten, so sehr von sich eingenommenen Mario, wodurch er an Profil und charakterlicher Tiefe gewinnt. Schlimm sind jedoch die Szenen, die ihn als Schlager-Alleinunterhalter auf einer Geburtstagsparty zeigen. Sein sich entwickelndes Alkoholproblem und seine musikalischen Zukunftspläne werden im weiteren Verlauf der Staffel eine dominante Rolle spielen. Und Grobi musste die Erfahrung machen, dass seine Besitzansprüche insbesondere in einer noch so jungen Beziehung vollkommen unangebracht und kontraproduktiv sind – und er sie dadurch letztlich zerstörte.

Fritz‘ Bruder Frank (Michael Schweighöfer, „Selbstversuch“) – Maikes leiblicher Vater – taucht in Episode 4 unvermittelt auf und will Kontakt zu seiner Tochter, die er vor 13 Jahren im Stich gelassen hat. Nach einer Aussprache bietet er ihr sogar an, sie zu sich und seiner Familie nach Hause zu holen. Maike ist hin- und hergerissen, immerhin ist sie genervt von und eifersüchtig auf Fritz‘ neue Freundin Eva, seit sie bei Fritz und ihr eingezogen ist. Ihr pubertätsbedingtes Gefühlschaos macht das alles nicht leichter, sie stellt Fritz‘ Autorität infrage und schimpft (amüsanterweise) „Eva hat Hängetitten!“. Verständlich, dass es da zwischen Eva und Fritz zu kriseln beginnt. Die Nebenhandlung ist jedoch viel interessanter: Antonia interessiert sich für Journalismus und wird als Praktikantin bei einer Lokalzeitung genommen. Das Praktikum geht jedoch schief und Mario ist ihr keine große Stütze: Während sie mit dem misslungenen Praktikum hadert, fordert sie ihn auf, mit dem Saufen aufzuhören. Nach dem missglückten Hineinschnuppern ins Berufsleben fasst sie als Konsequenz den Entschluss, doch noch ihr Abitur zu versuchen. In Ansätzen zeigt diese Folge aufkeimende Beziehungsprobleme durch Alkohol- oder Drogenmissbrauch, aber auch, dass man sich von schulischen oder beruflichen Rückschlägen nicht unterkriegen lassen sollte, wobei ein Plan B gut behilflich sein kann. Dass es mit Mario noch eskalieren wird, lässt sich indes bereits erahnen.

Dies ist dann folgerichtig auch in der fünften Episode der Fall, einem der Höhepunkte der Staffel: Antonia nimmt private Nachhilfe, und zwar ausgerechnet bei Erzfeind Dr. Blüm. Dieser Umstand kommt jedoch einem Neuanfang der Beziehung beider „Parteien“ zueinander gleich, denn Antonia lernt den missliebigen Pauker als privat netten, umgänglichen Menschen kennen, der sogar mal in einer Jazzband spielte und von seiner Zeit als Musiker schwärmt. Mario spricht unterdessen weiterhin auf äußerst ungesunde Weise dem Alkohol zu, um damit die Anspannung vor seiner Pianistenprüfung zu bekämpfen. Seinen Zivildienst vernachlässigt er. Er gilt nun gemeinhin als Säufer, doch ihm wird auch Unrecht getan. Dramatisch wird’s, als Antonia spontan ihre Mathe-Abi-Prüfung abbricht, um Mario bei seiner Prüfung beizustehen. Immerhin verhindert sie dadurch, dass er sich Mut antrinkt. Ihr Beistand hilft ihm, die Prüfung gut durchzustehen, womit diese Folge eine ganz wichtige Aussage platziert: Ist man füreinander da, kann dies sehr viel Kraft spenden. Nur leider wird Mario dennoch nicht am Konservatorium zugelassen, man wirft ihm Disziplinlosigkeit vor. Er glaubt indes, dass man ihm vielmehr wegen seines Vaters einen reinwürgen wolle. Die Folgen sind fatal: Er trinkt wieder am Steuer und diesmal kommt es zu einem schweren Unfall – wenn auch in erster Linie, weil Antonia durchdreht. Diese landet schwerverletzt im Krankenhaus, woraufhin Mario endlich sein Alkoholproblem akzeptiert und in eine Entzugsklinik geht. Abgeschmeckt wurde diese spannende, aufregende und sehr emotionale Episode mit zwei Ganzkörpernacktszenen Antonias, die sich einem Schäferstündchen mit Mario in einem Boot hingibt und abermals manch Zuschauer den Kopf verdreht haben dürfte. Für eine Nebenhandlung blieb diesmal nicht viel Raum, doch immerhin regen sich bei Maike erste zarte Gefühle. Als sie von ihrem Schwarm versetzt wird, steht Mario ihr wie ein großer Bruder bei. Ganz starke Folge mit ambivalenten Figurenzeichnungen, die gar nicht erst vorgibt, für alles eine Paradelösung zu kennen.

Episode 6 widmet sich vornehmlich Max: Dieser ist ganz aus dem Häuschen, als sich sein ehemaliger Schwarm Lena (Adina Vetter, „Blutgletscher“) aus den USA zu einem Besuch ankündigt. In Lena war er schwer verliebt und glaubt nun, dass sie endlich seine Gefühle erwidert – jedoch ist der Grund ihres Besuchs lediglich, dass sie ihren US-amerikanischen Luther (René Ifrah, „Das Tribunal“) in ihrer alten Heimat ehelichen will. Daraufhin versucht Max albernerweise, sie eifersüchtig zu machen, lässt andere in höchsten Tönen von ihm schwärmen und malt sich in kitschigst visualisierten Tagträumen eine gemeinsame Zukunft aus – aber auch, dass er ihrem Verlobten eine reinhaut. Als er diesen persönlich kennenlernt, versucht er gar, die beiden mittels dreister Lügen auseinanderzubringen – doch keine dieser Maßnahmen fruchtet. Auf dem Junggesellenabschied wittert Max seine letzte Chance und füllt Luther so sehr ab, dass er ihn betrunken auf einem Boot ablegt und er nicht zu seiner Hochzeit erscheinen kann. Doch letztlich fasst sich Max ein Herz, holt Luther und muss akzeptieren, dass dieser Lena heiratet. Parallel zu diesen Ereignissen versucht Antonia, einen Kontakt zwischen Dr. Blüm und der ehemaligen Sängerin seiner Jazzband zu vermitteln – sehr zu dessen Unmut. Doch Antonia gelingt es tatsächlich, die Dame ausfindig zu machen und beide einander anzunähern. Für etwas Komik sorgte zuvor ein Jazzsängerinnen-Casting in dieser Folge, die weiterhin am Imagewandel Dr. Blüms arbeitet, in erster Linie aber zeigt, dass es nur schwer möglich ist, ein sich aufrichtig liebendes Paar auseinanderzubringen und man es verdammt noch mal auch gar nicht erst versuchen sollte, auch wenn das eigene Ego darunter leidet. Liebe lässt sich nun einmal nicht erzwingen – das muss auch Max lernen und akzeptieren, so weh es ihm tun mag. Ein weiterer Aspekt, den die Handlung aufgreift, ist das Phänomen, welch geringe Rolle eine Person spielt, wenn sie nur weit genug weg ist und man nichts mehr von ihr hört, und wie schnell im Gegenzug alte Gefühle wieder aufflammen, steht sie plötzlich wieder vor einem. Es ist schon seltsam manchmal…

Der Jazz spielt auch eine Rolle in der siebten Episode, wenn auch nur am Rande: Mario meldet sich nicht mehr bei Antonia, woraufhin sie mit der Beziehung abschließt. Sie versucht ihn zu vergessen und sich – auch dank Jules Ratschlägen – anderweitig zu orientieren. Da taucht Jules Vater Chris (Hans Peter Hallwachs, „Otto – Der Außerfriesische“) nach Jahren der Kontaktlosigkeit unvermittelt auf und entpuppt sich als berühmter Jazztrompeter! Jule reagiert zunächst ablehnend, doch bald bricht das Eis. Antonia klagt Chris ihr Liebesleid und geht mit ihm aus – ohne zu wissen, dass Mario zu einem Überraschungsbesuch aufgebrochen ist. Zwei Überraschungsbesuche auf einmal: Das geht selten gut, so auch hier nicht. Jule und Mario glauben beide, Antonia und Chris hätten etwas miteinander gehabt, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht. Schließlich erfährt Jule von ihrer Mutter, dass ihr Vater schwer krank und vor einer lebenswichtigen Operation aus dem Krankenhaus getürmt ist. Letztlich fügt sich alles zu einem Happy End, macht aber trotzdem einen etwas überkonstruierten Eindruck. Die Probleme zwischen Antonia und Mario wären wohl vermeidbar gewesen, doch die Aussage dieser Folge ist wohl, möglichst keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Ungewollter Nebeneffekt ist jedoch, dass das Hin und Her zwischen Antonia und Mario langsam zu nerven beginnt. Beide haben übrigens ihre Frisuren geändert: Mario ist von nun an blondgefärbt, Antonia trägt ihr Haar jetzt kurz und glatt. Da gab es mit Sicherheit aufregendere Episoden, zumal Chris im weiteren Serienverlauf überhaupt keine Rolle mehr spielen wird.

Episode 8 schweißt schließlich Eva und Fritz zusammen, nachdem einer ihrer ehemaligen Kommilitonen das Geplänkel der beiden gestört hat. Vor allem aber verhandelt diese Folge Geschlechterrollen und -klischees in Form einer Wettfahrt über den Plöner See mit selbstgebauten Flößen, für die weiblich gegen männlich antritt. Nach einigen Zaudern und Zögern gehen Eva und Fritz endlich offiziell eine Liebesbeziehung miteinander ein, was manch Zuschauerin oder Zuschauer etwas verwundert haben dürfte, hatte es doch unlängst den Anschein, als seien die beiden ein Paar. Eine locker-beschwingte Episode, die fast gänzlich ohne Problemgewälze auskommt und kurzweilig unterhält, um im Zuge dessen ein paar Geschlechterklischees infrage zu stellen. Beinahe eine Wohltat nach manch vorausgegangenem Zerwürfnis.

Diesbezüglich schöpft die neunte Episode jedoch wieder aus dem Vollen: Mario muss Sozialstunden im Altersheim ableisten und lernt dabei die todkranke Sängerin Luise (Helen Vita, „Jürgen Roland's St. Pauli-Report“) kennen. Man streitet, verträgt und freundet sich miteinander an, sodass Mario ihr schließlich bei der Erfüllung ihres letzten Wunschs behilflich ist: einem letzten Auftritt als Sängerin. Zwischen Mario und Antonia kommt es unterdessen abermals zu Beziehungsquerelen, worauf diese Figuren mittlerweile abonniert scheinen. Antonia lässt sich von Luise einreden, gar nicht mehr wirklich an Mario interessiert zu sein. Was eigentlich total anmaßend ist, wird hier als positiv und altersweise dargestellt und führt dazu, dass Antonia tatsächlich die Beziehung zu Mario beendet. Er weint bittere Tränen und fühlt sich verständlicherweise wie ein Häufchen Elend, so kurz nach dem Neuanfang. Derweil kehrt Maike aus London zurück und hat ihre mittlerweile als geheilt geltende Mutter Karin (Joana Schümer, „Stubbe – Von Fall zu Fall“) dabei. Diese möchte Maike gern wieder mit zu sich nehmen, doch Fritz fürchtet, dass sie noch immer unter Verfolgungsjagd leidet, und will Maike daher lieber noch auf dem Internat behalten. Die große Frage ist natürlich, ob Mario die Trennung irgendwie verkraftet oder wieder dem Alkohol verfällt. Es endet versöhnlich: Luise hält ihn erfolgreich vom Trinken ab und tritt kurz vor ihrem Tod noch einmal gemeinsam mit ihm auf. Eine traurige Folge über die Magie und den Trost der Musik, die durchaus nachklingt, auf ihrem Weg zu ihrer Aussage aber eine Beziehung auf fragwürdige Weise opfert und somit einen schalen Beigeschmack behält.

Episode 10 schickt Antonia auf schriftstellerische Abwege: Sie hat ihre Kurzgeschichte „Kuh im Glück“ (die auf die zweite Folge der ersten Staffel referenziert) an die Jugendzeitschrift „Minimiss“ gesandt, welche sie tatsächlich abdruckt – wenn auch in stark veränderter Form. Redakteurin Nadja Lewers bekundet Interesse an weiteren Texten Antonias, die jedoch ebenfalls abgewandelt und entfremdet werden. Parallel gestaltet man Antonia zu einer Kunstfigur um, verpasst ihr eine erfundene Vita und jazzt sie zu einer hippen Nachwuchsautorin hoch, um sie möglichst lukrativ vermarkten zu können. Mit ihrer wahren Persönlichkeit hat all das indes nichts mehr zu tun. Zu allem Überfluss schlachtet der Verlag auch noch Marios Alkoholproblem aus – in Antonias Namen. Ausgerechnet, als sie sich gerade wieder einander annähern. Antonia entschließt sich nach einer Rückbesinnung auf ihr eigentliches Wesen, auf einer öffentlichen Pressekonferenz die Dinge richtigzustellen. Die Nebenhandlung dreht sich um Herrn Schuffenhauer (Joachim Regelien, „Kinder des Satans“), der nach Rektor Münchs Weggang die Schulleitung übernimmt und alles besser machen, offener und demokratischer gestalten will – doch lässt er sich übertölpeln und muss zu viele Zugeständnisse an die Schülerschaft machen, bis er der Situation nicht mehr Herr ist und er sein Amt an Dr. Blüm abgibt. Dieser ist damit endlich an seinem Ziel angelangt. Eine gute Episode, die mit der fiktionalen Zeitschrift „Minimiss“ auf „Bravo Girl“ und ähnliche fragwürdige Postillen anspielt und auf etwas überspitzte Weise die Mechanismen der Teenie-Medienbranche aufzeigt – eben alles mehr Schein als Sein. Etwas erschreckend ist die Naivität, mit der Antonia all das zunächst mit sich machen lässt. Das will nicht so recht zu ihrem rebellischen, unangepassten Charakter passen. Und dass Dr. Blüm nun doch noch zum Rektor avanciert, ist nach seiner Charakterwandlung zum gar nicht mal so unsympathischen Jazzmusiker gar kein richtiger Aufreger mehr.

Schockschwerenot in der elften und vorletzten Episode: Jule ist schwanger von Max! Eigentlich entscheidet sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch, hadert dann jedoch mit ihrer Entscheidung und versucht sich an einem gemeinsamen Weg zusammen mit Max. Das resultiert letztlich jedoch in so viele Konflikte, dass sie zu Max auf Distanz geht und sich dann doch für eine Abtreibung entscheidet. Während es zum Happy End vieler Film- und Fernsehproduktionen gehört, dass sich die werdende Mutter für ihr Kind entscheidet und am besten zusammen mit dem leiblichen Vater glücklich wird, geht diese Folge einen ganz anderen Weg und lässt die Frau – in diesem Fall Jule – frei über ihren Körper entscheiden, ohne sie dafür zu verurteilen. Das ist äußerst erfreulich. Im parallelen Erzählstrang kündigt sich Dr. Blüms Tochter für einen Besuch an – eine Tochter, die er noch nie gesehen hat. Dr. Blüm weiß nicht recht mit der Situation umzugehen, kleidet sich plötzlich sportlich-jugendlich und sucht eine Jazzkneipe auf, wo er einer Frau sein Herz ausschüttet. Diese stellt sich jedoch ausgerechnet als seine Tochter heraus. Auf diese hatte bereits die Sängerin seiner Jazzband, mit der Blüm nun etwas laufen hat, eifersüchtig reagiert. Zunächst ist er stocksauer, doch schließlich findet man doch noch zueinander. Ein Höhepunkt dieser Folge sind die spitzzüngigen Dialoge, die sich Dr. Blüm in der Kneipe liefert. In beiden Erzählungen geht es also um Nachwuchs, auf vollkommen unterschiedliche Weise.

Mit dem Staffel- und Serienfinale in Episode 12 hegen Eva und Fritz große Pläne, sie wollen eine Weltreise antreten – da kommt Fritz‘ Bruder Leo (Oliver Böttcher, „Black Jack“) überraschend zu Besuch. Dieser braucht dringend Geld, wird er doch bereits von zwei, nun ja, „Inkassounternehmern“ verfolgt. Fritz lässt sich von Leo überreden, ihm Geld zu leihen – das Geld für die Weltreise, sehr zum Unmut Evas. Die Pointe dieses Handlungsstrang ist der Beschluss beider, Leo aus der Patsche zu helfen, was dann auch noch im Verkauf des Wohnmobils gipfelt. Einen besseren Serienabschluss hatte man Eva und Fritz also nicht gegönnt? Grobi schmiedet ebenfalls Urlaubspläne, zusammen mit Mario und Max soll’s zum Skifahren in die Berge gehen. Um das nötige Geld zusammenzubekommen, begibt er sich auf Jobsuche, die sich jedoch gar nicht so einfach gestaltet. Daher stellt er sich zur Wahl zum „Mr. Plön“ und arbeitet dafür hart an seinem Körper – um letztlich als einziger Teilnehmer sowieso zu gewinnen. Das überstrapazierte Motiv der unvermittelt auftauchenden Verwandtschaft, von der man nie zuvor gehört hatte, oder ähnlicher „Eingriffe von außen“ wurde mit dieser Folge endgültig totgeritten. Einmal mehr wirkt es, als habe man aus der Verlegenheit darauf zurückgegriffen, das Potential des Stammensembles bereits ausgeschöpft bzw. dies zumindest geglaubt zu haben. Meines Erachtens hätte es noch genügend Stoff für spannende Geschichten gegeben, doch die Luft schien mittlerweile raus zu sein. Dies zeigt sich auch an der albernen „Mr. Plön“-Geschichte um Grobi, über deren Gehalt wir besser den Mantel des Schweigens hüllen. Für ein nicht nur Staffel-, sondern auch Serienfinale eine Enttäuschung.

Die dritte Staffel musste nicht nur versuchen, sich von der ehemaligen Hauptfigur Vera zu emanzipieren, sondern auch einen Spagat zwischen aus den vorausgegangenen Staffeln verbliebenen und neuen, jüngeren Figuren probieren. Dankenswerterweise erlag man nicht der Versuchung, Vera plump durch die (ich charakterisiere sie mal als) „lieb guckende Ostjule“ Eva zu ersetzen, andererseits blieb eine Leerstelle zurück, die nicht ausgefüllt wurde. Dies kann man als Respekt vor Carrières Rolle interpretieren, passt aber auch zur Fragmentierung des Ensembles in der dritten Staffel. Eine feste, einen irgendwie verschworenen Eindruck machende Einheit „Prinzenhäusler“ gibt es nicht mehr. Stattdessen sieht man erwachseneren Figuren beim weiteren Erwachsenwerden zu, die nachgerückten jüngeren Figuren spielen eine untergeordnete Rolle. Werbung fürs Erwachsenwerden ist das Gezeigte dabei nicht unbedingt, sondern mitunter ganz schön frustrierend. Das ist einerseits ehrlich, andererseits fraglich, ob dies die tatsächliche Intention der Autorinnen und Autoren war.

Dadurch, dass der Fokus nicht mehr auf dem Schullalltag liegt, hat „Die Schule am See“ an Reiz verloren, dafür jagt Soap-typisch manchmal eine Katastrophe die nächste. Doch auch die dritte Staffel hat ihre großen Momente und eindrucksvollen Szenen, diesbzgl. tut sich erneut insbesondere Jenny-Marie Muck als Antonia hervor, gefolgt von Anke Kortemeier als Jule, und Julian Friedrich meistert den Imagewandel seiner Figur Mario passabel.

Am stärksten war „Die Schule am See“ immer dann, wenn es ihr gelang, authentisch die jugendliche Gefühlswelt zwischen Schulstress, ersten, häufig unschön verlaufenden Liebes- und Beziehungserfahrungen und inneren wie äußeren Konflikten darzustellen. Verbunden mit unterschiedlichen Identifikationsmöglichkeiten für ein junges Publikum erfüllte die Produktion Sinn und Zweck einer solchen Jugendserie, wenngleich die schwankende Qualität insbesondere ab Veras Krankheit und Tod es einem nicht immer leicht machte, mit gleichbleibender Begeisterung dabeizubleiben, und die ständige Wiederholung des Motivs der ins Sozialgefüge von außen Eindringenden von zunehmender Autorinnen-/Autorenwillkür und Ideenlosigkeit zeugte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Kap der Angst

„Kaum zu fassen, was sich dieser Penner einbildet!“

Zwischen „GoodFellas“ und „Zeit der Unschuld“ drehte US-Regisseur Martin Scorsese mit „Kap der Angst“ eine Neuverfilmung des Romans „The Executioners“ von John D. MacDonald bzw. vielmehr ein Remake der Erstverfilmung „Ein Köder für die Bestie“ seines Kollegen J. Lee Thompson aus dem Jahre 1962. Der Thriller, der mit Scorseses Lieblings- und Stammschauspieler Robert De Niro („Taxi Driver“) in einer der Hauptrollen aufwartet, wurde das erste Remake des Regisseurs und kam 1991 in die Kinos.

„Am liebsten würd' ich ihn töten.“

Max Cady (Robert De Niro) hat 14 Jahre wegen Vergewaltigung abgesessen. Die Zeit im Zuchthaus hat er genutzt, um zu trainieren, sich – auch in Rechtsfragen – zu bilden und vor allem, einen großangelegten Rachefeldzug gegen seinen damaligen Pflichtverteidiger Samuel Bowden (Nick Nolte, „Nur 48 Stunden“) zu planen, denn dieser hat seinerzeit ein entlastendes Gutachten absichtlich zurückgehalten, damit Cady verurteilt wird. Perfide taucht er nach seiner Haftentlassung im Umfeld Bowdens und seiner Familie (Samuels Frau Leigh wird gespielt von Jessica Lange, „Cat on a Hot Tin Roof“) auf und beginnt, Samuel zunächst mittels psychologischer Tricks zu terrorisieren, bei denen er nie die Grenze der Legalität überschreitet. Tut er es doch und wird gewalttätig, lässt er sich nicht erwischen und nichts nachweisen. Die Situation für die Bowdens wird immer bedrohlicher, wie eine Schlinge, die sich nach und nach um Samuels Hals zuzieht, oder auch wie ein Raubtier, das kreisförmig seine Beute umschleicht, um ihren Spielraum immer weiter einzuschränken und schließlich zuzuschnappen. Zunächst muss der Familienhund das Zeitliche segnen, dann wird Samuels heimliche Geliebte (Illeana Douglas, „GoodFellas“) misshandelt und schließlich der von Samuel auf Cady angesetzte Privatdetektiv (Joe Don Baker, „Die Vidioten“) getötet. Parallel erschleicht sich Cady das Vertrauens Samuels jugendlicher Tochter Danielle (Juliette Lewis, „Schöne Bescherung“). Wird er Bowden und seine Familie zerstören oder wird diese einen Weg finden, Cady zu entkommen?

„Ich hab' das Gefühl, dass da draußen ein Tier rumschleicht und auf uns lauert...“

Scorsese nähert sich der Erstverfilmung ehrfurchtsvoll, variiert, radikalisiert und modernisiert, wo es Sinn ergibt oder nötig ist und legt es darauf an, einem Genre-Publikum perfekte Kost auf der Höhe der Zeit zu servieren. Unter seiner Regie ist Max Cady ein rückentätowierter Stalin-Fan, belesen, eloquent und verschlagen, psychologisch manipulativ, aber auch größenwahnsinnig. Seinen Racheplan begründet er nicht nur persönlich, sondern auch religiös. Kurzum: Ein hochgefährlicher Sozio- oder gar Psychopath mit sadistischer Ader, dem nur schwer beizukommen ist. De Niro brilliert einmal mehr und liefert eine ebenso beeindruckende wie beängstigende Vorstellung, die man gesehen haben sollte – die 1990er begannen gut für Scorseses Stammmimen. In Nebenrollen tauchen Robert Mitchum, Gregory Peck und Martin Balsam auf, die allesamt in Thompsons Verfilmung mitspielten; das ist Teil der Hommage. Nick Nolte gibt als Anwalt zunächst ein ungewohntes Bild ab, gewinnt jedoch an Profil, je mehr ihm sein gewohnter Alltag entgleitet und je mehr er von Cady in den offenen Konflikt gezwungen wird.

Juliette Lewis als Samuels Tochter Danielle eröffnet mit einem kurzen Monolog den Film, der visuell nicht mehr viel mit Thompsons Klassiker gemein hat: Farbliche Verfremdungen und Negativierungen gehen einher mit stilisierten, aber auch artifiziell wirkenden Bildern, während die Kamera für reichlich Dynamik sorgt. Die erste wirklich verstörende Szene ist die Misshandlung Samuels Geliebter durch Cady, der hier erstmals sein Potential an physischer Gewalt offenbart. Ganz andere, wesentlich feinfühligere, jedoch nicht weniger bösartige Qualitäten beweist er mit der Manipulation Danielles, der gegenüber er sich als ihr neuer Schauspiellehrer ausgibt – Momente, die auch die Verführbarkeit der Jugend illustrieren. Die Nerven der Familie liegen bald blank, alte Geschichten kochen wieder hoch und resultieren in Ehekrach – und es gelingt Cady, einen Keil zwischen Vater und Tochter zu treiben. Auch auf anderer Ebene, auf einem anderen eigentlich Samuel „gehörenden“ Terrain, triumphiert Cady: Er treibt Samuel dazu, selbst das Gesetz zu übertreten und vor Gericht gegen Cady zu verlieren. Welch Schmach für den Anwalt!

Ungefähr ab dem nervenzerrend spannend eingeleiteten Präfinale verfestigt sich der Eindruck, Scorsese habe Bock gehabt, sich einmal in Sachen Genrefilm so richtig auszutoben. Einige ultrafiese Szenen schlagen die Brücke zu einem spektakulären Schlechtwetterfinale auf einem Hausboot, in dem Cady „das Verfahren neu aufrollt“. Dieser wird zum Ende hin immer dämonischer, der Film tendiert gar in Richtung eines Horror-Thrillers. Das ist der den Adrenalinausstoß in die Höhe treibende Höhepunkt eines packenden, intensiven Thrillers, der vielschichtiger und mutiger als seine Erstverfilmung ausgefallen ist. „Kap der Angst“ stellt die Frage, ob es unter bestimmten Umständen moralisch zu vertreten ist, dass ein Anwalt seinen Mandanten verrät. Generell wirbelt er Rechtsauffassungen kräftig durcheinander, wenn ausgerechnet jener Anwalt das Gesetz übertritt und letztlich am eigenen Leibe erfahren muss, wie es sich gegen ihn wendet. Ferner verrät die Entwicklung bzw. die Konfrontation mit Cady eine Menge über die Bowdens als Familie, genauer: ihre Dysfunktionalität, ihre unter den biederen Kleinstadtteppich gekehrten Konflikte, ihr Unverständnis untereinander, füreinander. Bowdens Familie ist letztlich ein ebenso löchriges Konstrukt wie das Gesetz, das Bowden beugt und auf das er sich gleichzeitig beruft.

Scorsese greift auf Bernard Herrmanns Originalmusik aus der Erstverfilmung zurück und reichert sie u.a. mit Guns N‘ Roses („Patience“) und The Cramps (deren Jack-Arnold-Hommage „The Creature From The Black Lagoon“) an, was sich erstaunlich gut macht und womit man sich noch einmal vor dem Original verbeugt. Die 1990er wurden eine Dekade der harten, an bestimmten Grundfesten der westlichen Gesellschaften rüttelnden psychologischen Thriller – und Scorsese war mit seiner auch mit einem Monolog Danielles aus dem Off endenden „Kap der Angst“-Neuinterpretation von Anfang an ganz vorn dabei.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Mondo Erotico – In 80 Betten um die Welt

„Im Namen des Penis, der Vagina und aller glorreichen Sünden.“ (Amen.)

Mondo-Filme, jene episodischen, reißerischen Reportagen-Kolportagen aus der Prä-„Explosiv – Das Magazin“-Ära, nahmen es mit der Wahrheit ja nie allzu genau – so auch nicht der vom umtriebigen Schweizer Erwin C. Dietrich produzierte und (angeblich – da streiten sich die Gelehrten) vom spanischen Sleazer und Voyeur Jess Franco („Jack the Ripper - Der Dirnenmörder von London“) gedrehte „Mondo Erotico – In 80 Betten um die Welt“ aus dem Jahre 1976: Hier wird erst gar nicht versucht, den Anschein authentischen Materials zu erwecken.

„Tob dich aus da drinnen, du Ferkel!“

US-Porno-TV-Moderatorin Peggy (Esther Moser, „Mädchen im Nachtverkehr“) nimmt ihr Publikum mit auf eine Reise um die Welt, um ihm ungewöhnliche sexuelle Spielarten zu präsentieren und mit allerhand Sexszenen zu erfreuen, an denen sie auch gern selbst beteiligt. Immer dabei: Kamera und Mikrofon.

„Sie werden das Wichsen nie lernen!“ (Dieser Film macht es einem aber auch wirklich nicht leicht…)

Zunächst geht’s nach New York zu einer schwarzen Messe, wie sie in kaum einem Mondo fehlen darf. Diese ist lediglich Vorwand für ein Rollenspiel, innerhalb dessen eine vermeintliche Jungfrau vermeintlich geopfert wird – recht nett anzusehender Mummenschanz. Anschließend weiß sie von Samenraub in San Francisco zu berichten, was fürs Publikum echten Fellatio, ansonsten aber unerotische Softsex-Szenen mit HC-Inserts anderer Darsteller(innen) bedeutet. Peggy beteiligt sich aktiv und sucht die Auftraggeberin der Melkmasche auf: Die 80-jährige Sunella Parker (Vera Chollet), die nur halb so alt aussieht, seit sie regelmäßig in Sperma badet. Peggy lässt sich nicht lang bitten, es folgen Gelecke und Dosengeklapper, alles etwas unbeholfen und vor allem saulang inszeniert. Anschließend verschlägt’s Porno-Peggy nach Europa zu einer Live-Sex-Show und ähnlichen kulturellen Angeboten. Auch hier: echter Cunnilingus, Softsex und HC-Inserts. Eine der beteiligten Personen hält plötzlich ein Kondom in der Hand, obwohl die Inserts ohne waren. Die Masturbations-Inserts passen sogar gar noch weniger in diese Sequenz und das hektische Geblase ist schlicht abtörnend. Eine der schlechtesten Sexszenen, die ich jemals gesehen habe. Es folgen ein Blowjob, eine alberne Nackttanzeinlage, bei der die Dame unvorteilhaft in Szene gesetzt wird, weitere HC-Inserts, eine Softsex-Lesbenszene mit der Tänzerin und immerhin eine überraschende Wendung. Puh, schon etwas besser.

In Hamburg stolpert eine Domina übern spitzen Stein. Unfreiwillig komisch wird ihre Arbeit bzw. die von Dominas generell verzerrt dargestellt und mit Beleidigungen um sich geworfen, Peggy in Lederkluft rubbelt dazu die Katz. Ein „Nesthäkchen“, das aussieht wie Jess Franco, es aber anscheinend nicht ist, lässt sich von der Domina den Hintern versohlen, bevor in einer Szene mit Eric Falk („Mad Foxes – Feuer auf Räder“) „reiten“ sehr wörtlich genommen wird: Die Domina sitzt auf seinem Rücken und klatscht ihm auf den Po. Allerspätestens jetzt macht sich Fremdscham seitens des Rezipienten breit… In einem exotischen Tropenstaat ist Eric Falk dann auch an einem unfassbar behäbig inszenierten, angeblichem Stammesritual zur Brautentjungferung beteiligt, die in Form einer Softsex-Szene dargeboten wird. Nächste Station: Softsex in Istanbul, orientalisch angehaucht. Peggy gibt Nachhilfe in Sachen Sexspielzeug. Eine Masturbationsszene ist dermaßen gaga, dass es schon wieder lustig ist. Anschließend wichst sie Herrn Römer (Roman Huber, „Die bumsfidelen Mädchen vom Birkenhof“) einen, Penispumpe und Gummipuppe kommen zu Einsatz. Will man so etwas wirklich sehen? Unfreiwillig komisch auch das „indische 69“ mit lächerlichem Minipimmel, der zu kurz für ihren Mund ist, weshalb er gar nicht in den Genuss kommt. Die Kamera zoomt schließlich voll auf die Vagina. Nach einem Beitrag zu berührungslosem Sex – was ein Schwachsinn! – reibt sich Peggy noch die Pflaume wund und entlässt ihr Publikum endlich aus diesem Mist…

Moser, Falk, Chollet und Huber habe ich bereits erwähnt, die anderen Rollen teilen sich Esther Studer („Mädchen, die am Wege liegen“), Yvonne Eduser („Mädchen im Nachtverkehr“), Pilar Coll („Weiße Haut und schwarze Schenkel“), Lorli Bucher („Jack the Ripper - Der Dirnenmörder von London“) und Mike Lederer („Die Sklavinnen“) untereinander auf. Da nicht selten gleich mehrere Rolle gespielt werden, versuchen die Filmemacher auch gar nicht erst, so zu tun, als handele es sich um verschiedene Menschen, was das Mondo-Konzept abermals ad absurdum führt. Sprachbarrieren gibt es trotz verschiedener Schauplätze auch keine, die wenigen Außenaufnahmen sind meist verwackelt und die angeblichen „80 Betten“ eine weitere Mogelpackung: Wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich stets um ein und dasselbe Bett.

„Mondo Erotico – In 80 Betten um die Welt“ geht leider den damaligen bundessdeutschen, zahllose Sexkomödien hervorgebracht habenden Weg der Infantilisierung der Sexualität mit, der dem Treiben bei aller Offenherzigkeit immer etwas Verklemmtes, Prüdes, etwas, über das man aus Verlegenheit lacht, anhaftet – denn diese Nummernrevue ist, von einigen halbwegs erotischen Momenten abgesehen, tatsächlich nicht mehr als mies zusammengeschustertes Schmierentheater auf unterstem Niveau, billigst, peinlich und angesichts der Tatsache, dass sowohl Erwin C. Dietrich als auch Jess Franco ganz anders konnten, wenn sie wollten, eine glatte Enttäuschung. Die Bewertungen der „Reportagen“ im Einzelnen: 5/1/3/1/4/2/1/5/3, macht im Durchschnitt 3/10.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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