Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Mi 2. Sep 2020, 11:45
Tatort: Katjas Schweigen
„Du spielst ja so, als ob du alle umbringen willst!“
Regisseur Hans Noever („Gefahr für die Liebe – AIDS“) debütierte innerhalb der „Tatort“-Reihe mit der 23. Episode ums Duisburger Kripo-Team aus Horst Schimanksi (Götz George), Christian Thanner (Eberhard Feik), Hänschen (Chiem van Houweninge) und Konsorten: Das Kriminaldrama „Katjas Schweigen“ wurde 1989 nach einem Drehbuch Uwe Erichsens gedreht und erstausgestrahlt. Noever konzentrierte sich anschließend fast ausschließlich auf den „Tatort“, seinem zweiten und letzten Duisburger Beitrag „Schimanskis Waffe“ folgten bis ins Jahr 2002 acht weitere Episoden.
„Das ist mein Freund und Kollege Christian Thanner: Diplom-Zyniker!“
Unter der Ägide des Bewährungshelfers Jannek (Ulrich Pleitgen, „Stammheim“) trainiert Schimanski ein aus jugendlichen Straftätern bestehendes Football-Team. Als bei einem Supermarktüberfall ein mit Schimmi befreundeter Polizist erschossen wird, fällt Thanners Verdacht auf Mitglieder des Football-Teams, vor das sich Schimanski jedoch schützend stellt. Bei der tödlichen Waffe handelte es sich um eine Astra 900, wie sie vor einiger Zeit schon einmal auf den Zuhälter und Fitnessclub-Betreiber Billy (Nellis Du Biel, „Mit den Clowns kamen die Tränen“) von einem gewissen Zander (Will Danin, „Tatort: Miriam“) abgefeuert worden war, der jedoch nie gefasst wurde. Dafür gerät ein weiterer Schützling Schimmis ins Visier der Kripo: Tommy Schaaf (Paul Cabanis, „Der Spatzenmörder“), der sich auch dadurch verdächtig macht, dass er plötzlich spurlos verschwunden ist. Dessen Schwester Katja (Katja Riemann, „Regina auf den Stufen“) ist Schimanski keine große Hilfe. Als man dennoch auf Tommys Spur kommt, kommt es zu weiteren verhängnisvollen, weil tödlichen Schüssen und Thanner sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert…
„Katjas Schweigen“ präsentiert die junge, damals noch kaum bekannte Katja Riemann in einer Neben-, aber dennoch entscheidenden Rolle, deren Undurchsichtigkeit die Jungschauspielerin perfekt wiedergibt. Schimanski als Mann fürs Grobe powert sich gern auf dem Sportplatz beim American Football als harter Trainerhund der Jungknackimannschaft aus, kommt in Bezug auf Katja aber nur mit Sensibilität und Einfühlungsvermögen weiter. Gar nicht seins ist indes die vornehme Haute cuisine, zu der der Kripo-Vorgesetzte Ossmann (Gerhard Olschewski) einlädt, um Thanner und Schimmi das Du anzubieten. Da treffen Welten aufeinander, weshalb zukünftig zwar „Hans-Hermann“ Schimanski duzt, dieser ihn jedoch weiterhin siezt. Als Schimanski vom Tod des Polizisten erfährt, schimpft er über die Feigheit dessen Kollegen, der auch als Zeuge kaum Angaben machen kann. Aufgrund Schimmis emotionaler Betroffenheit wird Thanner auf den Fall angesetzt, in untergeordneter Rolle darf Schimanski aber schließlich mitermitteln.
Diese Ausgangssituation ist nicht nur fürs Protokoll, sondern wichtig für den weiteren, eher ungewöhnlichen Verlauf dieses „Tatorts“: Bald entsteht nämlich der Eindruck, dass man Schimanski eventuell besser gar komplett abgezogen hätte, denn er will nicht nur nicht wahrhaben, dass seine Schützlinge in den Fall verwickelt sein könnten, er wird auf der Wache gar übergriffig und brutal und geht sogar auf den um sachliche Ermittlungsarbeit bemühten Thanner los. Die Handlung rechtfertigt diese Brutalität nicht, sondern zeigt, dass Schimanski weder unfehlbar noch immer Herr der Dinge ist – ohne dies wiederum dem Publikum daumendick aufs Brot zu schmieren. Diese Ambivalenz, die einmal Abstand vom Abgekulte der Raubeinigkeit Schimanskis nimmt, stellt eine reizvolle Variation dar. Unfreiwillig komisch indes erscheint der gleichzeitig rappende und klavierspielende (!) Zuhälter, an dessen Flügel sich auch Schimanski dazugesellt. Seit wann kann der überhaupt Klavierspielen?
Nicht minder bizarr wirkt es, wenn einer der verdächtigen Jungs zu den Klängen Tony Careys Schnulze „I Feel Good“ erschossen wird – welch zynische Bild-Ton-Schere! Damit nicht genug: Einer der Zuhälter spielt Bowling mit Schimmi und vollzieht einen Strike, indem er Schimmi als lebende Bowlingkugel einsetzt. Und Katja wird später aufgefunden, wie sie im Bett liegend und englische Satzfetzen rufend auf ihr Kissen einschlägt… Umso interessanter gestaltet sich jedoch die Psychologie zwischen Schimanski und Thanner – und umso spannender die Suche nach dem Thanner entlastenden zweiten Mörder, eingefangen von einer Kamera, die sich auch für das eine oder andere Augenschmankerl nicht zu schade ist. Am Ende sieht sich Schimanski gar gezwungen, Beweismaterial zu fälschen, was seine fragwürdige Rolle innerhalb der Ermittlungen noch einmal unterstreicht – wenngleich diesmal eindeutig der Zweck die Mittel zu heiligen scheint.
„Katjas Schweigen“ ist über weite Strecken recht vertrackt erzählt und mitunter schwierig nachzuvollziehen, hält mit manch kurioser Szene und einem bestens aufgelegten Ensemble aber dauerhaft bei Laune – wenngleich das „Football-Ende“ um Katja etwas kitschig ausfällt. Zwar beackert man einmal mehr das Rotlichtmilieu, diesmal jedoch eher im weiteren Sinne, sodass die üblichen Klischees weitestgehend umschifft werden. Mit einem im Hintergrund stattfindenden Smalltalk der Duisburger Polizei über „Vopos“ versteckt sich ein bereits auf die Zeichen der (Wende-)Zeit hindeutendes Detail. Der Synthi-Score trägt zur schönen, unaufdringlichen urbanen End-‘80er-Atmosphäre bei und Softie Tony Carey ist mit zwei Stücken vertreten; neben dem genannten legt Katja in ihrer Wohnung „Room With a View“ auf. Ein unterhaltsamer und inhaltlich durchaus schwergewichtiger „Tatort“, wenn auch etwas unnötig unkompliziert erzählt und nicht immer den passenden Ton treffend.
„Du spielst ja so, als ob du alle umbringen willst!“
Regisseur Hans Noever („Gefahr für die Liebe – AIDS“) debütierte innerhalb der „Tatort“-Reihe mit der 23. Episode ums Duisburger Kripo-Team aus Horst Schimanksi (Götz George), Christian Thanner (Eberhard Feik), Hänschen (Chiem van Houweninge) und Konsorten: Das Kriminaldrama „Katjas Schweigen“ wurde 1989 nach einem Drehbuch Uwe Erichsens gedreht und erstausgestrahlt. Noever konzentrierte sich anschließend fast ausschließlich auf den „Tatort“, seinem zweiten und letzten Duisburger Beitrag „Schimanskis Waffe“ folgten bis ins Jahr 2002 acht weitere Episoden.
„Das ist mein Freund und Kollege Christian Thanner: Diplom-Zyniker!“
Unter der Ägide des Bewährungshelfers Jannek (Ulrich Pleitgen, „Stammheim“) trainiert Schimanski ein aus jugendlichen Straftätern bestehendes Football-Team. Als bei einem Supermarktüberfall ein mit Schimmi befreundeter Polizist erschossen wird, fällt Thanners Verdacht auf Mitglieder des Football-Teams, vor das sich Schimanski jedoch schützend stellt. Bei der tödlichen Waffe handelte es sich um eine Astra 900, wie sie vor einiger Zeit schon einmal auf den Zuhälter und Fitnessclub-Betreiber Billy (Nellis Du Biel, „Mit den Clowns kamen die Tränen“) von einem gewissen Zander (Will Danin, „Tatort: Miriam“) abgefeuert worden war, der jedoch nie gefasst wurde. Dafür gerät ein weiterer Schützling Schimmis ins Visier der Kripo: Tommy Schaaf (Paul Cabanis, „Der Spatzenmörder“), der sich auch dadurch verdächtig macht, dass er plötzlich spurlos verschwunden ist. Dessen Schwester Katja (Katja Riemann, „Regina auf den Stufen“) ist Schimanski keine große Hilfe. Als man dennoch auf Tommys Spur kommt, kommt es zu weiteren verhängnisvollen, weil tödlichen Schüssen und Thanner sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert…
„Katjas Schweigen“ präsentiert die junge, damals noch kaum bekannte Katja Riemann in einer Neben-, aber dennoch entscheidenden Rolle, deren Undurchsichtigkeit die Jungschauspielerin perfekt wiedergibt. Schimanski als Mann fürs Grobe powert sich gern auf dem Sportplatz beim American Football als harter Trainerhund der Jungknackimannschaft aus, kommt in Bezug auf Katja aber nur mit Sensibilität und Einfühlungsvermögen weiter. Gar nicht seins ist indes die vornehme Haute cuisine, zu der der Kripo-Vorgesetzte Ossmann (Gerhard Olschewski) einlädt, um Thanner und Schimmi das Du anzubieten. Da treffen Welten aufeinander, weshalb zukünftig zwar „Hans-Hermann“ Schimanski duzt, dieser ihn jedoch weiterhin siezt. Als Schimanski vom Tod des Polizisten erfährt, schimpft er über die Feigheit dessen Kollegen, der auch als Zeuge kaum Angaben machen kann. Aufgrund Schimmis emotionaler Betroffenheit wird Thanner auf den Fall angesetzt, in untergeordneter Rolle darf Schimanski aber schließlich mitermitteln.
Diese Ausgangssituation ist nicht nur fürs Protokoll, sondern wichtig für den weiteren, eher ungewöhnlichen Verlauf dieses „Tatorts“: Bald entsteht nämlich der Eindruck, dass man Schimanski eventuell besser gar komplett abgezogen hätte, denn er will nicht nur nicht wahrhaben, dass seine Schützlinge in den Fall verwickelt sein könnten, er wird auf der Wache gar übergriffig und brutal und geht sogar auf den um sachliche Ermittlungsarbeit bemühten Thanner los. Die Handlung rechtfertigt diese Brutalität nicht, sondern zeigt, dass Schimanski weder unfehlbar noch immer Herr der Dinge ist – ohne dies wiederum dem Publikum daumendick aufs Brot zu schmieren. Diese Ambivalenz, die einmal Abstand vom Abgekulte der Raubeinigkeit Schimanskis nimmt, stellt eine reizvolle Variation dar. Unfreiwillig komisch indes erscheint der gleichzeitig rappende und klavierspielende (!) Zuhälter, an dessen Flügel sich auch Schimanski dazugesellt. Seit wann kann der überhaupt Klavierspielen?
Nicht minder bizarr wirkt es, wenn einer der verdächtigen Jungs zu den Klängen Tony Careys Schnulze „I Feel Good“ erschossen wird – welch zynische Bild-Ton-Schere! Damit nicht genug: Einer der Zuhälter spielt Bowling mit Schimmi und vollzieht einen Strike, indem er Schimmi als lebende Bowlingkugel einsetzt. Und Katja wird später aufgefunden, wie sie im Bett liegend und englische Satzfetzen rufend auf ihr Kissen einschlägt… Umso interessanter gestaltet sich jedoch die Psychologie zwischen Schimanski und Thanner – und umso spannender die Suche nach dem Thanner entlastenden zweiten Mörder, eingefangen von einer Kamera, die sich auch für das eine oder andere Augenschmankerl nicht zu schade ist. Am Ende sieht sich Schimanski gar gezwungen, Beweismaterial zu fälschen, was seine fragwürdige Rolle innerhalb der Ermittlungen noch einmal unterstreicht – wenngleich diesmal eindeutig der Zweck die Mittel zu heiligen scheint.
„Katjas Schweigen“ ist über weite Strecken recht vertrackt erzählt und mitunter schwierig nachzuvollziehen, hält mit manch kurioser Szene und einem bestens aufgelegten Ensemble aber dauerhaft bei Laune – wenngleich das „Football-Ende“ um Katja etwas kitschig ausfällt. Zwar beackert man einmal mehr das Rotlichtmilieu, diesmal jedoch eher im weiteren Sinne, sodass die üblichen Klischees weitestgehend umschifft werden. Mit einem im Hintergrund stattfindenden Smalltalk der Duisburger Polizei über „Vopos“ versteckt sich ein bereits auf die Zeichen der (Wende-)Zeit hindeutendes Detail. Der Synthi-Score trägt zur schönen, unaufdringlichen urbanen End-‘80er-Atmosphäre bei und Softie Tony Carey ist mit zwei Stücken vertreten; neben dem genannten legt Katja in ihrer Wohnung „Room With a View“ auf. Ein unterhaltsamer und inhaltlich durchaus schwergewichtiger „Tatort“, wenn auch etwas unnötig unkompliziert erzählt und nicht immer den passenden Ton treffend.