Hier nun rasch meine subjektiven Eindrücke vom diesjährigen Treffen:
Deliria över Hamburg oder das verflixte Zehnjährige
(Elbphilharmonie)
Das diesjährige Forentreffen stand ja nicht nur im Zeichen des zehnjährigen Jubiläums, sondern offensichtlich im Vorfeld unter einem nicht ganz so guten Stern. Reservierungsprobleme mit dem Hotel, der Server fast zwei Wochen down und das Forum nicht erreichbar - starke Veranstaltungs-Konkurrenz vor Ort und eine Anreise, bei der viele nicht wussten, ob sie am Ende des Tages dann dank Klima-Demo tatsächlich den Weg ins Metropolis Kino finden würden. Ich bin ja bereits am Donnerstagvormittag völlig unkompliziert angereist und habe bereits am ersten Tag mit dem werten Christoph die Stadt unsicher gemacht, der sich ebenfalls schon am frühen Nachmittag in der Hansestadt eingefunden hat. Nach dem ersten Erkunden der Innenstadt landeten wir auch rasch in St. Pauli, dass sich bei Tageslicht und Reeperbahn-Festival auch als lustiger Schmelztiegel unterschiedlichster Menschen und Kulturen präsentierte. Das dabei selbst Schulklassen durch die Große Freiheit geführt werden, verwundert da ebenso wenig wie die zahlreich verpeilten Menschen, die hier auf den Straßen liegen, stehen, torkeln oder auf sonstige Weise herumirren. Der im Vorfeld lose avisierte Besuch im „Goldenen Handschuh“ inklusive Bier, Korn und Inaugenscheinnahme der unglaublichen Sanitäranlagen wurde ebenfalls auch kurzerhand gleich am ersten Tag absolviert und danach ging es über die Landungsbrücken und Speicherstadt wieder retour in die Innenstadt, ehe der Abend im „Ilohh – Der Bar am Ende der Welt“ am Tresen bei unglaublichen Bier-Preisen (Astra für 2 Euro!!!) inklusive Vernissage beendet wurde.
(Kiez-Kneipe und Honka-Stube "Goldener Handschuh")
Am Freitag wurde nach dem Frühstück auch gleich aufgebrochen und wir landeten bei eher kühlen Temperaturen und Wind nach einem Fußmarsch bei der Elbphilharmonie, bei der in der Früh auch noch nicht allzu viele Besucher waren. Der Besuch der Aussichtsplattform inklusive Fahrt mit der spacigsten Rolltreppe der Welt ist überraschenderweise gratis und entlohnt den Besucher mit einem tollen 360° Blick in den Hamburger Hafen. Christoph und ich wollten dann auch noch unbedingt das Honka-Haus in der Zeißstrasse 74 besuchen, dass sich wider Erwarten doch nicht in näherem Umkreis des Lokals, sondern ungefähr zwei Kilometer entfernt in der Nähe des Bahnhofs Altona befand. Danach wieder retour an die Alster, einen Besuch im wunderbaren Planten un Blomen Park absolviert, wo ich einen Apfelkuchen fast erfolgreich gegen aggressive Wespen verteidigt habe. Am frühen Abend trafen wir dann bereits auf Marco und den Lars, mit denen wir uns nach erfolgreicher Stärkung beim Italiener Richtung Metropolis aufmachten, wo dann auch bereits der Rest der Rasselbande auf uns wartete oder gerade im Begriff war sich einzufinden. Das Metropolis ist auch sehr zentral, sehr modern und auch sehr geräumig, sodass es den eigentlich fast schon zu perfekten Rahmen für unser gemütliches Forentreffen bildete.
Der Auftaktfilm des heurigen Forentreffens in Hamburg war ein herrlich kruder Kriminalfilm in italienisch-deutsch-jugoslawischer Koproduktion, der im deutschsprachigen Raum auch als Bryan Edgar Wallace-Verfilmung vermarktet wurde. Die Einführung gestaltete unser werter Salvschi a.k.a Christoph, der den Film zwar nur kurz anschnitt und dafür eine sehr persönlich gehaltene Laudatio auf das Forum hielt, wobei auch ein von ihm verfasstes Gedicht mit dem Titel „Die Eule im Getriebe“ (siehe oben) zum Einsatz kam. Die Geschichte des Reißers über die On-Off-Beziehung eines Alkoholikers und Archäologen und andere seltsame Menschen würde ja eigentlich noch gehen, aber das Motiv des Killers setzt hier ja doch allem noch die Krone auf. Darüber wurde ja auch noch am nächsten Tag gerätselt und irgendwie ergibt die Motivsuche bei Kindheitstraumata, Sexualängsten, Rachegelüsten und verdrängten Aggressionen ja für mich noch immer keinen Sinn. Auch sonst gab es immer wieder Szenen, wo man nicht so genau wusste, wie man diese jetzt verorten soll oder einfach nur die Filmrollen unvollständig geliefert wurden. Doch das ist eigentlich auch eher nebensächlich bei einem Film, der mich bei der Erstsichtung auf der großen Leinwand doch auch begeistert hat. Ich habe ja ein großes Herz für Gialli mit seltsamen Geschichten und noch seltsameren Auflösungen und darstellerisch, Perücken-technisch und von den Locations war „Das Geheimnis des gelben Grabes“ doch eine sehr hübsche Sache, die meines Erachtens auch durchaus positiv aufgenommen wurde. Sicher kein Highlight, aber ein netter und kurzweiliger Film mit bekannten Gesichtern, fragwürdigen Handlungsverlauf, kleineren Überraschungen und einem Ende, dass selbst aufgeschlossene Zuschauer mit viel Fantasie doch eher ratlos zurück lässt.
Das höchst fragwürdige Motiv des Killers war dann auch das innoffizielle Bindeglied der beiden Filme am ersten Tag und auch beim berüchtigten „New York Ripper“ gibt es bei der Motivsuche eher fragende Gesichter, wenn der biedere Mathematiker aufgrund der Leukämie-Erkrankung seiner Tochter zum Sexualmörder wird und dabei auch noch die Stimme von Donald Duck imitiert. Aber über die Jahre hat man das wohl einfach akzeptiert und auf großer Leinwand wirkt der Streifen ja noch mal eine Ecke schmuddeliger und dreckiger. Zuvor gab es als Einstimmung eine kleine Lektion über Verbrechen, Verbrechensbekämpfung und der prägnanten Stimme Donald Ducks, die von unseren Bremer Jungs Marco und Stefan präsentiert wurde und einen schön gemachten Kurzfilm und giallo-eske Slasher-Hommage von unserem Doc Monkula. Über die Gewaltdarstellung und frauenfeindlichen Ton des Streifens kann man ja im fortgeschrittenen Alter durchaus geteilter Meinung sein und irgendwie geht die Zeigefreudigkeit der Morde meines Erachtens auch zu Lasten der Spannung, die hier nicht wirklich vorhanden ist.So ist „New York Ripper“ auch eher an eine technisch gut gemachte Nummern-Revue von FX-Künstlern für sensationslüsterne Pathologen und misogyne Menschen und erinnert an ein heruntergekommenes New York, dass so auch schon seit Jahrzehnten nicht mehr existiert. Die Kopie der Kinorolle war zwar etwas rotstichig, aber dafür bis auf wenige Handlungsschnitte vollständig und als Zuschauer fühlte zumindest ich mich ebenfalls kurzfristig in eine Zeit versetzt, als solche schundigen Filme noch in heruntergekommenen Kinos liefen um niedere Instinkte zu bedienen.
(Die Große Freiheit auf der Reeperbahn)
Danach gab es zu später Stunde dann noch ein von Reini gesponsertes Kofferraumbier in der Nähe des Kinos, das von den Besuchern inklusive neuer Gesichter auch gerne in Anspruch genommen wurde. Bei mir bislang unbekannten Biersorten aus dem Raum Frankfurt wurde der spannende Tag und die beiden Filme nochmals geistig Revue passiert und gefachsimpelt, während man aufpassen musste nicht von den zahlreich durch den Parkplatz fahrenden Taxis überfahren zu werden. An Taxis gibt es in Hamburg wohl kein Mangel und die Taxi-Dichte im Umkreis des Kofferraumbiergelages war überraschend hoch, wie wenn die zahlreichen Fahrer schon gewusst hätten, dass hier unter ortsunkundigen Touris noch reiche Beute zu erwarten wäre. So um zwei Uhr morgens ging es dann auch für mich mit dem Taxi ins Hotel, während ein paar Kilometer noch munter weiter die Biervorräte reduziert wurden und der ganz harte Kern sogar danach noch weiter in ein anderes Lokal gezogen ist.
(Speicherstadt)
Samstagvormittag stand dann nochmals Speicherstadt am Programm, wo ich dann auch endlich Bekanntschaft mit dem sogenannten „Franzbrot“ – einer lokalen Spezialität - machte, welches sich als Brioche-Laugengebäck mit zuckriger Zimtfülle entpuppte und nahezu ungenießbar süß war. Mit Kaffee gings aber und trotz Zuckerschock haben wir auch noch zu Onkel Joe, Gary und Paul gefunden, welche ebenfalls die Innenstadt unsicher gemacht hatten. Ein Treffen, dass zuvor durch die Tücken der modernen Kommunikation sabotiert wurde und warum man manche SMS einfach nicht bekommt, weiß wohl nur der Mobilfunkgott. Dann mit der lustigen Runde zu den Landungsbrücken auf ein Fischbrötchen zwischen Touri-Strömen, ehe wir uns bei strahlenden Sonnenschein Richtung Kino begaben, wo uns bereits gegen halb drei die ersten bekannten Gesichter erwarteten und ich mir bei der nahen Bäckerei noch rasch eine kleine Stärkung einverleibte.
Am zweiten Tag stand mit „Nachtschwester müsste man sein“ eine italienische Sexklamotte am Programm, die sich trotz aller meiner Befürchtungen im Vorfeld jedoch als überraschend unterhaltsam präsentierte. Zuvor gab es von Udo noch einen kurzen Einblick in das Genre und einen Ausblick auf den Film. Die turbulente Geschichte über einen Zahnarzt, eine dralle Nachtschwester, einen falschen Patienten und einen Brillanten im Kronleuchter war herrlich neben der Spur und bot viel Platz für hyperaktives Herumgefuchtel, hysterische Charaktere, Situationskomik und einen blumigen Umgang mit der Sprache in der deutschen Synchro. Zwar merkt man hier schon, dass eher die Kalauer im Vordergrund stehen, die mittels dünner Story zusammengehalten werden, aber kurzweilig war das alle mal und gipfelten in einer Disco-Nummer, die von Gloria Guida höchstpersönlich zum Besten gegeben wurde. Ich kannte den Song mit seinen eher rotzig dargebrachten Lyrics ja schon von DuRöhre, aber im Kino waren wohl einige wohl etwas irritiert. Die werte Gloria mag zwar wie eine liebreizende Erscheinung daherkommen – im Geiste ist sie aber wohl eher auf Punkrock gebürstet. Also auch ein Film voller Überraschungen, der in der Gruppe auch herrlich funktionierte. Es wurde geschmunzelt und gelacht und auch wenn das Genre der italienischen Sexklamotte nie mein liebstes Genre werden wird, so war das an diesem sonnigen Nachmittag im schönen Hamburg und noch schöneren Metropolis-Kino schon eine sehr schöne Sache.
Der Abschlussfilm des heurigen Treffens und „Ein achtbarer Mann“ entpuppte sich nach der gewohnt kompetenten wie unterhaltsamen Einführung vom werten Lars als absolut großartiger Film mit Drehorten in Hamburg, der in allen Belangen ein Gewinner ist. Von den Darstellern, den Drehorten „on location“ über den Soundtrack von Morricone bis zu seiner dramatischen Geschichte über einen frisch entlassenen Safeknacker, der noch einmal ein großes Ding drehen möchte. Die Mischung aus Drama, Action und Heist war auch großartig und die deutsche Kinofassung bietet zur grottigen und vermutlich nicht ganz legalen DVD-Veröffentlichung auch die 110minütige Fassung, die mich nach einem eher ruhigen Start auch richtig mitgenommen hat. Im zweiten Teil gibt „Ein achtbarer Mann“ ja richtig Gas und dreht die Spannungsschraube auch unerbittlich an. Schön auch das Ende, dass zwar etwas vage bleibt, aber den Zuschauer noch länger beschäftigt und mit seinen schuldbeladenen Figuren, dramatischen Entwicklungen und finalen Hoffnungslosigkeit genau mein Dingen ist. Schade und unverständlich, dass dieser Streifen noch nicht in einer schönen und vollständigen Fassung veröffentlicht wurde, die den inhaltlichen und technischen Qualitäten des Streifens gerecht wird. Selten hat bei einem Forentreffen für mich ein Film so derart gut gepasst wie „Ein achtbarer Mann“ mit seinem Hamburg-Bezug, der diesen Streifen auch für mich zum absoluten Highlight gemacht hat.
Auch danach ging es Schlag auf Schlag aber mit weniger Kollateralschaden mit einem halbstündigen Fußmarsch ins Schanzenviertel, in dem bei einem Griechen namens „Olympisches Feuer“ ein großer Tisch reserviert war. Das Lokal war brechend voll, der Service trotz nordischer Kühle sehr herzlich und effizient und auch das Essen ziemlich lecker. Als besondere Überraschung hatten Dän und Frauke auch noch Muffins mit dem Geburtstagslogo auf essbare Oblaten gedruckt, die zu Ouzo und Bier gerne als Nachtisch verspeist wurden. Dazu gab es auch noch interessante Gespräche über Filme, Sommerfrische in der Steiermark und Gott und die (böse) Welt, wobei vor allem Reinis blumige Ausführungen über ungeklärte Morde im Frankfurter Umfeld (Tristan, Yotzge & Seel) die zahlreichen Hörer zu etwas fortgeschrittener Zeit völlig in seinen Bann zogen. Danach ging es Richtung Parkplatz wo wieder kühles Deliria-Brew aus dem Harz serviert wurde, dass von allen ja bereits sehnlichst erwartet wurde und auch hier wurden interessanten Gespräche fortgesetzt, Inhalte vertieft, Geschenke ausgetauscht und J&B gereicht, ehe es für mich gegen drei Uhr morgens ins Bett ging.
(Korn und Bier im Goldenen Handschuh)
Am Sonntag durfte ich dann mit einem kleinen Rest der Runde im Hotel frühstücken, es gab eine herzliche Verabschiedung, ich durfte ein Westernplakat eintüten, ging dann noch mit dem Jonas auf einen Kaffee in die Stadt und als letztes traf ich noch Nello am Flughafen, der im gleichen Flieger Richtung Wien saß. Nacht bangen Minuten am Wiener Terminal gab es dann doch noch einen Platz im Graz-Flieger und mit einem Tag Verspätung ist nun auch der Koffer mit vielen Filmen, Geschenken und Erinnerungsstücken an ein schönes Wochenende in der Wohnung gelandet. Alles in allem wieder einmal ein wunderbares Wochenende, dass vermeintliche „Pleiten-Pech & Pannen-Treffen“ diesen Namen keinesfalls gerecht wurde, sondern ausgesprochen viel Spaß bereitete. Danke auch nochmals an alle Organisatoren, großzügigen Spender und zahlreichen Besucher, die das zehnjährige Jubiläum zu etwas ganz Besonderem machten. Und nach dem Treffen ist ja bekanntlich vor dem Treffen und so freue ich mich jetzt schon alle im nächsten Jahr in einer neuen Stadt wiederzusehen, wo uns zumindest schon ein Film verraten wurde, auf den ich mich jetzt schon besonders freue.
(Regenbogen an der Alster-Fontäne)