Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert
Confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica
Italien 1971
Regie: Damiano Damiani
Franco Nero, Martin Balsam, Marilù Tolo, Claudio Gora, Luciano Catenacci, Giancarlo Prete, Arturo Dominici, Michele Gammino, Adolfo Lastretti, Roy Bosier, Dante Cleri, Giancarlo Badessi, Nello Pazzafini, Calisto Calisti, Wanda Vismara, Adele Modica, Filippo De Gara

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OFDB
Zwei Männer. Beide kämpfen gegen Korruption und Verbrechen, beide aus verschiedenen Motiven heraus, und beide haben vollkommen unterschiedliche Vorgehensweisen. Der Kriminalkommissar Bonavia ist schon seit vielen Jahren im Dienst, hat viele Höhen und Tiefen erlebt, ist darüber allmählich fast ein wenig resigniert (im Dienst ergraut, nennt man das dann wohl), und hat es nach über 10 Jahren immer noch nicht geschafft, den Gangster Lommuno ins Gefängnis zu bringen. Der junge Staatsanwalt Traini, noch ganz frisch im Amt, glaubt an das Recht, legt es buchstabengetreu aus, und ist felsenfest davon überzeugt, dass, wenn dem Recht nur genügend Platz eingeräumt wird, die Kriminalität sich quasi wie von selbst erledigt.
Bonavia und Traini arbeiten an dem Fall des Michele Li Puma, der zwei Tage nach seiner Entlassung aus der Irrenanstalt in einer Polizeiuniform und mit einer Maschinenpistole in Lommunos Büro geht und wie ein Verrückter losballert. Lommuno ist nicht da, wohl aber dessen, ebenfalls schwer bewaffnete Leibgarde. Das Ergebnis ist ein Blutbad – Und ein toter Li Puma. Es stellt sich die Frage, wer Li Puma aus dem Asyl überhaupt entlassen hat, denn geheilt war der noch lange nicht. Und ebenfalls steht die Frage im Raum, wer Lommuno gewarnt hat, damit der nicht zur Unzeit in seinem Büro ist. Bonavia und Traini haben das gleiche Ziel, nämlich Lommuno endlich aus dem Verkehr zu ziehen. Ihn, und seine Clique, bestehend aus dem Bürgermeister, dem Leiter der Baukommission und so einigen mächtigen Männern mehr. Es könnte so schön sein, aber stattdessen zerfleischen sich Bonavia und Traini gegenseitig …
Die Justiz in Gestalt Trainis auf der einen Seite, und die Exekutive mit Kommissar Bonavia auf der anderen Seite, und fast ist man geneigt an den namenlosen Fremden zu denken, der sich in Sergio Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR zwischen die beiden Pole setzt und daran gut verdient. Diesen Part würde hier dann das organisierte Verbrechen einnehmen, das aus der Feindschaft der beiden Widersacher nur Vorteile zieht. Denn auch wenn Bonavia und Traini notgedrungen zusammenarbeiten müssen, so stellen sie auch schnell fest, dass ihnen die Arbeitsweise des jeweils anderen zuwider ist. Man kann halt nicht aus seiner Haut, und wenn Bonavia Trainis Telefon überwacht, dann zapft Traini eben auch Bonavias Telefon an. Alte Gewohnheiten eben. Oder auch Schwanzvergleich auf administrativ …
Es gibt eine lange Szene, in der Traini und Bonavia auf einen Hügel außerhalb der Stadt steigen, und die ganze herbe Schönheit Siziliens gezeigt wird. Sie sind alleine, und können sich ohne Angst vor einem Gesichtsverlust gründlich aussprechen. Bonavia erzählt davon, wie es vor 10 Jahren für ihn angefangen hat, mit dem Mord an einem von ihm bewunderten Gewerkschafter, und dass er Lommuno seitdem dreimal verhaftet hat, und dreimal wieder freilassen musste. In jedem normalen Film wäre diese Szene der Knackpunkt, in der die beiden unterschiedlichen Charakter ihre Gemeinsamkeiten erkennen und zu erfolgreichen Buddies im Kampf gegen die Kriminalität werden.
Nicht so bei Damiano Damiani. Hier dient die Szene als Anfang vom Ende, als apokalyptischer Schlagabtausch mit dem Ziel, den jeweils anderen gewaltsam aus den Ermittlungen herauszunehmen. Der Zuschauer, der bis dahin gedacht hat, dass der Staat in Form des Gesetzes und seiner Hüter zumindest in der Filmwelt immer Recht behält, muss hier erkennen, dass auch Filme sich an der Realität orientieren können, und dass Korruption und Kriminalität die Oberhand behalten über einen zutiefst zerstrittenen und damit handlungsunfähigen Staat. Dass eine Clique aus macht- und geldgierigen Schweinen, die kraft ihrer Ämter eine gesamte Region beherrschen, sowieso unangefochten über allem steht, weil sich diejenigen Organe, die das staatliche Gesetz eigentlich vertreten bzw. ausüben sollen, lieber selbst zerfleischen, und mit dem Finger auf den jeweils anderen zeigen, dass er ja Schuld sei an der Misere. Bonavias Reaktion auf diese Katastrophe ist dann vielleicht tatsächlich der einzige Ausweg, diesen Gordischen Knoten zu zerschlagen, und mit dem offenen Ende des Films verweigert sich Regisseur Damiano Damiani auch einer offensichtlichen Wertung dieses Auswegs. Wobei das letzte Bild einen verhaltenen Optimismus an den Tag legt, da Traini auf der obersten Stufe einer Treppe steht, seinem Gegenüber nach unten in die Augen blickt, und sich somit als neuer und zukünftiger Machthaber präsentiert. Jetzt ist er da wo er hinwollte, und kann dem Gesetz seinen Weg bahnen.
Vier Jahre später wird uns in einem Film Damianis wieder ein Staatsanwalt Traini begegnen (nämlich in WARUM MUSSTE STAATSANWALT TRAINI STERBEN?), der sich dann aber mit dem herrschenden Unrecht möglicherweise arrangiert zu haben scheint. Ein Verweis Damianis darauf, dass sich die mafiösen Strukturen Siziliens nicht mal so eben beseitigen lassen? Und dass die Verlockungen von Geld und Macht bisher noch jeden früher oder später entweder korrumpiert oder ins Grab gebracht haben?
DER CLAN.. jedenfalls ist ein spannender und zugleich trister Film, ein bitterer und zutiefst deprimierender Blick auf eine Gesellschaft, die so angestrengt damit beschäftigt ist wegzuschauen, dass die kriminellen Nutznießer dieser Gesellschaft fast unbehelligt agieren können. Und wenn man jetzt die, in diesem Film, behandelte Bauwirtschaft mit etwa dem Begriff
Klimawandel ersetzt, kommt man zu dem erschreckenden Schluss, dass sich in den über 50 Jahren seit der Entstehung dieses Films nichts, aber auch rein gar nichts, geändert hat. Noch immer weiß jeder was für Schweinereien unter den oberen 10.000 ausgekungelt werden, und noch immer ist das alles uninteressant, solange das eigene Wohlergehen nicht gefährdet ist.
7/10