Blutspur im Park
Una farfalla con le ali insanguinate
Italien 1971
Regie: Duccio Tessari
Carole André, Helmut Berger, Lorella De Luca, Wendy D'Olive, Evelyn Stewart, Dana Ghia, Giancarlo Sbragia, Günther Stoll, Silvano Tranquilli, Duccio Tessari, Wolfgang Preiss, Peter Shepherd
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OFDB
Italo-Cinema (Prisma)
Im Park wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Der Sportjournalist Alessandro Marchi gerät in Verdacht, und anhand einer ganzen Latte von Indizien wird seine Schuld schnell „bewiesen“ und Marchi kommt ins Gefängnis. Doch während er sitzt geschehen wieder Morde an jungen Mädchen, wieder mit dem gleichen Messer. Inspektor Berardi muss zugeben, dass mit Marchi wohl der falsche verhaftet wurde. Doch wer ist der richtige Mörder?
So wenig Inhaltsangabe, so wenig scheinbar verzwickte Handlung, und doch so ein vielschichtiger und randvoller Film. Ein Film, der die typische Form der Thriller der 70er-Jahre mit seiner Sprunghaftigkeit und nonlinearen Erzählweise vorwegnimmt. Der in vielen Einstellungen und Spannungsbögen so typisch amerikanisch scheint, und dabei doch grundlegend in der italienischen Gesellschaft eingebettet ist. BLUTSPUR IM PARK ist mehr als nur ein Giallo unter vielen. BLUTSPUR IM PARK bietet, cineastisch gesehen, das ganz große Panorama. Ich weiß schon, warum ich die Filme von Duccio Tessari, den viele als schlichten Handwerker ansehen, so gerne mag. Und ich weiß auch, warum ich seine Filme in den meisten Fällen Filmen von, zum Beispiel, Mario Bava vorziehe. Anders als Bava, der so oft künstlerisch unterwegs war (und dies auch in jeder Hinsicht überragend), setzte Tessari seine Kunst in den Kontext der Geschichte. Tessaris Regieeinfälle waren nie Kunst um der Kunst willen, sondern brachten immer die Geschichte voran, oder erzeugten Stimmungen und wiesen geschickt auf Erzählebenen hin, die dem Zuschauer sonst unter Umständen verborgen geblieben wären.
Bei BLUTSPUR IM PARK geht das schon mit dem Schnitt los, der direkt in die eigentliche Erzählung mündet. Gerade zu Beginn wird der Zuschauer in einen Wirbelwind einzelner Bildern und Steinchen geworfen. Ein Mosaik von Informationen prasselt auf den Zuschauer ein, und nur allmählich lichtet sich das Bild und macht einer zügig erzählten Mordstory Platz – Es gibt einen Mord, der aus verschiedenen Sichten erzählt wird, jeder Zeuge sieht seine eigene Version des Geschehens, und im narrativen Schweinsgalopp setzen sich die einzelnen Bruchstücke zusammen – Und der Zuschauer wird dazu angehalten mitzudenken und aufmerksam zu sein, sonst gehen ihm möglicherweise wesentliche Informationen verloren. Der Inspektor dröselt den Fall auf, und dass zu diesem Zeitpunkt bereits einiges an Zeit vergangen ist, das wird auf dieser Seite des Fernsehschirms kaum bemerkt. Zu schnell springt die Handlung in Sieben-Meilen-Stiefeln voran, zu zügig entfaltet sich das Bild des Films und füllt sich der Spannungsbogen mit Leben und Tod. Erinnerungen an Filme wie den einige Jahre später entstandenen ZEUGE EINER VERSCHWÖRUNG werden wach – Der Zuschauer sieht sich gezwungen, die Leerstellen zwischen den Schnitten mit eigenen Gedanken zu füllen, die Aufgabe des Regisseurs ist es, „nur“ dafür zu sorgen, dass der Zuschauer auch das Richtige denkt. Nicht immer muss alles ausformuliert oder gar gezeigt werden, wenn es auch schlicht angedeutet werden kann. Ein Vorgehen, das im Allgemeinen für sehr starke Bilder im Kopf des Zuschauers sorgt …
Dazu der bewusste Verzicht, die damals gängigen Topoi des Giallo zu kopieren. Vergeblich wartet der Zuschauer auf schwarze Handschuhe, phallisch aufgeschlitzte Frauen und nackte Schönheiten. Stattdessen hat es eine kühl durchkomponierte Bildsprache, die Morde finden mehr oder weniger im Off statt und haben kaum Schauwerte, und Nuditäten sind gleich ganz selten. Genauso wie ein Jahr zuvor in DAS GRAUEN KAM AUS DEM NEBEL setzt Tessari auch hier statt auf die erwarteten Schemata lieber auf die Leistungsfähigkeit seiner Schauspieler und die Aussagefähigkeit seiner Geschichte – Und gewinnt auf ganzer Linie.
BLUTSPUR IM PARK ist ein teilweise geradezu kühler und teuflisch-genialer kleiner Krimi, der mit seiner Raffinesse wieder einmal beweist, dass a) im Giallo nichts unmöglich war und b) Duccio Tessari vielen seiner Kollegen weit voraus war, vor allem in Bezug auf die Kunst der Narration. Wie er seine Figuren anordnet, wie er die verschiedenen Blickwinkel auf den Mord miteinander verzahnt, und damit dem Zuschauer immer neue Informationen zuführt und ihn gleichzeitig aufs Glatteis führt, wie der Betrachter im Unklaren darüber gelassen wird, welche Informationen stimmen und welche falsch sind, ohne dabei aber einen artifiziellen Eindruck zu machen, sondern immer hochgradig spannend und unterhaltend … Gerade wegen des einfach gehaltenen Grundgerüsts der Handlung kann sich der Zuschauer auf das Drama konzentrieren, das ganz ohne technischen Schnickschnack und nur durch die Art der Erzählung wie ein Uhrwerk abläuft, und ihn unnachgiebig in eine böse und schmutzige Geschichte hineinzieht. RASHOMON als moderner Krimi – Ausgesprochen gelungen!
8/10