Leicht überarbeiteter Kurzkommentar (ursprünglich 2009 verzapft)
Grosse Hartbox von XT
Sleepless (Italien 2001, Originaltitel: Non ho sonno)
Der Giallo lebt!
In den frühen achtziger Jahren erschüttete eine grauenvolle Mordserie die Stadt Turin. Damals wurde der Fall offiziell aufgeklärt, doch nach 17 langen Jahren scheint der sogenannte
"Killerzwerg" plötzlich wieder aktiv zu sein. Seinerzeit war der inzwischen längst pensionierte Kriminalbeamte Moretti (Max von Sydow) mit dem Fall betraut, die neue Serie schrecklicher Morde lässt den alten Herrn nicht zur Ruhe kommen. Giacomo (Stefano Dionisi) verlor 1983 seine Mutter durch den Killer, Moretti versprach dem Jungen damals den Schuldigen dingfest zu machen. Gemeinsam begibt sich das ungleiche Gespann auf die Spur des Täters. Der Polizei sind die privaten Ermittler bald ein Dorn im Auge, doch wirkliche Gefahr droht aus einer anderen Richtung...
Dario Argento gelang mit
"Non ho sonno" ein erstklassiger Giallo, der seinen Meisterwerken aus den siebziger Jahren kaum nachsteht. Ein lupenreiner Genrebeitrag, welcher den gierigen Giallo-Fanatiker jubeln lässt, aus den gängigen Zutaten zaubert der Meister ein äusserst schmackhaftes Menü. Es fehlen weder die obligatorischen schwarzen Handschuhe, oder die drastischen Morde, dazu ist die Auflösung meiner Meinung nach ebenfalls ein Volltreffer. Ich konnte den Täter nicht überführen, hatte nicht mit dieser herrlich fiesen Überraschung gerechnet. Sicher, man hat das irgendwie alles schon gesehen. Waren Argentos Filme in den Siebzigern visionär, so mag
"Sleepless" sich tatsächlich fast ein wenig altmodisch anfühlen
(Nachtrag: Blödsinn, Kunst ist zeitlos). Doch kein anderes Jahrzehnt brachte so viele wundervolle Werke hervor wie die siebziger Jahre, ergo rennt dieser
"Retrostreifen" bei mir offene Türen ein. Trotz der üblichen Bestandteile hebt sich der Film positiv aus der breiten Masse heraus, bereichert sein Genre um eine weitere Perle. Argento läuft zur Hochform auf, dafür gebührt dem Regisseur Respekt und Dank, ich verneige mich vor dem Meister!
Max von Sydow stellt den alten Kriminalisten sehr überzeugend dar. Hier erwartet den Zuschauer kein Superbulle, die Figur Moretti ringt mit seinem nachlassenden Gedächtnis, die grauen Zellen des Pensionärs werden durch die neue Herausforderung wieder auf Trab gebracht. Stefano Dionisi ist ähnlich sympathisch wie von Sydow, sein Giacomo kämpft nach vielen Jahren mit schrecklichen Bildern, Bilder die sich nicht aus dem Gedächntnis verbannen lassen. Als kleiner Junge musste er sie Schlachtung seiner Mutter als Zeuge ertragen, für immer ist das Grauen in seiner Erinnerung verankert. Ich werde nicht weiter auf die Nebenfiguren eingehen, entdeckt den Film bitte auf eigene Faust, es lohnt sich! Inzwischen ist
"No ho sonno" zu einem
"nachgereichten Genreklassiker" gereift, mit jeder Sichtung wächst meine Begeisterung für diees Werk. Bereits die Eröffnung ist sexy, packend und bizarr, ein prickelnder Rausch, getaucht in eine auf den Punkt eingefangene Atmosphäre. Später wecken Szenen in einer alten Villa wohlige Erinnerungen an den Überflieger
"Profondo Rosso" (1975), die mir glatt Freudentränen über die Fratze kullern ließen, wundervoll! Zugegeben, Argento dem Genre keine neuen Facetten hinzufügen, aber er kocht auf verdammt heisser und packender Flamme. In der Filmlandschaft nach 1990 sind gute Gialli rar, umso höher ist dieser Film zu bewerten, umso mehr Beachtung und Verehrung verdient
"Sleepless".
Für den deutschen Markt lag der Film in gekürzter Form von e-m-s vor, die Uncut Edition von Anolis ist schon seit einiger Zeit ausverkauft, war nur noch zu Bordellpreisen erhältlich. Glücklicherweise hat XT Video die Scheibe neu aufgelegt, damit ist der herrliche Film wieder zu erträglichen Preisen auf dem Markt zu finden. 25€ sollte man für die grosse Hartbox einplanen, doch das war/ist mir dieser Giallo locker wert
(Nachtrag: Inzwischen hat XT weitere Auflagen nachgereicht, der Film ist also ohne Schwierigkeiten zu bekommen). Die Qualität des Bildes geht in Ordnung, der deutsche Ton liegt in unterschiedlichen Formaten vor, mir sind die beiden 5.1-Spuren zu krawallig abgemischt, die 2.0 Variante gefällt mir besser, zusätzlich ist die englische Fassung an Bord.
Ich erhöhe von 8/10
(sehr gut) auf dicke
8,5/10 (sehr gut bis überragend)