Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Mi 13. Okt 2021, 17:54
Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone
„Gandhi hätte sie wahrscheinlich erwürgt!“
Die letzte gemeinsame Regiearbeit des US-Trios David Zucker, Jim Abrahams und Jerry Zucker (kurz: „ZAZ“) nach „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ und „Top Secret“ datiert auf das Jahr 1986. Mit „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“ nach einem Drehbuch Dale Launers emanzipierte man sich von seinen parodistischen Spoof-Komödien und versuchte sich erstmals an einer formal relativ konventionellen Komödie.
„Man kann niemandem trauen, nicht einmal der Polizei!“
Sam Stone (Danny DeVito, „Einer flog über das Kuckucksnest“), Inhaber eines Bekleidungsherstellers, ist ein skrupelloser Kapitalist, der seiner Affäre Carol (Anita Morris, „Blue City“) eröffnet, seine ihm verhasste Ehefrau Barbara (Bette Midler, „Verhext“) umbringen zu wollen, um an deren Familienvermögen zu gelangen. Noch bevor er seinen finsteren Plan durchführen kann, erfährt er jedoch, dass Barbara entführt wurde. Die Kidnapper fordern 500.000 Dollar für Barbaras Leben. Sam feiert dies insgeheim und denkt natürlich nicht im Traum daran, die geforderte Summe zu zahlen, ganz im Gegenteil: Er setzt alles daran, die Entführer zu verärgern, indem er umgehend die Journaille und die Polizei informiert, die Höhe des Lösegelds zu verhandeln versucht und sich dennoch weiterhin partout weigert, selbst wesentlich geringere Summen den Entführern zukommen zu lassen. Bei diesen handelt es sich um das Ehepaar Ken (Judge Reinhold, „Gremlins – Kleine Monster“) und Sandy (Helen Slater, „Supergirl“), zwei Menschen in Geldnot, die eigentlich keiner Fliege etwas zuleide tun können und sich zu diesem Schritt nur deshalb gezwungen sahen, weil Sam der aufstrebenden Modedesignerin Sandy ihre Entwürfe gestohlen und selbst zu Geld gemacht hat, während Sandy leer ausging. Nun haben sie jedoch die neurotische, bösartige Mrs. Stone am Hals, die sich als überaus wehrhaft erweist. Ken und Sandy sind zunehmend mit der Situation überfordert, während Carol ihre eigenen Pläne verfolgt und zusammen mit ihrem tumben Toyboy Earl (Bill Pullman, „Spaceballs“) ebenfalls Sam zu erpressen beginnt…
Auf den hübsch animierten Vorspann folgen Sams Mordpläne, ausführlich dargelegt von einem von Anfang bis Ende fulminant aufspielenden Danny DeVito. Die Entführer sind dilettantische, blutige Anfänger, für die man schnell Mitleid entwickelt, während die Entführte Mrs. Stone zunächst eine unsympathische Furie ist, bis sie die Situation annimmt, in ihrem Versteck ein straffes Fitness-Programm durchzieht und dadurch einige Pfunde purzeln, woraufhin sie ihre Lebensfreude zurückgewinnt – und endlich umgänglich wird. Als sie von Sams Zahlungsunwilligkeit erfährt, ist sie ganz aufgelöst und verbündet sich schließlich mit ihren Entführern. Die turbulente Handlung schlägt zahlreiche Haken und steckt voller völlig irrer Verwicklungen und Konfusionen, ein Missverständnis jagt das nächste. Die Unvorhersehbarkeit der raffiniert konstruierten Geschichte und die durch die Bank weg großartigen Leistungen des Schauspielensembles sind die größten Pluspunkte dieser ansonsten recht konventionell gestalteten Komödie, die nichts mehr mit dem Nonsens-Klamauk anderer „ZAZ“-Produktionen zu tun hat. Zwar fehlt bedauerlicherweise der anarchische Charme, der diese bisher ausgemacht hatte, und wirkt „Die unglaubliche Entführung…“ insgesamt wesentlich gefälliger, doch dafür ist die Ausrichtung des Films eine sehr sympathische, indem sie die Entführer in einer von Raffgier und Unehrlichkeit bestimmten Welt als die einzig normalen und vor allem menschlichen Wesen charakterisiert. Dass es Ken und Sandy als einzigen Ausweg aus ihrer finanziellen Misere betrachten, eine derartige Straftat zu begehen, während der eigentliche Verbrecher ein vermögendes Firmenoberhaupt ist, das den Hals nicht vollbekommt, ist zudem ein unmissverständlicher Seitenhieb auf das US-Wirtschaftssystem unter Reagan und Konsorten.
„Ruthless People“, so der stimmigere Originaltitel, ist ein bunter Spaß, der aus heutiger Perspektive zudem mit seinem ‘80er-Interieur-Schick im Überfluss begeistert. Es lohnt sich daher, diesen Film im Zuge des ‘80er-Rollbacks wiederzuentdecken, wenngleich Mick Jaggers Titelsong nicht das Gelbe vom Ei ist und generell andere Filme jener Epoche aufregendere Musik zu bieten haben. Bruce Springsteens Rock’n’Roller „Stand On It“ geht aber in jedem Falle klar und auch Nicole McClouds „Don’t You Want My Love“ hat was, ebenso Paul Youngs „Wherever I Lay My Hat (That's My Home)”. Ach, eigentlich ist die Ausbeute gar nicht so schlecht. Und welcher Heavy-Metal-Song wird eigentlich in der Kaufhausszene angespielt…?