Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Fr 5. Nov 2021, 17:51
Frau Jordan stellt gleich [Staffel 2]
Im November des Jahres 2020 wurde die zweite Staffel der deutschen SitCom „Frau Jordan stellt gleich“ des Streamingdienstes „Joyn“ der ProSieben/Sat.1-Gruppe nach einem Konzept Ralf Husmanns („Stromberg) veröffentlicht, ihre TV-Ausstrahlung folgte im Juli 2021. Die zehn neuen aufeinander aufbauenden, jeweils rund 25-minütigen Episoden wurden von Erik Haffner (Episoden 11-15) und Michael Binz (Episoden 16-20) inszeniert, von den Regisseuren der ersten Staffel war also niemand mehr mit der Serie betraut. Und nachdem er die Drehbücher der ersten Staffel zusammen mit Anneke Janssen, Elena Senft und Sarah Palma verfasst hatte, stammen nun alle ausschließlich von Husmann.
Nachdem Eva Jordan (Katrin Bauerfeind, „König von Deutschland“), Gleichstellungsbeauftragte im Stadthaus einer fiktionalen deutschen Kleinstadt, die Bürgermeisterinnenwahl gegen die karrieristische Sommerfeld (Adina Vetter, „Blutgletscher“) am Ende der ersten Staffel verloren hat, leitet sie weiter das Gleichstellungsteam aus der etwas verhuschten und naiven Renate (Mira Partecke, „Golden Twenties“), der jungen, lesbischen und aggressiven Yvonne (Natalia Belitski, „Stillstehen“) und Evas Freund, dem Softie Philipp (Alexander Khuon, „3 Zimmer/Küche/Bad“). Eva, die sich mit festen Bindungen schwertut und daher eher zu unverbindlichen Affären oder One-Night-Stands neigt, muss sich beruflich mit ihrer bissigen ehemaligen Konkurrentin Sommerfeld herumschlagen, versucht, fürs im Zuge der Digitalisierung gebildete „Innovationsteam“ eine Frau zu rekrutieren und kämpft mit dem alltäglichen Diskriminierungs- und Gleichstellungswahnsinn – was u.a. dadurch erschwert wird, dass sich Yvonne nun in einer festen Beziehung befindet und bis über beide Ohren verliebt ist (worunter ihre Arbeit leidet), und schließlich gar eine Stelle im Gleichstellungsbüro gestrichen werden soll. Auch privat geht’s wieder turbulent zu, denn ihre Beziehung mit Philipp soll verbindlicher werden…
Auch die zweite Staffel bietet ein buntes Panoptikum an Befindlichkeiten zwischen echter und lediglich gefühlter Diskriminierung, Konflikten, die aus der Unfähigkeit, vernünftig miteinander zu kommunizieren, gedeihen, Klischees, die sich ins Gegenteil verkehren und aufgegriffener aktueller Diskurse um Gleichberechtigung, Barrierearmut und ähnlichen nachvollziehbaren Interessen. Wer wird eigentlich von wem und wodurch diskriminiert? „Frau Jordan stellt gleich“ bricht weiterhin Schwarzweißdenken auf und zeigt, dass nicht alles immer so sein muss, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, und wie kompliziert es manchmal ist, es allen recht zu machen – insbesondere, wenn die ehemals Diskriminierten längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und ihrerseits nicht davor gefeit sind, bewusst oder unbewusst andere zu diskriminieren. All dies geschieht auf komödiantische, durch Überzeichnungen karikierende Weise, angereichert mit zwischenmenschlichen Zerwürfnissen, Situationskomik und Sprachwitz.
Jedoch hat es der zweiten Staffel möglicherweise nicht gutgetan, dass Husmann die Drehbücher allein verfasste und damit eine weibliche Perspektive abhandenkam. Die Themen werden weniger subtil verhandelt, der Humor erscheint dafür etwas offensiver bis krawalliger und zuweilen leider auch flacher. Und mitunter greift man auch vollkommen daneben: Die klischierte Negativdarstellung von „Fridays for Future“-Protestant(inn)en direkt zu Beginn der ersten Episode ist schlicht respektlos und lässt jegliche weitere Ebene vermissen. Und aus der eigentlich interessanten Idee, einen ehemaligen Berufssoldaten der Bundeswehr als Erzieher in einer Kindertagesstätte einzusetzen, gegen den sich besorgte Mütter richten, weil sie, statt sich darüber zu freuen, dass ein solch (vermeintlich) „harter Kerl“ eine weibliche Domäne aufbricht und sich nicht um Geschlechterklischees schert, seine Vergangenheit als Soldat und damit ihn als Vorbild für ihre Kinder ablehnen, wird kaum etwas gemacht. Was viel Potential geboten hätte, verkommt hier leider fast zu so etwas wie einer Werbebotschaft für den völkerrechtlich fragwürdigen Bundeswehreinsatz in Afghanistan, der zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten sowie Soldatinnen und Soldaten das Leben gekostet hat. Kurz nach Ausstrahlung der Episode musste das Scheitern des Kampfes gegen die Taliban eingestanden werden. Das ist nicht nur schlechtes Timing, sondern generell ein Thema, an dem sich Husmann kräftig verhoben hat.
Den Vogel schießt das Staffelfinale ab, in dem sich ausgerechnet durchs Eingreifen eines Manns für das Gleichstellungsbüro alles zum Guten wendet und Jordan gar nicht mehr gebraucht wird – als habe Husmann unter Beweis stellen wollen, wie unnötig eine solche Institution eigentlich sei. Das konterkariert die Ausrichtung der vorausgegangenen Staffel derart, dass ich, um die zweite Staffel abschließend beurteilen zu können, wissen müsste, ob und wenn ja, wie die bereits produzierte dritte Staffel dieses Ende möglicherweise auflöst. Freude machen nach wie vor die schauspielerischen Leistungen nahezu aller Beteiligter und Husmanns „Stromberg“-Geschick blitzt ein wenig durch, wenn Jordan in einer Event-Agentur anheuert und die dortigen Abläufe persifliert werden. Ein Fazit fällt schwer; es gilt abzuwarten, in welche Richtung sich die Serie weiterentwickelt – insbesondere in ihrer Eigenschaft als humorvoller Kommentar zum sozialen Zustand der Gesellschaft.