Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Mi 21. Sep 2022, 18:17
Frau Jordan stellt gleich [Staffel 3]
„Ich glaube, Frauen sind gerade nicht so das Thema!“
Die dritte Staffel der deutschen SitCom „Frau Jordan stellt gleich“ des Streamingdienstes „Joyn“ der ProSieben/Sat.1-Gruppe nach einem Konzept Ralf Husmanns („Stromberg) wurde am 18. November 2021 veröffentlicht, ihre TV-Ausstrahlung folgte im Juli 2022. Erneut umfasst die Staffel zehn neue aufeinander aufbauende, jeweils rund 25-minütige Episoden. Informationen zu Drehbüchern und Regie liegen mir diesmal keine vor.
„Nicht alles, was ein Mann zu ‘ner Frau sagt, heißt automatisch Sex.“
Eva Jordan (Katrin Bauerfeind, „König von Deutschland“), Gleichstellungsbeauftragte im Stadthaus einer fiktionalen deutschen Kleinstadt, hat hingeschmissen und arbeitet mittlerweile für eine Werbe- und Event-Agentur. Die Leitung des Gleichstellungsbüros hat nun die naive Renate (Mira Partecke, „Golden Twenties“) inne, die sich nur schwer gegen die am Sinn des Büros zweifelnde und kaum Mittel bewilligende Bürgermeisterin Sommerfeld (Adina Vetter, „Blutgletscher“) durchzusetzen weiß. Renates Mitarbeiterin, die aufbrausende Lesbierin Yvonne (Natalia Belitski, „Stillstehen“), ist inzwischen in festen Händen, sogar die Adoption eines Kinds ist eine Option geworden. Ihr Kollege und Immer-mal-wieder-Liebhaber Eva Jordans, der Softie Philipp (Alexander Khuon, „3 Zimmer/Küche/Bad“), wird plötzlich zu Unrecht der sexuellen Belästigung einer Bauamtsmitarbeiterin bezichtigt. Neu im Stadthaus ist der Antidiskriminierungsbeauftragte David Ohlert (Malick Bauer, „Tatort: Funkstille“), der Evas ehemaliges Büro bezogen hat. Als Eva zunehmend von einem Agenturkunden (Ulrich Brandhoff, „Käthe und ich“) bedrängt wird, der sie offenbar für mehr als nur die eine Nacht will, beschließt sie, ins Stadthaus zurückzukehren…
„Flirten, saufen oder Elektroschocks!“
Das ärgerliche Ende der zweiten Staffel wird also rasch als bewusst eingesetzte Provokation erkennbar und entsprechend aufgebrochen, denn natürlich ist die Gleichstellung weiterhin relevant. Alte Konflikte verschärfen sich hier, neue keimen auf, und weiterhin werden zahlreiche aktuelle gesellschaftliche Themen aufgegriffen und ebenso humorvoll wie klug verhandelt. Manches Mal schießt jemand deutlich übers Ziel hinaus, auch innerhalb des Gleichstellungsbüros. Klischees werden aufgebaut, um sie genüsslich wieder einzureißen. Die karikierende Herangehensweise der Handlung an ihre Themen spitzt diese vortrefflich zu, zuweilen enthält jede Dialogzeile eine satirische Spitze. Dies geht mit einem offenbar leider auch der kurzen Laufzeit der Episoden geschuldeten sehr hohen Tempo einher, aufgrund dessen manch Phänomen lediglich angerissen wird. Vielmehr dominieren bald Geklüngel und Opportunismus im Stadthaus – eine Art Mikrokosmos großer Politik – das episodenübergreifende Narrativ. Das ist ein bisschen schade, denn „Frau Jordan stellt gleich“ war eigentlich immer dann am besten, wenn konkrete Gleichstellungsaufträge das Fundament einer Episode bildeten.
Dennoch ist es ein Genuss, Eva Jordan dabei zuzusehen, wie sie mit den Waffen einer Frau kämpft, sich und ihre Methoden zu hinterfragen gezwungen wird und dennoch selbstbewusst erneut gegen Bürgermeisterin Sommerfeld in den Ring steigt. Wie diese das Gleichstellungsbüro und den Antidiskriminierungsbeauftragten gegeneinander auszuspielen versucht, geht derweil ein wenig unter, hätte gern deutlicher herausgestellt werden dürfen. Wer sich für aktuelle Debatten um Themen wie Gleichstellung bzw. -berechtigung, (Anti-)Diskriminierung und damit einhergehende Befindlichkeiten, Fettnäpfchen und Widersprüche interessiert und zum Lachen nicht in den Keller geht, dürfte auch mit dieser Staffel seine Freude haben und eventuell sogar den einen oder anderen Denkanstoß mitnehmen. So ziemlich alle aktuellen Themen werden zumindest kurz angerissen, auch privilegierte Weiße, die sich stellvertretend für andere in ihren „Gefühlen“ verletzt und sich „unwohl“ fühlen. Auch wer gern Politpossen verfolgt, ist hier an der richtigen Adresse, und das Ensemble ist einmal mehr Zucker. Husmann und sein Team scheinen die Gesellschaft recht aufmerksam zu beobachten, beherrschen Situationskomik und Sprachwitz und bringen diese Serie zu einem guten Abschluss, der sich dennoch die theoretische Möglichkeit einer Fortsetzung offenhält.