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Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mo 4. Sep 2017, 11:19
von buxtebrawler
Lust, für deine DDT-Rezi ein Filmthema anzulegen?
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Di 12. Sep 2017, 12:45
von karlAbundzu
10. 9.2017 20:45 Cinema, Weird Xperience
OPERA / TERROR IN DER OPER (1987)
R: Dario Argento, D: Cristina Marsillach, Urbano Barberini, Daria Nicolodi, Coralina Cataldi-Tassoni, Antonella Vitale, William McNamara, Barbara Cupisti, Antonino Iuorio, M: Simonetti, Eno, Oper, Metal
Endlich wieder weird und an was für einem Ort: Hier war das älteste Programmkino Deutschlands, hier wurde ich initiiert, was die Faszination unsrer geliebten Kunstwerke im Kino angeht, hier sah ich zum ersten mal Bava auf der Leinwand (Planet der Vampire) Leone (Double-Feature), Hooper, Jackson….
Jetzt Argento: Seine Arbeit über Raben, Oper, Sehen und Technik. Seine Geschichte über die Sängerin und Tochter einer Sadistin, die zusehen muss, wie der Ex seiner Mutter vor ihren Augen Leute umbringt.
Eigentlich fast wie ein Best Of Bildern von Argento: Rote Vorhänge, schwarze Handschuhe, Augen. Sowieso Farben, ständig wird mit irrealem Licht und Lichtquellen gearbeitet, die, obwohl die Story als solches nichts Übernatürliches hat, alles in Fantastische zieht.
Betty, die Hauptdarstellerin, im Moment ihres künstlerischen und beruflichen Triumphes gefangen zwischen zwei Vaterfiguren – dem Killer (meiner Meinung ist der Darsteller ein wenig jung gewählt – wie jung muss der als Killersklave der Mutter gewesen sein?) und dem Regisseur, beides Unsympathen, von denen sie sich letztendlich befreien kann. Wenn ich die Schlussszene richtig verstehe – Oder so wie ich die Schlussszene verstehe.
Raben – Nicht nur, dass ich allgemein ein Freund der gefiederten Zeitgenossen bin, zu den Corvidae hab ich ein besonderes herzliches Gefühl. In diesem Film sind sie Handlungsträger, Auslöser, Rächer. Und das eröffnet durch ihren mythischen Balast eine ganze Wagenladung von Deutungsmöglichkeiten. Für Argento ist neben ihrer Klugheit vor allem wohl einfach das Unheimliche dieser Tiere wichtig. Und ein guter Anlass für den prima Kameraflug übers Opernpublikum.
Es geht ja wie so oft ums Sehen und das Sehen des Publikums, denn beim Horrorfilmschauen sind wir doch wie Betty, wir können nicht wegschauen, irgendetwas hält unsre Lider oben, während vor uns gemetzelt wird.
Auffällig in diesem Film das Präsentmachen von Technik bzw. Wiedergabetechnik von Musik und Tönen in Großaufnahme.
Beeindruckt bin ich von zwei Darstellern, von Cristina Marsillach, die eine überzeugende Betty gibt, auch in den ganzen surrealen Vorkommnissen und obwohl das Scrip ihr auf den ersten Blick unlogisches zu tun gibt. Dafür, dass sie vorher nur gemodelt hat, und wohl auch nicht sehr offen bei den Dreharbeiten war, hat mich das überzeugt. Ebenso Shakespearo Ian Charleson, der hier einen überzeugenden Arschloch-Regisseur gibt. Gut und gerne sehe ich ja auch immer wieder Coralina Cataldi-Tessoni, hier als rebellische selbstständige Kostümbildnerin.
Musik: Simonetti, Eno-Brüder muss ich nichts zu sagen, toll. Ebenso die gewählten Arien, passend superb. Der Metal: Ich verstehe ihn in den Szenen, hätte wohl aber welchen ohne Gesang bevorzugt, irgendwie reißt der was runter, wirkt durch diesen fast wie eine Persiflage. Schade. Bei der nächsten Tonversion würde ich einfach Slayer-Instrumentals drunter setzen. (Apropos Ton: Wir haben ja eine ungekürzte Version gesehen, bei der die bisher geschnittenen Szenen deutsch untertitelt drin waren: was haben die alles an Handlung rausgenommen! Die ganze falsche Fährte mit Bettys Vorgängerin…)
Das Ende: Ging ich bisher davon aus, das es im Ungewissen gelassen wird, ob und wie verrückt Betty selbst ist / wurde, ist für mich die „Im Gras kriechen“-Szene da eindeutig. Einen Schritt zurück: Die ganze „wunderschöne Welt“-Szene in den Alpen ist durch die übertrieben Idylle ja auch fantastisch, wie in Bollywood oder Heidi-Anime-Versionen. Und: Ich will unbedingt den Film mit der Fliege sehen!!!
So nach zwei Nächten noch über anderes nachgedacht: Gehirne, Konstruktion der Zeit und des Raumes,… aber dazu vielleicht später.
Vielleicht das noch: Bei manchen Szenen oder eben meinen kleinen Mäkeleien, bei Anschlussfehlern und so dachte ich doch mal, das ist vielleicht der Übergangsfilm, bei seinen späteren Filmen, egal ob gelungen oder nicht, beginnt Argento irgendwie ungenau zu arbeiten, und das ist ein herausragendes Merkmal seiner vorherigen, vor allem Ross, Suspiria, Tenebrae, Inferno, Arbeiten: Genauigkeit. Und das fängt hier an, nachzulassen.
Großer Giallo, toller Film!
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mi 20. Sep 2017, 10:13
von karlAbundzu
Es ist mir ja zu einer lieben Gewohnheit geworden, jährlich das Filmfest in Oldenburg zu besuchen. Auch wenn es in den letzten Jahren zeitgleich zum ebenfalls liebgewordenen FFF in Hamburg stattfindet, ich dort aber meist nur ein Tag verweile (bis auf dieses Jahr, eine Sturmgeschichte) und das ja inzwischen zwei Wochen geht, Oldenburg aber nur ein verlängertes Wochenende, ist das auch kein Problem.
Zu Beginn (mein erster Besuch muss so Ende 90er gewesen sein) waren vor allem amerikanische unabhängige Produktionen und die Retrospektiven in meinem Fokus, inzwischen sind es die etwas verrückt klingenden aus aller Welt. Auch diesmal war es fast eine Reise um die Welt: Spandau, Korea, Thailand, USA, Belgien, Indonesien, Japan. Zum Großteil übrigens in fachkundiger Begleitung!
Das Fest als solches hat sich von den Spielorten ein wenig verkleinert, was die Hektik zwischen den Filmen deutlich abmildert. Auch die Ernährungssituation ist verbessert, aber immer noch nicht gut.
Angefangen wie gesagt in Spandau:
Fr, 15.9.17, 16:30, Exerzierhalle
FAMILYE (D,2017) OmeU
R: Kubilay Sarikaya, Sedat Kirtan, D: Kubilay Sarikaya, Sedat Kirtan, Violetta Schurawlow, Muhammed Kirtan, Arnel Taci
Eine Geschichte über drei Brüder. Der Jüngste, ein Spieler. Der Mittlere, ein Erwachsener mit Down Syndrom. Der Älteste kommt gerade auf Bewährung raus, anerkannt in seinem Kiez, schwankend zwischen richtigem Weg und Kleingangstertum. Sie versuchen zu dritt, ihre Familie zusammen zu halten, im Spandauer Kiez mit ihrem Umfeld zu überleben. Das ist natürlich keine heile welt, da herrschen kriminelle Strukturen, die einen einerseits absichern, andererseits ist da auch Gewalt, Verpflichtung, falsche Ehre, gewissenlose Drogenhändler, korrupte Bullen. Und das Sozialamt macht auch Probleme, will Muhammed (den mittleren) ins Heim schaffen.
Klingt erstmal nach dröger aufgesetzter Sozialdrama mit Zeigefinger und stimmt auch ei bisschen. Allerdings ist da auch viel Liebe zum Kiez, zu den Leuten (vor Ort gedreht, die spielen auch mit), Humor, garstige Brutalität.
Die beiden Regisseure / Darsteller / Drehbuchautoren und zwei weitere Schauspieler waren anwesend und hatten auch etwas zu erzählen. Alle original aus dem Kiez, der eine Regisseur mit Theatererfahrung und Videodreher für einschlägige Hiphopper (die dann auch zum Soundtrack beitragen, zum Teil mit sehr tiefen Bässen, bei dem die Soundanlagen in der Exerzierhalle leider so einige Probleme hatte). Sie drehten vor Zeiten einen Kurzfilm, sammelten Stories aus dem Kiez und so entstand der Film. Eigentlich sollte der Hauptdarsteller aus dem Kurzfilm auch hier eine wichtige Rolle spielen, nur ist der im Knast gelandet, ebenso wie ein Produzent, für den dann Moritz Bleibtreu einsprang. Einer der Regisseure sprang dann für den Bruder des anderen Regisseurs ein, weil dieser abgeschoben wurde. Na, wenn DAS mal nicht authentisch ist.
Insgesamt hat er mir viel Spaß gemacht, die drei Hauptrollenbrüder und ein paar der Nebendarsteller (U. a. der Chef Zielonka aus Mord mit Aussicht) (die Laiendarsteller spielen die kleineren Nebenrollen, ansonsten haben alle Schauspielerfahrung) machen das gut, der Darsteller mit Down ist richtig klasse.
Da ratscht dann immer auch am Rand des Sozialklischees herum und überschreitet sie auch mal(den Text des Kinder-Erzählers, die Ehre-Dialoge, manchmal auch ein wenig Behindertenklischees), aber insgesamt im ertragbaren Rahmen. Die Figuren interessieren und man wünscht sich mehr von da zu erfahren. Guter Auftakt.
Der mich an einem meiner ersten Filme, bei dem ich danach lange mit dem Regisseur plauderte (auch ein Vorteil bei dem Filmfest: Es sind viele Macher da und man kommt unkompliziert mit ihnen ins Gespräch) in OL erinnerte: Da ging es um zwei Freunde aus dem Neuköllner Kiez, der eine wird Bulle, der andere bleibt kriminell im Kiez, der eine ist mit der Ex der anderen zusammen, noch viel mehr eine Klischeegeschichte, aber gut gespielt (Christiane Paul, hach). Ich finde es dann doch immer nett, wenn sich im Laufe der Besuche auch so ein roter Faden beim Besucher ergibt, sozusagen eine Metageschichte spontan bildet.
PS: Es tauchen immer wieder Symbole aus dem revolutionären Kämpfen Lateinamerikas auf, ok, Che steht ja inzwischen für fast nichts mehr, aber dann auch EZLN zu sehen, war interessant. Bin aber nicht dahintergekommen, ob Zufall oder Absicht. Hatte dann aber auch keine Lust mehr zu fragen....
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mi 20. Sep 2017, 11:36
von karlAbundzu
Weiter ging es um
19:00 Uhr, 15.9.17, cine K / Muvi
IN THE FLESH (Thai, 2017) OmeU
R: Kong Pahurak , D: Kunchaya Inthasuwan, Kamolluk Piyavittayanon
Doch bevor es nach Thailand ging, gab es noch einen kurzen Halt in Korea: ALIVE war ein hervorragend gespielter schöner Film über zwei Sprinter, ein alter kranker Hase und ein junger neuer Mann. Unspektakulär, aber prima gefilmt und erzählt!
Dann aber geht es in eine Dystopie in der Vergangenheit. Zeitlich verordnet ist der Film im Jahre 1969 und in einer Rahmenhandlung 1989. Aber in spielt in einer fiktiven Stadt, beherrscht vom Militär. Die Teenage-Mädchen gehen hier nicht zur Schule, sondern arbeiten. Unsere beiden Hauptpersonen tun ihren Dienst in einem Gewächshaus. Die Mutter der einen erleichtert ihnen das Leben, indem sie ein Verhältnis mit einem Offizier unterhält, die andere gönnt sich mal Schmuck.
Ihre liebevolle Freundschaft ist aber leider auch von Misstrauen und Lügen geprägt. Daryn träumt von einer Flucht, Meisha glaubt nicht daran und will im Schlimmen nur ein bisschen Gutes bekommen.
Ungewöhnlich: Sehr langsam in schwarz / weiß erzählt, manchmal melancholisch, manchmal mit einem Lächeln, oft traurig, fiebern wir mit den beiden Protagonistinnen richtig mit. Auch die Schnitte, die Träume, Rück- und Vorblicke werden ungewöhnlich montiert, aber sind nie hektisch oder aufgesetzt.
Eingebaut in einem Dialog der Mutter wird auch die Inspirationsgeschichte des Regisseurs erzählt, eine Geschichte um einen Bengalischen Tiger im Belgrader Zoo während der Bombardierung.
Faszinierend. Und ein sympathischer Regisseur stand nachher noch Frage und Antwort.
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mi 20. Sep 2017, 11:50
von karlAbundzu
Weiter ging es um
21:30 Uhr, 15.9.17, theaterhof / 19
THE ENDLESS (USA, 2016) OV
R: Aaron Moorhead, Justin Benson, D: Justin Benson, Aaron Moorhead, Tate Ellington
Zwei Brüder, Amber und Justin (Ja, es sind die beiden Regisseure, die auch noch Drehbuchautoren, SFX, und eigentlich gefühlt 100mal im Abspann auftauchen) sind vor Jahren einer vermeintlichen Suizidsekte entkommen. Leider in ein Leben mit Low Jobs und wenig Freude. Angeregt durch ein zugespieltes Video möchte der jüngere noch einmal den Ort und die Sekte besuchen. Auf welcher wohl immer noch ehemalige Sektenmitglieder in einer Art Bio-Kommune leben, die von ihren Einnahmen im Craft-Beer-Wesen leben. Schon gleich zu Beginn fallen einem ein paar merkwürdige Gestalten auf, die Sektenmitglieder sind nicht gealtert und es häufen sich die merkwürdigen Vorkommnisse mehrere Monde, Tiere, die plötzlich auftauchen und verschwinden usw….
Ein Mystery-Thriller. Und ein Anfangszitat von Lovecraft gibt hier auch ein bisschen die Richtung vor: Stichwort Zeitschleifen, Raum- und Zeituneindeutigkeiten, ein Unaussprechlicher…
Probleme hat ich leider bei diesem nichtuntertitelten (was ich normal bevorzuge) Film mit dem Verstehen, es wurde zwar nach anfänglichem Problemen immer besser, aber bei einer Nebenrolle habe ich kein Wort verstanden.
Neben dem gruseligen, fantastischen und horriblen gibt es auch eine Art Krimigeschichte, oder Pfadfindergeschichte: Wie finden wir hier wieder heraus? Und es werden auch hübsch falsche Fährten gelegt, dass das alles spannend und interessant bleibt. Es ist kein Erschreck-Horror, sondern eher ein schleichender sich verstärkender mystischer Horror.
Gute Unterhaltung, vielleicht kommt der mal auf deutsch raus.
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mi 20. Sep 2017, 12:03
von karlAbundzu
Dann um
23:45 Uhr, 15.9.17, theaterhof / 19
SPIT ’N’ SPLIT (BEL 2017) OmeU
R: Jérôme Vandewattyne, D: Jeremy Alonzi, Allan Snon, Jean-Jaques Thomsin, David D'Inverno, Bouli Lanners
In den letzten Jahren sah ich auch immer einen sehr guten belgischen Film, ich erinnere mich gerne an eine Mafia-Pizza-Komödie, oder an den Film um eine alte Rockband auf ihrer letzten Amitour mit totem Mitglied.
Und auch diesmal geht es um eine Band: Ein Tourbericht über die (real existierende) Garagenrocker Experimental Tropic Blues Band, die relativ weit unten sind: Selbst fahren und Weg suchen, selbst aufbauen, nur eine Handvoll Euros als Bezahlung, in schmierigen Unterkünften nächtigen. Wir begleiten sie auf ihrem Weg durch die Schweiz, Italien, Deutschland, Belgien. Jerome, der Kameramann und Regisseur immer hautnah dabei: Es beginnt klassisch, Interviews im Bus, alberne Spässe, Alkohol- und Haschischexzesse, Morning After. Zwischendurch auch Einzelinterviews mit einzelnen Musikern, was sie so zu Hause eigentlich machen.
Aber im Laufe der Tour wird die Stimmung immer aggressiver und unangenehmer unter den Bandmitgliedern, die Späße sind nicht mehr lustig, sondern äußerst unangenehm. Ein dauerkiffender Musikant tut sich dort besonders hervor, der wirklich nie weiß, wann mal Schluss ist. Das führt zu Ärger, Ausstieg, und in den letzten 10 Minuten drehen der Film und die Charaktere wirklich ab. Und auch überraschend, wer da wie handelt.
Tja, was ein Trip. Und gerade als ich dachte: Hm, ist das doch nur ein normaler Tourbericht, wird es erst ziemlich unangenehm und dann abgedreht. Vorteil: Die Musik gefiel mir sehr gut, ging so Richtung Jon Spencer’s BX mit mehr Punk.
Die Reihe der guten belgischen Filme in Oldenburg setzt sich fort.
Zusammenfassung erster Tag: Vier gute unterschiedliche Filme, aber nichts, was so wirklich durchweg ungewöhnlich und berauschend war, IN THE FLESH kam dem am nächsten, und der wuchs auch in der Nachbetrachtung.
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mi 20. Sep 2017, 12:11
von jogiwan
@ karlschi: kennst du eigentlich "Ex Drummer"?
post96.html?hilit=ex drummer#p96
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mi 20. Sep 2017, 12:33
von karlAbundzu
jogiwan hat geschrieben:@ karlschi: kennst du eigentlich "Ex Drummer"?
post96.html?hilit=ex drummer#p96
Jau, hab ich damals auf dem FFF gesehen und fand ich beindruckend. Und irgendwie menschenunfreundlich.
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mi 20. Sep 2017, 12:35
von karlAbundzu
Sonntag ist ja immer so ein anderer Tag auf dem Filmfest, es laufen die Filme zum zweiten Mal, alle erwarten die Abschlussveranstaltung, bei den Filmen ist es kaum noch proppenvoll und die Gäste sind auch meist nicht mehr anwesend. Aber es geht ja in erster Linie um die Filme:
Und da gab es dann um
19 Uhr, 17.9.17, theaterhof / 19
MARLINA THE MURDERER IN FOUR ACTS (INO, 2017) OmeU
Ist INO die richtige Filmabkürzung für Indonesien, ich hab auch INA gefunden, erschien mir aber unlogisch. Egal.
Die Geschichte von Marlina: Eine Witwe, die inmitten im Nirgendwo lebt, ihr sitzend mumifizierter Ehemann noch in enem Raum, da das Geld für die Beerdigung fehlt. Vor dem Haus ihr Kind begraben, bekommt Besuch von einem Gangster, der ihr ankündigt, dass sie von ihm und seinen Freunden erst ausgeraubt (ihre Nutztiere und einzige Lebensgrundlage) und dann von allen sieben vergewaltigt wird. Vorher muss sie noch die Leute bewirten. Nun, der Plan läuft aus Sicht der Kriminellen SO natürlich nicht, Zwar nehmen zwei der Gangster das Vieh mit, dürfen aber nicht mitspeisen und vergewaltigen, aber es kommt auch nur der Chef zum Zug und wird auch vor der Vollendung geköpft. Nun nimmt die Witwe den Kopf des Toten und will damit mit dem Bus zur Polizei fahren… und das ist nur der Anfang.
Was haben wir hier alles: eigentlich eine Rape and Revenge Story, gewandet im Italo-Western: Die Musik, oft eine kleine Melodie, die schräg wiederholt wird, die Einstellungen, wenn in großen Landschaften kleine Figuren reiten, Motorradfahren oder gehen (auch in Hinsicht der Story ist Spiel mir das Lied vom Tod nicht weit). Auch Jodorowsky und Tarantino (natürlich an vollkommen verschiedenen Stellen) kamen mir in den Sinn.
Aber das ist auch sehr eigenständig: den im Prinzip ist das hier mit Unglaublichem und Humor gewürzt, eine starke feministische Geschichte, die nie platt ist. Neben der starken, etwas geheimnisvollen (und toll dargestellten) Hauptfigur, gibt es noch eine gute hochschwangere Freundin auf der Suche nach ihrem verschwundenen Mann, ein Mädchen, der einzig gute Geist in einem Imbiss und eine alte wissende praktische Frau im Bus. Die Männerrollen sind alle eher nicht so prickelnd und die müssen klar überwunden werden. Würde man dann das Schlussbild,
► Text zeigen
Frau und Freundin fahren mit dem Neugeborenen auf dem Motorrad eines Gangsters im Westernweitwinkel weg
, so sehen, wäre es natürlich Klischee, aber so funktioniert es so genau richtig im Film.
Toll!
PS: Warum einige der Gangster so deutsche Namen haben, Markus, Franz, Robert, Niko, weiß ich nicht, aber das ist ja in Indonesien vielleicht gar nicht ungewöhnlich?
Re: Karl or Karla goes to Cinema
Verfasst: Mi 20. Sep 2017, 12:47
von karlAbundzu
Vom Arkschi im Kurzfilmthread ja schon empfohlen, gab es zum Abschluss für uns um
21:30 Uhr, 17.9.17, cine K / Studio
JUNK HEAD (J, 2017) OmeU
R: Takahide Hori, D: Takahide Hori, Atsuko Miyake, Yuji Sugiyama
Dystopie in Stop Motion: In weit entfernter Zukunft lebt die Menschheit in einer eher vertikal ausgerichteten Welt. Sie wurden unsterblich, verloren aber ihre Fähigkeit zur Fortpflanzung, so schufen sie Klone, diese jedoch wehrten sich in einem Krieg. Das ist aber nur die Vorgeschichte: Die Menschen brauchen neues Genmaterial und schicken einen abenteuerlustigen Tanzlehrer nach unten auf die Suche. Dort begegnet er allerlei illustren Bewohnern und wirklich fiesen Monstern. Und verändert des öfteren seine Gestalt, verliert Gedächtnis und Mission und kämpft sich so durch.
In achtjähriger Arbeit beinahe allein fertiggestellter Film eines anscheinend manisch an seiner Vision arbeitender Filmemacher. Und das ist ganz großartig geworden. Animiertes für Erwachsene. Und neben dem, was wir so an Trickfilmen mögen (Niedliches, starke Emotione, Lustiges) auch vielerlei anderes: eine ganze Welt wird visuell erschaffen, einzigartig, eine ganze Fauna an Monstern, Würmern und einfach nur netten Tieren, ebenso wie eine soziale skurrile Ordnung unter den Nachkommen der Klone! Ganz ganz wunderbar! Zwischendurch gibt es ein paar Längen und da wird auch mal zu oft oder zu lang weggelaufen, aber andererseits kann ich auch verstehen, das man so viel wie möglich in so einer Kleinstarbeit hergestellten Welt zeigen will.
Ich bin begeistert, das Beste zum Schluss. Schaut euch die erste halbe Stunde im Kurzfilmthread an!