bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Der Amerikaner

„Großvater ist sogar noch älter als du!“

Für seinen dritten Spielfilm begab sich US-Regisseur Richard Donner („Superman“, „Das Omen“, „Lethal Weapon“) nach zahlreichen Arbeiten für TV-Serien auf das verminte, damals jedoch noch offenherziger, gleichwohl nicht selten eher fragwürdig beackerte Feld der Liebe zwischen einem minderjährigen Mädchen und einem Mann, der dessen Vater sein könnte: Die britische Produktion „Der Amerikaner“ mit Charles Bronson („Spiel mir das Lied vom Tod“) in der männlichen Hauptrolle erschien im Jahre 1970.

„Du verliebt dich leichtsinnigerweise in ein süßes 16-jähriges Kind und schon steht die ganze Welt Kopf!“

Die 16-jährige Schülerin Twinky (Susan George, „Im Banne des Dr. Monserrat“) verliebt sich in den 38-jährigen Scott (Charles Bronson), einen ebenfalls in London lebenden New Yorker Autor von Erotikliteratur. Ihre Eltern sind gegen die Beziehung und verständigen die Polizei. Scotts Visum ist abgelaufen und seine Bücher sind in England verboten, sodass er Twinky kurzerhand im schottischen Glasgow ehelicht. Gemeinsam ziehen sie daraufhin nach New York und leben zusammen, doch das junge Eheglück bekommt rasch Risse…

„Das hier ist keine Liebesaffäre, sondern die langsame Hinrichtung eines Unschuldigen!“

Im Prolog liest Twinky am familiären Esstisch Scotts Bücher, was ein kleiner Skandal ist – doch ihr Großvater (Trevor Howard, „Der dritte Mann“) beginnt, sich selbst dafür zu interessieren, und ihre Mutter (Honor Blackman, „Jason und die Argonauten“) findet’s erst mal ok. Als Titellied ertönt ein leichtfüßiger, von Jim Dale gesungener Popsong über Twinky, im Vorspann sehen wir dazu radelnde Mädchen in Schuluniformen. Zunächst wirkt alles sehr komödiantisch; in der Postproduktion arbeitete man sowohl mit kurzen Zeitlupen als auch mit Zeitraffern, letzteres bei einem in der Pfanne verbrennenden Frühstück. Durch Rückblenden zur Esstischszene wird klar, dass bereits der Prolog eine solche war und dass Twinkys Eltern von der Liebelei Wind bekamen, weil sie ihr Tagebuch lasen. Auch der Ärger mit der englischen Justiz wird in Rückblenden abgehandelt. Die seltsame Montage erweist sich als etwas nervig.

„Na dann bin ich eben kindisch!“

Twinky verkennt in ihrer Infantilität den Ernst der Lage, man streitet und verträgt sich – und wird nach der Heirat zum öffentlichen Gesprächsthema. Zeitweise überwiegt der Drama-Anteil, bis es wieder komödiantisch wird, als Scott Twinkys Eltern besucht oder ihre neugierigen Mitschülerinnen ihn kennenlernen wollen und ihn sich – filmisch kurz angedeutet – mit freiem Oberkörper vorstellen. Eigentlich sind die beiden ganz süß miteinander, schön verliebt und nicht unsympathisch. In New York lernt sie auch seine Familie kennen – so weit die Normalität einer Beziehung. Als Twinky sich jedoch spontan und naiverweise ohne zu wissen, worum es überhaupt geht, an einer puertoricanischen Demonstration beteiligt, will Scott sie dort herausholen, wird aber selbst verhaftet und landet für satte 30 Tage hinter Gittern.

Dieses Mäandern zwischen Komödie und Drama wird typisch für den Film, der inhaltlich sowohl Twinkys Unreife als auch Scott eher väterliche Instinkte zum Ausdruck bringt. In Scotts justizbedingter Abwesenheit zieht sie jedoch eine supergünstige Wohnung an Land, weil der Vermieter scharf auf sie ist, aber nicht ahnt, dass sie verheiratet ist. In der Folge tischt man uns zunächst Idylle und Romantik auf, nur um diese wieder einzureißen – denn erwartungsgemäß treten dann doch altersunterschiedsbedingte Konflikte auf. Hauptproblem: Er kann sich in Anwesenheit seiner quirligen Frau nicht auf die Schriftstellerei konzentrieren. Twinky indes benimmt sich nicht mehr jugendlich, sondern völlig kindisch, als habe sie sich zurückentwickelt. Mit diesem Unfug beweist der Film leider auch, dass er kein echtes Gespür für die Jugend besitzt. Die Beziehung wird aber auch generell wenig leidenschaftlich geführt und was Scott an seiner Frau eigentlich findet, bleibt völlig unklar.

Dies dürfte in der Oberflächlichkeit des Films begründet liegen, der, anstatt die Befindlichkeiten, Erwartungen, Bedürfnisse und Träume seiner Protagonisten zu vertiefen, lieber immer wieder auf Humor setzt. Interessanterweise formuliert die Handlung als einziges Argument gegen eine solche Beziehung die oben beschriebenen Konflikte und überlässt die moralischen Bedenken als Spießern skizzierten Moralaposteln. Apropos Moral: Susan George war zum Drehzeitpunkt bereits 20 Jahre alt, davon unabhängig kommt der Film komplett ohne Nackt- oder Erotikszenen aus – lediglich ein paar kurze Röcke sind zu sehen.

Schauspielerisch gibt insbesondere George sehr respektabel zum Besten, was das Drehbuch von ihr fordert. In seiner Gesamtheit ist „Der Amerikaner“ inhaltlich wie technisch mitunter recht verspielt, dramaturgisch dabei aber kein großer Wurf und als eigenwillige Mischung aus Drama ohne Tiefgang und nun auch nicht übermäßig amüsanter Komödie nicht sonderlich gelungen. Als Kind seiner Zeit ist Donners Film aber filmhistorisch nicht uninteressant.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Das Go-Go-Girl vom Blow-Up

„Was hast du am Business meiner Frau zu suchen?!“ – „Informationen, Informationen!“

Der Wiener Filmemacher Rolf Olsen („Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“) verfilmte für „Das Go-Go-Girl vom Blow-Up“ ein Drehbuch des Trios Géza von Cziffra, Armin Jürgen und Ruedi Walter in deutsch-schweizerischer Koproduktion. Die Erotikkomödie erschien im Jahre 1969 und ist damit der ersten Welle an Unterhaltungsfilmen, die sich die Errungenschaften der sexuellen Revolution zu Eigen machten, zuzurechnen.

„Das Fernsehen ist der Tod des Individualismus!“

Medizinstudentin Monique Brahm (Monika Lundi, „Zuckerbrot und Peitsche“) verlässt ihre Berliner Studenten-WG, da es sie zu ihrem Onkel, dem Stadtrat Eberhard Adler (Eddi Arent, „Das Rätsel des silbernen Dreieck“), nach München zieht. Daher verlässt sie auch die Mark-Brothers, eine Kapelle, mit der sie Go-Go tanzend durch die Clubs und Discos gezogen war, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Als eben jene Band jedoch von Conny Angel (Gunther Philipp, „Die Wirtin von der Lahn“), dem Betreiber der Münchner Großraumdiskothek „Blow-Up“, verpflichtet wird, überreden ihre Mitglieder Monqiue, wieder als Tänzerin einzusteigen. Dies muss sie jedoch gegenüber ihrem spießigen Onkel verheimlichen, der zudem erklärter Gegner jenes Etablissements ist. Nur zu gern würde er es an einen Bierbrauer (Rolf Olsen höchstpersönlich) verschachern, der an dem Objekt interessiert ist und über Eberhards Schwager Alois Kranz (Beppo Brem, „Lausbubengeschichten“) heranzukommen versucht. Eberhard verspricht sich davon außerdem viel Wählerinnen- und Wählerzuspruch, wird während einer Begehung des „Blow-Up“ mit Herrn Hummel (Ruedi Walter, „Unruhige Töchter“) von der Sitte jedoch von Conny Angel in eine Falle gelockt und dadurch erpressbar. Damit nicht genug: Conny wählt die Flucht nach vorn, als er mitbekommt, wie sich Eberhard seiner Frau Grethe (Stephanie Glaser, „Uli der Knecht“) gegenüber in Ausreden verstrickt, und gibt sich ihr gegenüber als Reeder Konstantin aus. Ausgerechnet auf diesen wirft Grethe ein Auge, während Go-Go-Tänzerin Monique ganz monogam eine Zukunft mit ihrem Kommilitonen Peter (Fritz Wepper, „Der Arzt von St. Pauli“) plant…

„Ein toller Bumsladen, was?“

Olsen fackelt nicht lange und eröffnet seinen Film direkt mit nackten Mädels in Moniques Wohngemeinschaft. Im weiteren Verlauf stellt er Oben-ohne-Szenen und -Partys, einen Stripclubbummel, knallbuntes Swingin‘-Sixties-Interieur und den generellen Lebenswandel der jungen Generation dem korrupten, bigotten, spießigen und verlogenen Alltagsmief der Älteren gegenüber, wobei Moniques Onkel zugleich konservative Politik verkörpert. Diese Angriffslust steht dem Film gut zu Gesicht und wirkt verglichen mit um politische Korrektheit bemühten Produktionen geradezu erfrischend. Freizügigkeit wird hier noch als progressiv empfunden und dargestellt, nicht als sexistisch – und auch gar nicht als übermäßig sexuell konnotiert, denn dies scheint sie in erster Linie für die ältere Generation zu sein, während die jüngeren viel selbstverständlicher damit umgehen. Interessanterweise – eventuell bewusster Teil dieses Konzepts bzw. dieser Aussage – verzichtet der Film aller nackten Tatsachen zum Trotz vollständig auf Softsexszenen.

Aus dieser Gemengelage heraus entstehen viele launige Dialoge, wenngleich in einigen Szenen der Ton leider schlechter wird und der schweizerdeutsche Akzent einer der Figuren geradezu unverständlich ist. Nach einiger Zeit gerät die Verwechslungsklamotte jedoch etwas arg dialoglastig und vorhersehbar, um schließlich gefürchtet bundesdeutsch-klamaukig zuweilen nur noch knapp an der Fremdscham vorbeizuschrammen. Dafür ist Monika Lundi als Monique nicht nur spielfreudig, sondern auch unheimlich hübsch, spielt Eddi Arent den bonzigen Onkel super und hält Franz Xaver Lederle mit einer sehr dynamischen und verhältnismäßig originellen Kameraführung bei der Stange. Mit der von Uschi Mood („Der Gorilla von Soho“) gespielten Inga existiert eine weitere weibliche Figur mit direktem Bezug zu Moniques Umfeld, denn diese Freundin Connys wird quasi Moniques Nachfolge bei den Mark-Brothers antreten (und von Eberhard angehimmelt).

Zugleich ist „Das Go-Go-Girl vom Blow-Up“ ein Werbefilm fürs „Blow-Up“, das tatsächlich Münchens erste Großraumdiskothek war. Auf bezeichnende Weise geht hier der Kapitalismus mit der sexuellen Revolution noch auf eine Weise Hand in Hand, von der sie alle zu profitieren scheinen – und das nicht intradiegetisch, wenn Go-Go-Tanz als letztlich harmlose Einnahmequelle für junge Frauen empfohlen wird: Die junge Generation durch eine entwaffnend positive und zwar häufig auf Erotik ausgerichtete, aber nicht beleidigend sexistische Skizzierung, das Kinopublikum, das sich an diesem Film erfreuen konnte, Olsen und die Filmproduktion, die damit ihr Geld verdienten, und natürlich das Blow-Up. Von extrem schmierlappiger und frauenfeindlicher Sexploitation, wie sie bald darauf auf den Erotiksektor drängen sollte, hat Olsens Film nicht viel am Hut.

Dass man produktionsseitig vermutlich jedoch in erster Linie mit Einnahmen durch die ältere Generation rechnete, könnte indes wiederum erklären, weshalb diese mitsamt ihres mutmaßlichen Humorverständnisses in der Handlung überrepräsentiert ist – wenngleich doch auch diese sicherlich lieber mehr vom studentischen Nachtleben in der Bayern-Metropole gesehen hätte…
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Komm nach Wien, ich zeig dir was!

„Das Wiener Madl rettet Österreich!“

Im Zuge der neuen künstlerischen wie kommerziellen Möglichkeiten nach der sexuellen Revolution verfilmte der Österreicher Rolf Thiele („Das Mädchen Rosemarie“) im Sommer 1969 in deutscher Produktion ein Drehbuch Joachim Fernaus, um eine erotische, sittengeschichtlich-komödiantische Alternate-History-Revue Wiens aufs Zelluloid zu bringen. „Komm nach Wien, ich zeig dir was!“ kam im Jahre 1970 ins Kino.

„Der Mund ist nicht zum Reden da!“

Ein Sänger (Dietmar Schönherr, „Kohlhiesels Töchter“) singt eine Lobpreisung an Wien und führt anschließend als Moderator in den Episodenfilm ein. Die erste Episode spielt zur Zeit der römischen Besatzung: Die hübsche Julia vergnügt sich mit einem Römer, als ein anderer von seiner Zeit in Afrika berichtet. Eine Rückblende zeigt, wie eine nackte Dunkelhäutige ihn tanzend becircte. Zurück in der Gegenwart der Episode sind mehrere Römer um Julia versammelt, die nun bereitwillig für sie tanzt, sich ent- und mit Dessous wieder bekleiden lässt. Laut dem Erzähler sei dies exemplarisch für die Entstehung der multikulturell geprägten Wiener Frau, des Wiener Madl, auch „Mizzi“ genannt, wie sie fortan in mancher Episode heißt (in mancher aber auch nicht).

„Dass wir uns recht verstehen: Das ist streng historisch, nicht wahr?“

Die nächste Episode führt zum von Peter Kollek („Berlin Alexanderplatz“) gespielten deutschen Herzog Friedrich der Streitbare („Kein angenehmer Mensch!“), der über Wien herrschte und nur mit einem winzigen Lendenschurz bekleidet die Szenerie betritt. Dieser lernt bei irgendwelchen Wettkampfspielen die vermeintlich erst 13-jährige Bruni (Julia Holt) kennen. Sie weist ihn auf ihr Alter hin, woraufhin er sich nicht mehr für die Spiele, sondern nur noch für sie interessiert. Doch die Spielteilnehmerinnen passen ihn ab und präsentieren ihm ihre üppigen Oberweiten. Musikus Tannhäuser (Bernd Kampka, „Komm nur, mein liebstes Vögelein“) klimpert und trällert dazu. Bei den Feierlichkeiten am nächsten Tag stürzt der Herzog sich auf Bruni und vergewaltigt sie. Jedoch: Inklusive ihrer anschließenden Flucht und ihres Geschreis handelte es sich um ein geplantes Ritual, für das ihre Familie Geld erhält – ein abgekartetes Spiel, um den Herzog wegen Missbrauchs einer Minderjährigen loszuwerden. Nichtsdestotrotz hat Bruni tatsächlich etwas Unschuldiges an sich und ist entsprechend süß anzusehen.

„Fürs Vaterland…“

Etwas verwirrend wird’s nun im Wien des Jahres 1440: Zofe Helene Kottannerin (Tanja Gruber, „Die Weibchen“) will die ungarische Krone stehlen. Was inklusive einer beschleunigt wiedergegebenen Tanzszene unzusammenhängend anmutet, wird im Nachhinein erklärt: Der Königin (Suzanne Geyer, „Sperrmüll“), mit der sie gern nackt im Bett liegt, erzählt sie, dass sie mit fünf Männern habe schlafen müssen, um an den Schlüssel zu gelangen. In der nun folgenden Pestzeit seien deutsche Mädchen aus dem Schwabenländle auf Booten und singend ins halbleere Wien gekommen; und unter der türkischen Besatzung (in deren Zusammenhang sogar aufgespießte Köpfe gezeigt werden) verkleidet sich die Mizzi dieser Episode als Türkin, zeigt sich den Wachen oben ohne und lässt sich zu einem Prinzen geleiten, der mit französischem Akzent spricht. Dort lässt sie sich neu einkleiden. Dank der Schilderungen ihrer Feindbeobachtungen können die Türken schließlich besiegt werden. Ihre Familie eröffnet daraufhin das erste Kaffeehaus.

Nächster Halt: Der Wiener Kongress 1814, Fürst von Metternich (Veit Relin, „Der Himmel kann warten“) und Konsorten – und viele hübsche Mädels, die den einzelnen hohen Herrn zugeteilt werden und die Politik beeinflussen sollen. Die entblößte Oberweite einer Frau wird als Landkarte benutzt, anschließend sehen wir tricktechnisch verfremdete (und angezogene!) Walzertänze. Weiter in die Gründerzeit (auch wenn der Erzähler diese Bezeichnung ablehnt), genauer: ins Jahr 1875 zu einem Atelierball des „Malerfürsten“ Hans Makart (Jürgen Draeger, „Jet Generation – Wie Mädchen heute Männer lieben“). Eine Baronin will sich von ihm malen lassen. Die Comtesse will auch mit rauf und zeigt sich ihm nackt, um ihn zu überzeugen. Dies soll – auf etwas plumpe, nichtsdestotrotz irgendwie charmante Weise – die Entstehung eines berühmten Gemäldes rekapitulieren.

„Es war ein herrliches Jahrhundert!“

Silvester 1899 wird als Vorstufe zum 20. Jahrhundert genannt – ein beliebter Fehler, denn dieses begann erst mit dem Jahre 1901. Es werden die Weltkriege verurteilt und die Abschaffung des Adels erwähnt, bis Freud auftaucht und Hitler (Achim Hammer, „Ich – ein Groupie“), die alte Nazisau, veralbert wird, er Mitleid bei den Mädels erregt. Im Kontext mit den anderen Episoden wird deutlich, wie wenig Hitler und Wien zusammenpassten – zumindest will der Film dies glauben machen. Seine nackte Freundin will ihn ins Bett kriegen, aber er redet sich über Belanglosigkeiten ideologisch in Rage – eine köstliche Parodie! Schließlich geht er nach München… Diese Episode arbeitet teilweise mit Schwarzweiß-Archivmaterial.

„Mit uns kann man doch gar net bös sein... net lang.“

Zu guter Letzt wohnt man einem Besuch bei Cruschtschow bei. „A Wiener Madln“ prostituiert sich fürs Vaterland und sorgt so für die Freiheit Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Dialog mit sich selbst rudert der Erzähler allerdings zurück, angeblich sei diese Geschichte dann doch nicht wahr. Alle anderen sind natürlich historisch verbrieft, scho‘ recht! Die letzten Worte allerdings gehören den „Madln“.

Thieles Film wurde angesichts der Ausstattung – Ensemble, Kulissen etc. – offenbar mit ziemlichem Aufwand realisiert, und dies zahlte sich aus – das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Moderator/Erzähler beherrscht Wiener Schmäh und Lakonie perfekt. Inhaltlich ist’s zum einen eine eigenwillige Form der Ehrerbietung an die Wieder Madln und Mizzies oder wie auch immer, zum anderen die etwas andere Geschichts-Doppelstunde – lehrreich und schelmisch flunkernd zugleich, dabei überwiegend schön und liebevoll gemacht, nicht nur aufgrund Wolf Wirths sporadisch zum Zuge kommender origineller Kameraeffekte. Natürlich ist auch „Komm nach Wien, ich zeig dir was!“ an konventionellen Maßstäben gemessen keine hohe Filmkultur, aber immerhin ein recht positives Beispiel für den kreativen und geschmackvollen Umgang mit der damals neuen Freizügigkeit im Unterhaltungskino. So macht „Gesichtsunterricht“, ja, sogar Österreich Spaß! Nur: Weshalb blieb ausgerechnet Josefine Mutzenbacher, Österreichs Sex-Export Nr. 1, ausgespart…?
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Der ganz normale Wahnsinn

Glanz und Gloria

„Ich liebe ihn und er liebt mich!“

Diese Komödie à zwölf ca. 45-minütiger Episoden, diefür den Bayrischen Rundfunk produziert und ab November 1979 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, ist nach den „Münchner Geschichten“ die zweite Serie des Münchners Helmut Dietl („Monaco Franze – Der ewige Stenz“). Von Dietl stammt die Idee, zudem verfasste er den überwiegenden Teil der Drehbücher und übernahm meist die Regie. Einzelne Episoden wurden aber auch von Klaus Emmerich, Franz Geiger und Reinhard Schwabenitzky inszeniert.

„Du chaotischer Konfusionist!“

Journalist Maximilian Glanz (Towje Kleiner, „Münchner Geschichten“) ist der Kummerkastenonkel einer Münchner Tageszeitung – ein Job, der ihn immer weniger ausfüllt. Zudem ist er frisch geschieden. Dies ist auch Gloria Schimpf (Monika Schwarz, „Männer“), und wie der Zufall so spielt, lernen sie sich just am Tag ihrer jeweiligen Scheidung kennen. Sie verlieben sich ineinander und versuchen, zusammenzuleben und eine innige Beziehung miteinander zu führen, doch das ist leichter gesagt als getan. Max‘ zweite große Obsession ist sein Buchprojekt mit dem sperrigen Titel „Woran es liegt, dass der Einzelne sich nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen so gut geht“, an dem er trotz einiger Rückschläge unermüdlich arbeitet…

„Man kann alles übertreiben…“ – „Richtig. Manchmal muss man es auch.“

Die Handlung steigt kurz vor Maxis Scheidungstermin ein, kurz darauf gefolgt von seiner schicksalhaften Begegnung mit Gloria – bezeichnenderweise durch einen Auffahrunfall. Eine Rückblende zeigt sie mit ihrem Mann (Alexander May, „Tätowierung“) streitend. Maxi wird u.a. über den Zustand seiner Wohnung als Chaot skizziert, den Alina (Barbara Valentin, „Angst essen Seele auf“), Glorias kampffeministische Freundin, die sich einen suizidalen Toyboy und Haushälter hält, ihr direkt wieder auszureden versucht. In einer versiert geschnittenen Parallelmontage sieht man Maxis Freund Lino (Helmut Fischer, Münchner „Tatort“) exakt das gleiche über Frauen erzählen wie Alina ihrer Freundin über Männer. Als Gloria schwanger zu sein droht, greift man in der Postproduktion auf verschiedenes Archivmaterial zurück, um einen nächtlichen Traum Maxis zu visualisieren. Für einen kitschigen Tagtraum Glorias wiederum greift man zur Fischaugenoptik. Die Konsequenzen ihrer gegenseitigen Zuneigung sind bald ein nervenaufreibendes Zusammenleben auf zu beengtem Raum, eine nicht minder nervenaufreibende Wohnungssuche und schließlich eine nervenaufreibende erste Trennung mit baldigem Wiederzueinanderfinden.

„Das Leben lässt sich nicht verabreden!“

Daraufhin lebt man in einer Pension zusammen, jedoch ohne diese bezahlen zu können. Maxi empfiehlt Gloria, sich eine Arbeit zu suchen, während er, nachdem er seinen bisherigen Job geschmissen hat, nun Texte für ein Herrenmagazin verfasst (die beim Chefredakteur nicht sonderlich gut ankommen). Man fliegt auch aus der Pension und trennt sich daraufhin erneut auf Zeit. Maxi bezieht die möblierte Wohnung eines Arbeitskollegen. In Episode (bzw. „Kapitel“, wie die Episoden hier heißen) Nummer 6 bekommt man eine surreale Sequenz ebenso zu sehen wie einen imaginierten, aber visualisierten Hochzeitstanz. Gloria nimmt einen Job im Flughafenkiosk an und Maxi schlägt eine platonische Beziehung vor, die man nun miteinander versucht. Sie zieht in „seine“ Wohnung mit ein und beide laden ihre jeweiligen Ex-Ehepartner zu einem gemeinsamen Abend zu sich nach Hause ein. Das verdutzte Publikum dieser und anderer ebenso abwegig wie verzweifelt anmutender Pläne, Ideen und Vorgänge erfährt nebenbei, dass dieses Chaos miteinander mittlerweile schon seit zwei Jahren läuft. Natürlich muss man auch diese Wohnung wieder räumen (und flüchtet sich in abermals visualisierte Tagträume – ein vermehrt eingesetztes Stilmittel der Serie).

„Du bist schwer krank, Maximilian!“

In Episode 8 verlässt man München für einen Urlaub in Cannes während der Filmfestspiele, was für einen willkommenen Drehortwechsel sorgt – den die Regie u.a. nutzt, um ein paar Oben-ohne-Bilder am Strand einzufangen. Dort lernt Maxi einen US-Filmproduzenten kennen, der ihm Honig um den Bart schmiert und angeblich sein Manuskript verfilmen will, sich aber als Betrüger entpuppt, dessen Frau sich zudem an Maxi heranwirft, bis Gloria entnervt abreist. Diese Rolle ist eine köstliche Parodie auf großkotzige Amis, aber auch auf die Verführbarkeit junger mittelloser Künstler. Maxi läuft die ganze Zeit ohne Hose herum und da man sich kein Hotel leisten kann, lebt man im Zelt. Während der nachgereiste Lino verzweifelt nach Maxi sucht, brennt dieser mit der Frau des Betrügers durch. Wieder zu Hause wartet der Gerichtsvollzieher… In Episode 9 ist Maxis Manuskript endlich fertig, aber es gehört quasi nicht mehr ihm, sondern zur Konkursmasse seines pleitegegangenen Verlags. Auch ohne eigenes Zutun verläuft Maxis Leben streng nach Murphy’s Law. Er wirft alles hin, meldet sich arbeitslos und sucht einen neuen Job. Gloria und Lino versuchen derweil ohne sein Wissen, das Buch als Theaterstück unterzubringen. Maxi tritt aber einen Job als Müllmann an, was er als Befreiung vom „Intellektuellenquatsch“ empfindet. Angesichts der vergnügten Bilder von Musik und Tanz nach Feierabend mit seinen migrantischen Kollegen möchte man ihm glauben. Lino bändelt mit einer Zeitungsbesitzerin an, um eine Reportage über Maxi unterzubringen, doch dieser nimmt Reißaus. Dennoch landet er in der Zeitung und wird daraufhin von seinen Kollegen geschasst. Am Ende dieser slapsticklastigen Episode wird sein Stück tatsächlich gespielt – und, man höre und staune: Es wird ein Erfolg!

„Jetzt sei still und genieße!“

Dadurch gelangt Maxi endlich zu Geld – und ist damit heillos überfordert. Er entblödet sich nicht, alles in einer Spielothek zu verzocken. Als Zuschauerin oder Zuschauer dürfte damit auch das letzte Fünkchen Verständnis für den immer unsympathischer gewordenen Maxi erloschen sein, zudem waren Dietl & Co. mit dieser Figur offenbar weitestgehend fertig, denn die vorletzte Episode gehört ganz Lino: Dieser lernt eine neue Frau kennen – und der alte Schwerenöter verliebt sich doch tatsächlich. Doch Genevieve versetzt ihn zunächst, ist als Brauerbesitzertochter beruflich schwer im Betrieb ihres Vaters eingespannt. Ihre Brüder trauen Lino nicht über den Weg und beauftragen einen Privatdetektiv, Nachforschungen über ihn anzustellen. Da man bei der Polizei nichts von Datenschutz hält, ist dies auch kein Problem – und das Ergebnis füllt einen Aktenordner, mit dem Genevieve konfrontiert wird. Sie stellt Lino trotzdem ihrem Vater vor. Der gestattet die Verlobung, gibt ihm direkt einen Job und alle drei machen Nägel mit Köpfen. So einfach kann es manchmal sein. Offenbar dient diese Episode vor allem, um einen Kontrast zur dysfunktionalen Beziehung zwischen Maxi und Gloria herzustellen.

„Mein bisheriges Leben war eine einzige Zumutung!“

Zurück zur weiteren Entwicklung eben jener findet die Serie im Finale nur bedingt, denn dieses spielt im Jahre 2014. Max sei 1984 als erstem Menschen ein künstliches Gehirn transplantiert worden. Der Rest der Menschheit folgte nach und nach, seither herrschen Frieden, Glück und Harmonie – sogar zwischen Maxi und Gloria. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums dieses Schritts soll er im Fernsehen auftreten. Rückblenden zeigen, wie sie sich früher gegenseitig betrogen haben; und da er im TV solch alte Geschichten erzählen will, reklamiert Gloria sogar sein Hirn. Weitere Rückblenden geben Aufschluss über bedeutsame Ereignisse für das Paar in den letzten 3 0 Jahren. Dieses wurde in der Maske auf alt getrimmt; dass alles andere aber noch immer wie Ende der 1970er aussieht und man gar nicht erst den Versuch eines futuristischen Anstrichs unternahm, mutet etwas arg lieblos an. Dieses sich vordergründig optimistisch gebende, eigentlich aber höchst pessimistische Finale betont noch einmal den satirischen Ansatz der Serie, ist aber sehr befremdlich und gewöhnungsbedürftig ausgefallen.

„Der ganz normale Wahnsinn“ beginnt sehr hektisch, was vor allem Maxis Geisteszustand – getrieben, konfus und leicht neurotisch zugleich – unterstreicht und durch Jackie Shays etwas penetrant auch während der Episoden immer wieder erklingendem Titellied „Nerves“ verstärkt wird. Generell dudelt in den ersten Episoden permanent ein Soundtrack. Maxi hat ein bisschen was von Woody Allens Paraderollen, die Dialoge gingen in die Screwball-Schule; in seinen besten Momenten erinnert der Humor an Loriot und dessen scharfe Alltagsbeobachtungen (zwischen-)menschlichen Verhaltens. Die Serie wartet mit einem starken Schauspielensemble auf, insbesondere Towje Kleiner glänzt als Maximilian. Gastrollen nehmen u.a. Ruth Maria Kubitschek, Rolf Olsen, Elisabeth Volkmann, Hark Bohm, Rolf Zacher, Grit Boettcher und Martin Semmelrogge ein.

Zwischenzeitlich hat es den Anschein, als stünden tatsächlich alle Figuren dem Wahnsinn nahe. Dem gegenüber stehen Durchhänger wie eine etwas lahme fünfte Episode und das Phänomen des sich nach den ersten Episoden zumindest zeitweise eintretenden Effekts, dass bei aller behaupteter Hektik die Handlung auf der Stelle zu treten und etwas langatmig erzählt zu werden scheint. Auch taugen weder Maxi noch Gloria sonderlich als Identifikationsfiguren. Dies gilt insbesondere für Maxi, der anfänglich wie ein sympathischer Verlierertyp wirkt, sich zuweilen aber regelrecht ins Gegenteil verkehrt, was wiederum nicht ganz unproblematisch fürs Funktionieren der Serie als partnerschaftssatirische Komödie ist.

Interessant zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass, so heißt es, Dietl die Serie kurz nach seiner Trennung von Barbara Valentin gedreht habe, die in ihrer Rolle als Alina dennoch zum Ensemble gehörte. Insofern kann man mutmaßen, dass Maxi und seine Beziehungsunfähigkeit autobiographische Züge Dietls tragen. Möglicherweise spielt die Serie ein Stück weit die verschiedenen Stationen der Trennungsverarbeitung durch, von der Rekapitulation einer dysfunktionalen Beziehung über Wut und Aggression bis zu Selbstkritik, vielleicht gar Selbsthass, und schließlich Resignation. Das ist nicht immer schön, ganz im Gegenteil – und so ist eben auch diese Serie nicht immer schön, wenn sich hinter ihrem Humor viel dieser Gemütszustände verbirgt.

In Helmut Fischers hier nur eine Nebenrolle spielenden Figur Lino Gailing findet sich bereits ganz viel von „Monaco Franze“, jenem berüchtigten ewigen Stenz, dem Dietl seine nächste, meines Erachtens besser gelungene Serie auf den Leib schneiderte.
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Die Schreckenskammer des Dr. Thosti

„Ein Film mit viel Hirn!“ (Dr. Rolf Giesen)

Für die vom gebürtigen Wiener Reginald Le Borg („The Mummy's Ghost“) inszenierte US-Mad-Scientist-Gothic-Horror-Produktion „Die Schreckenskammer des Dr. Thosti“ aus dem Jahre 1956 gelang es, viele alte Genre-Gesichter noch einmal vor der Kamera zu vereinen. Der titelgebende Dr. Thosti ist eine Erfindung des deutschen Verleihs, die vom langjährigen Sherlock-Holmes-Darsteller Basil Rathbone verkörperte Rolle heißt im US-Original Sir Joel Cadman.

„Man muss nicht alle Fische auf einmal fangen.“

Im London des Jahres 1872 erhält der zu Unrecht wegen Mordes verurteilte Chirurg Dr. Gordon Ramsay (Herbert Rudley, „Der Hofnarr“) in seiner Todeszelle Besuch von seinem ehemaligen Mentor Dr. Thosti (Basil Rathbone), der ihm anbietet, sich mittels eines besonderen Präparats der Hinrichtung durch vermeintlichen Suizid zu entziehen. Ramsay willigt ein, sein vermeintlicher Leichnam wird zu Dr. Thosti gebracht – doch Ramsay ist nicht tot, sondern befindet sich im „magischen Schlaf“, wie Thosti diesen Zustand nennt. Als er aus diesem erwacht, wird der todgeweihte Dr. Ramsay als Teil der Abmachung Thostis neuer Assistent. Dieser betreibt in einem alten umfunktionierten Kloster wie besessen Hirnforschung, um seine im Koma liegende Frau Angelina retten zu können. Dr. Thosti arbeitet mit seinem stummen Diener Casimir (Bela Lugosi, „Dracula“) und der Krankenschwester Daphne (Phyllis Stanley, „Eine Abenteuerliche Frau“) zusammen. Außerdem läuft dort der gefährlich wirkende Patient Mungo (Lon Chaney Jr., „Der Wolfsmensch“) herum, der sich nicht als das einzige Opfer Thostis unethischer Experimente an lebenden Menschen entpuppt: Zusammen mit der ihren Vater Dr. Monroe suchenden Laurie (Patricia Blair, „Die Hölle von Dien Bien Phu“) stößt Dr. Ramsay auf immer weitere degenerierte ehemalige Patienten, die Thosti wie Sklaven im Kellergewölbe gefangen hält (u.a John Carradine, „The Howling – Das Tier“ und Tor Johnson, „Plan 9 From Outer Space“) – und vom verschlagenen Odo (Akim Tamiroff, „Wem die Stunde schlägt“) lässt sich Thosti immer weitere menschliche Versuchskaninchen heranschaffen…

„Im Interesse der Wissenschaft ist alles... ALLES gerechtfertigt!“

Ein über die Wunderdroge berichtender Off-Sprecher führt in den Schwarzweiß-Film ein, der sich redlich (und erfolgreich) Mühe gibt, nicht allzu trashig daherzukommen. So sprechen die beiden Wissenschaftler in einem sehr elaborierten Code miteinander und haben ihre Gespräche auch inhaltlich Hand und Fuß. Für die sehr explizite Darstellung einer Gehirn-OP habe man sogar, so heißt es, einen echten Neurochirurgen als Berater hinzugezogen. Eine solche misslang Dr. Thosti, wie sich herausstellen wird, bereits mit Lauries Vater, der nun ein Dasein als Cretin namens Mungo fristet. Ramsay hadert mit Thostis kaltschnäuziger Moral, doch sein Lebensretter hat ihn in der Hand. Die verzweifelte Laurie will nicht, dass Thosti weiter an ihrem Vater herumoperiert und bittet Ramsay, die Operation durchzuführen. Odo hat derweil Probleme, die nächste Frau heranzuschaffen, weil Scotland Yard bereits auf seine und Dr. Thostis Machenschaften aufmerksam wurde, und der sich in einem Interessenskonflikt befindende und im Prinzip erpresst werdende Ramsay wird von – hübsch gruselig inszenierten – Alpträumen geplagt.

„Dr. Thosti müsste man ins Irrenhaus sperren!“

Ungeachtet dessen, dass man dem Film nachsagt, bereits 1956 mit seiner Mad-Scientist-Thematik antiquiert gewesen zu sein (das Horrorgenre befand sich zeitlich zwischen dem klassischen Universal-Horror und dessen Modernisierung durch die britischen „Hammer“-Produktionen), ist hier doch viel Schönes bei. Odo ist so ein richtig durchtriebenes Ekel, das Damen anlockt, indem er behauptet, sie als Modelle für Malerei zu engagieren. Thosti ist intelligent genug, um sich von Scotland Yard nichts nachweisen lassen zu können; seine Behausung ist ein fast schon hyperklassisches Gothic-Schloss mit Geheimgängen, das auf einem Hügel steht. Rathbone spielt ihn todernst und erinnert ein ums andere Mal an Peter Cushings spätere Frankenstein-Interpretation. Zum Wendepunkt der Handlung wird Ramsays Aufbegehren, als er sich mit Laurie zusammentut, um seine Unschuld zu beweisen. Für ein wenig schrägen Humor sorgt eines von Thostis Opfern, ein zotteliger Zausel, der sich im Mittelalter wähnt. Am Ende überschlagen sich die Ereignisse und eine Vielzahl herrlicher Fratzen erfreut das Genre-Fan-Herz.

„Gordon, Sie fragen zu viel.“

Dieser klassische Mad-Scientist-Stoff mit tragischem persönlichen Hintergrund war der B-Film zu „The Quatermass Xperiment“ und zugleich Bela Lugosis letzte Dreharbeit. Einer überwiegend guten Regie und einigen schönen Kamerakniffen, beispielsweise Point-of-View-Perspektiven Mungos, steht ein leider dann doch etwas unspektakuläres Ende gegenüber. Aus heutiger Sicht, in der die ‘30er- bis ‘50er-Jahre des phantastischen Film bis in die ‘60er hinein (bis zu „Rosemaries Baby“, der einen Wendepunkt markierte) häufig als die alte Genreschule empfunden werden, ohne allzu stark zwischen den damaligen Strömungen und Modernisierungen zu unterscheiden, steht „Die Schreckenskammer des Dr. Thosti“ sicherlich besser da, als er seinerzeit von der Kritik empfunden wurde. Zumal ein thematisch nicht unähnlicher Film wie der umjubelte „Augen ohne Gesicht“ erst vier Jahre erschien, was die Argumentation, er sei thematisch überholt gewesen, ad absurdum führt. Und es ist einfach schön, die alten Recken noch einmal gemeinsam vor der Kamera zu sehen.
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Die unheimliche Macht

„Die Lösung ist Furcht!“

Der lose auf dem Roman „Das Kastell“ des Autors F. Paul Wilson basierende Mystery-Horrorfilm „Die unheimliche Macht“ aus dem Jahre 1983 ist ein früher Film des US-Regisseurs und „Miami Vice“-Produzenten Michael Mann („Der Einzelgänger“, „Blutmond“). Bei dieser Verfilmung handelt es sich um eine US-Produktion, mit der Mann letztlich unzufrieden war, weil er nach der eigentlich finalen Schnittfassung zahlreiche Szenen entfernen habe müssen und zudem mit dem Ende haderte. „Die unheimliche Macht“ floppte an den Kinokassen und wurde von der Kritik verrissen. Aber bilden wir uns im Folgenden ein eigenes Urteil.

„Wen interessiert der Tod von ein paar Kommunisten?“

Wir schreiben das Jahr 1941. Der Zweite Weltkrieg tobt unnachgiebig. Eine Wehrmachtsdivision soll eine sich in den rumänischen Karpaten befindende Festung sichern und als Stützpunkt herrichten. Was die Soldaten nicht wissen: Sie hält eine Jahrhunderte alte zerstörerische Macht gefangen. Als die Deutschen die Nickelkreuze in den Wänden für Silber halten und zu demontieren beginnen, befreien sie diese versehentlich. Sie dezimiert die Division empfindlich, sodass sich Oberst Wöhrmann (Jürgen Prochnow, „Das Boot“, in seiner vermutlich ersten US-Produktion) gezwungen sieht, Hilfe anzufordern. Diese kommt in Person SS-Majors Kaempfer (Gabriel Byrne, „Excalibur“), der feindliche Partisanen hinter dem bösen Spuk vermutet. Doch schließlich kommt man nicht einmal mehr ohne die Hilfe des internierten jüdischen Historikers Dr. Theodore Cuza (Ian McKellen, „Der Musterschüler“) aus, dessen Tochter Eva von SS-Schergen vergewaltigt wird, bis das fremde Wesen sich einschaltet. Dieses verbündet sich daraufhin mit Dr. Cuza, um endgültig seinem Gefängnis zu entkommen und den Weltuntergang einzuläuten. Doch ein mysteriöser Grieche namens Glaeken Trismegestus (Scott Glenn, „Apocalypse Now“) stellt sich ihm entgegen…

„Verbrenne in der Hölle!“

Der Auftakt etabliert eine beunruhigende, todernste Aura, Tangerine Dream liefern eine damals futuristisch klingende musikalische Untermalung und die Kamera übt sich in Neo-noir-Optik. Zeitlupen dramatisieren die Ereignisse zusätzlich. In Sachen Ästhetik prescht Mann also ordentlich nach vorn. Auf ein Massaker des SS-Sauhaufens folgt ein bisschen Guter-versus-böser-Nazi-Debatte, bis die titelgebende unheimliche Macht, eine Art Nebelwesen, plötzlich zu sprechen beginnt – und dem Film damit eine irgendwie trashige Note verleiht. Den kränkelnden Dr. Cuza verjüngt es kurzerhand, natürlich nicht aus altruistisch-selbstloser Motivation heraus. Wöhrmann geriert sich plötzlich antifaschistisch und zwischen Eva und dem mysteriösen Glaeken entwickelt sich mir nichts, dir nichts eine Romanze inklusive Sexszene. Die Handlung wirkt – vielleicht konnte man es bereits zwischen den Zeilen herauslesen – zunehmend unglaubwürdig und holzschnittartig, was Manns Films einen Style-over-Substance-Ruf einhandelte, der nicht von der Hand zu weisen ist.

„Sie leiden an einer gefährlichen deutschen Krankheit, Wöhrmann: Gefühlsduselei!“

Im weiteren Verlauf bekommt man (bzw. Mann) aber wieder die Kurve, denn in voller Pracht sieht das Wesen mit seinen rotleuchtenden Augen durchaus imposant aus, die Wortgefechte zwischen Wöhrmann und Kaempfer haben es in sich und was die Nazis für armselige, feige Bastarde waren, wird deutlich herausgestellt. Zudem ist die Konstellation aus dem sich vom Wesen eine Vernichtung der Nazis erhoffenden Dr. Cuza und dem um die ganze Welt fürchtenden, weil das Wesen als noch bedrohlicher als die Nazis einschätzenden Glaeken inklusive der daraus resultierenden Intrigen nicht uninteressant und der Dramaturgie förderlich. Das Wesen wirkt wie eine Schreckgestalt aus Superheldencomics, grob Richtung Darkseid und Konsorten. Spacige Kulissen und Lichtblitze erinnern zudem an Science-Fiction, ohne dass der Film als eine solche eingeordnet werden könnte. Denn der Ursprung dieser unheimlichen Macht bleibt ebenso nebulös wie die Identität des mysteriösen Griechen, was sich leider weniger nach bedeutungsschwanger offenen Fragen als vielmehr verschenkten Handlungselementen oder schlicht einem unvollständigen Film anfühlt. Vielleicht sind gerade dies aber auch die Dinge, die den rigorosen Schnittauflagen Paramounts zum Opfer fielen…

Nichtsdestotrotz scheint mir „Die unheimliche Macht“ im Laufe der Jahrzehnte zu einer sehenswerten ‘80er-Kino-Stilübung gereift zu sein, deren Wiederentdeckung Freude bereiten kann.
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Tatort: Schweigen

„Man kann nicht in die Falten der Seele schauen.“

Nach dem Tod seiner Kollegin Julia Grosz ermittelt BKA-Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) unverhofft in seinem 20. Fall, den Regisseur Lars Kraume („Der Staat gegen Fritz Bauer“) nach einem Drehbuch Stefan Dähnerts inszenierte und damit seine bereits neunte Regiearbeit für die öffentlich-rechtliche Krimireihe ablieferte. Der sich mit pädophilen Umtrieben in der katholischen Kirche auseinandersetzende „Tatort“ wurde im September und Oktober 2023 in der Abtei Mariawald nahe Heimbach gedreht und feierte seine Premiere am 29. August 2024 auf dem Festival des deutschen Films. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte am 1. Dezember 2024.

„Ich schaff‘ das nicht allein.“

Kommissar Falke versucht, im Kloster St. Joseph zur Ruhe zu kommen und den Tod seiner Kollegin zu verarbeiten. Als jedoch Pfarrer Otto Wiegald (Hannes Hellmann, „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“) in seinem Wohnwagen verbrennt, kann Falke nicht anders, als die örtliche Ermittlerin Eve Pötter (Lena Lauzemis, „Wer wenn nicht wir“) bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Dabei stößt er auf ein großes Archiv kinderpornografischer Aufnahmen im Nachlass des Toten. Der Verdacht fällt bald auf Daniel Weinert (Florian Lukas, „Good Bye, Lenin!“), der während des Klosteraufenthalts zu Falkes Freund geworden war und mit dem er sich in der Tatnacht betrunken hatte…

„Wir ham‘ gesoffen!“

Bereits der Auftakt ist furchtbar: Im Prolog beobachtet ein Junge, wie sein Vater verbrennt. Um wen es sich dabei handelt, wird sich erst später herausstellen. In der Gegenwart trinkt Falke mit Daniel und wird anschließend von Alpträumen vom Tod Julia Grosz‘ geplagt, aus denen er jäh durch den neuen Fall gerissen wird – ein neuer, nicht minder realer Alptraum. Die Vor-Ort-Ermittlungen leitet Eve Pötter, die mit einem der Feuerwehrleute (Sebastian Klein, „Männer wie wir“) verheiratet ist und mit ihm einen Sohn (Jakob Kraume, „Das schweigende Klassenzimmer“) hat, der in Pfarrer Ottos Fußballmannschaft spielte. Atmosphärisch arbeitet Kraume mit dem Horrorfilm entlehnten Stilmitteln, beispielsweise als Falke eine Treppe hinter einer abgeschlossenen Tür entdeckt, die zur Kinderporno-Sammlung des Pfarrers führt. Als Falke das Material sichtet, gelangt er an seine Grenzen und fordert Hilfe an, die er in Person der Kollegin Schwerdtfeger (Julia Jendroßek, „Last Exit Schinkenstraße“) vom LKA Hannover erhält. Zusammen mit Pötter verhindert sie, dass der Fall zu einer unrealistischen Ein-Ermittler-Show verkommt.

„Du sprichst jetzt von der Mafia!“ – „Nein – ich spreche von der katholischen Kirche.“

Als Falke Daniel auf den Fotos entdeckt und ihn damit konfrontiert, scheint der Fall klar, doch Falke wehrt sich gegen vorschnelle Verdächtigungen und stößt auf manche Ungereimtheit, droht aber an einer Mauer des Schweigens seitens der Kirche zu scheitern, was auch zu einem Konflikt zwischen ihm und Pötter führt. Als sie von Einzelfällen redet, befürchtet er, sie wolle am liebsten alles unter den Tisch kehren. Mit Personalreferent und Generalvikar Billing (Sebastian Blomberg, „Guten Morgen, Herr Grothe“), der Streit mit Pfarrer Otto hatte, wird das Ensemble um eine relevante Figur erweitert. Während Daniel sich immer verdächtiger macht, scheint eine weitere Person in die Missbrauchsfälle involviert zu sein, die sich – ähnlich wie z.B. jüngst im Bistum Trier, woraus Autor Dähnert seine Inspiration bezog – als Teil eines regelrechten Pädophilenrings entpuppen.

„Ich will mein Leben zurück!“

Zeitlupenrückblenden zeigen nach und nach, was in Pfarrer Ottos Wohnwagen vor sich ging, sodass die Frage, wie schuldig Daniel sich gemacht hat und ob nicht doch ein anderer Täter infrage kommt, sehr lange aufrechterhalten wird. Hinzu kommt die Frage nach denjenigen, mit denen Otto zusammengearbeitet hatte. Dies sorgt für eine stets präsente Grundspannung, die auch dann erhalten bleibt, wenn die Dramaturgie sich zurücknimmt, um recht erfolgreich ein Gespür für den kleinen Ort, sein Kloster und die Be- und Anwohner zu erzeugen. Dabei geht es wenig idyllisch oder spirituell zu, die Stimmung ist angespannt, die Luft zum Schneiden und der Gesamteindruck trist. Die Sonne scheint hier nicht oft zu scheinen und wenn doch, dringt sie ebenso wenig durchs Klostergemäuer wie Falke mit seinen Versuchen, die Wahrheit herauszufinden – selbst, nachdem er die Einsatzleitung übertragen bekommen hat.

„Der Mensch muss doch an was glauben!“

Dieser „Tatort“ sensibilisiert dafür, wie Opfer ein Leben lang leiden und wie schwer es ihnen fällt, über das Geschehene zu reden. Dankenswerterweise versuchen Buch und Regie auch gar nicht erst, dagegen anzuquatschen oder zu diskutieren, wo es nichts zu diskutieren gibt. Im Vordergrund stehen Wut und Verzweiflung, Emotionen der Opfer, denen dieser „Tatort“ eine Bühne gibt. Dähnert und Kraumer leisten mit „Schweigen“ überfällige Pionierarbeit, handelt es sich doch um den ersten „Tatort“, der sich der Tatsache stellt, dass die katholische Kirche von Päderasten durchsetzt ist. Damit ist dieser Film hoffentlich ein weiterer Mosaikstein in der Entmachtung der Kirche in Deutschland, die, vom Staat subventioniert, vielleicht an Gott, Jesus und den heiligen Geist glaubt, vor allem aber daran, mit Schweigegelübde, Vertuschungen und Lügen über dem Gesetz zu stehen.
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Kurt & Courtney

Der britische Dokumentarfilmer Nick Broomfield („Die Peitsche der Pandora“) sprang auf den auch einige Jahre nach dem Tode des Nirvana-Gitarristen und -Sängers Kurt Cobain noch nicht zum Halt gekommenen Zug um die Verschwörung, Kurt sei von seiner Ehefrau, der Musikerin und Schauspielerin Courtney Love, ermordet worden, auf und schickte sich an, für seinen 1998 veröffentlichten Film diesem Gerücht nachzugehen und die Beziehung zwischen Kurt und Courtney zu beleuchten. Doch da Kurts Witwe Courtney ihm nicht nur keine Nirvana-Songs für den Film lizenzierte, sondern auch generell keinerlei Lust hatte, mit Broomfield zu kooperieren, geriet „Kurt & Courtney“ zu einer Farce, die den Eindruck einer persönlichen Abrechnung Broomfields mit Courtney erweckt.

Broomfields erste Station ist Kurts Tante Mari Earle, die Gesangsaufnahmen Kurts im Alter von gerade einmal zwei Jahren vorspielt, gefolgt von Kurts ehemaligem Lehrer, bei dessen Familie Kurt für ein ganzes Jahr unterkam, nachdem er zu Hause rausgeflogen war. Auch wenn der Lehrer von Broomfield spontan überfallen zu werden scheint und zunächst entsprechend reagiert, erweist er sich als umgänglicher Gesprächspartner, und Tante Mari wirkt überaus nett und geerdet. Alte Fotos und Videoaufnahmen, auf die Broomfield Zugriff bekam, wurden integriert und bieten einen gewissen Mehrwert. Doch wer glaubt, die Doku würde auf diese Weise weitergehen, sieht sich getäuscht. Kurts Ex-Freundin Tracy Marander, für die er „About A Girl“ geschrieben hatte, berichtet über Kurts Dünnheit und zeigt Broomfield Gemälde, die Kurt gemalt hatte – woraufhin Broomfield ihr befremdliche und zu nichts führende Fragen stellt wie diejenige, ob Kurt eine Art Obsession für Föten gehabt habe.

Mit Nirvana-Fotografin und -Freundin Alice Wheeler spricht er über Ruhm und Isolation. Schon früh fällt auf, wie Broomfield seine Interview-Partnerinnen und -Partner mit Suggestivfragen löchert. Seine nächste Station ist Courtneys leiblicher Vater Hank, der sie zu hassen scheint, Bücher über Kurt schrieb, seine Tochter verdächtigt, Kurt umgebracht zu haben und kein gutes Haar an ihr lässt – obwohl sein Kontakt zu ihr schon lange abgebrochen ist. Der Eindruck, den er hinterlässt, ist dabei jedoch vielmehr der, dass Courtney gut daran tut, diesen hasserfüllten, öffentlich schmutzige Wäsche waschenden und es mit seinen wirren Theorien zu Bekanntheit und auch Geld bringenden Menschen zu meiden.

Von nun an geht es hauptsächlich um Courtney. Rozz Rezabek, ein gescheiterter Musiker und Ex-Freund Courtneys, beschreibt sie als Drama-Queen, beschuldigt sie, ihm die Karriere gestohlen zu haben, und kommt dabei unfreiwillig wie ein verbitterter Unsympath rüber, der es nur schwer erträgt, dass seine Ex im gleichen Metier erfolgreicher ist als er. Amy, eine gemeinsame Bekannte Kurts und Courtneys, lästert ebenfalls über Courtney, ohne dass daraus ein Erkenntnisgewinn fürs das Doku-Publikum resultieren würde. Der einst von Courtney engagierte Privatdetektiv Tom Grant vertritt lautstark die Mordtheorie und stellt Behauptungen auf wie die, dass Kurt zu viel Heroin intus gehabt habe, um seine Waffe überhaupt halten zu können, die aber direkt widerlegt wird.

Kurt habe sich scheiden lassen wollen, wird kolportiert, und Dylan, Mitglied der Band Earth, der Kurt angeblich die tödliche Waffe besorgte, wirkt im Gespräch mit Broomfield wie ein fertiger Junkie. Ausgerechnet ihn benutzt Broomfield, um seine These zu stützen, Kurt sei nicht suizidal gewesen. Und es wird immer schräger: Er beauftragt sogar zwei schmierige Paparazzi, Jagd auf Courtney zu machen. Diese filmen sich mit ihrer Kamera beim Blödsinnmachen, sodass der Akku den Geist aufgibt, als sie tatsächlich eine Gelegenheit haben, Aufnahmen von Courtney an ihrem Aufnahmestudio zu machen. Aber es wird noch irrer: „El Duce“, Mitglied der plakativ misogynen und schwarzhumorig-geschmacklosen Metal-Band Mentors und regelmäßiger Gast in Trash-TV-Formaten, der behauptete, von Courtney 50.000 Dollar angeboten bekommen zu haben, um Kurt um die Ecke zu bringen, wird auf seinem Grundstück aufgesucht, um genau das vor der Kamera zu wiederholen. Dies tut er und erwähnt als wahren Täter einen nicht näher spezifizierten „Allen“. Dabei wirkt er wie ein alkoholisierter Hinterwäldler. Dass „El Duce“ diesen Namen mutmaßlich fallenließ, um auf das just im Jahre 1998 sein Debütalbum veröffentlichende Bandprojekt „Kill Allen Wrench“ seines Mentors-Kollegen „Dr. Heathen Scum“ aufmerksam zu machen, und dass besagter Allen Wrench in Interviews anschließend damit kokettierte, irgendwie an 50.000 $ Dollar gekommen zu sein – von alldem scheint Broomfield nichts zu ahnen.

Als Tante Mari der Mordtheorie explizit widerspricht, will Broomfield an diese plötz- und angeblich auch nicht mehr glauben, doch dann wird „El Duce“ wenige Tage nach dem Interview von einem Zug überfahren – was diejenigen, die tatsächlich glauben, dass Courtney ihn umbringen lassen würde, weil er jedem TV-Reporter, der ihm Geld dafür gibt, das sagt, was er von ihm hören will, in ihrer Verschwörungstheorie bekräftigt. Statt neuer Erkenntnisse bekommen wir noch einmal Amy zu sehen, die gar nicht beweisen kann, Kurt und Courtney überhaupt gekannt zu haben, Courtneys Vater, der total beknackt wirkt (was nun auch Broomfield auffällt), und schließlich eine neue Figur: Chelsea, die angeblich Kurts und Courtneys ehemaliges Kindermädchen kennt. Sie erzählt Broomfield, ihr sei von diesem berichtet worden, Kurts Tochter habe sich von ihm entfremdet. Nun tritt besagtes Kindermädchen mit einer Pulle Bier selbst vor die Kamera und lässt wissen, dass zuletzt viel übers Testament geredet worden sei, Courtney Kurt völlig kontrolliert habe, sie Angst vor Courtney verspüre und nicht an den Suizid glaube. Broomfields vorausgegangene Beteuerungen, nicht mehr an eine solche Verschwörungstheorie zu glauben, wird dadurch relativiert und klingt im Nachhinein wie ein „Ich persönlich glaube das ja nicht, aber…“. Inwieweit diese beiden Mädchen überhaupt als glaubwürdige Quellen in Betracht kommen, bleibt völlig offen.

Broomfield macht sich in Manier Michael Moores und Konsorten selbst zum Teil der Doku, führt mit Leichenbittermiene und betontem Ernst durch seinen Film und erwähnt zwischenzeitlich immer wieder, dass Courtney ihn sabotiere. Stellen, an denen er offenbar ursprünglich Musikvideos oder Auftritte Nirvanas zeigen wollte, lässt er nicht etwa weg, sondern zeigt stattdessen Live-Aufnahmen völlig anderer Bands aus Seattle und Umgebung. Als inmitten der Dreharbeiten der damalige Musiksender MTV als Geldgeber aussteigt, weil Courtney offenbar ihren Einfluss geltend gemacht hat, platzt Broomfield endgültig der Kragen. Vermehrt geht es gegen Ende darum, wie böse Courtney sei. Zusammen mit seinen idiotischen Paparazzi passt Broomfield diese im Vorfeld ihres Auftritts bei der American Civil Liberties Union (ACLU), einer gemeinnützigen US-Bürgerrechtsorganisation, doch noch ab, doch die Paparazzi sind zu aufgeregt, um überhaupt einen Ton herauszubekommen, und Broomfield stellt ihr völlig belanglose Fragen. Zur Konfrontation kommt es erst, als Broomfield während der ACLU-Veranstaltung nach Courtneys Rede die Bühne entert und sie der Zensur der Redefreiheit bezichtigt, woraufhin er herausgeworfen wird.

Am Schluss weiß man nicht viel mehr über Kurts Tod, sein Leben mit Courtney, über Nirvana oder Courtney Love als vorher, außer, dass letztere vermutlich schlicht (und mit leidlichem Erfolg) versuchte, unseriöse Schmierfinken einzuschüchtern und aus ihrem Privatleben fernzuhalten. Dafür erfährt man aber einiges über Nick Broomfield und sein Verständnis von investigativem Journalismus, das vielmehr wie sensationsgeiler Klatsch und Tratsch ohne Rücksicht auf Verluste wirkt und diesen Film hervorbrachte, der besonders in der Retrospektive unfreiwillig komisch wirkt. Neben den bereits erwähnten Kuriositäten gibt es einige weitere zu entdecken: Wir sehen Broomfield in einer minutenlangen Einstellung zu Kurts ehemaligem Haus fahren, nur um ihn dort angekommen sagen zu hören, dass dies besagtes Haus sei. Dann fährt er wieder davon. In einer anderen Szene betritt er ein Geschäftsgebäude, dem Kurt einst gegenüber gewohnt habe. Die Empfangsdame wirft Broomfield direkt wieder heraus. Was er dort überhaupt wollte, erfahren wir nicht. Derart sinnlose Füllszenen bringen den Film auf seine Länge, haben aber keinerlei Informationsgehalt.

Anderes kommt hingegen überhaupt nicht in „Kurt & Courtney“ vor, beispielsweise Gespräche mit wirklich relevanten Interviewpartnern wie Kurts ehemaligen Bandmitgliedern oder engen Begleitern der Band. Auf diese Idee scheint Broomfield auch gar nicht gekommen zu sein, zumindest verliert er kein Wort darüber. Nach einem vielversprechenden Auftakt mit Mari Earle, dem Lehrer, Tracy und Alice bekommen wir nur noch wenig vertrauenserweckende Gestalten zu Gesicht, die nicht selten der Realität entrückt scheinen. Auswahl der Gesprächspartnerinnen und -partner sowie Broomfields Rhetorik sind tendenziös und dabei leicht zu durchschauen. Seine Zensurvorwürfe gegenüber Courtney lassen ebenso tief blicken wie der unbedingte Wille, aus einer vielleicht tatsächlich unsympathischen Person eine mörderische schwarze Witwe zu machen. Dies scheint mir viel damit zu tun haben, dass sie sich nicht so benimmt, wie Gesellschaft und Business es vielleicht von einer Frau erwarten; aus heutiger aufgeklärter Sicht war der unterschwellige Sexismus für mich schwer zu übersehen.

Neben privaten Investoren sprang sogar die BBC ein, um Broomfields Film zu finanzieren. Gab es je eine niveaulosere BBC-Produktion? Ich weiß es nicht. Mit Sicherheit aber habe ich bisher keinen misslungeneren Dokumentarfilm als diesen gesehen, bei dem man fast wie bei einem Autounfall trotzdem hingucken muss. „Kurt & Courtney“ ist perfekt für Medien- und Journalismus-Seminare geeignet – als abschreckendes Beispiel.
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Mädchen: Mit Gewalt

„Dir stehen wohl die Zähne zu eng!“

Roger Fritz’ im Jahre 1969 gedrehtes und 1970 veröffentlichtes Drama „Mädchen: Mit Gewalt“ ist der dritte Teil der Trilogie des deutschen Regisseurs, die sich in voneinander unabhängigen Filmen auf unterschiedliche Weise mit jungen Frauen auseinandersetzt. Alle Filme eint, dass Fritz‘ damalige Ehefrau Helga Anders („Das Rasthaus der grausamen Puppen“) die weibliche Hauptrolle spielt.

„Typische Junggesellenwirtschaft!“

Die Büroangestellten Mike (Arthur Brauss, „Der Zug“) und Werner (Klaus Löwitsch, „Heißes Pflaster Köln“) sind beide in ihren 30ern und machen mit Vorliebe Jagd auf „Frischfleisch“: In der Münchner Umgebung halten sie regelmäßig Ausschau nach jungen Frauen, um sie ins Bett (oder ins Auto oder sonstwohin) zu bekommen und sie nach dem Geschlechtsverkehr wieder fallenzulassen. Als sie die attraktive, naiv und verführbar wirkende Alice (Helga Anders) auf einer Go-Kart-Bahn nach einem Streit mit Studenten (u.a. Rolf Zacher, „O.K.“) kennenlernen, trennen sie sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von ihrer Clique und locken sie an einen See, wo Werner sie, nachdem sie sich ihm gegenüber verweigerte, in einer Kiesgrube vergewaltigt…

„Ihr seid ja verrückt! Richtig kindisch seid ihr!“

Fritz charakterisiert zunächst die beiden Machos und Schürzenjäger, von denen der aufbrausende Werner der grobschlächtigere, triebgesteuertere ist, während Mike eher ein Mann der Worte ist, Typ gebildeter Theoretiker, aber auch Zyniker. (Löwitsch hat hier im Übrigen ein bisschen was von Jack Nicholson.) So unterschiedlich sie auch sein mögen, ergänzen sie sich bei ihren gemeinsamen Vorhaben in der Regel sehr gut gegenseitig. Sie bespannen und belästigen eine unbekleidete Frau und auch Passantinnen, die aber trotzdem bereitwillig in ihr Auto zusteigen. Als es beinahe zu einer Schlägerei kommt, greift Alice schlichtend ein, woraufhin ihr das alleinige Interesse der beiden gilt. Die vermüllte Kiesgrube, an und in der sich das Gewaltverbrechen ereignen wird, wird zur Allegorie auf Moral und Gewissen der beiden Männer, von denen sich überraschenderweise ausgerechnet Werner zunächst als der skrupelbehaftetere erweist.

Nachdem aus allem vermeintlichem Spaß brutaler Ernst wurde, überlegt Alice, Werner anzuzeigen, was ihr Mike halb psychologisch manipulativ, halb schlicht der Realität entsprechend ausredet, indem er mit ihr Gegenüberstellung und Gerichtsverhandlung durchspielt. Unüberhörbar formuliert der Subtext dabei harsche Kritik am Justizapparat, die an Aktualität kaum eingebüßt hat. Als anschließend auch er Alice vergewaltigen will, geht Werner dazwischen, was eine wüste, harte Schlägerei zur Folge hat, in deren Konsequenz Werner seinen Kumpel k.o. schlägt. Er rechtfertigt sich Alice gegenüber, wolle es wiedergutmachen, scheint sich von Mike emanzipieren zu wollen. Doch wer glaubt, dass es sich dabei um eine entscheidende Wendung handle und die Männer eine Entwicklung durchmachen würden, sieht sich getäuscht. Am Ende löst sich alles in scheinbarem Wohlgefallen auf.

„Mädchen: Mit Gewalt“ ist durchaus spannend erzählt, zudem exzellent gefilmt, aber weit weniger ein Spannungs- oder Unterhaltungsfilm als vielmehr aufrüttelndes Sittenporträt. Bei den über 30-jährigen Tätern vermischen sich Machismo und Sexismus mit einer Art Generationenkonflikt, als würden beide auf Teufel komm raus an den neuen Freiheiten seit der erst kürzlich erfolgten sexuellen Revolution teilhaben wollen und der jüngeren Generation, hier durch die Studenten verkörpert, neiden, diese während ihrer Jugend genießen zu können. Damit stehen sie stellvertretend für jene bereits etwas älteren Herrschaften, die junge Frauen im Zuge der gesellschaftlichen Umwälzungen auszunutzen begannen, ohne das Patriarchat jemals ernsthaft infrage zu stellen. Alice wiederum verkörpert jenen Frauentyp, der mit einem Zuviel an gutem Glauben die neuen Freiheiten auch äußerlich repräsentiert, ohne so recht zu ahnen, dass ein großer, nach wie vor reaktionärer Teil der Gesellschaft ihr dafür eine nicht unerhebliche Mitschuld an dem, was ihr widerfährt, unterstellen wird.

Nach dem Auftakt hat Fritz seinen Film enorm entschlackt. Es gibt keine Ortswechsel mehr und es greift lange Zeit auch keine dritte Partei bzw. vierte Figur mehr in die Handlung ein. Im Verbund mit dem hervorragenden, beängstigendem Schauspiel Löwitschs und Brauss‘ wird Alice‘ Situation dadurch ziemlich unmittelbar und umso unangenehmer spürbar. Der psychologische Thrill gerät jedoch nicht zum Selbstzweck, sondern zwingt das Publikum zur Reflektion.

Tolles, realistisches deutsches Kino mit kritischem Blick und deutlicher Aussage, aber ohne erhobenem Zeigefinger oder verkopfte theoretische Debatten. Dass „Mädchen: Mit Gewalt“ (zumindest in Teilen) von der zeitgenössischen Kritik missverstanden wurde (oder missverstanden werden wollte), beweist seine Relevanz und dass er seiner Zeit sogar ein bisschen voraus war.
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Kurt Cobain – Tod einer Ikone

17 Jahre nach dem völlig misslungenen, unfreiwillig komischen „Kurt & Courtney“ des britischen Dokumentarfilmers Nick Broomfield griff der US-Amerikaner Benjamin Statler in seiner bisher einzigen Regiearbeit die Verschwörungstheorie, der Tod des Nirvana-Frontmanns Kurt Cobain sei kein Suizid gewesen, sondern Kurts Witwe, die Musikerin und Schauspielerin Courtney Love, habe ihn umgebracht bzw. umbringen lassen, für einen abendfüllenden Dokumentarfilm erneut auf.

Privatdetektiv Tom Grant, der seinerzeit von Courtney Love damit beauftragt wurde, ihren Ehemann zu finden, als sie noch nichts von dessen Tod wusste, ist seither besessen von seiner Theorie, die er bereits in „Kurt & Courtney“ kundtat. „Kurt Cobain – Tod einer Ikone“ ist ganz auf Grant und seine Perspektive auf die Ereignisse im April 1994 zugeschnitten (worüber eine Texttafel zu Beginn auch informiert), wirkt dabei aber ungleich professioneller. Angereichert mit Bildern und Aufnahmen Kurts und Nirvanas werden im Dokudrama-Stil einzelne Szenen nachgespielt, die aber zum Teil mit Original-Tonquellen versehen werden. Wann immer solche Originalquellen zum Einsatz kommen, wird darauf hingewiesen. Dies vermittelt einen Eindruck von akribischer, seriöser Arbeit. Zudem kommen Freund(inn)e(n) und Bekannte Kurts zu Wort, die aus Kurts Zeit in Aberdeen erzählen, sowie das ehemalige Bandmitglied Aaron. Auch Kurts ehemaliger Lehrer, ebenfalls bekannt aus „Kurt & Courtney“, ist wieder dabei, ebenso Dylan Carlson, der Kurt die tödliche Waffe besorgte. Ferner geben einige Zeitzeug(inn)en und Expert(inn)en ihre Statements ab. Und es gibt Texttafeln – viele, viele Texttafeln.

Über allem thront aber Grant, der sich zu Beginn wenig bescheiden als höchst integre Person vor- und darstellt und im weiteren Verlauf die fünf Tage vor Kurts Tod einsetzenden Spielszenen kommentiert. Inhaltlich verfällt der Film schnell in die alte Litanei: Grant lässt erwartungsgemäß kein gutes Haar an Courtney Love, die eine drogensüchtige notorische Lügnerin gewesen sei, es wird fabuliert, Kurt sei gar nicht suizidal gewesen, auch habe es entgegen anderslautenden Behauptungen gar keine Suizide in dessen Familie gegeben, und Aussagen Courtneys werden haarklein auseinandergenommen und auf Widersprüche abgeklopft. Kurt habe sich scheiden lassen wollen, er habe zu viel Heroin intus gehabt, um überhaupt die Flinte abdrücken zu können, bla bla bla – alles schon gehört, zum Teil widerlegt worden, zum Teil schlichte Spekulation. Die Expert(inn)en sorgen für einen seriösen Anstrich, und dies teils unfreiwillig. NYPD-Detective Vernon J. Geberth beispielsweise gab hinterher bekannt, nicht am Suizid Cobains zu zweifeln, auch wenn seine im Film wie Statements wirkenden Interview-Antworten dergestalt zusammengeschnitten und implementiert geworden seien, dass sie Eindruck erwecken, dem sei doch so.

Interessant wird der Film, wenn die Polizeiarbeit näher beleuchtet wird und der damalige Chef der Polizei Seattle, Norm Stamper, Fehler einräumt. Auf diese Weise erfährt man einiges darüber, wie einfach es anscheinend zumindest seinerzeit gewesen wäre, einen Mord als Suizid zu tarnen. Offenbar wurde damals geschludert. Grant nutzt diesen Umstand jedoch einseitig, um seine Theorie zu untermauern, ebenso wie er völlig einseitig Courtney Love als Unperson darstellt, überhaupt keine anderen Theorien in Betracht zieht und schlicht alles, was er als Indizien für seine Thesen verwenden könnte, anführt, alles andere aber weglässt. Von Kurts manischer Depression beispielsweise hört man hier nichts. So verwundert es denn kaum, dass auch in dieser Doku Kurts Bandkollegen Krist Novoselic und Dave Grohl, mit denen er bis zum Schluss bei Nirvana spielte, ebenso wenig zu Wort kommen wie andere Personen, die Grants Erzählungen entkräften könnten. Sicherlich, einige Argumente haben Hand und Fuß; aus dem Vorhandensein eines potenziellen Motivs Courtneys aber derart schwere Anschuldigungen als Schlussfolgerung zu suggerieren, ist starker Tobak. In Sachen Zuschauermanipulation ist „Kurt Cobain – Tod einer Ikone“ aber ein Lehrstück.

Leider ist die deutsche Bearbeitung, die ich sah, unter aller Kanone, da sie nur Teile des Gesprochenen in Untertiteln übersetzt und ausgerechnet bei eher Schwerverständlichem aus Originalquellen darauf verzichtet.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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