bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Jung in den 90ern.jpg
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Jung in den 90ern – Gameboy, Girlies, Glücksgefühle

„Dezenz war Schwäche in den 90ern!“

Dieser knapp 90-minütige Dokumentarfilm aus dem Jahre 2019 ist Teil des vergangene Dekaden Revue passieren lassenden Infotainment-Programms, mit dem der WDR Dokumentarfilm-Autorin und -Regisseurin Melanie Didier Ende der 2010er beauftragt hatte. Als erste waren also die 1990er an der Reihe, die drei Jahre zuvor in einem offenbar ganz ähnlichen Format von Pia Lüke und Cornelia Quast für „Einfach krass! Die coolen 90er“ beackert worden waren (jener auch unter anderen Titeln wiederholt ausgestrahlte Film ist mir leider bis auf eine Inhaltsangabe unbekannt). Während sich Heiko Schäfer in „Die verrückten 90er – Das Turbo-Jahrzehnt der Deutschen“ aus einer erwachsenen Perspektive dem Jahrzehnt widmet, geht es Didier ausdrücklich um ein Jugendporträt – sodass der Film als Ergänzung Schäfers Arbeit betrachtet werden kann, wenngleich es zu Überschneidungen kommt.

Das Konzept ist bekannt: Eine Stimme aus dem Off führt durch eine Aneinanderreihung historischer Fernsehausschnitte, die jeweils ein damaliges populärkulturelles Phänomen, einen Trend oder eine Neuheit dokumentieren, welche wiederum von verschiedenen Prominenten kommentiert und in Bezug zum eigenen Leben in den ‘90ern gesetzt werden. Für diesen Film versammelte man die Hippiesänger Angelo und Joey Kelly, Pop-Sängerin Jasmin „Blümchen“ Wagner, Musiker und Schlager-Parodist Guildo Horn, Hip-Hopper und Entertainer Bürger Lars Dietrich, Moderatorin Aleksandra Bechtel, Moderator Marco Schreyl sowie die Humoristinnen Lisa Feller und Meltem Kaptan vor der Kamera.

Folgende Themen kommen aufs Tapet:
  • Take That, Kreischerei und weitere Boygroups
  • Plateau- und Buffalo-Schuhwerk (schlimmer geht’s kaum – und dass mit „Buffalos“ seinerzeit etwas ganz anderes als Cowboystiefel bezeichnet wurden, will mir noch immer nicht so recht in den Sinn)
  • „Girlpower“ mit den Spice Girls
  • Lucilectric (die war cool)
  • Der TV-Sender Viva (furchtbar aufgesetzt)
  • Eurodance (nur ultrakurz angerissen und damit seiner damaligen Omnipräsenz nicht gerecht werdend)
  • Bauchfreie Mode, Bauchtaschen, Levi’s-Jeans, Markenwahn
  • Aber auch: Grunge-Look
  • Grunge als musikalisches Phänomen
  • Tattoos und Piercings, Arschgeweihe
  • Tic Tac Toe
  • Die Bravo
  • Schule
  • Game Boy
  • PCs und Internet
  • Spielkonsolen
  • Fernsehen und gestiegener Fernsehkonsum
  • Die Fernsehserie „Baywatch“
  • Tägliche Talkshows
  • Die Fernsehserie „Verbotene Liebe“
  • Skateboarding wird Mainstream und Poppertrend
  • Baggie Pants (Schlabberhosen) und Fat Laces (dicke Schnürsenkel)
  • Die fantastischen Vier im Speziellen und Hip-Hop im Allgemeinen
  • Techno und die „Loveparade“-Neohippies, Ecstasy und die „Mayday“
  • Supersoakers, Furbys und das Tamagotchi (Spielzeuge)
  • Die unvermeidliche Diddl-Maus
  • Die Kelly Family
  • Mobiltelefonie
  • Millennium (das vermeintliche, was man aber verschweigt)
Es ist erschreckend, wie unkritisch ein vornehmlich Deutschland-bezogener Rückblick auf das Jahrzehnt des Neonazi-Terrors und der „Baseballschlägerjahre“, der Massenarbeitslosigkeit und der zerplatzten Wiedervereinigungsträume ausfallen kann. Auf jenes Jahrzehnt, in dem es der Musikindustrie wie nie zuvor gelang, ihre Umsätze ins Unermessliche zu steigern und den Markt unter sich aufzuteilen, indem sie ihren medialen Einfluss perfektionierte. Das Jahrzehnt, in dem voll aufging, worauf „Bravo“ und Konsorten lange hingearbeitet hatten: nachwachsende Musikfans zu dummem, kritiklosem Kreisch- und Konsumvieh zu erziehen (und als Beispiel für „Girlpower“ lässt Didier ausgerechnet das Industrieprodukt Spice Girls durchgehen). Das Jahrzehnt, in dem die Mainstream-Jugend auf eine derart absurde Weise entpolitisierte, dass sie ihre Erfüllung im komplett inhalts- und attitüdelosen Technotrend fand. Jenes Jahrzehnt also, in dem grenzenloser Hedonismus auf Untergangsstimmung traf, wofür der gleichzeitige Erfolg von Bauerntechno und Nirvana ein Indiz ist, das dieser Film aber kaum aufgreift und schon gar nicht vertieft.

Viva wird thematisiert, der Einfluss von MTV bleibt hingegen unerwähnt. Immer populärer werdende Top-Models und ihr nicht immer positiver Einfluss auf die Jugend fehlen ebenso wie musikalische Entwicklungen à la Britpop, Alternative, zu überlebensgroßen Stadionbands mutierende Metallica und Guns n‘ Roses, Gitarrenmusik-/Hip-Hop-Crossover, das Punk-Revival (inkl. der legendären Chaostage 1995) und der Siegeszug von Gesangsdiven wie Whitney Houston oder Mariah Carey. Und wenn man Guildo Horn schon mal dahat, könnte man seine Rolle im Musikzirkus ruhig auch mal erwähnen. Dafür geht man bei Modetrends bis ins Schnürsenkel-Detail. Die Gewichtung stimmt hier ganz und gar nicht!

Der Off-Kommentar ist mitunter launig und lakonisch, die Aussagen der Promis hingegen häufig etwas arg naiv und vor allem gefällig. Feller war also „Grungerin“? So so… Je weiter die Doku voranschreitet, desto mehr Unfug wird verzapft und desto mehr wird Schönrednerei betrieben. Das authentische Quellenmaterial, also die TV-Ausschnitte, wissen dafür häufig zu gefallen; zudem hat man den Film mit zeitgenössischer Musik unterlegt – außer bei der Mobiltelefonie, wo man auf Falcos „Vienna Calling“ zurückgreift. Sein Tod bleibt unerwähnt.

„Jung in den 90ern – Gameboy, Girlies, Glücksgefühle“ ist leider nicht mehr als ein seichter, unreflektierter und sehr selektiver Nostalgietrip und markiert unter den von mir bisher gesehenen Dekaden-Retrospektiven des WDR den bisherigen Tiefpunkt. Oder kurz: So überflüssig wie eine Telekom-Aktie. Glücklicherweise steigerte man sich innerhalb der „Jung in den…“-Reihe bereits mit dem nur wenige Wochen später ausgestrahlten „Jung in den 80ern“ deutlich.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Columbo: Luzifers Schüler

„Ihr habt vor nichts und niemandem Respekt!“

Die erste Episode der zehnten und finalen Staffel der US-TV-Krimireihe „Columbo“ wurde von Frederick King Keller geschrieben, von Jeffrey Bloom in Drehbuchform gebracht und von E.W. Swackhamer („Terror at London Bridge“) inszeniert. Es blieb Swackhamers einzige „Columbo“-Regiearbeit. „Luzifers Schüler“ wurde am 9. Dezember 1990 erstausgestrahlt.

„Es läuft alles perfekt!“

Als Collegeprofessor Rusk (James Sutorios, „Heißes Pflaster New Orleans“) dahinterkommt, dass seine Studenten Justin Rowe (Stephen Caffrey, „NAM – Dienst in Vietnam“) und Cooper Redman (Gary Hershberger, „Das Geheimnis von Twin Peaks“) Prüfungsaufgaben gestohlen haben, um sich Vorteile zu verschaffen, droht ihnen die Exmatrikulation. Besonders Justin ist daran gelegen, dies mit allen Mitteln zu verhindern, denn sein strenger Vater (Robert Culp, „In einem Sattel mit dem Tod“), ein hochdotierter Anwalt, hätte keinerlei Verständnis dafür und würde seinem Sohn die Hölle heißmachen. Gemeinsam hecken die beiden Studenten einen sinistren Plan aus und locken Rusk in eine ferngesteuerte tödliche Falle. Sie glauben, dass ihnen zugutekommen wird, dass Rusk aufgrund seiner kritischen Buchpublikationen reichlich Feinde hatte. Die Ermittlungen Columbos (Peter Falk), der an eben dieser Uni gerade erst einen Gastvortrag hielt, nehmen sie nicht für voll – ein Fehler…

„Mein Vater lässt sich schon was einfallen!“

Die Episode mit dem etwas arg pathetischen deutschen Titel beginnt mit einem schmissigen Pop-Rock-Song und stellt uns die beiden Antagonisten vor, die weniger Satansjünger als vielmehr verzogene Yuppie-Typen sind – wären sie Deutsche, wären sie typische FDP-Wähler. Ein ferngesteuertes Auto eines der beiden Jungs fungiert als Hinweis auf den Tathergang für die Zuschauerschaft. Ihrer Sache sind sie sich so sicher, dass sie glauben, kleinere Ungereimtheiten würden nicht weiter auffallen. Sie spielen sogar ein Rollenspiel miteinander und wanzen sich an Columbo heran, der ihnen natürlich nur scheinbar auf den Leim geht, als er sie sogar um ihre Mithilfe bittet. Zunächst versuchen sie, den Verdacht auf June Clarke (Katherine Cannon, „The Hidden – Das unsagbar Böse“) zu lenken, mit der Rusk eine Affäre hatte. Der entscheidende Verdacht jedoch wird auf Dominic Doyle (William Lucking, „Doc Savage – Der Mann aus Bronze“), den vorbestraften Bruder des College-Wachmanns Joe (Jim Antonio, „Menschen am Fluss“), gelenkt. Dessen Schicksal ist den beiden Schnöseln völlig gleich, worin sich ihr Klassismus äußert.

Eine Besonderheit dieser Episode ist, dass nicht nur die beiden Täter den Inspektor nicht ernstnehmen, ihn sogar recht gelungen, aber leider von ihm beobachtet parodistisch nachäffen, nein: Das gesamte Upper-Class-Milieu, allen voran Justins Vater, hält Columbo für einen totalen Versager. Diese Überheblichkeit schraubt die Fallhöhe immens hoch, umso befriedigender fällt die Auflösung aus. Während seines Gastvortrags sprach Columbo davon, dass man auch Glück haben müsse, was sich prompt bewahrheitet: Kommissar Zufall ist behilflich, denn der Mord wurde per TV-Signal übertragen und von jemandem unwissentlich mitgeschnitten. Von meiner Erstsichtung 1999 hatte ich in Erinnerung, dass Columbo Dosenbier mit den Jungs trinkt, was sich jedoch nicht ganz bewahrheitete: Justin und Cooper drücken dem Inspektor zwar eine Dose in die Hand, trinken aber selbst nicht – und ich bin mir auch nicht sicher, ob Columbo überhaupt einen Schluck nimmt.

Wie auch immer; die Methode, mit der er die Täter überführt, ist genial und seine Vorführung der beiden am Ende überaus genugtuend. Auch das Publikum erfährt erst jetzt, verbunden mit Rückblenden, wie genau Columbo auf die Lösung kam. Generell ist dieser Fall spannend erzählt und mit seinen technischen Details interessant. Etwas halbherzig abgehandelt wird jedoch der Vater-Sohn-Konflikt zwischen Justin und seinem alten Herrn, unter dessen Druck er leidet. Aber am Ende ist und bleibt er eben doch ganz Vaters Sohn…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Tatort: Der Mörder und der Prinz

„Verschwinde und lass dich nie wieder blicken!“

Nachdem Götz George als „Tatort“-Kommissar Schimanski die Segel gestrichen hatte, ging es für den WDR-Zweig der öffentlichen-rechtlichen Krimireihe mit einem neuen Team in Düsseldorf weiter: Hauptkommissar Bernd Flemming (Martin Lüttge, „Die Wannseekonferenz“) ermittelte zusammen mit Hauptmeister Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, „Kollege Otto – Die Coop-Affäre“) und Kommissarin Miriam Koch (Roswitha Schreiner, „Liebling Kreuzberg“). Dieser erste von 15 Fällen wurde von Kaspar Heidelbach („Ein Fall für zwei“) inszeniert, der damit seinen „Tatort“-Einstand feierte. Er verfilmte ein Drehbuch, das von Nikolaus Stein v. Kamienski, Jacki Engelken und Wolfgang Hesse in Koproduktion verfasst wurde. Die Erstausstrahlung erfolgte am 17. Mai 1992.

„Sie hatte nicht das Anzügliche im Auftreten.“

In Düsseldorf tobt der Karneval, doch die Stimmung bei der Polizei könnte besser sein, bekommt sie es doch innerhalb kürzester mit gleich zwei Tötungsdelikten zu tun: Das belgische Fotomodell Jacqueline Bordenave (Claudine Wilde, „Schloß Pompon Rouge“) wird von Gotcha-Spielern in einem verschneiten Waldstück tot aufgefunden, erschlagen mit einem stumpfen Gegenstand. Besonders bitter: Sie war im dritten Monat schwanger. Zuvor hatte Dagmar Schuba (Nicole Heesters, „Kamikaze 1989“), die Ehefrau Geros (Jürgen Schmidt, „Der Fall Liebknecht-Luxemburg“), mit dem sie eine Affäre hatte, sie drohend aufgefordert, von ihrem Mann abzulassen. Hat sie etwas mit der Tat zu tun? Der zweite Tote ist der Taxifahrer Horst Poensken (Charlie Hendricks, „Tatort: Rechnung ohne Wirt“), der im Kofferraum seines Taxis erwürgt gefunden wird – vermutlich ein Raubmord. Kriminalhauptkommissar Bernd Flemming, Kommissarin Miriam Koch und Hauptmeister Max Ballauf nehmen die Ermittlungen auf, als auf Gero Schuba geschossen wird, während er als Karnevalsprinz einen Auftritt hat. Gero überlebt leichtverletzt und denkt gar nicht daran, auf weitere öffentliche Auftritte zu verzichten. Doch der Täter plant längst einen zweiten Anschlag auf Gero…

Der gut gelungene und neugierig machende Auftakt gewährt der Zuschauerschaft einen kleinen Wissensvorsprung gegenüber der Polizei, indem er das bedrohliche Gespräch zwischen Dagmar Schuba und ihrer Nebenbuhlerin zeigt. Nach dem Leichenfund, in den recht geschickt der damalige Trendsport Gotcha eingeflochten wurde, heißt es dennoch Whodunit? Und es gilt, sich mit dem neuen Team vertraut zu machen: Der etwas mürrische, vor allem aber eigenbrötlerische Flemming hat eine Sauna in einem Kuhstall und bekommt mit der 28 Jahre jungen Miriam Koch, Tochter des Staatssekretärs, eine neue Kollegin zugeteilt. Ballauf hat sich erst einmal krankgemeldet, doch Flemming spürt ihn in einer Kneipe auf nimmt ihn stante pede mit. Zudem war Ballauf mit dem Dienstwagen nach Paris gefahren, weshalb ihm ein Disziplinarverfahren droht – und der Running Gag der Episode ist, dass er nie ein eigenes Auto hat. Ein echter Hallodri also. Es ist Karneval und auch auf der Wache sind die Jecken los, doch der tote Taxifahrer stört die Stimmung ebenso wie das Attentat auf Gero – ordentlich was los in Düsseldorf, in jederlei Hinsicht.

Regisseur Heidelbach widmet sich fortan verstärkt den nichtpolizeilichen Figuren, also der Toten, über die wir erfahren, dass sie ein erfolgloses Mannequin gewesen sei, sowie ihrem Umfeld. Zu diesem gehörten Agenturchef Stern (Leonard Lansink, „Eis am Stiel VII – Verliebte Jungs“), der Kommissarin Koch mit wehender Banane empfängt, sowie René Wolff (Uwe Ochsenknecht, „Schtonk!“), Chef einer Werbeagentur, die mit der Toten zusammenarbeitete, und zugleich Geros Stellvertreter in Sachen Karnevalsregentschaft. Auch Jacquelines Vater (Daniele Legler, „Lockvögel“) lernen wir kennen. Ein weiterer Überfall auf einen Taxifahrer entpuppt sich als geschmackloser Karnevalsstreich, die Befindlichkeiten unter den Karnevalshoschis sind aber ebenso real wie die auch der Polizei nützliche Solidarität unter den Taxifahrern und die Verkommenheit einer der Figuren, die am Ende als Täter enttarnt werden wird.

Eben dieser Täter, dessen Identität ich hier natürlich nicht verrate, wird durchaus beeindruckend geschauspielert, während vom Ermittlertrio die Verschrobenheit Flemmings, der sogar mit Ninjasternen wirft, sowie die Jugendlichkeit Kochs und Ballaufs (der nebenbei in einem Restaurant aushilft) auffallen. Gerade in Szenen mit vielen Personen und stärkerer Geräuschkulisse ist der Ton nicht ganz das Gelbe vom Ei und so recht sozialrealistisch will dieser mäßig spannende Fall dann auch nicht anmuten, die Verquickung mit dem Düsseldorfer Karneval wirkt etwas erzwungen und dramaturgisch holpert man sich beim Versuch, sowohl einen dreifachen Kriminalfall zu erzählen als auch gleich drei neue Kripofiguren einzuführen, eher passabel denn überwältigend durch die Düsseldorfer Straßen und die Studiokulissen.

Fernsehhistorisch interessant ist „Der Mörder und der Prinz“ aber allemal, nicht zuletzt, weil es sich um Behrendts ersten Auftritt als Max Ballauf handelt, der später zusammen mit Freddy Schenk (Dietmar Bär) das bis heute aktive Kölner „Tatort“-Duo bilden sollte.
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Kurt Cobain: About a Son

„Die müssen nicht alles über mich wissen.“

Der rund eineinhalbstündige Dokumentarfilm “Kurt Cobain: About a Son“ aus dem Jahre 2006 über den Bandkopf der verstorbenen Grunge-Legende Nirvana besteht ausschließlich aus O-Tönen Cobains, die der (manchmal auch zu hörende) Musikjournalist Michael Azerrad für seine Nirvana-Biografie, das in Buchform veröffentlichte „Come As You Are“, im Rahmen von Interviews mit Cobain angefertigt hatte. US-Regisseur AJ Schnack („Gigantic (A Tale of Two Johns)“) wählte diese aus über 25 Stunden Material aus und unterlegte sie mit mehr oder weniger kunstvoll eingefangenen, atmosphärischen und authentischen aktuellen Bildern der verschiedenen Wohnorte Cobains, angefangen mit Aberdeen über Montesano, Olympia und schließlich Seattle.

Und eben diese Bebilderung, die ohne jegliche Aufnahmen Kurts oder Nirvanas auskommen muss, zum Teil aber Cobains Aussagen mittels Animationen illustriert und ein paar geschauspielerte Szenen enthält, hätte es gar nicht unbedingt gebraucht und sollte als Bonus zum eigentlichen Inhalt betrachtet werden, nämlich dem freimütig von der Leber weg plaudernden Cobain, der seinerzeit intime persönliche Einblicke gewährte. Er erzählt von einer zunächst glücklichen Kindheit, aber auch einer Diagnose als manisch-depressiv, die er bereits als Neunjähriger (!) erhalten habe, von seiner Entfremdung als Heranwachsender – und den Misshandlungen durch seinen Vater. Er hadert sehr damit, keine richtige Vaterfigur gehabt zu haben. Zudem habe er schon früh unter einer Skoliose gelitten. Von seiner Schulzeit geht’s zur Bandgründung und vielen weiteren Kontrasten wie Obdachlosigkeit einer- und einer zunächst glücklichen Zeit im Künstlermekka Olympia andererseits.

Von dort aus ging’s nach Seattle, Nirvana kamen beim Underground-Label Sub Pop unter, die neue Labelsuche nach dem Debütalbum „Bleach“ aufgrund eines durchaus angestrebten kommerziellen Erfolgs führt die Band zu Geffen und der Rest ist Geschichte. Zu dieser gehören neben einer gewissen Skepsis angesichts der Folgen des überraschend rasanten und großen Ruhms auch Cobains chronische Schmerzen, seine Magenprobleme und die Linderung, die er durch harte Drogen findet. Über seine Lebensgefährtin Courtney Love weiß er Positives zu berichten, über die Presse nicht – gegen diese redet er sich regelrecht in Rage.

Wer noch immer so naiv ist, Cobain & Co. zu antikommerziellen Underground-Heroen, die den Erfolg nie wollten, hochzustilisieren, sieht sich hier im O-Ton widerlegt, wer nach Gründen für Cobains psychischen Niedergang und seinen Suizid im April 1994 sucht, bekommt hier eine Menge möglicher Ursachen zu hören – ausschlaggebend war vermutlich die Summe aller Teile. Wer aber das Geheimnis hinter seiner Musik zu ergründen versucht, ist hinterher vermutlich genauso schlau wie vorher: Zwar lässt Cobain wissen, dass er der Speed- (und vermutlich auch Thrash-)Metal-Welle ab Mitte der ‘80er nichts abgewinnen habe können und ihm vielmehr eine punkige Mischung aus ‘70er-Black-Sabbath und Pop vorschwebte, vom Wahnsinn, der mich bis heute an seiner Musik so fasziniert, jedoch kein Wort. Klar, auf „Bleach“ hört man sowohl sein Streben nach supereingängigem Material („About a Girl“) als auch die herrlich schweren, mit Punk-Attitüde vorgetragenen Riffs, aber eben auch seine gesanglichen Ausbrüche, seine irgendwie einzigartige Form der Aggressivität und eine Entrücktheit, die bereits das Debüt zu etwas wirklich Besonderem machten.

Nichtsdestotrotz: Wer jemanden, über den so viel geschrieben und der so viel analysiert und interpretiert wurde, einmal in entspannter Atmosphäre selbst reden hören möchte, ist hier richtig. Musik gibt’s übrigens auch zu hören – zwar nicht von Nirvana, aber von Künstlerinnen und Künstlern, die Cobain mochte oder die seine Wege kreuzten.
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Tatort: Kinderspiel

„Aids hat er gesagt ist in der Spritze!“

Regisseur Oliver Hirschbiegels („Mörderische Entscheidung“) erster von bis jetzt drei Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen „Tatort“-Krimireihe ist der von Peter Zingler geschriebene „Kinderspiel“, der fünfte von insgesamt neun Fällen des Wiener Inspektors Michael Fichtl (Michael Janisch). Die Erstausstrahlung erfolgte am 16. August 1992.

„Bist du wahnsinnig?!“

Eine skrupellose Bande ausländischer Kinder begeht zahlreiche Diebstähle, die noch skrupelloseren Hintermänner kassieren ab. Nachdem US- Kriminologe Mr. Haller (Steve Barton) vor dem Nationalkongress einen Vortrag über Jugendkriminalität gehalten hat und zusammen mit den Wiener Inspektoren Fichtl und Kern (Sylvia Haider, „Totstellen“), Fichtls neuer Assistentin, den Prater besucht, treibt die Bande auch dort ihr Unwesen. Jedoch gerät sie ausgerechnet an die wehrhafte Kern, die daraufhin von Istvan (Shanel Philipp), einem Mitglied der Bande, mit einer Spritze gestochen wird – angeblich mit dem HI-Virus verseucht. Einen der Jungen, Mirko (Basgun Cetin), können sie festhalten, die anderen entkommen u.a. mit Kerns Dienstwaffe. Kern sorgt sich um ihre Gesundheit und versucht, den Spritzenstecher ausfindig zu machen. Gleichzeitig versucht die Wiener Polizei, der Bande den Garaus zu machen und der Hintermänner habhaft zu werden…

„Hast du Kabelfernsehen?“

In diesem „Tatort“ kommt einiges an gesellschaftlichen Themen zusammen: Zum einen perfide organisierte Ausländerkriminalität, zum anderen das Thema HIV und Aids in einer Mischung aus respektvollem Ernstnehmen der damals die Mitte der Gesellschaft erreicht habenden Infektionsgefahr und schierer Angst vor derselben. Und dann ist da noch Inspektor Adolf Hollocher (Michael Bukowsky), der ein Baby an der Backe hat, dessen Mutter (Michaela Pilss, „Familie Merian“) ebenfalls beruflich eingespannt ist – in diesen Nebenhandlungsdetails geht es um die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hauptthema ist aber die Bande, die von Hintermännern ausgebeutet wird und deren Mitglieder kurzerhand ausgetauscht werden, wenn sie nicht spuren. Szenen außerhalb der polizeilichen Ermittlungsarbeit zeigen die Jungs untereinander und lassen sie mit ihren Sorgen und Träumen menschlich erscheinen. Sie erhalten individuelle Charaktereigenschaften und Kontur.

US-Amerikaner Haller geht rabiat vor und droht mit Folter, während die sich um ihre Gesundheit sorgende Kern auf eigene Faust ermittelt und dafür die Hilfe eines Informanten in Anspruch nimmt: des Kleinkriminellen Fredi Pöckl, gespielt vom Drehbuchautor dieser Episode. Wir erfahren, dass die Bande (von der ein Mitglied ein Guns-N’-Roses-Shirt trägt) auch Wohnungseinbrüche begeht, was die Furcht der Zuschauerschaft vor derartigen Umtrieben zusätzlich schürt. Als einer der Jungs in die eigene Tasche wirtschaften will, wird er erwischt und daraufhin abtrünnig – eine Chance für die Polizei. Kern schnappt ihn sich und quetscht ihn aus, gewinnt mit der Zeit aber auch sein Vertrauen. Ohne, dass es ausgesprochen würde, kann dies als Statement für einen weniger rabiaten Umgang mit den minderjährigen Bandenmitgliedern und als Absage an Hallers Rambo-Methoden verstanden werden.

Pikant ist’s auch, dass der Polizeivorgesetzte, Hofrat Dr. Putner (Gerhard Dorfer) ein Parteifreund des rechtspopulistischen Ostjek (Jed Curtis, „Die Abenteuer des Kardinal Braun“) ist, der wiederum in die Bande verwickelt ist. In Zeiten grassierender Ausländerfeindlichkeit eine bemerkenswerte Aussage. Einige Szenen finden in einer furchtbar ungemütlichen Kneipe statt und nicht nur das Ende ist übertrieben auf spektakulär getrimmt, aber dennoch nicht schlecht gemacht. Überraschend sind u.a. die hervorragenden Deutschkenntnisse der Jungs und des dämlichen Amis. In Sachen Sozialrealismus ist hier also einige Luft nach oben; zudem wirkt „Kinderspiel“ etwas überfrachtet und umständlich erzählt, scheint das Herz aber am rechten (nicht politisch gemeint) Fleck zu haben. Schön auch das Dead-Kennedys-Graffito im Waisenhaus.

Man versucht offenbar, einen Blick hinter die so gern rechtspopulistisch ausgeschlachtete Ausländerkriminalität zu werfen und gibt den strammen Einheimischen dabei kräftig einen mit, schreckt dafür aber auch vor einer überkonstruierten Handlung nicht zurück. Aber die authentisch wirkenden Jungmimen wissen zu überzeugen und die Kern macht fast Lust, sich weitere Wiener „Tatorte“ anzusehen.
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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

„Nur Kaffee und Zigaretten!“

Diese, wenn ich richtig informiert bin, nach „Herr Lehmann“ und „Neue Vahr Süd“ dritte Verfilmung eines Sven-Regener-Romans stammt aus dem Jahre 2017 und wurde von Arne Feldhusen („Stromberg“) inszeniert. Wie für „Herr Lehmann“ verfasste Regener höchstpersönlich das Drehbuch; zudem konnten mit Detlev Buck („Das Pubertier“) und Charly Hübner („Bornholmer Straße“) zwei „Herr Lehmann“-Veteranen fürs Ensemble gewonnen werden, sodass eigentlich nicht mehr viel schiefgehen konnte – vielleicht abgesehen von der anfänglichen Verwirrung, weil Hübner nun Bucks Rolle aus „Herr Lehmann“ einnimmt und Buck wiederum eine ganz andere Figur mimt.

„Was sind das denn für Typen, die dich Charly nennen?!“

„Magical Mystery“ stellt Karl „Charly” Schmidt in den Mittelpunkt: Fünf Jahre nach seinem Nervenzusammenbruch am Tag der Maueröffnung 1989 bewohnt Karl eine drogentherapeutische WG in Hamburg-Altona, verdingt sich als Hausmeister eines Zoos und ist absolut clean. Aus diesem seinem Leben wird er jedoch herausgerissen, als er seinen alten Berliner Bekannten Raimund (Marc Hosemann, „Zweiohrküken“) wiedertrifft, der nun zusammen mit Ferdi (Detlev Buck) in Techno macht und mit dem Label „Bumm Bumm Records“ gut Schotter verdient. Sie wollen es noch einmal wissen und suchen einen stets nüchternen Fahrer für die „Magical Mystery“-DJ-Tour durch die angesagten Clubs, doch an dieser sind bereits die Beatles gescheitert...

„Magical Mystery – was für die Seele!“

Es war die reinste Seuche in den 1990ern: Rave und anderer Stumpftechno sowie Eurodance boomten wie Hulle. „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ ist eine liebevolle Persiflage auf diese unsägliche Welle und das dämliche Hippie-Getue des Raver, zudem ein komödiantisches Milieu- und Zeitporträt – darüber hinaus aber auch ein großes Abenteuer, im Zuge dessen Karl wieder zu sich selbst zu finden scheint. Der Prolog zeigt u.a. Charlys Sozialarbeiter Werner (Bjarne Mädel, „Der Tatortreiniger“) sowie die schicksalhafte Begegnung Charlys und Raimunds in einem Eiscafé. Anschließend vergeht nicht mehr viel Zeit, bis die Tour beginnt, auf die Charly sich unvernünftiger-, aber auch nachvollziehbarerweise einlässt: Als Tourmanager gilt es, Betreuer für neun Personen zu sein und sie pünktlich zu ihren Auftritten und Terminen zu kutschieren.

„Wie bei den Beatles – nur auf Rave!“

Die Prämisse ist herrlich absurd und realitätsnah zugleich (Druffis suchen ständig verlässliche Fahrer und scheuen sich selten, trockene Alkis oder jemanden mit ähnlicher Vorgeschichte einzuspannen zu versuchen), die eigentliche Handlung jedoch eher nebensächlich. Ferdi faselt permanent von Liebe, alle sind ständig und überall am Rauchen, man hat ein erstes Handy dabei, Charly und Rosa (Annika Meier, „Green Frankenstein“) kommen sich näher, machen rum und vögeln miteinander (wobei Meier auch onscreen blankzieht), Charly hält eine Trauerrede für ein totes Meerschweinchen an einem öffentlichem Mülleimer – und dazwischen werden recht prominent Raves präsentiert, an deren Ende Charly seine zerschossene Bagage wieder einsammeln muss. Die gelegentlichen paranoiden Visionen, die ihn einholen, werden visualisiert, ansonsten fängt die Kamera mit Vorliebe die Mimik der Figuren ein. Dabei gelingt Hübner das Kunststück, auch ohne die inneren Monologe, die Regeners literarische Vorlage mutmaßlich enthält (ich habe sie nicht gelesen), mittels minimalistischen Mienenspiels der Gefühlswelt seiner Figur Ausdruck zu verleihen.

„Bier!“

Die Dialoge und der Humor sind angenehm lakonisch und trocken und die Handlung verläuft überraschend konfliktarm, womit eine etwaige Erwartungshaltung unterlaufen wird. Dennoch ist der Kontrast aus psychisch angeknackstem Ex-Drogi und sich alles reinziehenden Techno-Spacken unterhaltsam und dabei seine Figuren zwar karikierend, aber nur wenig vorführend, sodass auch Szenemusiker sich zu Nebenrollen bereiterklärten. Der Subtext scheint zwischen vor Alkohol und Drogen warnend und sie zu verharmlosen zu schwanken, zeigt im Endeffekt aber beide Seiten der Medaille. Mit „Drogen nehmen und rumfahren“ fand ein echter Indie-Hit in den Soundtrack und wenn der Film vorbei ist, bin zumindest ich froh, dass die ‘90er es auch schon lange sind…
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Lovesick: Sick Love

„Warum starren Sie mich so an, Sie verdammter Perversling?!“

Der nach „Penetration Angst – Fick mich und du bist tot“ zweite Streifen der No-Budget-Direct-to-DVD-Sexploitation-Trilogie um die Britin Fiona Horsey des Lüdenscheider Filmemachers Wolfgang Büld („Manta Manta“) datiert aufs Erscheinungsjahr 2004 und verzichtet in seiner Mischung aus Erotik-Sozialdrama und -Thriller mit Rape’n’Revenge-Anleihen auf phantastische Elemente.

„Er soll richtig leiden!“

Julia Bateman (Fiona Horsey) ist mit dem drogenabhängigen Metal-Musiker Istvan (William Rowsey) liiert, der bei der örtlichen Drogenmafia hoch verschuldet ist und deshalb in Gefahr schwebt. Julia reibt sich für ihren Freund auf und hat gleich zwei Jobs: Tagsüber arbeitet sie als Zimmermädchen in einem Hotel und nachts in einer Metal-Bar, um irgendwie Kohle heranzuschaffen, die ihr Freund wieder verprasst. Zudem ist sie auf Bewährung, weil sie die Koksgeschäfte Istvans auf ihre Kappe nahm. Als sich für sie die Gelegenheit ergibt, ihren Hotelchef Michael O’Ryan (Paul Conway, „Army Go Home!“), ein perverses, aber verklemmtes Muttersöhnchen, das heimlich auf die junge, attraktive Frau steht, finanziell auszunutzen, ergreift sie diese beim Schopfe – mit fatalen Folgen…

„Ich will nicht aus Rache mit dir ficken, ich liebe dich!“

Ich verbinde meine Rezension mit einer kompletten Inhaltsangabe, Spoilerphobikerinnen und -phobiker seien also gewarnt.

Fiona Horsey ist direkt zu Beginn splitternackt und schiebt als allmorgendliches Ritual noch einen Quickie mit ihrem Freund, bevor sie zur Arbeit geht. In einer Parallelmontage sehen wir ihren Chef seine garstige Mutter (Jessica Barnes, „Day of the Carp“) pflegen. Der Quickie wird nur angedeutet, stattdessen mehr Zeit darauf verwendet, ihren Chef als Unsympathen zu skizzieren, der es nicht erträgt, wenn Julia unpünktlich zur Maloche erscheint, aber heimlich Sexmails verfasst. Julias Freund wird derweil auf der Straße zusammengeschlagen. Soweit die Exposition.

„Was ist denn so komisch an einer anständigen Familie?“

Die eigentliche Handlung kommt in Gang, als der notgeile Hotelgast Mr. Hawes (Sean Graham, „Crank“) Julia sexuell belästigt, woraufhin sie Geld für einen Handjob von ihm verlangt und sich über die leichtverdienten Kröten freut. Ihrem Chef gegenüber behauptet Hawes jedoch, Julia habe ihn bestohlen. Ihr daraus resultierender Wutanfall ist sehr schön eingefangen: Ihr reicht’s, sie schimpft und haut wutentbrannt ab; Extreme-Metal ertönt dazu auf der Musikspur. Hawes entpuppt sich als Politiker, Julia wird gefeuert und soll angezeigt werden. Szenen einer Bandprobe erweisen sich als reines Füllmaterial, bevor Julia beobachtet, wie ihr Chef sturzbetrunken aus einem Taxi geworfen wird – und ihm hilft. Sie bringt ihn mit ihrem Freund nach Hause und behauptet am nächsten Morgen, er habe Sex mit ihr gehabt. Cheffe freut sich, sie frühstücken gemeinsam. Um ihren Job wiederzuerhalten, behauptet sie, Mr. Hawes habe sie zu vergewaltigen versucht. Da bekommt ihr Chef Mitleid, wirft die Hawes‘ aus dem Hotel und wendet die Anzeige ab. Istvan reagiert eifersüchtig und streitet mit Julia, während ihr Chef sich Hoffnung auf eine Liebesbeziehung mit ihr macht. Nach einer Räumungsklage fliegt sie aus ihrer Wohnung und übernachtet bei ihrem Chef, der sich nun Sex mit ihr ausmalt. Julia jedoch behauptet, ihre Periode zu haben. Istvan taucht wieder auf, ausgerechnet im Hotel. Julia und Istvan treiben es auf einem Zimmer miteinander, beobachtet vom Chef. Der ist entsetzt und hört zu allem Überfluss mit, dass er gar keinen Sex mit ihr hatte. Als er seine Mutter im Krankenhaus besucht, stiehlt er Betäubungsmittel.

Was ich hier in ein paar Zeilen beschrieben habe, macht einen nicht unbeträchtlichen Teil der Handlung aus, die sich in die Länge zieht wie ein Mediabook-Unpacking-Video verstrahlter Alleskäufer-Laberköppe und weist zudem kaum eine erotische Szene auf. Nun aber geht’s immerhin ans Eingemachte: Als Julia nachts wieder zum Schlafen das Domizil ihres Chefs aufsucht, betäubt dieser sie und vergewaltigt sie. Büld zeigt noch, wie er sie auszieht und blendet dann ab, eine wirklich unangenehme Szene erspart er seinem Publikum also an dieser Stelle dankenswerterweise. Beim nächsten Mal filmt ihr Chef sie, die Kamera fängt die nackte Narkotisierte ein. Tagsüber unternimmt man wiederholt etwas miteinander, woran Julia langsam Gefallen zu finden scheint. Von Istvan ist sie zunehmend genervt. Doch als sie ihrem Chef auf die Schliche kommt, kann sie es nicht fassen. Nach einer Stunde Laufzeit läutet Büld ihre Rache ein: Sie behauptet, schwanger zu sein, Cheffe freut sich, aber sie will lediglich Unterhalt von ihm erpressen. Die böse Mutter findet das alles lächerlich und wird deshalb von ihrem Sohn erschlagen. Julia erzwingt, dass auch Istvan bei ihm einzieht und vögelt dort permanent mit ihrem Freund, um ihren Peiniger damit zu foltern. Zu zweit machen sie ihn richtig fertig und nutzen ihn aus, wo es nur geht. Doch als es wegen Istvans Kokainsucht zu einem Streit zwischen Julia und ihm kommt, steckt er ihrem Chef, dass sie gar nicht schwanger sei. Das Ende vom Lied: Cheffe killt Istvan offscreen und betäubt Juli abermals. Die Koksmafia ist nun hinter Cheffe her, Julia bekommt ihn aber vorher in die Finger und tötet ihn grausam. Epilog: Sie bringt ein Mädchen zu Welt.

Das Gezeigte ist kaum ernstzunehmen, da es sich schauspielerisch überwiegend auf besserem Amateurniveau abspielt und der digitale Direct-to-DVD-Look der Atmosphäre nicht sonderlich zuträglich ist. Und wo andere Sexploitation-Filmer draufgehalten haben, blendet Büld ab; von erotischer Fotografie scheint er auch nicht wirklich etwas zu verstehen. „Lovesick: Sick Love” wirkt verdammt schaumgebremst und bietet bei dieser Herangehensweise maximal Stoff für einen Kurzfilm, der hier aber auf über 90 Minuten ausgedehnt wird. Außer einer kruden Geschichte und Fiona-Horsey-Fleischbeschau bleibt hier nicht viel, wenngleich mir dieser Teil aus Bülds Trilogie schon etwas besser gefällt als „Penetration Angst“. Nein, das liegt nicht am Soundtrack voller moderner Metal-Klänge, der mich kaum zu packen vermag, sondern am konsequent nihilistischen Menschenbild: So sehr es dem Filmgenuss auch schaden mag, dass man keinerlei sympathische Identifikationsfigur erhält, so erfreulich grimmig ist der Blick in diesen Milieu aus sowohl stofflichen als auch finanziellen und emotionalen Abhängigkeiten. In seiner eingangs genannten Mischung bleibt er aber nicht Fisch, nicht Fleisch – und ich gebe zu, dies hier vor allem deshalb ausführlich niedergeschrieben zu haben, um im Zweifel darauf zurückgreifen zu können und ihn nicht noch einmal ansehen zu müssen. Sorry, Wolfgang.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Diese Filme sind züchisch krank!
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Conan – Der Zerstörer

„Undank, nichts als Undank!“

Zwei Jahre nach der erfolgreichen Low-Fantasy-Pulp-Verfilmung „Conan – Der Barbar“ um den der Feder des US-amerikanischen Autors Robert E. Howard entsprungenen archaischen Cimmerier Conan folgte die Fortsetzung „Conan – Der Zerstörer“. Der österreichische Bodybuilder Arnold Schwarzenegger („Die Jayne Mansfield Story“) schlüpfte erneut ins Fellhöschen, das Drehbuch stammte diesmal jedoch von Stanley Mann und auf dem Regiestuhl nahm Richard Fleischer („Che!“) platz – anstelle eines rechtsextremistischen Reaktionärs also ein Che-Guevara-Biograf.

„Du kannst ruhig schreien, wenn's weh tut!“

Königin Taramis (Sarah Douglas, „Caprona 2. Teil – Menschen, die die Zeit vergaß“) testet Conans Kampfkraft aus, indem sie ihn von einer Horde Reiter überfallen lässt, die er natürlich besiegt. Daraufhin betraut sie ihn mit einem Auftrag: Ihrer Nichte, der Prinzessin Jehnna (Olivia d’Abo, „Wunderbare Jahre“), soll er Geleitschutz bis zum Schloss des Zauberers Toth-Amon (Pat Roach, „Indiana Jones und der Tempel des Todes“) geben, damit diese sich dort den Diamanten „Herz von Ahriman“ schnappen kann, den nur sie zu berühren in der Lage ist. Dadurch soll sie Zugriff auf ein Horn erlangen, mit dem man schlafenden Gott Dagoth (André the Giant, „Der Sechs Millionen Dollar Mann – Bigfoot und die Außerirdischen“) aufwecken kann. Und es soll Conans Schadens nicht sein: Taramis werde dafür seine verstorbene Valeria aus dem Totenreich zurückholen. Unter diesen Umständen lässt Conan sich auf das Unterfangen ein. Mit von der Partie sind sein Kumpel, der Dieb Malak (Tracey Walter, „Jeder Kopf hat seinen Preis“), sowie der Hüne Bombaata (Wilt Chamberlain), Leibwächter der Prinzessin. Was Conan jedoch nicht ahnt: Bombaata hat Anweisung, Conan abzumurksen, sobald dieser seine Schuldigkeit getan hat. Unsere muntere Reisegruppe verstärkt sich im Laufe der Zeit um den Zauberer Akiro (Mako, „Der Gigant“), den Conan vor Kannibalen rettet, und die Kriegerin Zula (Grace Jones, „James Bond 007 – Im Angesicht des Todes“), die sich Conan gern anschließen will, aber erst gegen ihn kämpfen muss…

Ein Off-Erzähler palavert Märchen über Atlantis und so weiter mit viel Hall auf der Stimme. Beim Vorspann wird mit Zeitlupen und Rotfilter gearbeitet, bevor Conan mit seinem Comic-Relief-Sidekick Malak in Erscheinung tritt. Gemeinsam hat man einen Kaufmann bestohlen, doch die erste Schlacht, die es stante pede zu schlagen gilt, hat damit nichts zu tun. Auftritt Taramis mit ihrer Überredungskunst, Conan schlägt ein und los geht’s – mit einem Flickenteppich von Abenteuer. Anabolikabarbar Conan trifft das Dromedar aus Teil 1 wieder, das er misshandelt hatte. Es spuckt ihn an, woraufhin er es k.o. schlägt, der olle Tierquäler. Eingeborene ermordet er, während diese gerade grillen, und er begegnet Zula, die es allein mit einem ganzen Heer aufnimmt und gegen die er ebenfalls kämpfen muss, nachdem Bombaata sich dagegen aussprach, sie in die Bande aufzunehmen. Ein bisschen wie damals auf dem Schulhof.

Conan kämpft gegen einen Affen im Spiegelkabinett und schlägt mit seiner Entourage auf Diebestour alles kurz und klein, hinterlässt eine blutige Spur. Falls auch nur ansatzweise intendiert war, sich mit ihm zu identifizieren und mit ihm mitzufiebern: Das wurde nix. Wer doch so empfindet, sollte sich zeitlebens möglichst von seinen Mitmenschen fernhalten. Ein verklemmtes Aufklärungsgespräch ist offenbar als Gag gemeint, aber irgendwie symptomatisch für diesen Film. Immerhin macht das Monster mit Horn und Flossen gegen Ende Laune. Ein paar Unterwasserszenen sind auch gut gelungen, Grace Jones (deren Rolle in den Literaturvorlagen eigentlich männlich ist) und Olivia d’Abo sind in ihren Rollen hübsch anzusehen und Königin Tamaris hat ein bisschen was Evil Lyn. Auch die Kulissen und Bauten können sich sehen lassen, Monster-Action und Spezialeffekte changieren zwischen charmant und ok. Zula und das feministische Happy End versehen „Conan – Der Zerstörer“ sogar mit einem leicht progressiven Anstrich, und wenn der Orchester-Soundtrack, für den erneut Basil Poledouris verantwortlich zeichnet, mal nicht so übertrieben heroisch klingt, ist er wahrlich nicht schlecht.

Schön und gut, nur nützt das alles nicht viel, wenn die Handlung schlichtweg Käse ist und es nicht gelingt, Spannung zu erzeugen. Die Story ist fast genauso doof und stumpfsinnig wie im Vorgänger, bar jeden Subtexts, und mit nicht so recht passen wollenden humorigen Momenten angereichert. Nicht nur dadurch wirkt „Conan – Der Zerstörer“ weniger düster als die erste Verfilmung. Zwar ist Conan weiterhin der gewaltgeile Asi, der Film in der Darstellung aber weniger explizit, was die „Handlung egal, Hauptsache Blut!“-Fraktion wenig goutieren dürfte.

Ich bleibe dabei: Comicrealverfilmungen (und dazu zähle ich die Conan-Filme – wer las in den ‘80ern schon Howards Originalprosa?) waren damals einfach irgendwie Mist. Und zu allem Überfluss hatte Conan am Ende seine Valeria noch immer nicht zurück, weshalb er die Schnauze voll hatte und hinwarf. Anstelle der vom schließenden Off-Erzähler noch angedeuteten zweiten Fortsetzung drehte man „Red Sonja“, hatte demnach offenbar Gefallen an starken weiblichen Äquivalenten gefunden – wenn dieser Film also zu etwas gut war, dann dazu.

P.S.: Auch wenn der Film eher Murks ist: Reichlich daneben, wie sich die Kritik seinerzeit das Maul über die in diesem Film ihr Debüt gebende, gerade einmal 15-jährige Nachwuchsschauspielerin Olivia d’Abo das Maul zerriss.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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