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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 6. Jan 2011, 00:26
von buxtebrawler
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Andy Warhol’s Frankenstein
Baron Frankenstein arbeitet mit großer Besessenheit an seinem Lebenswerk. Sein Ziel ist es, aus diversen Leichenteilen zwei perfekte Menschen zu erschaffen, die gemeinsam Kinder zeugen können. Dies soll aber nur der Beginn eines neuen Menschengeschlechts sein, dessen Führer Frankenstein selbst werden will. Währenddessen erzieht Frankensteins Schwester nicht nur deren Kinder, sondern widmet sich auch ausgiebig dem männlichen Personal des Schlosses. Als Frankensteins Pläne an der Potenz seines männlichen Wesens zu scheitern drohen, nimmt sich seine Schwester der Sache an...
„Um den Tod zu kennen, muss man Leben einspritzen – in die Gallenblase!“

„Carne per Frankenstein“, so der Originaltitel, ist eine in Serbien gedrehte französisch-italienisch-amerikanische Koproduktion des Pop-Art-Künstlers Andy Warhol aus dem Jahre 1973. Das Drehbuch stammt von Paul Morrissey, der auch Regie führte. Es handelt sich hierbei keinesfalls um eine „herkömmliche“ Verfilmung des Frankenstein-Stoffs, sondern um eine recht eigene, freie Interpretation, die den klassischen Roman lediglich zum Aufhänger nahm. Udo Kier verkörpert die Rolle des Barons Frankenstein und darf lustvoll in Gedärmen wühlen, ein inzestuöses Verhältnis zu seiner Schwester, die gleichzeitig seine Frau ist, pflegen (oder eben auch nicht, sehr zu ihrem Leidwesen), von der Erschaffung einer höheren Rasse durch seine Experimente schwadronieren etc...

Im Prinzip ist diese Variation ein aberwitziges Splatter-Trash-Vergnügen, das zudem in den Szenen, in denen sich Frankensteins Schwester mit jemandem aus dem Volk vergnügt, haufenweise unerotischen Sleaze bietet und auch sonst nicht mit sexuell perversen Ideen geizt. Die „Sozialkritik“ hinsichtlich überheblicher, aber eigentlich degenerierter Aristokraten kommt mit dem Holzhammer, wobei ich mir aber nicht ganz sicher bin, ob dieser Frankenstein mit seinen Vorhaben nicht evtl. eine Parabel auf KZ-„Ärzte“ aus der Zeit des Dritten Reichs darstellen soll. Wie auch immer, jedenfalls splattert es immer mal wieder ziemlich derbe und vor allem übertrieben und dadurch albern und karikierend. Ich vermute aber mal, dass der Film sich selbst nie so richtig ernst genommen hat und musste nicht nur ob der zahlreichen Tabubrüche des Öfteren schmunzeln, beispielsweise wenn der Baron mit abgeschlagener Hand einen ellenlangen Monolog hält, während das Blut aus seinem Arm nur so herausschießt. Nicht ausschließen möchte ich aber, dass man ein Trash- und Splatter-unkundiges Publikum, das einen atmosphärischen Gothic-Schinken erwartet, mit Morrisseys Sammelsurium der Geschmacklosigkeiten übel vor den Kopf zu stoßen vermag. Getragen wird die ganze Chose selbstverständlich von Kiers inbrünstigem Schauspiel und seiner Mimik, ich hätte mir jedenfalls niemand anderen für diese Rolle gewünscht. Zwei gruselige Kinder, eine davon die aus europäischen Genrefilmen nicht unbekannte Nicoletta Elmi, rennen auch noch durchs Schloss.

Fazit: Mehr eine schwarzhumorige „Frankenstein“-Parodie, die gerade auch wegen ihrer Unzulänglichkeiten den geschmacksverirrten und/oder aufgeschlossenen Zuschauer nicht übel unterhält. In der geschnittenen Fassung hingegen stelle ich mir „Andy Warhol’s Frankenstein“ recht monoton vor...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 6. Jan 2011, 12:09
von buxtebrawler
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Der Pate
Don Vito Corleone (Marlon Brando) ist der uneingeschränkte Pate in seiner Familie, die jedoch im ständigen Konflikt mit den anderen mächtigen Familien steht. Sein jüngster Sohn Michael (Al Pacino), der beim Militär war und mit der Familie nicht viel zu tun haben möchte, wird in die brutalen Verhältnisse hineingezogen, als sein Vater niedergeschossen wird. Unerwarteterweise rächt er kaltblütig den Mordversuch und muß außer Landes. Er geht nach Sizilien, wo er seine Ursprünge kennenlernt, während sein Bruder Sonny die Familie leitet. Doch auch Sonny wird ermordet und Michael kehrt zurück, härter denn je, während sich sein Vater langsam erholt...
Nach langem Zögern habe ich mich nun doch endlich einmal an US-Regisseurs Francis Ford Coppolas Mafia-Epos und Literaturverfilmung „Der Pate“ herangewagt, zumindest an den ersten Teil der Trilogie aus dem Jahre 1972 – und habe es keineswegs bereut. Reizüberflutete Zuschauer mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege oder diejenigen, die in erster Linie wilde Mafia-Ballerorgien erwarten, mögen dem Film Längen attestieren. Diese gibt es so allerdings nicht, man nahm sich einfach – wie in den 1970ern nicht unüblich – viel Zeit, um die komplexe, entwicklungsreiche, Konzentration erfordernde Geschichte mit all ihren Familienbanden zu erzählen, den Zuschauer in die Welt der italienischstämmigen Mafia der USA des beginnenden 20. Jahrhunderts zu entführen und ihn dank allgemein hervorragender Schauspieler, denen man ihre Rollen und charakterlichen Entwicklungen jederzeit abnimmt, nicht zu enttäuschen. Die Kulissen, sowohl des nicht mehr ganz jungen Amerikas als auch Siziliens, tragen aufgrund ihrer Authentizität ungemein zur Entfaltung der Atmosphäre bei. Sicherlich wurde Marlon Brando in seiner Rolle als vernunftorientierter Pate Don Vito Corleone, der den Einstieg ins Drogengeschäft ablehnt, etwas idealisiert, doch vermutlich brauchte die Handlung einfach einen guten bzw. nicht ganz so zynischen Charakter, um zu funktionieren. Mit ungeschönter Gewalt und dem radikalen Geschäftssinn der Mafiosi bekommt man es nämlich zur Genüge zu tun, wobei die actionreicheren Szenen sorgfältig platziert wurden. Der junge, unverbrauchte Al Pacino macht als Corleone-Sprössling Michael die größte charakterliche Veränderung durch und lässt den bisweilen schockierten Zuschauer an ihr teilhaben. Gleichzeitig transportiert „Der Pate“ aber auch ein bestimmtes Lebensgefühl, das geprägt ist von familiärer Loyalität als Erdungsfaktor, die nicht nur eingefordert werden kann, sondern auch bis zur Selbstaufgabe erwartet wird. Die Einflüsse der Mafia auf Politik, Wirtschaft und Kultur hingegen werden zwar grundsätzlich erwähnt, aber selten mehr als nur angerissen. Das populäre musikalische Titelthema gilt natürlich längst zurecht als Klassiker. Meines Erachtens ist Coppola mit „Der Pate“ die Kunst gelungen, auch an „Mafiafilmen“ oder der Thematik allgemein desinteressierte Zuschauer für seinen Film zu begeistern, sie zu fesseln und ihnen einen faszinierenden Einblick in jene Parallelwelt zu erlauben, über deren Grad an Realismus ich mir aber kein Urteil erlauben kann (allein schon, weil ich mich nicht mit schwerem Schuhwerk im nächsten Gartenteich wiederfinden möchte). Ein zeitloses Stück Filmgeschichte, das zahlreiche Nachahmer gerade auch im Exploitation-Bereich nach sich rief, hervorragend im Stile eines guten Weins gealtert ist und aufgrund seiner Komplexität immer wieder genossen werden kann. Dennoch halte ich „Der Pate“ nach all den Lobesarien dann doch für ein klitzeklein wenig überbewertet, denn andere Filme aus anderen Genres haben mich letztlich dann doch mehr berührt als diese Zeitreise ins gelackte, unterkühlt-gewalttätige Mafiamilieu.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 6. Jan 2011, 23:23
von buxtebrawler
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Freakshow (Black Roses):
Mill Basin, ein kleines Provinznest im amerikanischen Mittelwesten. Alle Boys und Girls fiebern dem viertägigen Rockspektakel mit dem Auftritt der Heavy-Metal-Band "Black Roses" entgegen. Endlich Gelegenheit den langweiligen Schulunterricht und das frustrierende Elternhaus zu vergessen. Die braven Bürger wollen das Konzert unbedingt verhindern. Doch der junge Lehrer Moorhouse will seinen Schülern den Spaß nicht verderben. Beim ersten Sound aus der Megawatt-Anlage sind alle wie elektrisiert und als Damien zum Mikrofon greift ist buchstäblich die Hölle los. Als man bemerkt, daß die Musik wie eine Droge wirkt, ist es bereits zu spät. Die total entfesselte Jugend gerät außer Rand und Band und schreckt vor nichts zurück. Es gibt die ersten Toten. Verzweifelt versucht Moorhouse seine attraktive Lieblingsschülerin Julie zu retten, bevor auch sie dem Taumel des teuflischen Sounds verfällt. Er muß verhindern, daß die Band ihre "Tournee des Terrors" fortsetzt, bevor der Funke des Wahnsinns auf ganz Amerika überspringt.
„Freakshow“ ist einer von vielen Filmen mit diesem Namen und heißt im Original wie die fiktive Metal-Band, um die er sich dreht: „Black Roses“. Dieser trashige Horrorfilm entstand im Jahre 1988 unter der Regie von US-Regisseur John Fasano und „besticht“ neben seiner schwachsinnigen Handlung mit typischer, immer etwas tumber 80er-B-Movie-Atmosphäre, ein paar Latexmonstern, etwas Sleaze und einen teilweise eigens für den Film geschrieben Soundtrack, der Freunde von typischem US-Metal durchaus begeistern dürfte. Die Angst besorgter Kleinbürger vor „satanischen“ Metalklängen erinnert dabei häufig an in der Vergangenheit tatsächlich geführte Debatten über Bands wie Venom oder auch weitaus weniger plakative Vertreter und man scheint diese Hysterie mit der satirisch überspitzten Machart des Films karikieren zu wollen. So ist der Metal hier natürlich kein Underground-Phänomen irgendwelcher Außenseiter, sondern innerhalb kürzester Zeit werden quasi alle Schüler in den Bann der „Black Roses“ gezogen und die Kids fahren auf die Gruppe ab, die gleich mehrere Konzerte hintereinander in einer US-amerikanischen Kleinstadt spielt. Lediglich Mr. Moorhouse, ein engagierter Lehrer, bleibt davon unbeeindruckt und geht gegen die Band und ihren schändlichen Einfluss, der das Nest ins Chaos stürzt und einige Tote zu verantworten hat, vor. Mit seinem Mega-Oberlippenbart sieht er dabei allerdings fast fieser aus als die „Black Roses“ und ihre zu gar knuffigen Kunststoffmonstern mutierenden Opfer. Drummer der Band ist übrigens niemand Geringerer als Carmine Appice, dessen Beteiligung als echter Metal-Musiker ebenfalls den Schluss nahe legt, dass es sich hierbei um ein satirisch motiviertes Projekt handelt. Eine der krudesten Szenen des Films ist z.B. das aus einem Lautsprecher entspringende Monster, das einen arglosen Hörer der „Black Roses“ in selbigen hineinzieht – ein echtes Boxenluder! Ein weiterer Grund, warum mir dieser Film trotz der Tatsache, dass er für einen ernsthaften Horrorfilm zu albern und für eine Satire nicht bissig genug ist, für kurzweilige Unterhaltung recht gut gefällt, ist die konsequente 80er-Jahre-Stimmung, in der ich mich einfach heimisch und wohl fühle – nicht zuletzt vermutlich deshalb, weil ich in jenem Jahrzehnt selbst mit Heavy Metal in Berührung kam und gleichzeitig anfing, mich für Horror- und Monsterfilme zu begeistern. Einige Spezialeffekte sind recht ordentlich und bringen respektable Kreaturen hervor, andere sind schlicht lächerlich und unter aller Kanone. Inwieweit das beabsichtigt ist, wird nicht immer ganz klar. Ebenso wenig, warum der muskulöse Sänger „Damien“ sich im finalen Schlagabtausch mit unserem Tom-Selleck-Lookalike zu seinem Nachteil in ein behäbig und plump umherstapfendes Latexungetüm verwandelt… Letztlich ist „Freakshow“ weder Fisch noch Fleisch, sorgt aber für viele freiwillige wie unfreiwillige Lacher und ist so herrlich bescheuert, dass man ihn einfach gern haben muss – zumindest der 80er-phile Zuschauer, der sich noch etwas kindliche Begeisterung sowohl für abgefahrene Monsterkreationen als auch vermeintlich verruchtes Metal-Brimborium bewahrt hat. Ich jedenfalls habe mich königlich amüsiert, wenn sich auch beim Einsetzen des Abspanns etwas Enttäuschung ob der aus heutiger Sicht Unspektakularität der „Freakshow“ eingestellt hatte. Trotzdem irgendwie kultverdächtig.

6/10

Mit „Rock’n’Roll Nightmare“ („Im Angesicht der Hölle“) hat Regisseur Fasano ein Jahr zuvor übrigens einen nicht ganz unähnlichen Film gedreht, der mit Bodybuilder und „Thor“-Frontmann Jon Mikl Thor einen Metal-Musiker als Hauptdarsteller aufweist und ebenfalls in einer Monstershow mündet. Wenn also jemand das deutsche VHS-Tape oder einen Rip für mich hätte...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 8. Jan 2011, 03:02
von buxtebrawler
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This is Spinal Tap
Lautstärke-Regler auf Anschlag, denn hier kommt Spinal Tap, eine der schrägsten Heavy Metal-Bands Englands. Der begnadete Werbefilmer Marty DiBergi (Rob Reiner) zeichnet in seiner "Rockumentary" ein intimes Porträt einer Gruppe, deren Erfolg kam - und ging - und wieder kam - und ... (Covertext)
„Rock’n’Roll!“

Rob Reiners als Marty DiBergi 1984 gefilmte „Rockumentary“ ist eigentlich eine „Mockumentary“, also eine Fake-Dokumentation und nimmt anhand der während ihres zweiten (oder dritten? Oder vierten?) Frühlings dokumentarisch begleiteten, fiktiven Hardock/Heavy-Metal-Band Spinal Tap jede Menge Rock-Klischees aufs Korn, die jetzt alle aufzuzählen ich mir einfach mal spare. Dabei ist ihm genau der richtige Grad zwischen Subtilität und Schenkelklopfern gelungen, so dass „This is Spinal Tap“ über weite Strecken authentischer wirkt als so manche real existierende „True Metal“-Band und Gerüchten zufolge soll ihm seinerzeit tatsächlich so manch Zuschauer auf den Leim gegangen sein. Dazu beigetragen hat sicherlich die Tatsache, dass die die Band spielenden Darsteller nicht nur absolut grandios agieren, sondern die eigens für den Film geschriebenen Songs auch wirklich selbst eingespielt und als Spinal Tap sogar Platten veröffentlicht haben und Konzerte spielen. Der Humor ist dabei oftmals rabenschwarz, aber nie wirklich bösartig oder beleidigend, was ein Grund für den Beliebtheitsgrad des Films gerade auch bei der eigentlich karikierten Klientel sein dürfte. Egal, ob Cockrock, Fantasy-Metal oder eine Bandhistorie, die ihren Anfang in Beat- und Hippie-Gefilden hat – hier wird alles satirisch überspitzt, aber eben nie vollkommen absurd oder mit der gnadenlos überzeichneten Brechstange parodiert, sondern Fingerspitzengefühl gewahrt und auf Understatement gesetzt, ohne dabei die Pointen zu vergessen. Dabei wurde so detailgetreu vorgegangen, dass man jederzeit merkt, dass man sich seitens der Filmmacher eingehend mit dem Phänomen dieser Musik und ihrer Protagonisten auseinandergesetzt hat. Trotzdem sind zum Verständnis des Films Vorkenntnisse kaum erforderlich und er dürfte daher auch für ein Publikum funktionieren, deren härtestes Stück Musik in der Plattensammlung eine Bruce-Springsteen-LP ist. Die Jungs von Spinal Tap schlittern von einer Panne in die nächste und kommentieren die Geschehnisse auf ihre ganz spezielle Weise zwischen Selbstreflektion und –überschätzung, denn zwischen Anspruch, Image und Realität klafft eine riesengroße Lücke – und wer auch nur ein bisschen was für Situationskomik und Schadenfreude übrig hat, wird seinen Spaß daran haben, das zu beobachten. Und manch Metal-Fan wird seine sich selbst oftmals viel zu ernst nehmenden Helden zukünftig vielleicht mit etwas anderen Augen sehen... Bis heute unerreicht!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 8. Jan 2011, 04:41
von buxtebrawler
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Andy Warhol’s Dracula
Auf der Suche nach einer Jungfrau verläßt Graf Dracula seine rumänische Heimat und gerät in eine dekadente italienische Adelsfamilie der 20er Jahre. Da die Familie de Fiore nahe am Bankrott steht, kommt ihnen die Heirat einer ihrer vier Töchter mit dem wohlhabenden Grafen sehr gelegen. Jungfräuliches Blut zu erhaschen, erweist sich für den gesundheitlich angeschlagenen Vampir aber als schwieriges Unterfangen, zumal die Mädchen ein reges Geschlechtsleben mit dem Hausdiener führen...
„Der Graf is’n Vampir – es wär’ besser, Sie vergessen die Hochzeit und überlegen, wie wir ihn umbringen.“

Direkt nach Abschluss der Dreharbeiten zu „Andy Warhol’s Frankenstein“ und mit teilweise gar den gleichen Darstellern von Regisseur Paul Morrissey gedreht, ist diese französisch-italienische Koproduktion doch ganz anders als jener Splatter-Trasher geworden – um nicht zu sagen: zwei Klassen besser! Diese eigenwillige Dracula-Variation steht mit seinen häufig alles andere als unselbstzweckhaft in Szene gesetzten nackten Mädels einerseits voll und ganz in der Tradition des 1970er-Exploitation-Kinos, andererseits ist der Erotikanteil aber nur eine Zutat zu einer dramatischen Allegorie auf das zweite Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, die sich Bram Stokers Dracula-Figur als symbolisierter, die Arbeiterklasse aussaugender, parasitärer Aristokratie bedient, die schwächelt und in immer mehr Ländern zum Teufel gejagt wird. Diese Revolutionsthematik ziehst sich durch zahlreiche Dialoge, in denen Joe Dallesandro in seiner Rolle als gesunder, kraftstrotzender, potenter Proletarier die Antithese zum keinesfalls erhabenen, sondern bemitleidenswerten Grafen Dracula darstellt, der von einem absichtlich für diesen Film abgemagerten Udo Kier wie ein Junkie auf Entzug schlichtweg perfekt gemimt wird. Der Graf benötigt nämlich dringend jungfräuliches Blut und hofft, nachdem er in seiner transsilvanischen Heimat keines mehr findet (ein weiteres Symbol für die gesellschaftlichen Veränderungen durch eine selbstbewusst agierende Unterschicht, die nicht mehr in Angststarre vor den Mächtigen verharrt), im katholischen Italien fündig zu werden. Besonders eindrucksvoll sind dabei die Szenen, in denen er sich übergeben muss, wenn er vom falschen Hals genascht hat... Doch derartige Szenen wurden hier sorgfältig eingestreut, kaum noch eine Spur vom übertriebenen Trash des Vorgängers „Frankenstein“. Die recht große Nebenrolle des Dieners Draculas wurde mit Arno Juerging besetzt, der die Affektiertheit seiner Rolle mittels Overacting unterstreicht und während eines amüsanten Wirtshaus-Intermezzos einem Cameo-Auftritt von Roman Polanski beiwohnen darf. Die untypische Charakterisierung Draculas ist meines Erachtens eine der größten Stärken des Drehbuchs, denn dadurch wird es dem Zuschauer erlaubt, bizarrerweise tatsächlich mit dieser traurigen, tragischen Gestalt mitzufiebern und ihn zu bedauern, wenn er – Achtung, Spoiler! – gegen Ende dann doch wie bereits aus „Andy Warhol’s Frankenstein“ bekannt, grafisch übertrieben explizit auf brutalste Weise zerstückelt wird. Der atmosphärische Soundtrack unterstreicht die düstere, aber ganz spezielle Stimmung des Films gekonnt, während sich vermutlich Kiers Blick, seine Mimik und seine Körpersprache, die all das Elend seiner Figur unmissverständlich verdeutlichen, am stärksten ins Gedächtnis einbrennen.

Fazit: Eigenständiges, europäisches Kino, das einmal mehr beweist, dass auch mit einem kleinen Budget ein interessanter, nicht unintelligenter, wertvoller Film erschaffen werden kann. Ich bitte aber darum, darauf zu achten, sich keine der ebenfalls brutal verstümmelten Fassungen anzusehen (Vorsicht, auch 18er-Fassungen sind inkomplett!) und so etwas nicht zu unterstützen. Dieser Film sollte, wie jeder andere auch, in seiner Vollständigkeit genossen werden.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 10. Jan 2011, 21:08
von buxtebrawler
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Dracula
Jonathan Harker (John van Eyssen) ist Vampirjäger und nimmt bei Graf Dracula (Christopher Lee) eine Stelle als Bibliothekar an. Als er von einer Vampirin dort gebissen wird, verhindert der Graf eine vollständige Vampirisierung, doch als Harker daraufhin das Haus durchsucht und die beiden Vampire pfählen will, fällt er Dracula zum Opfer. Der jedoch will noch mehr Rache und wählt sich Harkers Braut Lucy aus, deren Tod der Wissenschaftler Van Helsing (Peter Cushing) ebenfalls nicht verhindern kann. Als sich dann auch noch an Lucys Schwägerin Mina heranmacht, ist das Maß voll...
Die 1958 unter der Regie von Terence Fisher nach einem Drehbuch von Jimmy Sangster entstandene Dracula-Verfilmung der „Hammer Film Productions“ ist einer DER europäischen Horrorfilme schlechthin und war zusammen mit der der vorausgegangenen, ebenfalls vorzüglichen Frankenstein-Interpretation ein Riesenerfolg. An Bram Stokers Literaturvorlage hat man sich zwar grob orientiert, sie aber so stark abstrahiert und abgeändert, dass auch für Kenner der allgemein bekannten Dracula-Geschichte noch Spannung aufkommt. „Hammer“ zementierte hiermit weiter seinen Ruf, eine Referenzadresse für das Erzeugen wohliger Gothic-Atmosphäre unter Zuhilfenahme detailreicher, stimmiger Kulissen und Kostüme zu sein, die aus geringen Budgets das Maximum herausholt. Christopher Lee als Graf Dracula und Peter Cushing als van Helsing sind ein Traumpaar des britischen Films, das noch in zahlreichen weiteren Filmen zusammen auftreten sollte. Natürlich ist diese Dracula-Variante mutiger als Universals Klassiker mit Bela Lugosi aus dem Jahre 1931 und zudem in Farbe, so dass nicht nur das rote Blut, das häufig für die damalige Zeit effektiv in Szene gesetzt wurde, seine volle Pracht entfaltet. Dennoch darf man natürlich keine Gewaltorgie erwarten, das Hauptaugenmerk liegt darauf, stilvoll die Geschichte des Grafen zu erzählen und Christopher Lee einige starke Auftritte zu bescheren, die ihn für immer mit seiner Rolle verwachsen lassen sollten. Für Auflockerung sorgen skurrile, kauzige Nebenrollen, die dem Geschehen eine komödiantische Note verleihen, während Lee und Cushing ausschließlich ernst agieren. Lee interpretiert Dracula als eine Art Mischung aus Gentleman und Grobian hat trotz gar nicht allzu großer Netto-Screentime dank seines Auftretens und geschickter Make-up-Künste eine Präsenz, die viele der Nebenrollen überdeckt und Lee zum Synonym für den blutsaugenden Grafen werden ließ. Die sexuelle Note wird subtil angedeutet und ihre immer stärkere Hervorkehrung in all den „Hammer“-Vampirfilmen im Laufe der Zeit zu beobachten, ist für Zeitgeistforscher ungemein reizvoll. Das Finale ist auch visuell ein echter Höhepunkt, denn wie Dracula zu Staub zerfällt, wurde tricktechnisch sehr ordentlich gelöst und weiß auch aus heutiger Sicht noch sehr zu gefallen – wie der ganze Film, der einfach ein rundum gelungenes Stück Gothic-Horror ist, das der Startschuss für eine ganze Dracula-Filmreihe war, die Generationen begeistert hat und es noch immer tut. Essentieller Pflichtstoff für alle am Phantastischen Film Interessierten und solche, die es werden wollen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 11. Jan 2011, 13:51
von buxtebrawler
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Dracula und seine Bräute
Marianne (Yvonne Monlaur) befindet sich auf dem Weg zu einem Mädcheninternat in Osteuropa. Als sie gezwungen ist eine Nacht im Schloss der geheimnisvollen Baroness Meinster zu verbringen, entdeckt sie durch Zufall das die Baroness ihren eigenen Sohn (David Peel) angekettet hält wie ein Tier. Es gelingt ihr den Schlüssel für die Ketten zu bekommen und den Grafen zu befreien. Doch der Baron entpuppt sich als Vampir, der sofort nach seiner Befreiung damit beginnt Tod und Verderben über die Menschen zu bringen. Der Einzige, der ihm jetzt noch Einhalt gebieten kann,ist Dr. van Helsing (Peter Cushing)....
Zwei Jahre nach dem bahnbrechenden „Dracula“ der britischen „Hammer Film Productions“ mit Christopher Lee in der Hauptrolle saß Terence Fisher 1960 erneut auf dem Regiestuhl, um eine erste Fortsetzung zu drehen, die leider ohne Christopher Lee auskommen musste. Insofern sind sowohl der deutsche als auch der Originaltitel („Brides of Dracula“) irreführend, denn Dracula kommt hier nicht vor. Stattdessen dreht es sich um einen jungen Baron Meinstner, im Prinzip gar nicht so verkehrt gespielt von David Peel, dem nur leider das Erhabene eines Christopher Lee vollkommen abgeht. Man könnte meinen, dass man diesen Umstand durch eine Ausstattung und Kulissengestaltung auszugleichen versucht hätte, die üppiger als im Vorgänger wirken und hervorragende äußere Rahmenbedingungen für einen zünftigen Gothic-Grusler schaffen. Denn genau das ist „Dracula und seine Bräute“ im Prinzip; wer stattdessen aufgrund des Titels verschärfte Sleaze-Attacken erwartet, liegt falsch und sollte sich im späteren „Hammer“-Programm umsehen. Fishers Film ist weitestgehend unerotisch und verlässt sich etwas zu sehr auf seine Darsteller, die in ihrer Geschwätzigkeit und am Rande zum Overacting angelegten Rollen ein Kontrastprogramm zum ruhigen und besonnenen Peter Cushing bilden, der als Vampirjäger van Helsing glücklicherweise mit von der Partie ist. Ebenfalls bekannt aus „Dracula“ ist Miles Malleson, dessen komödiantische, kauzige Nebenrolle als fragwürdiger Dorfarzt wieder voll meinen Humor trifft. Doch zu meinem Bedauern hapert es in dieser nicht gerade wenigversprechenden Konstellation an der inneren Logik des Drehbuchs bzw. der Filmreihe: Entgegen der noch in „Dracula“ getroffenen Aussagen van Helsings können sich Vampire nun doch in Fledermäuse verwandeln (in gar putzige Modelle zumindest…), Marianne (Yvonne Monlaur als naives Püppchen, das ausgerechnet eine Lehrerstelle antreten möchte) zeigt kaum Verwunderung ob des Todes der Mutter des Barons und macht im Verlaufe des Films keine nachvollziehbare Entwicklung durch, die sie möglicherweise zunächst als Zweiflerin und später als Feindin des Barons gezeigt hätte, Vorhängeschlösser fallen ab, ohne dass man erfahren würde, weshalb, und zu beobachten, wie im urigen Wirtshaus permanent zu Essen und zu Trinken geordert wird, ohne auch nur einen Bissen oder Schluck davon zu nehmen, macht mich ganz wahnsinnig! Doch da wäre ja noch Cushing, der einige starke Szenen zugeschrieben bekam, z.B. die selbständige Behandlung eines Vampirbisses, die auch heute noch manch Zuschauer zusammenzucken lassen dürfte. Auch das Finale ist nicht von schlechten Eltern, punktet mit gelungenen Make-up-Effekten, Action und guten, kreativen Einfällen. Unterm Strich also eine Fortsetzung mit vielen guten Ansätzen, die leider ziemlich unausgewogen wirkt, aber dennoch keinen Freund dieser Art Filme zu sehr enttäuschen sollte – dafür sorgt natürlich wie üblich ein nicht näher zu definierender Wohlfühlfaktor.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 12. Jan 2011, 13:52
von buxtebrawler
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Gnadenlos schön
Ein Dokumentarteam zieht in ein kleines Kaff im ländlichen Montana ein, um von der Vorausscheidung eines landesweiten Schönheitswettbewerbs zu berichten. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren und einige Kandidaten, allen voran die makellose Becky Ann und ihre ehrgeizige Mutter (Kirstie Alley), die den Wettbewerb einst selber gewann, scheinen für den Erfolg über Leichen zu gehen. Einen ganz anderen Charakter besitzt die nette Amber Atkins (Kirsten Dunst), die in ihrem normalen Leben Leichen schminkt und sich mit ihrer alkohol- und nikotinabhängigen Mutter herumschlagen muss. Doch die anderen sechs Kandidaten wollen ebenfalls um jeden Preis gewinnen, so gilt es auch die Sympathien der vierköpfigen Jury auf sich zu ziehen...
Michael Patrick Janns („Reno 911“) Regiedebüt aus dem Jahre 1999 soll trotz Staraufgebots ein ziemlicher Flop gewesen sein – falsche Promotion oder Desinteresse an einer bissigen Satire auf Schönheitswettbewerbe und die damit verbundene US-amerikanische Unkultur? Ich weiß es nicht, aber mit Kirstie Alley, Kirsten Dunst & Co. verfügt „Gnadenlos schön“ über einige zugkräftige Namen. Der Film gibt sich als ein Dokumentarfilm, fällt aber dennoch nicht in den Bereich „Mockumentary“, da er so dermaßen überkandidelt und überspitzt angelegt wurde, dass selbst der dümmste Ami kapiert, dass es sich um keine echte Dokumentation handelt. Das ist sehr schade, öffnet aber andererseits Tür und Tor für vordergründigen Brachialhumor, makabere, schwarze Scherze und Übertreibungen jeglicher Art, wobei vor kaum etwas Halt gemacht wird und alle ihr Fett wegkriegen – seien es nun verbissen-ehrgeizige Eltern, geltungssüchtige, oberflächliche Teenager, eine in allen Belangen inkompetente Jury etc. pp. Darunter leidet allerdings der Handlungsfaden etwas und es ist nicht immer leicht, zwischen all den Gags den Überblick über die Charaktere und die eigentliche Geschichte zu bewahren. Das hat zur Folge, dass wer es humoristisch lieber etwas subtiler mag, relativ bald auf Durchzug stellen könnte. Leider ist auch das Timing gewöhnungsbedürftig, insbesondere, wenn das eigentliche Finale deplatziert und aufgesetzt wirkt, weil der Höhepunkt bereits zuvor erreicht wurde. Einige aberwitzige Ideen, z.B. wenn nach einer Explosion und daraus resultierenden Verbrennungen eine Bierdose eine dauerhafte Symbiose mit der Hand einer „White Trash“-Mama (Ellen Barkin) eingeht, sind aber sehr memorabel und sorgen für ein klar überdurchschnittliches Vergnügen. Die Schauspielerinnen geben hier wirklich alles, scheinen sich teilweise selbst zu parodieren und als hellstes Sternchen blitzt Kirsten Dunst hervor, die Sympathieträgerin, sofern es überhaupt eine gibt, des Films. Unterm Strich eine gelungene, unterhaltsame, etwas überfrachtete Satire, von der ich mir gut vorstellen kann, dass sie bei wiederholtem Ansehen den Zuschauer weniger fordert, zusätzliche Details offenbart und noch besser zündet.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 12. Jan 2011, 15:38
von buxtebrawler
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Draculas Blutnacht
Graf Dracula tötet auf einer Zugfahrt nach Kalifornien einen Mitreisenden. Er nimmt seine Identität an und reist zu Verwandten des ermordeten Mannes. Doch schon bald müssen die Angehörigen merkwürdige Angewohnheiten an ihm feststellen, sodass sich nach dem Tod einer Freundin, die Polizei einschaltet. Doch Graf Dracula sucht weiterhin nach jungfräulichem Blut.
US-Regisseur Paul Landres’ 1958 zusammen mit Hammers „Dracula“ aufgeführter B-Film veranschaulicht eindrucksvoll die Qualitäten der britischen Neuinterpretation mit Christopher Lee, denn obwohl im selben Jahr produziert, wirkt „Draculas Blutnacht“ im direkten Vergleich antiquiert und überholt, und das liegt sicherlich nicht daran, dass er in Schwarz-Weiß gefilmt wurde. Nein, es ist vielmehr der Umstand, dass „Draculas Blutnacht“ im Stile eines Teenage-Horror-Films angelegt wurde, so komplett ohne optisch eigentümliches oder wenigstens trashiges Monster aber mehr wie ein dröger Kriminalfilm wirkt. Francis Lederer soll hier Graf Dracula sein, wobei man sich seltsamerweise lediglich auf dessen Äußeres verließ und ihm keinerlei Requisiten, besonderes Make-up oder starke Auftritte spendierte. Dass der Film in der damaligen Gegenwart spielt statt im gotischen Zeitalter scheint auch eher aus der Not heraus geboren zu sein, sich nicht um aufwändige Kulissen, Kostüme etc. kümmern zu können oder zu wollen; die Chance zu einer interessanten Variation des Themas durch die Portierung in eine andere Zeitebene wurde ungenutzt gelassen. Atmosphärisch ist das also nichts Bedeutsames, was optische Schauwerte betrifft, bekommt man auch nichts geboten und die schauspielerischen Leistungen befinden sich auf höchst durchschnittlichem Niveau. Die Geschichte ist zudem austauschbare Massenware von der Stange. Mit der während der Pfählungsszene eingestreuten, einsekündigen Farbszene bekommt man immerhin ein Kuriosum zu Gesicht, das ich so vorher noch nicht gesehen hatte und mich zunächst einmal verwirrte. Vermutlich wollte man mit der farbigen Darstellung des Blutes das Publikum schockieren; ob es gelang, entzieht sich meiner Kenntnis. Das angenehme Tempo des straffen 74-Minüters verhindert gerade noch eine Einstufung als „lediglich von filmhistorischem Interesse“, mehr als eine Fußnote in der Geschichte des Vampirfilms ist die reißerisch betitelte „Draculas Blutnacht“ aber nicht.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 13. Jan 2011, 13:26
von buxtebrawler
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Blut für Dracula
Einige Jahre, nachdem Dracula (Christopher Lee) von Professor van Helsing vermeintlich vernichtet wurde, gelangen zwei britische Ehepaare während ihrer Urlaubsreise durch die Karpaten zu Draculas Schloss und sind durch einen Zufall gezwungen, die Nacht dort zu verbringen. Draculas alter Diener nimmt sich der Gäste an und tötet einen von ihnen. Durch dessen Blut erwacht der Graf aus seinem Grab und nimmt sich eine der Frauen zur Gefährtin. Gemeinsam bringen sie den Schrecken zurück in das nahe gelegene Dorf...
Acht Jahre nach dem fulminanten Original-Dracula der britischen „Hammer Film Productions“ konnte man sich endlich auf eine Fortsetzung mit Christopher als Darsteller des Grafen einigen; die erste Fortsetzung musste ja leider ohne Lee auskommen. Auf dem Regiestuhl nahm wieder der erfahrene Terence Fisher Platz, das Drehbuch stammt von Jimmy Sangster und Anthony Hinds. Leider war der eigentlich unersetzbare Peter Cushing als Draculas Widersacher van Helsing nicht greifbar, mit Andrew Keir als Pater Sandor besetzte man dessen entsprechend abgeänderten Part aber sehr passabel. Die Religiosität seiner Figur ist nur eine von mehreren christlichen Motiven und Metaphern, die die Handlung durchziehen. Wie auch andere Charaktere erlebt Sandor eine charakterliche Wandlung, in diesem Falle vom sehr weltlichen Geistlichen, der nicht an die Existenz Draculas glaubt, zum Gegenpart des Grafen, der ihn bekämpft. Andere werden beispielsweise vom asketischen Fräulein zur sexualisierten Wollüstigen. Die Erzählweise erscheint zunächst recht behäbig, das erste Todesopfer ist erst nach über 40 Minuten zu verzeichnen und Christopher Lee tritt gar erst ab Minute 47 auf den Plan. Vom ganzen Vorgeplänkel mag man halten, was man will, doch muss man es dem Filmteam lassen, einmal mehr in prachtvoller Ausstattung eine hochgradig stimmige, mysteriöse Gothic-Horror-Atmosphäre erschaffen zu haben, die für den typischen Wohlfühlfaktor sorgt. Im Prinzip gibt es nur zwei blutige Szenen, diese haben sich aber gewaschen, beispielsweise die superstarke Wiedererweckungssequenz Draculas, für die es sich gelohnt hat, den Grafen im ersten Teil sterben lassen zu haben. Dieser reinkarniert direkt mit seinem Ring am Finger und ist so mies gelaunt, dass er kein einziges Wort spricht. Die Begründungen dafür gehen auseinander; Sangster & Co. behaupten, dass Lees Rolle von vornherein so konzipiert war, Lee hingegen sagt, dass ihm seine Texte zu mies waren und er sich weigerte, sie zu rezitieren. Wie dem auch sei, es passt zu Draculas animalischer als zuvor erscheinenden Charakterisierung dieses Streifens. Dazu passt auch der zeitgemäß („Dracula“ erschien 1958, diese Fortsetzung 1966) etwas hochgeschraubte Erotik-Faktor, der Bram Stokers ursprünglicher Literaturvorlage ebenso etwas gerechter werden dürfte wie einige weitere klassische Motive der Geschichte, die hier erstmals aufgegriffen wurden. Ein Geniestreich wie der meilensteinige erste Teil ist „Blut für Dracula“ nicht geworden, aber eine interessante, gelungene Fortsetzung, die Freunde der Reihe befriedigen dürfte.