Ich muss gestehen, dass es allmählich zu meiner persönlichen Tradition wird, euch einmal im Jahr beim Müller-Räumungskauf zuzuschauen. In Großaufnahme: Die erst sicher zupackenden und die fraglichen DVDS dann doch wieder zögerlich zuückräumenden Hände. Die aufleuchtenden Augen, wenn sie auf irgendeiner Rarität oder einem besonders niedrigen Preissticker landen. Das zufriedene, begeisterte, kindlich-unschuldige Präsentieren der Ware aus Rucksäcken, Taschen und Jutebeuteln heraus. Ich glaube, das stille Zuschauen ist da fast so befriedigend wie das eigenhändige Forsten, Kaufen, Mit-nach-Hause-Nehmen.
Wobei ich aber, obwohl nichts gekauft, natürlich trotzdem einiges mit nach Hause genommen habe. Danke Jogi für die Mondo-Kopien, danke Santini für die nettte VHS-Überraschung, danke Reini und Dän für das Kofferraumbier, danke für Girolamis DEEP SEX (obwohl ich den seinerzeit ja recht zerrissen hab in diesen Heiligen Hallen), danke den Organisatoren für die Organisation, und danke allen Teilnehmenden für ihre Teilnahme und die vielen kleinen Dingen! Ich finde es jedes Mal erstaunlich, wie herzlich, respektvoll, ungezwungen die Veranstaltung abläuft - so ähnlich wie in einer Familie, deren Mitglieder einmal im Jahr zusammenkommen, und die sich aufgrund ihrer Blutbande von selbst versteht. In dieser Form und dieser Kontinuität habe ich das mit praktisch "Wildfremden", die man mehrheitlich wirklich nur alle zwölf Monate sieht, noch nie erlebt...
Ebenfalls wie jedes Jahr (oder jeden Tag) habe ich auch wieder viel gelernt über mich, über andere, über die Welt, und deshalb auch sehr viel Immaterielles im Gepäck verstaut. Eine Auswahl wäre:
- Es gibt Seminare an Wiener Universitäten, in denen blutjunge Studenten Cesare Canevaris L'ULTIMA ORGIA DEL III REICH schauen müssen.
- Wenn man einen Gutschein für zehn Euro hat, die man tagtäglich an der Hotelbar versaufen kann, dann sollte man den Kellner nicht darauf ansprechen, sonst wird man mit grimmiger Miene, endlosen Verhandlungen und unfreundlichem Bierglas-Hinschieben-und-Abwinken gestraft.
- Ich sollte mich dringend mehr mit Heinz G Konsalik beschäftigen.
- Auf der gegenüberliegenden Seite der Isar wird man als Gastronom, wenn man mehr als 2,80 für ein Bier verlangt, von der dortigen Bevölkerung verjagt.
- Das Anwesen, auf dem BUIO OMEGA gedreht wurde, besitzt auch in Wirklichkeit das Gebell räudiger Hunde, die man aber nie leibhaftig zu Gesicht bekommt.
- Das japanische Wort für Kaninchen lautet Usagi.
- In einer Videothek sollte man manchmal auf die Knie gehen und genau die Kassetten ausleihen, die in den untersten Regalen lagern und am meisten mit Staub bedeckt sind, und vor denen einen alle warnen.
- WENN AM SONNTAGABEND DIE DORFMUSIK SPIELT wurde 1953 gedreht und nicht 1956.
- Giacomo Guerrini, der die Story für BUIO OMEGA lieferte, ist der Sohn von Mino Guerrini, der 1966 D'Amatos Vorlage IL TERZO OCHHIO gedreht hat.
- Im Harzkreis liegt das Schachdorf Ströbeck, das auf eine jahrhundertealte Schachspieltradition zurückblicken kann.
- Beim Bierkauf sollte man auf die sogenannte TAB-Zahl auf dem Etikett achten, wobei jede römische Ziffer irgendeine andere Besonderheit bezeichnet.
- Die italienische Filmkomödie und ich, wir werden in diesem Leben wohl nie so richtig treue Freunde.
- Ich sollte mir wirklich endlich mal Notizen zu den Einführungen machen, um solche Peinlichkeiten zu vermeiden, dass man FRANKENSTEIN um eine Dekade zu spät datiert.
- Das Werkstattkino ist nach einem in Valencia, das ungefähr nur halb so groß ist, das flauschigste, gemütlichste, engste, sperrigste, kellerhaftigste, in dem ich jemals gesessen bin.
- Ich bin offenbar der einzige Mensch auf der Welt, der Di Leos LA BESTIA UCCIDE A SANGUE FREDDO für ein Meisterwerk des surrealen Kinos hält, und für den Film zum Triebmörder werden würde...
In diesem Sinne bis nächsten Oktober...