Mannaja - Das Beil des Todes
Mannaja
Italien 1977
Regie: Sergio Martino
Maurizio Merli, John Steiner, Sonja Jeannine, Donald O'Brien, Salvatore Puntillo, Antonio Casale, Enzo Fiermonte, Rik Battaglia, Aldo Rendine, Enzo Maggio, Sergio Tardioli, Sofia Lombardo
- Mannaja - A man called Blade.jpg (139.17 KiB) 442 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Christian Ade)
Kopfgeldjäger Mannaja tötet nicht nur mit dem Sechsschüsser, nein, sein Lieblingsspielzeug ist eine Axt, mit der er verdammt gut umgehen kann. Zum Beispiel, indem er den Festgenommenen die rechte Hand im Flugmodus abhackt! Aber eigentlich sucht Mannaja ganz etwas anderes, nämlich Rache für den Tod seines Vaters. Im hübschen Ort Suttonville findet er endlich Befriedigung, auch wenn der Weg dorthin lang, blutig und verdammt schlammig ist …
Und immer wenn man denkt, man hat alles gesehen … Ein Rachewestern, schön. Hauptfigur reitet ein, findet Objekt seiner Begierde, hat Anfangserfolge, verliebt sich, böser Antagonist bekommt Oberwasser und tötet die Geliebte des Helden, dieser erlebt seine Apotheose und schlussendlich darf er sich dann auch endlich rächen. Kennt man, liebt man, ist nicht neu, aber in den allermeisten (Western-) Fällen verdammt gut.
Und dann kommt MANNAJA. Prinzipiell ist der sowieso erstmal ein Ripoff von KEOMA, bis hin zum fast identischen Titeltrack, und was gegenüber KEOMA an Intensität und Gänsehaut fehlt, das wird mit Unmengen von Dreck wettgemacht, auch und gerade im psychischen Sinne. Die Niedertracht der Bösewichter übersteigt diejenige der Schurken aus den zeitgenössischen Poliziotti um einiges, und selbst beim schlimmsten Streik sind die Straßen von Rom niemals so versaut gewesen wie diejenigen von Suttonville.
Aber das Besondere an MANNAJA ist, dass er es schafft, öfters einmal die Richtung zu wechseln, und mit Ideen zu überraschen die man so einfach nicht erwartet hat, trotzdem aber gradlinig und voll auf die schlammige Zwölf daherzukommen. Klar gewinnt die Story an sich keinen Blumentopf mehr, was soll denn im Jahre 1977 an neuartigen Westernstories schon noch erzählt werden? Die Umsetzung ist das Entscheidende, und da ist Sergio Martino der Glücksgriff gelungen, die Atmosphäre der düstereren Polizei- und Mafiafilme gekonnt in den Western zu transferieren und zusätzlich noch mit einer gehörigen Portion Nihilismus anzureichern. Zusammen mit KEOMA (1976) und DER MANN AUS VIRGINIA (1977) ist MANNAJA somit der perfekt-dreckige Abgesang auf die einstmals so glorreichen Westernmythen. (Fulcis SILBERSATTEL nehme ich jetzt mal bewusst aus, den kann man ja eh nicht ernstnehmen, höchstens in der Preisklasse von UNSERE KLEINE FARM.) Hier wird so gekonnt und schmutzig gestorben wie selten, und der Höhepunkt ist erreicht, wenn die lustige Saloonmusik, zu der die Tanzmäuse die Beine schwingen, das Massaker an der Postkutsche unterlegt. Hier fällt ein Toter vom Kutschbock, und dort applaudiert die Menge. Das Humptata läuft dann zum Tode eines Mannes, und dieser stirbt mit Bewegungen, als ob er tanzt. Ein Todesballett. Eine böse und gemeine Parallelmontage, die im Magen des Zuschauers kein gutes Gefühl hinterlässt. So stelle ich mir Krieg vor …
Die Strafe für die heitere Musik und das Vergnügen folgt übrigens auf den Fuße: Die Tänzerinnen werden ausgepeitscht, und selbst das Love Interest des Helden bekommt einiges ab. Ja, das was uns da vom Herrscher dieses heimeligen Ortes namens Himmel als Elysium verkauft wird hat in Wahrheit wesentliche Züge der Hölle. Was sich Sergio Martino bei dieser Sequenz wohl gedacht haben mag …?
A propos Mythen: Interessant zu sehen, dass Maurizio Merli den Film in Nebelschwaden betritt, und im Nebel auch schlussendlich verschwindet.
Ein mythischer Rächer, der nicht von dieser Welt zu sein scheint, so könnte man den Eindruck gewinnen. Die (giftigen) Nebelschwaden, die durch die Silbermine ziehen, erwecken wiederum den Eindruck dass wir im Hades gelandet sind, und Mannaja, der dort gehörig aufräumen wird, eine gottgleiche Rache an einem verfluchten Ort ausüben will. Wenn aber dieser Ort bereits verflucht ist, so ist die stattfindende Revolte der Arbeiter gleich doppelt interessant: Ist die Mine vielleicht das heutige System, und wir Arbeiter sollten trotz drohender Verluste gegen die Herrschenden revoltieren? Aus der Hölle versuchen auszubrechen, nur um zu sterben? In diesem Zusammenhang nochmals der Hinweis auf die Auspeitschung der Huren an einem Ort, der mit dem Himmel gleichgesetzt wird, und so für die Beteiligten zur Hölle mutiert …
In erster Linie ist MANNAJA ein verdammt schmutziger und düsterer Western. Ein Zeit- und Sittenbild mit einem extrem Pessimismus und der, für den Spätwestern üblichen, Aussage „Wer zuerst tötet lebt länger“. Doch hinter dem ganzen Dreck und der Gewalt verstecken sich ein paar interessante Ideen die beweisen, dass selbst im vielgeschmähten Italo-Western sehr viel mehr möglich war als man auf den ersten Blick denkt. Gerade wegen seines späten Entstehungsdatums einer der interessantesten Western, den ich jemals gesehen habe.
7/10 Mindestens ...