Der Todesrächer von Soho
El muerto hace las maletas
Deutschland/Spanien 1971
Regie: Jess Franco
Horst Tappert, Fred Williams, Barbara Rütting, Elisa Montés, Luis Morris, Siegfried Schürenberg, Mara Laso, Eva Garden, Rainer Basedow, Ángel Menéndez, Wolfgang Kieling, Dan van Husen
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OFDB
Prinzipiell erstmal eine Aneinanderreihung von Bausteinen aus dem Edgar-Wallace-Krimibaukasten, ist die Story sehr wohl flott und spannend, atmosphärisch erstklassig umgesetzt, mit tollen Schauspielern, und überhaupt macht der Film einfach Laune.
Soweit mein Kurzkommentar zum Original DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER, einem CCC-Krimi aus der klassischen Hochzeit der Wallace-Filme. Knapp 10 Jahre später hat Jess Franco dann ein Remake gedreht, schauen wir doch mal, was er aus der sehr guten, wenngleich auch konventionellen Vorlage gemacht hat.
In London geht die Angst um: Männer aus dem Ausland finden ihre Koffer gepackt vor, und wenn sie dann voller Schrecken abreisen wollen, landet ein Messer in ihrem Herzen. Inspektor Redford von Scotland Yard ist bereits am Verzweifeln, da findet sich doch noch eine Spur. Der Arzt Dr. Bladmore, der zufällig am letzten Tatort zugange war, hat den Koffer des Opfers gestohlen. Redford findet nicht nur den Arzt suspekt, sondern auch dessen Angestellte Helen ausgesprochen liebreizend. Da verschwindet plötzlich sein alter Freund, der Kriminalschriftsteller Charles Barton. Redford tappt im Dunklen, der Zuschauer aber weiß mehr: Barton ist gar nicht Barton, sondern hat sich den Namen von einem früheren Zellengenossen geliehen. Außerdem ist er schwer drogensüchtig, und wie er in seinem Stammclub, der Flamingo-Bar, ein Abenteuer mit Mizzi sucht, kreuzt er unglücklich die Wege der Drogenmafia in Form der Barbesitzerin Celia, und landet daraufhin tot im Hafenbecken. Vermeintlich tot, denn er hat den fiesen Mordanschlag überlebt und will jetzt Rache. Rache für ein verpfuschtes Leben als Drogenabhängiger …
Klingt wirr? Ist wirr. Macht aber nichts, denn so halbwegs macht die Handlung durchaus Sinn, auch wenn das Original auf Logik und schlüssige Abläufe erheblich mehr Wert gelegt hatte. Was Franco aber dem älteren Film weit voraus hat ist die Stimmung die er aufs Tapet zaubert. TODESRÄCHER legt von Beginn an ein höllisches Tempo vor, welches alles und jeden beiseite fegt. Loch in der Handlung? Wurscht! Szenen die einander widersprechen? Egal!! Es wird gemordet und telefoniert dass sich die Balken biegen, und mittendrin mit Elisa Montés und Barbara Rütting zwei extrem gutaussehende Frauen, die beide sehr viel Erotik ausstrahlen – Die eine eher unschuldig und mit verweintem Mascara, die andere mehr lasziv-dominant im Lackmantel. Ein Traum, vor allem wenn Horst Tappert die Rütting zwischen zwei Bettpfosten fesselt, mit Parfüm bespritzt und droht ein Streichholz anzuzünden wenn sie nicht redet …
Zu diesem Tempo kommt noch eine fetzige und stimmige Musik (das Hauptthema aus Alfred Vohrers PERRAK treibt unaufhörlich nach vorne und bügelt jeden Gedanken an Langeweile einfach nieder), und die Fotografie ist glaube ich mit die Schönste, die ich jemals in einem Jess Franco-Film gesehen habe. Fischauge, Weitwinkel und Zoom treiben wildeste Spiele mit der Wahrnehmung des Zuschauers und führen ihn in eine Welt voller grafischer Überraschungen und Geheimnisse.
Wer spielt da sonst noch so mit? Horst Tappert ist genial und abgründig als Charles Barton auf seinem Rachefeldzug, Rainer Basedow mimt einen Sergeant der Jacky Chans Telefonstunt aus POLICE STORY fast vorwegnehmen könnte, und hat zusammen mit Fred Williams eine Sequenz beim Öffnen zweier Türen, die mich zum lauten Lachen animiert hat. In einem Jess Franco-Film etwas, was ich so fast nie erwartet hätte … Fred Williams ist nett und macht seine Sache als Inspektor sehr gut, und Luis Morris nervt mit der Stimme von Hans Clarin bei weitem nicht so sehr wie Eddi Arent im Original. Dafür hat es aber ein herrlich knuffiges
Sproioioingggg auf der Tonspur, wenn die Messer ihr Ziel treffen. Herzallerliebst …! Der damals schwer angesagte Giallo wird referenziert (ein Mord mit schwarzen Handschuhen, in Großaufnahme und mit den Augen des Mörders aufgenommen, sehr liebevoll inszeniert), und der Tod von Mizzi dürfte Brain Clemens inspiriert haben zum fast identischen Tod in der DIE PROFIS-Folge EVEREST WAS ALSO CONQUERED (auf deutsch SIR ARDENS GESTÄNDNIS) …
Wie würde dann also die Kurzkritik zur Franco-Version lauten? Prinzipiell erstmal eine wilde Ansammlung von Bausteinen aus einem Krimi-Baukasten, ist die Story extrem schnell, wenngleich auch nur bedingt spannend. Dafür aber atmosphärisch hinreißend umgesetzt, macht TODESRÄCHER mit tollen Schauspielern und fetziger Musik unglaublich Stimmung. Einer von Francos besten Filmen. Wenn man bereit ist, sein Hirn vollständig auszuschalten, und sich diesem Rausch rückhaltlos hinzugeben!
8/10