Anmerkung:
Nachdem ich den Film zum ersten Mal gesehen hatte, war ich relativ enttäuscht von ihm und schrieb eine recht unfaire Kritik über den Streifen, dies lag jedoch nur daran, dass ich damals nicht in der Lage war seine versteckte Genialität zu erkennen. Mittlerweile habe ich mich ein wenig gebildet, las ein paar filmwissenschaftliche Bücher und sprach mit ein paar Leuten, denen „Porno Holocaust“ mehr zugesagt hatte und dadurch war ich endlich im Stande, das Talent und das Können, mit welchem Joey „Porno Holocaust“ inszenierte, zu erkennen…
Handlung:
Bei seinem Auftrag eine Gruppe Wissenschaftler (darunter George Eastman) zu einer geheimnisvollen Insel überzuschiffen lernt Kapitän O’Day (Mark Shannon) die Liebe seines Lebens Annie (Lucia Ramirez) kennen. Doch das innige Verhältnis des jungen Paares wird durch das Grauen, welches auf der Insel lauert, in furchtbarster Weise auf die Probe gestellt…
Kritik:
Mit „Porno Holocaust“ schuf „Hospital der sexy Schwestern“-Regisseur Aristide Massaccesi alias Joe D’Amato eine bewegende Gesellschaftsstudie, die den Verfall sexueller Praktiken in der modernen Welt widerspiegelt. In unvergesslichen Bildern führt er uns die moralische Verwerflichkeit vor, mit der zwei der Wissenschaftlerinnen den Geschlechtsakt immer wieder ohne jegliche ihm eigene Andacht vollziehen, da es für sie zu einer unspektakulären Gewohnheit geworden ist. Durch die lieblose Kameraführung, welche er bei den Sexszenen an den Tag legt, deutet er hervorragend die Lieblosigkeit, welche die Partner während dieses Aktes verspüren, an und kreiert somit eine Geschichte äußerster Dekadenz, gegen die Tinto Brass’ „Caligula“ wie eine Rosamunde Pilcher Verfilmung wirkt.
Nichts ist hier erotisch, weil es nicht erotisch sein soll. Joey schafft hier keinen anregenden Porno, sondern die sarkastische Parodie eines solchen, ein Gegenporno, welche eine kritische Betrachtung der lieblos gewordenen Pornoindustrie bietet. Die ungeheure Länge des Filmes macht er sich ebenfalls zu nutze und verstärkt mit ihr das Gefühl der Langeweile, dass der Zuseher erfahren SOLL, damit er begreift, dass Erotik in der heutigen Zeit, in welcher sie an jeder Straßenecke anzutreffen ist, zu einer langweiligen Alltagspraxis heruntergestuft wurde.
In diesem Sumpf verwerflichen Geschlechtsverkehres sticht unser Liebespaar Shannon und Ramirez fast wie ein geheiligter Lichtstrahl der Hoffnung heraus. D’Amato zeigt nicht nur ihre Vereinigungen, sondern das Wachsen und Gedeihen ihrer Beziehung und ihre Liebe, wodurch erstgenannte nicht wie bei den negativen Charakteren als unnötiger Zeitvertreib, sondern als höchster Beweis ihrer Gefühle zueinander wirken. Die talentierte Lucia Ramirez agiert währenddessen bewusst hölzern, um dem Publikum verständlich zu machen, dass sie in diesem Film, keine spezielle Frau verkörpert, sondern vielmehr eine Symbolische. Ihre Rolle ist der Inbegriff einer guten Gattin, deren moralisches Bewusstsein ein Schild gegen eine verdorbene Welt darstellt.
Eine weitere Rolle, die mich sehr beeindruckt hat, ist die von George Eastman. Er mag nicht sonderlich heldenhaft agieren und beteiligt sich an keiner der Sexszenen, auch mag er kaum aus der Masse hervorstechen, aber genau darin liegt die Stärke seines Charakters. George Eastman bietet uns die ideale Identifikationsfigur, er verhält sich so, wie sich normale Menschen in den Situationen, in denen er sich befindet, verhalten würden. Normale Menschen spielen weder permanent den Helden noch stecken sie ununterbrochen ihren Phallus irgendwohin, sondern sie bleiben in solchen Extremsituationen meist im Hintergrund und damit ist es für die Zuseher besonders leicht, sich mit Eastmans Charakter zu identifizieren. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass seine Rolle als Identifikationsfigur noch zielführender ist als Shakespeares Horatio aus „Hamlet“.
Apropos „Sein oder Nichtsein“, kommen wir zu dem Zombie, welcher die geheimnisvolle Insel unsicher macht. Ich muss sagen, bei der Gestaltung des Monstrums hat sich D’Amato wesentlich mehr Mühe gegeben, als in seinem ähnlichen, jedoch wesentlich schlechteren Film „In der Gewalt der Zombies“. Anstatt uns einen hirnlosen uninteressanten Untoten vorzusetzen, zieht der Regisseur zwischen dem Zombie und Lucia Ramirez die King-Kong-Routine ab, ein Umstand der die moralischen Ebenen der Seele der Bestie ausleuchtet. Dieser Zombie will nicht töten, er will lieben, doch zu seinem unaussprechlichen Leid, überleben diejenigen, mit welchen er sich vereinigt, diesen Akt nicht. (P.S. Die Ironie, dass die Wissenschaftler, deren Sexsucht von D’Amato so verwerflich dargestellt wurde, durch den Geschlechtsakt zu Tode kommen, verfügt über eine unaussprechliche Genialität) Für ihn gehen Liebe und Tod immer Hand in Hand und in der zweiten Hälfte des Filmes geht er somit durch eine äußerst spannende moralische Zwickmühle, ob er die so verehrte Lucia Ramirez lieben solle, obwohl dies ihren Tod bedeuten würde.
Neben dem Hauptthema der verdorbenen modernen Sexualität spricht Joey noch unzählige andere Missstände der heutigen Zeit an, die er gleichsam mit Humor als auch seriös dem Publikum näher bringt. Beispielsweise lässt er sich in einem über köstlichen Wortwitz verfügenden Gespräch zwischen Shannon und Ramirez über die Überhandnahme von Tiefkühlprodukten aus. In dieser Szene, in der den Dialogen so eine große Bedeutung zuzumessen ist, verzichtet D’Amato extra auf einen Cut oder verschiedene Einstellungen, damit sich der Zuseher voll und ganz auf das Gesagte konzentrieren kann, ohne von visueller Überstilisierung abgelenkt zu werden.
Unter den zahllosen filmischen Stilmitteln, welche der talentierte Regisseur anwendet um all diese Ideen auszudrücken befindet sich auch die komplizierte Technik des Illusionsbruchs, welche D’Amato jedoch mit Bravur meistert. Dies bedeutet, dass ein Regisseur den Film bewusst als solchen enttarnt, um das Publikum aus der gefährlichen Illusion herauszuholen, welche oft den Blick auf die Aussagen verschleiert. Neben unzähligen Avantgarde-Regisseuren sei hier auf Mario Bavas „Die drei Gesichter der Furcht“ verwiesen. Joey macht es jedoch viel geschickter, da er die Illusionsbrüche nicht so offensichtlich anlegt. Über den ganzen Film verteilt hat er Kleinigkeiten eingebaut, wie Vierte-Wand-Brüche oder ein Mitglied der Crew, welches in einem Boot, in welchem es nicht sein sollte, zu entdecken ist. Dadurch erzielt er ebenfalls einen Bruch der Illusion, macht es aber nicht so schmerzhaft deutlich wie diese Dilettanten Bava und Co.
Das einzige, was in „Porno Holocaust“, einem sonst durch und durch perfekten Film, gar nicht geht ist das grauenvolle Titelthema. Viel zu fröhlich, auf Unterhaltungskino verweisendes Herumgedudel wirkt einfach nur unpassend in einem Film, welcher so von Aussagen und Ideen strotzt, wie „Porno Holocaust“. Hätte sich D’Amato in der Hinsicht an beispielsweise Stanley Kubrick orientiert und stattdessen klassische Musik genommen, wäre „Porno Holocaust“ als durch und durch perfekt in den Himmel der absoluten makellosen Meisterwerke aufgestiegen, wo er seinen verdienten Platz neben „Citizen Kane“, „Metropolis“ und „Wer die Nachtigall stört“ eingenommen hätte. Trotz des kleinen Negativaspektes des Titelthemas, kann man einem so überwältigenden Meisterwerk wie „Porno Holocaust“ jedoch keinesfalls die Höchstnote verwehren.
Fazit: Der talentierte Joe D’Amato schuf mit „Porno Holocaust“ ein gewaltiges Feuerwerk an gesellschaftskritischen Theorien, die er uns in ergreifenden Bildern näher bringt. Besonders den Verlust des Geheiligten an der Sexualität klagt er in erschreckend realer Weise an. Daher gehört „Porno Holocaust“ neben „Ator 2 – Der Unbesiegbare“ zu den bedeutungsvollsten Werken des italienischen Intellektuellen. 10/10
P.S.